Inhalt

VG München, Urteil v. 21.03.2024 – M 15 K 22.6490
Titel:

Unterhaltsvorschuss, Unbekannter Vater, Verletzung der Mitwirkungspflicht

Normenkette:
UVG § 1 Abs. 3
Schlagworte:
Unterhaltsvorschuss, Unbekannter Vater, Verletzung der Mitwirkungspflicht
Fundstelle:
BeckRS 2024, 20762

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin beantragte am … … 2022 für ihre am … … 2016 geborene Tochter E … Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG). Das Kind lebe seit der Geburt bei der Klägerin und die Vaterschaft sei nicht feststellbar. Der Vorname des Vaters sei M … Da der Elternteil, bei dem das Kind nicht lebe, unbekannt sei, seien Bemühungen um Unterhaltszahlungen dieses Elternteils nicht vorgenommen worden.
2
Mit Schreiben vom … … 2022 forderte der Beklagte von der Klägerin unter anderem die Vaterschaftsanerkennung sowie nähere Angaben zum Kindsvater, zu Kontaktversuchen und zu einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren an.
3
Mit E-Mail vom … … 2022 teilte die Klägerin stichpunktartig mit, dass es keine Vaterschaftsanerkennung gebe, da der Vater unbekannt sei. Sie habe letztmals im … 2016 mit ihm Kontakt gehabt und ca. im … 2016 versucht ihn anzurufen, die Nummer sei jedoch falsch gewesen. Ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren laufe nicht. Sie habe den Mann nur zweimal getroffen, es habe keine weiteren Treffen und weder eine Beziehung noch eine Freundschaft gegeben.
4
Mit Schreiben vom … … 2022 wurde die Klägerin anhand von acht Fragen erneut aufgefordert, die näheren Umstände des Kennenlernens und der Zeugung des Kindes ausführlich zu schildern und diese darauf hingewiesen, dass aufgrund fehlender Mitwirkung kein Anspruch auf Unterhaltsleistung bestehe.
5
Daraufhin schilderte sie, dass sie den Kindsvater Ende … … 2016 in einem Restaurant in der M … Innenstadt kennengelernt habe. Sie hätten nur kurz miteinander gesprochen und sich dann für drei oder vier Tage später in einem Café verabredet. An diesem Abend hätten sie noch zwei andere Kneipen besucht. An die Namen dieser Lokalitäten könne sie sich nicht erinnern. Bei dem zweiten Treffen, das ca. vier Stunden gedauert habe und bei dem sie alkoholische Getränke zu sich genommen habe, hätten sie sich blendend unterhalten und gelacht. Der Geschlechtsverkehr habe an und im Auto des Kindesvaters auf dem Heimweg von M … nach F … stattgefunden. Da die fruchtbaren Tage nach ihrer Berechnung noch nicht begonnen hätten, habe sie nicht verhütet. Der Kindesvater habe gesagt, dass er sie wieder anrufe. Das Ganze sei über sechs Jahre her, deshalb könne sie sich an das genaue Datum, wann sie von der Schwangerschaft erfahren habe, nicht erinnern. Wahrscheinlich sei dies im … gewesen. Unmittelbar nach Bestätigung der Schwangerschaft habe sie den Kindesvater angerufen, die Telefonnummer, die sie gewählt habe, sei aber nicht vergeben gewesen. Sie habe es mehrmals versucht, es sei aber immer die gleiche Bandansage gekommen. Eine E-Mail- oder Wohnadresse habe sie nicht. In der Schwangerschaft sei es ihr gesundheitlich sehr schlecht gegangen und sie habe mehrere Krankenhausaufenthalte gehabt, weshalb sie außer den Versuchen der telefonischen Kontaktaufnahme keine weiteren Nachforschungen habe anstellen können. Sie habe auch gar nicht gewusst, auf welche Art und Weise sie hätte nachforschen sollen.
6
Mit Schreiben vom … … 2022 stellte der Beklagte hierzu weitere Nachfragen, die die Klägerin mit E-Mail vom … … 2022 knapp beantwortete. Die Frage, ob sie alleine im Restaurant gewesen sei, beantwortete sie mit einer Gegenfrage („meinen Sie alleine oder ohne Begleitung?“). Worüber sie und der Kindesvater gesprochen hätten, wisse sie nicht mehr. Gleiches gelte für Marke und Farbe des Autos. Sie habe nicht versucht, den Kindesvater über soziale Medien ausfindig zu machen. Sie nutze diese nicht. Auch habe sie nicht gewusst, wonach sie hätte googeln sollen. Es dränge sich ihr das Gefühl auf, dass sie mit den Fragen bewusst mürbe gemacht werden solle. Ihre Freizeit sei begrenzt und um die Fragen in Ruhe zu beantworten, habe sie jedes Mal ihre Tochter unpädagogisch für mehrere Stunden vor den Fernseher setzen müssen.
