Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 11.07.2024 – AN 16 E 24.747
Titel:

Konkurrentenstreitverfahren um eine Referatsleitungsstelle im BAMF

Normenketten:
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2
BBG § 9, § 22 Abs. 2, § 25
VwGO § 123
Leitsätze:
1. Aus Art. 33 Abs. 2 GG iVm Art. 19 Abs. 4 GG ergibt sich die Pflicht des Dienstherrn, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen und so eine Auswahlentscheidung transparent zu machen. Eine nachträgliche Niederlegung anlässlich der Beteiligung der Interessenvertretungen genügt dem nicht. (Rn. 31 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auswahlerwägungen sowie die Auswahlentscheidung sind rechtswidrig, wenn sie die Tatsache, dass die Antragstellerin nach dem Gesamturteil der aktuellen dienstlichen Beurteilung die besser geeignete Bewerberin gewesen wäre, außer Acht lassen. Denn die dienstliche Beurteilung ist das primäre Erkenntnismittel für die Auswahlentscheidung. Sind Bewerber in ihren aktuellen dienstlichen Beurteilungen mit dem gleichen Gesamturteil bewertet worden und im Wesentlichen gleich einzustufen, kann auf sekundäre (Leistungs-)Erkenntnisquellen (zB strukturierte Auswahlgespräche und Assessment-Center) sowie nicht leistungsbezogene sonstige Hilfskriterien als weitere Auswahlkriterien zurückgegriffen werden. Ein bloßes Auswahlgespräch ersetzt nicht den Qualifikationsvergleich anhand unmittelbar leistungsbezogener Kriterien, wie der dienstlichen Beurteilungen. Es dient lediglich der Abrundung des aus den dienstlichen Beurteilungen gewonnenen Leistungs- und Eignungsbildes. Der Dienstherr darf das Auswahlgespräch nicht zur alleinigen Entscheidungsgrundlage machen. (Rn. 36 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
1. Aus Art. 33 Abs. 2 GG iVm Art. 19 Abs. 4 GG ergibt sich die Pflicht des Dienstherrn, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen und so eine Auswahlentscheidung transparent zu machen. Eine nachträgliche Niederlegung anlässlich der Beteiligung der Interessenvertretungen genügt dem nicht. (redaktioneller Leitsatz)
2. Auswahlerwägungen sowie die Auswahlentscheidung sind rechtswidrig, wenn sie die Tatsache, dass die Antragstellerin nach dem Gesamturteil der aktuellen dienstlichen Beurteilung die besser geeignete Bewerberin gewesen wäre, außer Acht lassen. Denn die dienstliche Beurteilung ist das primäre Erkenntnismittel für die Auswahlentscheidung. Sind Bewerber in ihren aktuellen dienstlichen Beurteilungen mit dem gleichen Gesamturteil bewertet worden und im Wesentlichen gleich einzustufen, kann auf sekundäre (Leistungs-)Erkenntnisquellen (zB strukturierte Auswahlgespräche und Assessment-Center) sowie nicht leistungsbezogene sonstige Hilfskriterien als weitere Auswahlkriterien zurückgegriffen werden. Ein bloßes Auswahlgespräch ersetzt nicht den Qualifikationsvergleich anhand unmittelbar leistungsbezogener Kriterien, wie der dienstlichen Beurteilungen. Es dient lediglich der Abrundung des aus den dienstlichen Beurteilungen gewonnenen Leistungs- und Eignungsbildes. Der Dienstherr darf das Auswahlgespräch nicht zur alleinigen Entscheidungsgrundlage machen. (Leitsätze der BeckRS-Redaktion) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Konkurrenten-Eilverfahren um Beförderungsstelle, Bewerbungsverfahrenanspruch, Beurteilungen als primäres leistungsbezogenes Erkenntnismittel, unzulässiger Rückgriff auf Auswahlgespräche als primäres Erkenntnismittel, Auswahlvermerk nach Versand der Konkurrentenmitteilung iRd Beteiligung der Interessenver tretungen erstellt, Konkurrenten-Eilverfahren, Beförderungsstelle, Beurteilungen, Erkenntnismittel, Rückgriff, Auswahlgespräche, Auswahlvermerk, Zeitpunkt, Erstellung, Interessenvertretungen, Beförderungsdienstposten, kommissarische Besetzung, Bestenauslese, dienstliche Beurteilung, familienbezogene Beurlaubung, fehlerhafte Auswahlentscheidung, Führungsfunktion, Ablauf Bewerbungsfrist, Ausschlussfrist, Organisationsermessen, Auswahlentscheidung, Niederlegung, Auswahlgründe, Auswahlerwägungen
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 11.09.2024 – 6 CE 24.1330
Fundstellen:
BeckRS 2024, 20666
FDArbR 2024, 020666

Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Stelle der Referatsleitung … mit dem Beigeladenen zu besetzen, bevor über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut bestandskräftig entschieden worden ist.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
4. Der Streitwert wird auf 23.538,96 ‬EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Besetzung der Stelle der Referatsleitung … mit dem Beigeladenen.
