Inhalt

VGH München, Beschluss v. 12.01.2024 – 19 CS 23.1599
Titel:

Erfolglose Beschwerde gegen sofortige Vollziehung eines Abschussplans für Rotwild

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1
BJagdG § 21
BayJG Art. 32
Leitsätze:
1. Da sich die für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit maßgebliche Sach- und Rechtslage nach dem jeweils heranzuziehenden materiellen Fachrecht beurteilt und die Abschusspläne das Jagdverhalten in der Folgezeit steuern sollen, ist maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt der Zeitpunkt der Festsetzung des Abschussplans durch die Untere Jagdbehörde. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Den Jagdbehörden steht bei der Festlegung von Ausmaß und Art der Abschüsse nach § 21 BJagdG, Art. 32 BayJG und § 15 AVBayJG weder ein planerisches Ermessen noch ein vom Gericht nicht voll nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Der Behörde ist kein planerischer Gestaltungsspielraum eingeräumt, auch wenn die Abschusszahl nicht mathematisch-logisch zu bestimmen ist. Das Gericht kann die in den Vorschriften gebrauchten unbestimmten Rechtsbegriffe daraufhin überprüfen, ob die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt richtig gewertet hat, ob sie die verschiedenen Belange entsprechend der Zielvorgabe des Gesetzgebers zutreffend abgewogen hat und ob die Höhe des Abschusses sich noch in einem vertretbaren Zahlenrahmen befindet. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei einer Abschussregelung besteht die Wahrung der in § 21 Abs. 1 BJagdG genannten Belange vor allem im Schutz gegen Wildschäden.  Bei der Abschussfestsetzung kommt es hinsichtlich der Forstwirtschaft auf das Interesse an der Abwehr von Wildschäden an. Bei der Beurteilung dieses Interesses ist die Forstwirtschaft abstrakt generalisierend in den Blick zu nehmen. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abschussplan, Rotwild, Anordnung der sofortigen Vollziehung, Beteiligung der Unteren, Naturschutzbehörde, Forstliche Gutachten, Überhöhte Rotwildbestände, Rotwildlebensraumfläche, Vertretbarer Zahlenrahmen
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 21.08.2023 – Au 8 S 23.1108
Fundstelle:
BeckRS 2024, 2075

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Beschwerdeverfahren weiterhin die vom Verwaltungsgericht abgelehnte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die für sofort vollziehbar erklärte Festsetzung des Abschussplans für Rotwild für das Jagdjahr 2023/2024 durch den Antragsgegner für das u.a. von ihm gepachtete Gemeinschaftsjagdrevier … (im Folgenden: Jagdrevier) mit einer Jagdfläche von etwa 3.140 ha.
2
Das Jagdrevier gehört zur Hochwildhegegemeinschaft …, liegt südlich von … im … und grenzt unmittelbar (auch) an das u.a. ebenfalls vom Antragsteller gepachtete Eigenjagdrevier … an. Die beiden Jagdreviere gehören mit weiteren 19 Revieren zum Hegering … … und bilden innerhalb des Hegerings mit sieben der 19 Reviere den Bereich „…“.
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Der Antragsteller macht im Wesentlichen geltend, die Begründung des Sofortvollzuges im angegriffenen Bescheid genüge den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht, die Untere Naturschutzbehörde sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden und die Festsetzung des Abschussplans sei auch materiell rechtswidrig.
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Der Antragsgegner verteidigt die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Abschussplans.
II.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
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Die in der Beschwerdebegründung angeführten Gründe, auf deren Prüfung sich das Beschwerdegericht grundsätzlich zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
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1. Entgegen der Auffassung des Antragstellers genügt die Begründung des Sofortvollzuges im angegriffenen Bescheid den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
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Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht bereits genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (BVerwG, B.v. 18.9.2001 – 1 DB 26.01 – juris Rn. 6).
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Gemessen an diesen Maßgaben ist die Begründung des Sofortvollzugs in der Anlage zum (Formblatt-)Bescheid vom 1. April 2023 über die Festsetzung des Rotwildabschussplans für das Gemeinschaftsjagdrevier … betreffend das Jagdjahr 2023/2024 nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner führt darin aus, es sei im Hinblick auf die Situation des Waldes im öffentlichen Interesse nicht vertretbar, mit der Erfüllung des Abschussplans bis zum Abschluss eines etwaigen Rechtsbehelfsverfahrens zu warten. Eine zeitliche Verzögerung oder ein zu geringer Abschuss würden die Rotwildplanung langfristig in Frage stellen und das Ziel der Bejagung (Begrenzung des Wildbestandes auf eine waldbaulich verträgliche Dichte) gefährden. In der Begründung zum angegriffenen Abschussplan hat der Antragsgegner insoweit insbesondere sowohl ausführlich dargelegt (dort insbesondere unter Nr. 5), wie er den aktuellen Zustand des sich im Gemeinschaftsjagdrevier … (und auch im benachbarten Eigenjagdrevier …*) befindlichen Waldes und die dortige Verbissbelastung einschätzt, als auch erklärt, dass eine Rotwildreduktion als zeitlich begrenztes Projekt zu sehen sei (um beispielsweise Lerneffekte und Störungen des Wildes gering zu halten) und für eine nachhaltige Rotwildreduktion die Erlegung von Zuwachsträgern im Fokus stehe. Dadurch hat der Antragsgegner die wesentlichen Erwägungen schlüssig, konkret und substantiiert dargelegt, warum aus seiner Sicht gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Antragstellers am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat.