7
Mit Bescheid vom … … 2022 wurde der Antrag abgelehnt.
8
Der Anspruch auf Leistung nach UVG sei ausgeschlossen, wenn nicht dargelegt werde, dass unverzüglich nach Feststellung der Schwangerschaft das Mögliche und Zumutbare versucht worden sei, den Vater des Kindes zu finden, und zwar auch bei ungewissen Erfolgsaussichten. Hierfür müsse die Klägerin nicht nur vorhandenes Wissen mitteilen, sondern auch selbst Nachforschungen anstellen, die ohne Schwierigkeiten möglich seien. Es müssten umfassende und möglichst belegbare Auskünfte über die Umstände erteilt werden. Im Zuge der Abwägung und Bewertung bestünden Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen, da die Klägerin sich wohl blendend unterhalten habe, aber bis auf den Vornamen keinerlei Angaben zum Kindsvater machen könne. Dass die Klägerin nach nur einmaligem Geschlechtsverkehr schwanger geworden sei, sei sehr unwahrscheinlich. Die Klägerin habe nicht angegeben, ob sie mit weiteren Personen im Restaurant gewesen sei, die eventuell bei der Identifikation des Vaters behilflich sein könnten. Auch die Namen der besuchten Lokalitäten habe sie nicht nennen können. Es bestehe der Eindruck, dass die Klägerin vorhandenes Wissen oder Erkenntnisse über die näheren Umstände der Vaterschaft zurückhalte. Der Klägerin wären z.B. Suche in M …, Anfragen bei den Lokalitäten oder eine Suchanzeige bzw. das Ausschauhalten in sozialen Medien möglich und zumutbar gewesen.
9
Hiergegen erhob die Prozessbevollmächtigte der Klägerin am … … 2022 Widerspruch. Das aus dem damaligen harmlosen Geplänkel eine Schwangerschaft resultieren würde, sei seinerzeit nicht zu erwarten gewesen, was mit der Grund dafür gewesen sei, dass keine umfassenden Daten getauscht und/oder abgespeichert worden seien. Gerade weil die Klägerin davon ausgegangen sei, dass das Zusammentreffen ohne Konsequenzen bleiben würde, habe man es beim Austausch der Vornamen belassen. Die Klägerin habe nach Feststellung der Schwangerschaft versucht, Ermittlungen hinsichtlich der Identität des Vaters zu betreiben. Hier hätten jedoch die unerwünschten Begleiterscheinungen der Schwangerschaft mit massiven gesundheitlichen Schwierigkeiten eine zeitnahe umfassende Recherche erschwert. Mit zunehmendem Zeitablauf sei es umso schwieriger geworden, noch an die spärlichen Informationen, die vorhanden gewesen seien, anzuknüpfen.
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Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom … … 2022 zurückgewiesen.