2
Die Antragstellerin steht seit … 2019 im Dienst der Antragsgegnerin und war beim BAMF zuletzt als Oberregierungsrätin (A14) im Referat … mit Dienstsitz in … eingesetzt. Derzeit ist die Antragstellerin bis einschließlich … 2024 familienbedingt beurlaubt (§ 92 Abs. 1 BBG).
3
Zum Stichtag 1. Oktober 2022 erhielt die Antragstellerin für den Beurteilungszeitraum von 1. Oktober 2020 bis 8. September 2022 eine kombinierte Regel- sowie Anlassbeurteilung mit der Gesamtnote 8 Punkte, wobei im Rahmen der Leistungsbeurteilung 8 Punkte und im Rahmen der Eignungs- und Befähigungsbeurteilung neunmal die Ausprägung „A“ (besonders stark ausgeprägt) und dreimal die Ausprägung „B“ (stark ausgeprägt) vergeben wurden. Einbezogen worden sei laut der Beurteiler die Anlassbeurteilung wegen Beurlaubung von 1. Oktober 2020 bis 28. Februar 2021 mit der Gesamtnote 7 Punkte.
4
Der Beigeladene steht seit … 2020 ebenfalls im Dienst der Antragsgegnerin und ist beim BAMF als Oberregierungsrat (A14) im Referat … eingesetzt. Er erhielt zum Stichtag 1. Oktober 2022 für den Beurteilungszeitraum von 1. Dezember 2021 bis 14. September 2022 eine kombinierte Regel- und Anlassbeurteilung mit der Gesamtnote 7 Punkte, wobei im Rahmen der Leistungsbeurteilung 7 Punkte und im Rahmen der Eignungs- und Befähigungsbeurteilung viermal die Ausprägung „A“ (besonders stark ausgeprägt) und siebenmal die Ausprägung „B“ (stark ausgeprägt) vergeben wurden. In der Anlassbeurteilung wegen Ablaufs der Probezeit erhielt der Beigeladene für den Beurteilungszeitraum von 1. Juni 2021 bis 15. Oktober 2021 eine dienstliche Beurteilung mit der Gesamtnote 7 Punkte.
5
Beide Beteiligte bewarben sich auf die seitens des … mit Bewerbungsfrist bis zum 29. Januar 2024 ausgeschriebene und mit Besoldungsgruppe A15 BBesO bzw. Entgeltgruppe 15 TV EntgO Bund bewertete Stelle der Referatsleitung … Die Bewerbung der Antragstellerin ging am 26. Januar 2024 bei der Antragsgegnerin ein, die des Beigeladenen am 11. Februar 2024. Bewerbungen anderer Bewerber erfolgten nicht.
6
Laut der „Verfahrenshinweise für die Besetzung von Referatsleiterstellen“ (Bl. 4 der Behördenakte) beim … erfolgt die Auswahl der Bewerbenden nach den Grundsätzen der Bestenauslese nach folgenden Maßgaben: „1. Für alle Bewerbenden, die die formalen Anforderungen erfüllen, werden Anlassbeurteilungen eingeholt, sofern die letzte Beurteilung nicht mehr aktuell ist […]. 2. Berücksichtigung bei der Auswahlentscheidung finden alle Bewerbenden, die mit einer Mindestnote von 7 Punkten beurteilt wurden. 3. Mit allen formal geeigneten Bewerbenden, die die Mindestnote erreicht haben, finden Auswahlgespräche statt. 4. Die oder der nach den Auswahlgesprächen am besten geeignete Bewerbende wird der ausgeschriebene Dienstposten zunächst probeweise für die Dauer von sechs Monaten übertragen. Nach erfolgreicher Erprobung wird der Dienstposten dauerhaft übertragen […]“.
7
Am 13. März 2024 fanden mit beiden Bewerbern Auswahlgespräche statt.
8
Mit Schreiben vom 4. April 2024 teilte das … der Antragstellerin mit, dass ihrer Bewerbung nicht habe entsprochen werden können.
9
Laut Verfügung der Abteilungsleitung … vom 10. April 2024 „Betreff: Übertragung der Referatsleitung …“ (vgl. Bl. 23 der Behördenakte) anlässlich der Beteiligung der Interessenvertretungen im … (örtlicher Personalrat und Gleichstellungsbeauftragte) sei der Beigeladene aus den Auswahlgesprächen als bestgeeigneter Kandidat hervorgegangen. Ausweislich einer beigefügten Tabelle (Stand 16.4.2024) habe der Beigeladene die Note 1,57, die Antragstellerin die Note 2,57 erzielt. Laut einer ebenfalls als Anlage enthaltenen Liste (Stand 16.4.2024) vermerkte das … bei der Antragstellerin unter Beurteilungsnote 8 Punkte, beim Beigeladenen 7 Punkte.