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Ob die Begründung die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch inhaltlich trägt, bedarf im Rahmen des (vom Antragsteller als verletzt gerügten) formellen Begründungserfordernisses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO keiner Entscheidung (BVerwG, B.v. 4.12.2020 – 4 VR 4.20 – juris Rn. 10).
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2. Soweit der Antragsteller eine nicht ordnungsgemäße Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde vor der Festsetzung des Abschussplans rügt, greift diese Rüge nicht durch.
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Nach Art. 49 Abs. 1 Satz 4 BayJG sind im Rahmen des Vollzugs des Bundesjagdgesetzes, des Bayerisches Jagdgesetzes und der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen, soweit wesentliche Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege berührt werden, diejenigen Naturschutzbehörden zu beteiligen, die dem Zuständigkeitsbereich der Jagdbehörde der vergleichbaren Verwaltungsstufe entsprechen.
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Ausweislich der als Anlage 1 zur Antragserwiderung des Antragsgegners vom 19. Juli 2023 vorgelegten E-Mail-Nachricht vom 13. Januar 2023 fragte die zuständige Untere Jagdbehörde bei der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde an, ob bei der „diesjährigen Abschussplanung“ Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege im Sinne des Art. 49 Abs. 1 Satz 4 BayJG berührt seien, so dass eine Beteiligung für alle Wildarten (Gams-, Rot- und Rehwild) und für alle Reviere erforderlich sei. Nach einer telefonischen Rückmeldung der Unteren Naturschutzbehörde am 30. Januar 2023 (deren Inhalt ein Mitarbeiter der Unteren Jagdbehörde mit E-Mail vom gleichen Tag an die Kollegen seines Sachgebiets weitergab) erfolgte bis zur Festsetzung des angegriffenen Abschussplans eine konkret auf das Jagdrevier des Antragstellers bezogene und den Abschussplan für das Jagdjahr 2023/2024 betreffende Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde nicht mehr, weil der Antragsgegner offensichtlich davon ausgegangen ist, dass durch die Abschussplanung keine wesentlichen Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege berührt werden (mit der Folge, dass es einer Beteiligung der zuständigen Naturschutzbehörde gem. Art. 49 Abs. 1 Satz 4 BayJG schon gar nicht bedarf). Dass diese Auffassung zutreffend war, hat die zuständige Untere Naturschutzbehörde mittlerweile mit an die Untere Jagdbehörde übersandter E-Mail vom 26. September 2023 ausdrücklich klargestellt, wonach die Erhöhung der Stückzahl im Rahmen der Abschussplanung keine wesentlichen Belange des Naturschutzes tangiere, keine zusätzlichen, erheblichen Störungen erwartet würden und eine Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde daher als nicht notwendig erachtet werde.
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3. Der angegriffene Abschussplan ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nach summarischer Prüfung materiell rechtmäßig.
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Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 BJagdG darf Rotwild (als Schalenwild) nur aufgrund und im Rahmen eines Abschussplans erlegt werden, der von der zuständigen Behörde im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat zu bestätigen oder festzusetzen ist; innerhalb von Hegegemeinschaften sind die Abschusspläne im Einvernehmen mit den dortigen Jagdvorständen der Jagdgenossenschaften und den Inhabern von Eigenjagdbezirken aufzustellen (§ 21 Abs. 2 Satz 4 BJagdG). Das nähere bestimmt die Landesgesetzgebung (§ 21 Abs. 2 Satz 5 BJagdG). Nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayJG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 AVBayJG ist der Abschussplan für Rotwild jährlich zahlenmäßig getrennt nach Wildart und Geschlecht vom Revierinhaber im Einvernehmen mit dem Jagdvorstand, bei verpachteten Eigenjagdrevieren im Einvernehmen mit dem Jagdberechtigten aufzustellen und von der Jagdbehörde im – wie hier vorliegenden – Einvernehmen mit dem Jagdbeirat (Art. 50 Abs. 2 und 6 BayJG) zu bestätigen oder festzusetzen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AVBayJG ist der eingereichte Abschussplan zu bestätigen, wenn er den Vorschriften des § 21 Abs. 1 BJagdG und des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG entspricht und im Einvernehmen mit dem Jagdvorstand oder dem Inhaber des Eigenjagdreviers aufgestellt ist; andernfalls wird der Abschussplan – wie hier – von der Behörde festgesetzt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 AVBayJG).
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Da sich die für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit maßgebliche Sach- und Rechtslage nach dem jeweils heranzuziehenden materiellen Fachrecht beurteilt (s. etwa BVerwG, U.v. 31.3.2004 – 8 C 5.03 – juris Rn. 35; B.v. 20.1.1999 – 8 B 232.98 – juris Rn. 7; stRspr) und die Abschusspläne das Jagdverhalten in der Folgezeit steuern sollen (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 1 BJagdG, Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayJG), ist maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt der Zeitpunkt der Festsetzung des Abschussplans durch die Untere Jagdbehörde.