11
Die Klägerin habe eine gesteigerte Mitwirkungspflicht, vollständige und wahrheitsgemäße Angaben über den Vater des Kindes zu machen und damit bestmöglich bei der Feststellung der Vaterschaft und des Aufenthalts des Vaters mitzuwirken, um Unterhaltsvorschussleistungen für das Kind erhalten zu können. Der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss sei auch ausgeschlossen, wenn die Klägerin nicht darlege, dass sie unverzüglich nach Feststellung der Schwangerschaft das Mögliche und Zumutbare versucht habe, den Vater des Kindes zu finden. Sie müsse nicht nur vorhandenes Wissen mitteilen, sondern auch selbst Nachforschungen anstellen, die ohne Schwierigkeiten möglich seien. Bei der Prüfung bzw. Bewertung seien strenge Maßstäbe anzulegen. Unglaubhafte Angaben könnten beispielsweise dann vorliegen, wenn Schilderungen detailarm und pauschal seien und sich die Mutter in Widersprüche verwickele. Die Klägerin habe nicht nachvollziehbar dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie weitere Angaben zum Vater des Kindes nicht machen könne. Es dränge sich der Eindruck auf, dass die Klägerin vorhandenes Wissen oder Erkenntnisse über die näheren Umstände der Vaterschaft bzw. der Bekanntschaft zum Vater des Kindes zurückhalte. Obwohl sich die Klägerin wohl blendend unterhalten habe, habe sie nach zweimaligem Treffen bis auf den Vornamen keinerlei Angaben zum Vater des Kindes machen können. Sie habe keinerlei Namen der Lokalitäten nennen können, sich aber erinnert, wo der Geschlechtsverkehr stattgefunden habe. Sie habe nicht angegeben, ob sie mit weiteren Personen im Restaurant gewesen sei, die eventuell bei der Identifikation des Vaters behilflich sein könnten. Auch habe sie nicht alle möglichen und zumutbaren Bemühungen unternommen, um den Kindesvater ausfindig zu machen. Dies wäre z.B. die Suche in M …, die Anfrage bei den Lokalitäten oder eine Suchanzeige gewesen. Es seien ebenso keine Nachweise vorgelegt worden, die belegten, dass die Kindesmutter aufgrund des Gesundheitszustandes nicht nach dem Kindsvater habe suchen können. Eine Suche sei auch nicht nach Verbesserung des Gesundheitszustands erfolgt. Auch stelle sich die Frage, wieso die Klägerin als Mutter eines minderjährigen Kindes, die alleine die finanzielle Belastung für dieses tragen müsse, erst sechs Jahre nach dessen Geburt einen Antrag auf UVG-Leistungen gestellt habe. Im Rahmen einer Gesamtbewertung dränge sich der Eindruck auf, dass die Klägerin vorhandenes Wissen bzw. Erkenntnisse über die näheren Umstände der Bekanntschaft Beziehung zum Kindsvater absichtlich zurückhalte.
12
Auf eine Entscheidung des VG Aachen vom 19. Januar 2010 (2 K 706/08) wurde Bezug genommen.
13
Hiergegen erhob die Prozessbevollmächtigte der Klägerin am … … 2022 Klage und beantragte mit Schriftsatz vom … … 2023, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom … … 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides am … … 2022 zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom … … 2022 hin Leistungen nach dem UVG für das Kind E … zu gewähren.
14
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die Klägerin bereits dargelegt habe, dass sie seinerzeit davon ausgegangen sei, dass das Zusammentreffen mit dem Kindesvater ohne Konsequenzen bleiben würde, sodass kein intensiverer Austausch von persönlichen Daten und/oder Telefonnummern etc. vorgenommen worden sei. Nach der unerwarteten Schwangerschaft sei es ihr nicht mehr gelungen, den vermuteten Erzeuger ausfindig zu machen. Sie habe zwar entgegen den Unterstellungen des Beklagten zunächst noch versucht, weitere Informationen zum möglichen Vater einzuholen. Die Schwangerschaft habe sich jedoch kompliziert und anstrengend gestaltet, sodass aufgrund der gesundheitlichen Schwierigkeiten eine zeitnahe und umfassende Recherche nicht habe stattfinden können. Mit zunehmendem Zeitablauf sei es umso schwieriger geworden, an die spärlichen Informationen, die noch vorhanden gewesen seien, anzuknüpfen. In den letzten Jahren seien einige Änderungen im Unterhaltsvorschussgesetz vollzogen worden, die den Bezug der entsprechenden Leistungen auf Seiten der Alleinerziehenden ausweiteten und vereinfachten. Insoweit habe der Gesetzgeber die Not, in der sich alleinerziehende Eltern befänden, anerkannt und dieser Rechnung getragen. Die Haltung des Beklagten hinsichtlich des Antrags der Klägerin offenbare, dass eine solche wohlwollende Betrachtung in dem zur Entscheidung stehenden Einzelfall keinen Einzug gefunden habe. Von der Klägerin könne nichts Unmögliches verlangt werden. Es sei keineswegs so, dass staatliche Leistungen zur Unterstützung alleinerziehender Eltern nur dann gewährt werden könnten, wenn der Staat seinerseits in die Lage versetzt werde, die vorgestreckten Leistungen vom zahlungspflichtigen Elternteil zu regressieren. Es sei eine bloße Unterstellung, dass die Klägerin sich nicht hinreichend um die Aufklärung der Identität des Kindesvaters bemüht habe. Auf ein Urteil des VG Düsseldorf vom 12. August 2016 (21 K6480/15) wurde Bezug genommen. Die Klägerin habe weder absichtlich auf die Leistungen des barunterhaltspflichtigen Kindesvaters verzichtet noch habe sie bewusst und gewollt eine Situation geschaffen, in der ein Rückgriff auf diesen tatsächlich unmöglich sei. Ihr sei damals nicht bewusst gewesen, dass ein Rückgriff auf diesen Mann zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen notwendig sein würde. Sie habe damit nur unbewusst und ungewollt (faktisch) auf Unterstützungsleistungen durch den anderen Elternteil verzichtet und zudem unbewusst und ungewollt eine Situation geschaffen, in der ein Rückgriff auf diesen tatsächlich unmöglich sei.