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Ausgehend von diesen Maßstäben ist der angegriffene Abschussplan nach summarischer Prüfung unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht zu beanstanden.
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3.1 Die Rüge des Antragstellers, dem Abschussplan für das Jagdjahr 2022/2023 lägen keine anderen, günstigeren fachlichen Feststellungen betreffend die Situation der Waldverjüngung zugrunde, sodass eine Anhebung der Gesamtabschusszahl im Abschussplan für das Jagdjahr 2023/2024 um knapp 20 Stück und damit um mehr als 50% bei gleichbleibender forstfachlicher Verbisserkenntnislage unzulässig sei, greift nicht durch.
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Auch wenn sowohl dem Abschussplan für das Jagdjahr 2022/2023 als auch dem hier angegriffenen Abschussplan für das Jagdjahr 2023/2024 grundsätzlich die gleichen forstlichen Gutachten (Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 betreffend die Hochwildhegegemeinschaft …: Bewertung der Verbissbelastung „tragbar“, Abschussempfehlung „erhöhen“; ergänzende Revierweise Aussage zur Verjüngungssituation zum Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 betreffend das Jagdrevier …: Bewertung der Verbissbelastung „tragbar“, Tendenz der Verbisssituation „nicht verändert“) zugrunde liegen, bedeutet dies entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht, dass die jährlichen Abschusspläne identisch sein müssen bzw. sich die Abschusspläne nicht deutlich unterscheiden können.
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Dies folgt insbesondere aus dem Umstand, dass bei der Abschussplanung neben der körperlichen Verfassung des Wildes vorrangig der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldverjüngung zu berücksichtigen ist (Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG), weshalb den zuständigen Forstbehörden auch vorher Gelegenheit zu geben ist, sich auf der Grundlage eines forstlichen Gutachtens über eingetretene Wildschäden an forstlich genutzten Grundstücken zu äußern und ihre Auffassung zur Situation der Waldverjüngung darzulegen (Art. 32 Abs. 1 Satz 3 BayJG).
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Vorliegend ist für das Jagdrevier … ein jährliches, im Frühjahr stattfindendes Monitoring abgesprochen. Dabei werden an zwölf zwischen Pächter und der Jagdgenossenschaft abgestimmten, einigermaßen gleichmäßig über die Waldflächen im Revier verteilten und 50 Meter langen Aufnahmelinien auf zwei Metern Breite alle Baumarten über 20 cm Größe aufgenommen. So wird im Jagdrevier überprüft, ob die zwischen dem zuständigen Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit den Jagdpächtern vereinbarten Mindestanforderungen an den Zustand der Waldverjüngung erreicht werden. Als Mindeststandard gilt, dass die Verbissbelastung am Leittrieb den Durchschnitt der Hochwildhegegemeinschaft … von 2018 nicht überschreitet: Im Einzelnen sind das bei der Fichte 3%, bei der Tanne 15%, bei der Buche 11%, bei den Edellaubhölzern (Ahorn, Esche, Ulme) 22% und bei den sonstigen Laubhölzern 26% Verbiss. Außerdem werden – ohne dass diese Ergebnisse jedoch in die Verbiss-Bewertung eingehen – auf der Hälfte der Flächen im jährlichen Wechsel auch die Pflanzen unter 20 cm auf 1 m Breite aufgenommen, um das Verjüngungspotenzial zu dokumentieren.
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Ausweislich des Protokolls über die Jagdgenossenschaftsversammlung … für das Jagdjahr 2022/2023 am 18. April 2023 hat das Monitoring der letzten Jahre ergeben, dass bis vor zwei Jahren ein deutliches Nord-Süd-Gefälle im Revier erkennbar war, wobei die nördlichen Gebiete des Reviers die schlechteren Werte aus den südlichen Aufnahmeflächen ausglichen. Im Jahr 2020 wurden die Mindeststandards weitgehend erfüllt. Auch im Jahr 2021 war das Gesamtergebnis trotz leichten Anstiegs des Tannenverbisses auch im nördlichen Teil des Jagdreviers immer noch gut. Aber schon 2022 steigerte sich der Verbiss bei allen Baumarten erheblich, mit der Folge, dass die festgelegte Verbissobergrenze bei allen Baumarten deutlich überschritten wurde (Fichte 13,4%, Weißtanne 26,4%, Buche 16,8%, Edellaubholz 39,0%, sonstiges Laubholz 44,8% Verbiss). Das Ergebnis der Aufnahme im Frühjahr 2023 bezeichnete der Jagdvorsteher im Rahmen der Jagdgenossenschaftsversammlung am 18. April 2023 insbesondere bei der Weißtanne (46,6% Verbiss) und der Fichte (16,3% Verbiss) als „katastrophal“ (Buche 12,0%, Edellaubholz 35, sonstiges Laubholz 35,5%).
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Aufgrund der Ergebnisse des jährlichen Monitorings ergibt sich eine Verschlechterung des Vegetationszustands im Jagdrevier … Folglich liegen zum Zeitpunkt der Festsetzung des streitgegenständlichen Abschussplans gegenüber der Situation betreffend das Jagdjahr 2022/2023 unterschiedliche Daten zur Waldverjüngung und zur Verbisssituation im Jagdrevier vor, die grundsätzlich eine unterschiedliche Abschussplanung rechtfertigen.
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Soweit der Antragsteller die Feststellungen aus dem Monitoring 2023 in Zweifel ziehen will, weil sich dieses Ergebnis nicht mit den durch ihn mit sachverständiger Hilfe erhobenen Zahlen decke, ist sein Vorbringen insoweit unsubstantiiert. Es bleibt bereits offen, ob der Antragsteller dieselben Aufnahmelinien untersucht hat. Zudem sind dem Beschwerdevorbringen keine substantiierten Ausführungen zu entnehmen, die Zweifel an einer fachgerechten Durchführung des Monitorings begründen würden.
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Nach der Festsetzung des Abschussplans hat zudem auch das zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten aufgrund mehrerer Begänge im Frühjahr 2023 (u.a. am 3.5.2023 gemeinsam mit dem Antragsteller und der Vorstandschaft der Jagdgenossenschaft) in vielen Bereichen tendenziell eher eine Verschlechterung im Jagdrevier festgestellt sei (vgl. Schreiben des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 18.7.2023).
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3.2 Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat der Antragsgegner im Rahmen der Abschussplanung auch die maßgeblichen Belange erkannt und berücksichtigt.
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Der Abschuss des Wildes ist gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Die Behörde hat somit bei der jagdbehördlichen Entscheidung über den Abschussplan für das konkrete Jagdrevier nach § 21 BJagdG, Art. 32 BayJG und § 15 AVBayJG die nach dem Gesetz für die Wildbestandssteuerung relevanten öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Belange zu gewichten sowie den Sachverhalt zu ermitteln und zu bewerten. Es ist ein Interessenausgleich zwischen den volkswirtschaftlichen und landeskulturellen Belangen einerseits und den jagdlichen, naturschützerischen und landespflegerischen Intentionen andererseits vorzunehmen (BVerwG, U.v. 19.3.1992 – 3 C 62.89 – juris Rn. 25).
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Dem Beschwerdevorbringen lässt sich insoweit bereits nicht entnehmen, welche konkreten Aspekte der öffentlichen Belange der Antragsgegner im Rahmen seines Interessenausgleichs nicht erkannt und gewürdigt hätte. Ein entsprechender Mangel ist unter Berücksichtigung der Abschussplanbegründung nach summarischer Prüfung nicht ersichtlich. Ausweislich der Abschussplanbegründung „flossen bisherige Abschussdaten, Rotwildzähldaten der Reviere im betreffenden Raum, die Betrachtung des potentiellen Rotwildlebensraumes, die Argumente der Jagdberater sowie Belange des Naturschutz[es], des Forstes und des Tierwohls [in die Abschussplanung] ein“. Zudem hat der Antragsgegner berücksichtigt, dass der Antragsteller als Jagdpächter in Übereinstimmung mit dem Grundeigentümer den Abschussplanvorschlag in Höhe von 35 Stück Rotwild unterbreitet hat.
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3.3 Die Festsetzung der Abschusszahl auf 54 Tiere durch die Untere Jagdbehörde steht nach summarischer Prüfung im Einklang mit den zu beachtenden Vorschriften und der hierzu ergangenen Rechtsprechung.
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Dem angegriffenen Abschussplan liegt zugrunde, dass im Bereich „…“ eine Reduktion des Rotwildbestandes um rund 100 Stück erfolgen soll. Dementsprechend wurden die Abschusspläne in den zum Bereich „…“ gehörenden Jagdrevieren ausgestaltet.
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3.3.1 Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, die Auffassung des Antragsgegners von zu hohen Rotwildbeständen im Bereich „…“ in Zweifel zu ziehen. Der Antragsgegner hat nach summarischer Prüfung vielmehr nachvollziehbar dargelegt, dass der Rotwildbestand für die örtlichen Gegebenheiten zu hoch ist.
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Nach den Angaben der Inhaber der Reviere im Bereich „…“ zur Rotwildlebensraumfläche (3.169 ha) ergibt sich bei einer 2023 gezählten Gesamtzahl von 416 Stück – unabhängig von möglichen Außenstehern und einer Dunkelziffer – eine Rotwilddichte in dem Bereich von 13,1 Stück pro 100 ha. Selbst bei Annahme der im vom Wildbiologen Z. erstellten Gutachten „… … … … … … … … … … * … … … … …“ vom 1. Mai 2015 ermittelten Lebensraumfläche von 5.082 ha ergibt sich immer noch eine Rotwilddichte von 8,2 Stück pro 100 ha. Diese Werte liegen erheblich über dem vom Deutschen Jagdverband vertretenen Richtwert für tragbare Rotwilddichten von drei bis vier Stück Rotwild pro 100 ha bei guter Habitatqualität auf den vom Wild genutzten Flächen (vgl. „Lösungsansätze im Forst-Jagd-Konflikt“, herausgegeben vom Deutschen Jagdverband e.V., S. 18). Selbst den vom Deutschen Jagdverband bei optimaler großräumiger Abstimmung von Hege und Bejagung vertretenen Richtwert für tragbare Rotwilddichten von vier bis sechs Stück pro 100 ha übersteigt der Bestand noch deutlich.