15
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
16
Die Klägerin habe Fragen nur in kurzen Stichpunkten beantwortet und es sei der Eindruck entstanden, dass diese von der Befragung genervt sei und nicht den Willen habe, eine ausführliche Beantwortung durchzuführen. Sie habe angegeben, für die Beantwortung die Tochter mehrere Stunden unpädagogisch vor den Fernseher habe setzen müssen, was im Hinblick auf die pauschale und knappe Beantwortung unglaubhaft sei. Es erscheine unglaubwürdig, dass die Klägerin erst bei Bekanntwerden der Schwangerschaft versucht habe, den Kindsvater anzurufen und zwischenzeitlich kein Kontaktversuch geherrscht habe, vor allem, weil sie sich nach Angaben der Klägerin blendend unterhalten und viel gelacht hätten. Es erscheine nicht glaubhaft, dass sich die Klägerin nicht mehr daran erinnern vermöge, wann sie von der Schwangerschaft erfahren habe. Da nach ihrer Berechnung die fruchtbaren Tage noch nicht begonnen gehabt hätten, habe die Überraschung groß gewesen sein und einen bleibenden Eindruck hinterlassen müssen. In der Gesamtbetrachtung zeige sich, dass sich die Klägerin nur noch an die Dinge erinnere, die keine Anhaltspunkte zum Kindsvater lieferten. Sie erinnere sich noch an uninteressante Nebenpunkte, aber nicht an die wesentlichen Dinge, wie Gesprächsinhalte. Abgesehen von dem einen Anruf habe es keine weiteren Versuche gegeben, den Kindsvater zu finden. Die Klägerin mache insoweit andere Angaben als die Rechtsanwältin, die ausgeführt habe, dass nur die Vornamen und keine Telefonnummern ausgetauscht worden seien. Wie die geltend gemachten Bemühungen, den Kindsvater ausfindig zu machen, ausgesehen hätten, sei weder dargelegt noch in irgendeiner Weise nachgewiesen worden. Die Klägerin habe weder beantwortet, ob sie im Restaurant alleine mit dem Kindesvater gewesen sei, noch habe sie nach Besserung des Gesundheitszustandes mit der Suche nach diesem begonnen. Auch seien Nachweise, dass ihr Gesundheitszustand eine Suche unzumutbar gemacht hätte, nicht vorgelegt bzw. ausführlich vorgetragen worden. Die Klägerin hätte z.B. die Lokalitäten aufsuchen können bzw. wäre eine Suche von Bildern der Abende über das Internet möglich gewesen. Zudem wäre es zumutbar gewesen, sich in den sozialen Medien anzumelden, um nach dem Kindsvater zu suchen. All dies wäre durchaus von zu Hause aus möglich gewesen. Die Klägerin habe nur detailarme und wortkarge Angaben gemacht und nicht alle zumutbaren Bemühungen unternommen, um den Kindsvater ausfindig zu machen. Damit komme sie nach der Rechtsprechung ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach. Entgegen der Auffassung der Klägerseite erfolge seitens des Beklagten keine pauschale Ablehnung von Leistungen nach dem UVG. Könne die Mutter keine Angaben zur Person des Kindesvaters machen, sei glaubhaft und nachweislich darzulegen, warum dies der Fall sei. Ebenso, ob alle zumutbaren und möglichen Versuche unmittelbar bei Bekanntwerden der Schwangerschaft erfolgt seien, um den Kindsvater ausfindig zu machen. Es sei immer der Einzelfall zu prüfen und die Mutter sei zur Mitwirkung verpflichtet. Im vorliegenden Fall sei weder ausführlich dargelegt, warum die Klägerin keine Angaben zum Ablauf des Kennenlernens und des zweiten Treffens machen könne, noch sei dargelegt worden, wie die Versuche der Suche nach dem Kindsvater ausgesehen hätten. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf sei hier nicht anwendbar, denn von der Behörde sei dort als Ablehnungsgrund die analoge Anwendung der anonymen Samenspende und die bewusste und gewollte Handlung, dass die Mutter von vornherein einen Regress unmöglich mache, herangezogen worden. Hier sei die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen und es drängten sich Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen auf, da die Klägerin kaum Angaben zum Kindsvater machen und sich auch an so gut wie gar nichts mehr erinnern könne.