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3.3.1.1 Soweit der Antragsteller vortragen lässt, die vom Antragsgegner herangezogenen Richtwerte für tragbare Schalenwilddichten in Wäldern unterschiedlicher Lebensraumqualität des Deutschen Jagdverbandes seien untauglich, da sie nicht mit der Situation im Hochgebirge vergleichbar seien, greift diese Rüge nach summarischer Prüfung nicht durch.
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Der Antragsgegner führt insoweit in seiner Stellungnahme vom 10. Oktober 2023 zurecht aus, dass im Hochgebirge die natürliche Lebensraumtragfähigkeit für das Rotwild geringer als in niederen Regionen ist, da diese Schalenwildart eigentlich in weiten offenen Landschaften zuhause ist und das Hochgebirge somit geländemorphologisch und klimatisch einen schwierigeren Lebensraum für sie darstellt. Vor allem letzter Aspekt spricht folglich gegen die Auffassung des Antragstellers, die Richtwerte seien für die Alpenreviere fachlich ungeeignet, weil durch die großen Freiflächen in den oberen Lagen das Wild viel guten Lebensraum habe. Folglich müsste man wohl sogar von einem niedrigeren Richtwert im Hochgebirge ausgehen.
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3.3.1.2 Soweit sich der Antragsteller gegen die vom Antragsgegner ermittelte Lebensraumfläche wendet, greift dieses Vorbringen nach summarischer Prüfung ebenfalls nicht durch.
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Der Antragsgegner hat insoweit nachvollziehbar und schlüssig ausgeführt, dass die potentielle Lebensraumfläche für die Jagdreviere „…“ fachlich fundiert modelliert worden sei. Es wurden insoweit die Bewertungen der ortskundigen Jäger herangezogen. Auch die vom Berufsjäger des Antragstellers gemachten Angaben über Sommer- und Winterlebensräume des Rotwilds in den Revieren des Antragstellers seien berücksichtigt worden. Es ist insoweit nachvollziehbar, dass es sich bei der Ermittlung der Lebensraumfläche um eine Modellierung handelt, die nicht 100%ig flächenscharf sein kann, mit der Folge, dass sogar auch Flächenbereiche in die Modellierung einbezogen worden sind, die nicht oder nur kaum vom Rotwild genutzt werden.
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Soweit der Antragsteller in der Beschwerdebegründung rügt, dass zwei Flächen (ohne Größenangaben) nicht in die Lebensraumfläche miteinbezogen worden seien, hat er bereits nicht substantiiert dargelegt, inwiefern sich selbst bei Berücksichtigung dieser Flächen die Rotwilddichte nur in die Nähe der Richtwerte bewegen würde. Darüber hinaus bleibt der Antragsteller eine Erklärung schuldig, warum diese Flächen nicht vom Berufsjäger im Rahmen seiner Meldung angegeben worden sind.
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Soweit der Antragsteller vortragen lässt, die vom Jagdberater vorgetragene Aufteilung der Revierflächen „…“ in Nord-/Südreviere finde in der Bewertung durch den Antragsgegner keine Beachtung, wird dadurch die ermittelte Lebensraumfläche nicht in Zweifel gezogen.
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Der Beschwerdebegründung können insoweit schon keine substantiierten Ausführungen entnommen werden, weshalb eine solche Aufteilung naheliegen würde. Der Antragsteller bezieht sich lediglich auf die Auffassung des Jagdberaters, der aber nach den Ausführungen des Antragsgegners keine eigenen Erfahrungswerte oder Belege vorweisen könne. Dass andere Belege (auch von anderen Fachleuten) vorliegen würden, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zudem erscheint der Vortrag schon deshalb wenig nachvollziehbar, weil bei einer Annahme einer Aufteilung in Nord- und Südreviere wohl sogar eine Abschussplanfestsetzung mit erhöhten Abschusszahlen in den Nordrevieren anzudenken wäre, jedenfalls aber eine vom Antragsteller begehrte Reduzierung der Abschusszahlen eher fernliegend erscheine.
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3.3.1.3 Soweit der Antragsteller vertritt, dass sich ein Vergleich der Zählzahlen mit jenen der Jahre vor 2015/2016 verbiete, weil damals aufgrund fehlender Technik (heute: Verwendung von Wärmebildkameras) qualitativ und quantitativ schlechter gezählt worden sei, führt dieser Einwand nach summarischer Prüfung nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschussplanung.
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Die Gesamtzahl der im Jahr 2023 in den zum Bereich „…“ gelegenen Revieren gezählten Rotwildstücke (416 Stück) weist – abgesehen von den Jahren 2008 (420 Stück) und 2012 (432 Stück) – den höchsten Wert seit dem Jahr 2004 auf. Wie bereits oben dargelegt, bedeutet die gezählte Stückzahl – unabhängig von der Berücksichtigung von Außenstehern und einer Dunkelziffer – eine zu hohe Rotwilddichte.
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Der Antragsgegner hat insoweit nachvollziehbar dargelegt, dass die Zähldaten vorheriger Jahre nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben können, weil die Zählungen in den Jagdrevieren des Antragstellers auch früher schon von demselben Berufsjäger des Antragstellers durchgeführt worden sind, der Zuzug zur Fütterung wegen der tendenziell schneereicheren Winter in früheren Jahren vielerorts deutlich besser war und auch die Jagdpraxis bis Ende Januar nun dazu führt, dass Stücke gar nicht mehr zur Fütterung ziehen und als Außensteher unangemeldet bleiben.
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Die diesbezüglichen Rügen gehen aber auch deshalb ins Leere, weil der Antragsgegner im Rahmen der Einschätzung der Wilddichte Auffälligkeiten bei der Zählung insbesondere bezüglich der Jahre 2021, 2022 und 2023 untersucht und festgestellt hat. Da der Antragsteller ausweislich der Ausführungen in der Beschwerdebegründung die Wärmebildtechnik bereits sei „ca. 3 Jahren“ verwendet, sind die Zähldaten – ausgehend von der Argumentation des Antragstellers – für diese Jahre besonders aussagekräftig. Trotz Zählung mittels Wärmebildtechnik ist ein Anstieg der gezählten Stücke in den Revieren „…“ zu verzeichnen (2021: 401; 2022: 366; 2023: 416). Es erscheint zudem nachvollziehbar, dass eine Winterzählung von Rotwild, gerade in relativ milden Wintern wie in den letzten beiden Jahren, nicht den tatsächlichen Gesamtbestand an Rotwild wiedergibt. Aus der verschlechterten forstlichen Situation ist jedenfalls zu schließen, dass eine signifikante Reduktion des Rotwildbestandes in den letzten Jahren nicht erfolgt ist.
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Sollte der Antragsteller mit seinen Ausführungen geltend machen wollen, dass die Zählzahlen nur deshalb so hoch seien, weil – trotz sinkenden Bestands – im Vergleich zu den anderen Jahren wegen der besseren Technik mehr Stücke visuell ermittelt würden, ist zwar grundsätzlich festzustellen, dass die Verwendung von Wärmebildtechnik zu einer Verbesserung bei der Schalenwildzählung führen kann. Der Einsatz von Wärmebildkameras bedeutet aber nicht automatisch, dass der Rotwildbestand vollständig ermittelt werden könnte. Davon geht der Antragsteller zwar (wohl) auch nicht aus. Er scheint aber die Dunkelzifferzahl, die die gängige Literatur laut unbestrittener Aussage des Antragsgegners selbst bei besten Zählbedingungen beim Rotwild zwischen 15 und 40% annimmt, nicht ausreichend zu berücksichtigen. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner die Möglichkeit der Zählung im Wintergatter „Gschlief“ als mittelmäßig (laut den Ausführungen des Antragsgegners habe sich selbst der Berufsjäger des Antragstellers bereits über die beeinträchtigte Einsichtigkeit des Wintergatters beschwert, weil Bäume im Weg seien), an der Eschbachfütterung als gut und an der Bergkristallfütterung als schlecht bewertet. Er führt diesbezüglich aus, dass die Tiere – anders als in anderen, umliegenden Revieren – erst im Dunkeln und nicht immer alle auf einmal zur Fütterung kämen. Daran vermag auch der Einwand des Antragsstellers, dass mehrfach gezählt werde und die höchsten Zahlen gemeldet würden, nichts zu ändern. So haben die wiederholten und ebenfalls mit Wärmebildtechnik durchgeführten Gamswildzählungen durch die Jagdbehörde gegenüber der vom Antragsteller mit Wärmebildtechnik durchgeführten Zählung einen vielfach höheren Gamsbestand ergeben.
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3.3.2 Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass sich die von der Unteren Jagdbehörde festgesetzte Abschusszahl von 54 Stück Rotwild nicht in einem vertretbaren Zahlenrahmen befindet, sind für den Senat nicht ersichtlich.
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Den Jagdbehörden steht bei der Festlegung von Ausmaß und Art der Abschüsse nach § 21 BJagdG, Art. 32 BayJG und § 15 AVBayJG weder ein planerisches Ermessen noch ein vom Gericht nicht voll nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Trotz des Wortes „Abschussplan“ ist der Behörde kein planerischer Gestaltungsspielraum eingeräumt. Dennoch ist die Abschusszahl nicht mathematisch-logisch, etwa anhand einer normativen Formel zu bestimmen. Das Gericht kann die in den Vorschriften gebrauchten unbestimmten Rechtsbegriffe daraufhin – gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen – überprüfen, ob die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt richtig gewertet hat, ob sie die verschiedenen Belange entsprechend der Zielvorgabe des Gesetzgebers zutreffend abgewogen hat und ob die Höhe des Abschusses sich noch in einem vertretbaren Zahlenrahmen befindet (BVerwG, U.v. 19.3.1992 – 3 C 62.89 – juris Rn. 25, B.v. 11.4.2016 – 3 B 29.15 – juris Rn. 10; BayVGH, U.v. 7.11.1996 – 19 B 93.956 – juris Rn. 51).