17
Auf ein Urteil des VGH Mannheim vom 17. Oktober 2018 (12 S 773/18) wurde Bezug genommen.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom … … 2024 Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).

Entscheidungsgründe

19
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Diese hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem UVG (§ 113 Abs. 5 VwGO).
20
1. Gemäß § 1 Abs. 1 UVG hat Anspruch auf Unterhaltsleistung nach dem UVG, wer – wie die Tochter der Klägerin – das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, im Geltungsbereich des UVG bei einem Elternteil lebt, der ledig, verwitwet, geschieden oder dauernd von seinem Ehegatten/Lebenspartner getrennt lebt, und nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt von dem anderen Elternteil oder Waisenbezüge erhält.
21
Allerdings besteht der Anspruch auf Unterhaltsleistung nach dem UVG u.a. dann nicht, wenn der Elternteil, bei dem das Kind lebt, sich weigert, die Auskünfte, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen oder bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils mitzuwirken (§ 1 Abs. 3 UVG).
22
Diese Vorschrift begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (OVG Sachsen, U.v. 24.5.2023 – 5 A 350/22 – juris Rn. 30) und die Beweislast, ob eine Weigerung oder fehlende Mitwirkung vorliegt, liegt bei dem Elternteil, bei dem das Kind lebt (OVG Sachsen, U.v. 24.5.2023 – 5 A 350/22 – juris Rn. 30), hier also bei der Klägerin als Kindsmutter.
23
Diese genügt ihrer Mitwirkungspflicht, wenn sie – erstens – glaubhaft macht, die Identität des Vaters nicht zu kennen. Dabei ist in entsprechender Anwendung von § 65 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zu berücksichtigen, ob es Gründe für eine Begrenzung der Mitwirkungsobliegenheiten gibt; vor allem kann es der Mutter unter engen Voraussetzungen unzumutbar sein, entsprechende Angaben zu machen, etwa in extremen Konfliktlagen. Ist die Schilderung der Kindsmutter nicht glaubhaft, liegt darin eine Weigerung, an der Feststellung der Vaterschaft mitzuwirken. Wer offensichtlich falsche oder verschleiernde Angaben macht, weigert sich, sachdienliche Angaben zu machen. Wenn die Angaben der Mutter zum Verlauf der Zeugung und der Zeit danach detailarm und pauschal sind, kann darin eine Weigerung gesehen werden, an der Feststellung der Vaterschaft mitzuwirken (OVG Sachsen, B.v. 17.12.2019 – 3 D 41/19 – juris Rn. 11 m. w. N.), wohingegen eine detaillierte Schilderung ein Indiz dafür ist, dass das Geschilderte auch das Erlebte ist (vgl. VGH BW, U.v. 17.10.2018 – 12 S 773/18 – NJW 2019, 869). Letztlich besteht die Mitwirkungspflicht gemäß § 1 Abs. 3 UVG nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren, wobei sich die Frage, was der Mutter möglich und zumutbar ist, nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt (vgl. BVerwG, U.v. 21.11.1991 -- 5 C 13.87 – juris Rn. 16 f.; SächsOVG, B.v 22.6.2010 – 5 D 33/10 – juris Rn. 5). Ist der Mutter eine detailliertere Schilderung als die durch sie erfolgte nicht möglich, darf nicht auf die Unglaubhaftigkeit ihrer Angaben und die Verletzung der Mitwirkungspflicht geschlossen werden. Die Mitwirkungspflicht der Kindsmutter umfasst auch nicht, dass aufgrund ihrer Angaben der Kindsvater tatsächlich ermittelt werden kann (vgl. zum Ganzen Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 129 ff. und 154 ff. m.w.N.). Ist das Vorbringen der Kindsmutter, die Identität des Kindsvaters nicht zu kennen, glaubhaft, setzt die Mitwirkungspflicht – zweitens – voraus, dass die Kindsmutter alles ihr Mögliche und Zumutbare getan hat, um den Kindsvater zu ermitteln (vgl. VGH BW, U.v. 9.12.1992 – 6 S 760/91 – juris Rn. 18). Die notwendigen Obliegenheiten der Kindsmutter gemäß § 1 Abs. 3 UVG umfassen auch mögliche und zumutbare Bemühungen, den Kindsvater (spätestens) nach Bekanntwerden der Schwangerschaft zeitnah selbst zu ermitteln (OVG NRW, B.v. 28.7.2021 – 12 A 468/20 – juris Rn. 12; OVG Rh.