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Zwar sind die Festsetzungen der Abschüsse für das Jagdjahr 2023/2024 (Hirsche: 12; Alttiere: 14; Schmaltiere: 7; Kälber 21; Gesamt: 54) im Vergleich zum Jagdjahr 2022/2023 (Hirsche: 13 <erlegt 11>; Alttiere:8 <erlegt 6>; Schmaltiere: 6 <erlegt 4>; Kälber: 8 <erlegt 14; 1 Stück Fallwild>; Gesamtabgang: 36) vor allem bei Alttieren und Kälbern deutlich erhöht. Dies liegt daran, dass der Antragsgegner eine tierschutzgerechte Reduktion der Rotwildbestände beabsichtigt, weil vorrangig Alttiere und Schmaltiere erlegt werden müssen, um Rotwildbestände nachhaltig zu reduzieren, aber eine Rotwildreduktion auch als zeitlich begrenztes Projekt zu sehen ist, um beispielsweise Lerneffekte und Störungen des Wildes gering zu halten. Der Antragsgegner hat insoweit nicht nur die Reviere des Antragstellers in den Blick genommen, sondern auch in drei weiteren Nachbarrevieren aufgrund derselben Datengrundlagen Rotwildabschusspläne festgesetzt (u.a. auch im Revier … und …, deren früheren Abschusszahlen in die Datenermittlung einbezogen worden sind).
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Maßgeblich für die erhebliche Erhöhung der Abschussplanfesetzungen im Revier … ist neben den dortigen Problemen betreffend die Verjüngungssituation auch, dass der Antragsteller auch Revierinhaber des direkt an das Revier … angrenzenden Reviers … ist und dort die Verbisssituation laut revierweiser Aussage 2021 nicht tragbar mit unverändert schlechter Verbisstendenz ist. Da das Wild im Winter im Wintergatter „Gschlief“ im Revier … steht und zu größten Teilen nach dem Winter in das Revier … wandert oder im Gatterrevier verbleibt, sieht der Antragsgegner zurecht eine bessere Zugriffsmöglichkeit auf das Rotwild im Revier …, weshalb der Antragsgegner eine deutliche Erhöhung der Abschussplanfestsetzung im Revier … vorgenommen hat, während der Abschussplan im Revier … im Vergleich zum Vorjahr nur ein Stück mehr vorsieht.
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Die überhöhten Rotwildbestände resultieren maßgeblich daraus, dass der Antragsteller in den vergangenen Jahren zu wenig Zuwachsträger erlegt hat. Insgesamt hat der Antragsteller seit Beginn seiner Pachtperiode 2015 die Abschusspläne bei den Zuwachsträgern im Jagdrevier … und im danebenliegenden Revier … um 51 Stück untererfüllt.
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Da fast jedes nicht erlegte Alttier und Schmaltier im Folgejahr ein Kalb setzt, führt dies zu einer Bestandssteigerung, wenn im Folgejahr nicht entsprechend reagiert wird. Soweit der Antragsteller diesbezüglich geltend macht, er habe stattdessen erheblich über Plan weibliche Kälber erlegt und dies wirke „fast genauso Zuwachs mindernd“, weil auch wenn die weiblichen Kälber im Folgejahr noch keine Zuwachsträger seien, wären sie dies ein Jahr später, verkennt er, dass sich – unabhängig davon, dass ausweislich der vorgelegten Tabelle über die Abschusspläne bereits über die Jahre keine gleiche Abschusshöhe vorliegt – eine Rotwildpopulation – selbst bei gleicher Abschusshöhe – völlig unterschiedlich entwickelt, wenn anstelle der Erfüllung der Abschüsse mit Zuwachsträgern Kälber erlegt werden. Im Fall einer – wie hier – beabsichtigten Rotwildreduktion muss es darum gehen, möglichst viele Zuwachsträger tierschutzgerecht zu erlegen.
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Eine Erfüllung der höheren Abschussplanfestsetzung erscheint auch nicht unmöglich, zumal der Antragsgegner auf die Möglichkeit einer Umverteilung zwischen den Revieren des Antragstellers hingewiesen hat, wenn sich bessere Zugriffsmöglichkeiten im jeweils anderen Revier des Antragstellers ergäben. Nach den Ausführungen des Antragsgegners funktionieren solche Umverteilungen in zahlreichen Revieren des Landkreises problemlos. Warum dies beim Antragsteller anders sein sollte, erschließt sich dem Senat nicht. Soweit er insoweit vortragen lässt, ein Revier stehe vor dem Problem, eine Umverteilung zu beantragen, ohne zu wissen, ob die abgehenden Stücke im abgebenden Revier nicht doch für die Erfüllung gebraucht werden, sodass in der Praxis eine Umverteilung im Zweifel so spät erfolge, dass sie keine wirkliche Erleichterung mehr darstelle, ist dem Vortrag nicht zu entnehmen, inwiefern sich die Situation des Antragstellers von anderen Revierinhabern unterscheiden würde, die ebenfalls erfolgreich Umverteilungen vornehmen.
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Auch eine Unmöglichkeit der Erfüllung des Abschussplans im Hinblick auf den gesamten Rotwildbestand im Bereich „…“ ist nach summarischer Prüfung nicht ersichtlich, da selbst bei Abzug der vom Antragsgegner erstrebten Reduktion des Rotwildbestandes von 100 Stück Rotwild die Rotwilddichte immer noch über den Richtwerten des Deutschen Jagdverbandes liegen wird.
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Ein Verstoß gegen die Hegerichtlinie durch den angegriffenen Abschussplan ist nach summarischer Prüfung ebenfalls nicht ersichtlich, da zwar zur Vermeidung einer zu hohen Zuwachsrate mittels der Bejagung ein Geschlechterverhältnis von 1:1 anzustreben ist. Jedoch gilt dies für einen normalen und nicht für einen – wie hier – überhöhten Wildbestand (Nr. I.6 der Richtlinien für die Hege und Bejagung des Schalenwildes in Bayern).
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Tragfähige Argumente für eine Absenkung des Abschusses entsprechend seines Vorschlags auf lediglich 35 Stück Rotwild hat der Antragsteller nicht geliefert und sind für den Senat angesichts der nicht erfolgreich in Zweifel gezogenen Aussagen zum Zustand der Waldverjüngung und der Verbissbelastung in den Revieren … und … nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat keine Umstände substantiiert dargelegt, die unter Beachtung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften und der Ergebnisse der forstlichen Gutachten eine Absenkung des Rotwildabschusses begründen oder rechtfertigen würden.
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Darüber hinaus ist auch eine fehlerhafte Gewichtung der zu berücksichtigenden Belange nicht zu erkennen. Es versteht sich im Zusammenhang mit einer Abschussregelung von selbst, dass die Wahrung der in § 21 Abs. 1 BJagdG genannten Belange vor allem im Schutz gegen Wildschäden besteht. Der Wortlaut der Abschussregelung in § 21 BJagdG hat zur Folge, dass es bei der Abschussfestsetzung zum einen (auch) hinsichtlich der Forstwirtschaft auf das Interesse an der Abwehr (und nicht am Eintritt) von Wildschäden ankommt und dass zum anderen bei der Beurteilung dieses Interesses die Forstwirtschaft abstrakt generalisierend in den Blick zu nehmen ist (BGH, U.v. 22.5.1984 – III ZR 18/83 – juris Rn. 24), also nicht jeder einzelne Forstbetrieb mit seiner spezifischen Wirtschaftsweise, sei sie gesetzeskonform oder nicht. Ein Anspruch auf Pflanzenverbiss besteht gerade nicht. Der Verbiss geht von wilden, in Freiheit lebenden Tieren aus, die gemäß § 960 Abs. 1 Satz 1 BGB herrenlos sind. Das eigentumsgegründete Recht der Jagd bezieht sich nicht auf sie selbst, sondern lediglich auf ihre Aneignung. Die Herrenlosigkeit des Schalenwildes hat zur Folge, dass der vom Wild ausgehende Pflanzenverbiss nicht zu den aus dem Grundeigentum folgenden Rechten gehört, dass also der Inhaber von Forstgrundstücken keinen Anspruch auf Pflanzenverbiss hat (zum fehlenden Anspruch auf einen bestimmten Bestand an Wild: vgl. HessVGH, B.v. 5.1.2006 – 11 UZ 1111/04 – juris Rn. 9 ff.; B v. 26.1.1982 – III N 4/50 – NuR 1987, 96 (Leitsatz 1); NdsOVG, B.v. 28.3.1984- JE I Nr. 34; zum Anspruch auf Rotwild vgl. BayVerfGH, E.v. 18.10.1996 – Vf. 15- VII-95 – juris, insbesondere Rn. 59 ff.).
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3.4 An der Erfüllung des Abschussplans besteht entgegen der Auffassung des Antragstellers auch ein besonderes Vollzugsinteresse i.S.v. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Dies folgt unmittelbar daraus, dass der Abschussplan innerhalb der Jagdzeit zu erfüllen ist und eine unvollständige Erfüllung v.a. im Hinblick auf Zuwachsträger und Zuwachs zu einer weiteren Bestandssteigerung führen wird, was wiederum erhöhte jagdliche Anstrengungen im nächsten Jagdjahr erfordern würde, um den Rotwildbestand nachhaltig zu reduzieren, verbunden mit weiteren erheblichen Störungen des Wildes. Darüber hinaus würde sich auch die Verbisssituation weiter verschlechtern. Ziel des Abschussplans ist insoweit, die Dynamik aus dem Bestand zu nehmen.
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3.5 Soweit der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung ergänzend vollständig und vollinhaltlich auf das bisherige Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren Bezug nimmt, entspricht die Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Das erstinstanzliche Vorbringen zu wiederholen, ohne auf die die angefochtene Entscheidung tragenden Erwägungen einzugehen, reicht insoweit grundsätzlich ebenso wenig aus wie pauschale oder formelhafte Rügen (BayVGH, B.v. 26.10.2009 – 19 CS 09.2242 – juris Rn. 1).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).