-Pf., U.v. 24.9.2018 – 7 A 10300/18 – juris Rn. 25). Offensichtlich aussichtslose Ermittlungen muss die Kindsmutter jedoch nicht anstellen (vgl. OVG Saarland, U.v. 11.3.2021 – 2 A 21/21 – juris Rn. 26 f.; Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 137). Wird der Antrag auf Unterhaltsvorschuss erst einige Jahre nach der Geburt des Kindes gestellt, ist nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen, sondern darauf, was die Mutter spätestens nach der Feststellung, dass sie schwanger ist, zur Feststellung des Kindsvaters unternommen hat. Die Norm des § 1 Abs. 3 UVG ist deshalb so auszulegen, dass es für die Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft grundsätzlich auf den Zeitpunkt unmittelbar nach dem Geschlechtsverkehr, sofern die Kindsmutter von einer Empfängnis ausgehen musste, spätestens auf den Zeitpunkt der Feststellung der Schwangerschaft ankommt (vgl. zum Ganzen OVG Sachsen, U.v. 24.5.2023 – 5 A 350/22 – juris Rn. 33 f.; vgl. a. Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 140 f., 154 ff. m.w.N.). Zudem hat die Kindsmutter Fragen der zuständigen Behörde regelmäßig erschöpfend zu beantworten (VG München, U.v. 7.7.2022 – M 18 K 18.3413 – juris Rn. 37).
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2. Dies zugrunde gelegt ist hier ein Anspruch auf Leistungen nach § 1 Abs. 3 UVG ausgeschlossen. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die Klägerin in der mündlichen Verhandlung glaubhaft machen konnte, die Identität des Vaters nicht zu kennen, da zumindest eine Verletzung der Pflicht, bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils mitzuwirken, zu bejahen ist:
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Die Klägerin konnte nicht glaubhaft machen, geschweige denn belegen, dass sie an der Feststellung der Vaterschaft mitgewirkt hat. Ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren wurde nicht eingeleitet und vor allem hat sie nach ihren Angaben im Verwaltungsverfahren und in der mündlichen Verhandlung lediglich an zwei Tagen – vergeblich – versucht, mit dem Kindsvater telefonisch in Kontakt zu treten. Weitere Bemühungen, den Vater des Kindes bzw. seinen genauen Aufenthaltsort zu ermitteln und ggf. eine Vaterschaftsanerkennung zu erreichen, hat sie dagegen nach eigenen Angaben nicht unternommen. Zu denken wäre insoweit z.B. an Nachfragen und Aushänge im Umfeld der Orte, an dem die Klägerin und der Kindsvater sich kennengelernt bzw. getroffen haben (vgl. OVG Sachsen, U.v. 24.5.2023 – 5 A 350/22 – juris Rn. 47), vor allem aber an Suchen im Internet und in den sozialen Medien. Dabei wäre es der Klägerin auch möglich und zumutbar gewesen, sich bei entsprechenden Plattformen anzumelden oder Bekannte bzw. Verwandte, die in sozialen Medien aktiv sind, mit der entsprechenden Suche zu beauftragen. Es ist auch davon auszugehen, dass sie, wenn sie zeitnah wieder nach M … gefahren wäre, zumindest eine der insgesamt drei Lokalitäten, in denen sie sich mit dem Kindsvater getroffen hatte, wiedergefunden hätte.
26
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der – i.Ü. nicht belegten – Schilderung der Klägerin, ihre Schwangerschaft sei sehr schwierig gewesen und sie sei immer wieder krank bzw. im Krankenhaus gewesen. Zum einen war die Klägerin auch nach ihren eigenen Angaben nicht durchgehend krank, sondern arbeitete sogar teilweise, so dass ihr die o.g. Recherchen zwischenzeitlich möglich gewesen wären, zumal sie zumindest die Online-Recherche größtenteils auf Dritte hätte delegieren können. Zum anderen wären ihr aber spätestens nach Beendigung der (Problem-)Schwangerschaft weitere Nachforschungen möglich und zumutbar gewesen.
27
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.
28
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.