10
Über ihren Bevollmächtigten hat die Antragstellerin am 11. April 2024 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Die Auswahlentscheidung sei rechtswidrig, der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin werde hierdurch verletzt. Bereits das Verfahren zur Besetzung von Referatsleiterstellen im … sei zu beanstanden. Das Verfahren widerspreche dem Leistungsgrundsatz und sei rechtswidrig. Nach der Rechtsprechung seien Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung von Bewerbern um eine Beförderungsstelle in erster Linie auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu stützen, denn sie würden den gegenwärtigen bzw. zeitnah zurückliegenden Stand abbilden und könnten somit am Besten als Grundlage für die Prognose dafür dienen, welcher der Konkurrenten die Anforderungen der zu besetzenden Stelle voraussichtlich am Besten erfüllen werde. Vorliegend stelle das Gesamtprädikat der Beurteilung von mindestens 7 Punkten eine Zugangsvoraussetzung zur Auswahlentscheidung dar, eine weitere Funktion komme der Beurteilung nicht zu. Vielmehr werde die zu treffende Auswahlentscheidung unter dem so den Zugang ermöglichten Bewerbern ausschließlich anhand eines Bewerbungsgesprächs getroffen. Ein solches Gespräch könne aber kein alleiniges Auswahlkriterium sein, da dadurch die dienstliche Beurteilung als entscheidendes Instrument der Bewerberauswahl vollkommen entwertet werde. Vorstellungsgespräche hätten gegenüber dienstlichen Beurteilungen nur begrenzte Aussagekraft. Die Antragstellerin habe darüber hinaus ihre Bewerbung als einzige Bewerberin innerhalb der Bewerbungsfrist abgegeben. Es scheine, als sei die Bewerbung des Beigeladenen einer Aufforderung der Antragsgegnerin geschuldet. Es verwundere daher nicht, dass er aus den rechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Auswahlgesprächen erfolgreich hervorgegangen sei. Bemängelt werde zudem die fehlende Dokumentation der Auswahlerwägungen. Den Akten lasse sich nicht entnehmen, warum dem Beigeladenen der Vorzug gegeben worden sei. Hinweise, wie die Auswahl getroffen worden sei, ließen sich ebenfalls nicht entnehmen. Bei einer erneuten Entscheidung der Antragsgegnerin erscheine eine Auswahl der Antragstellerin möglich. Die Antragstellerin weise mit einem Gesamtprädikat von 8 Punkten gegenüber dem Beigeladenen mit einem Gesamtprädikat von 7 Punkten die bessere dienstliche Beurteilung auf.
11
Die Antragstellerin beantragt,
Der Antragsgegnerin wird vorläufig untersagt, die mit Stellenausschreibung vom 15. Januar 2024, Kennziffer …, ausgeschriebene Stelle der Referatsleitung (m/w/d) des Referats … (A15) mit einem anderen Bewerber zu besetzen, bevor nicht über die Bewerbung der Antragstellerin bestandskräftig entschieden worden ist.
12
Die Antragsgegnerin beantragt,
Antragsablehnung.
13
Eine weitere Begründung erfolgte nicht. Das … übersandte die einschlägige Beurteilungsrichtlinie sowie in Ergänzung des Auswahlvorgangs den Widerspruch des Beigeladenen vom 16. Mai 2024 gegen seine dienstliche Beurteilung zum Stichtag 1. Oktober 2022 (eröffnet und mit dem Beigeladenen erörtert im März 2023). Es gab an, über den Widerspruch des Beigeladenen nach Eingang seiner Widerspruchsbegründung zu entscheiden.
14
Mit Beschluss vom 15. April 2024 ist die notwendige Beiladung des Beigeladenen erfolgt.
15
Der Beigeladene trägt vor, dass ihm bekannt gewesen sei, dass es übliche Praxis im … sei, dass Bewerbungen auch nach der offiziellen Bewerbungsfrist noch Berücksichtigung fänden, sofern das Ausschreibungsverfahren dadurch nicht verzögert werde. Zur Bewerbung aufgefordert worden sei er nicht, er habe die Stellenausschreibung durch eigene Recherche im Intranet gefunden. Seine Beurteilung sei mit der der Antragstellerin nicht vergleichbar, da bei der Antragstellerin das Beurteilungsmerkmal „Führung“ bewertet worden sei, was bei ihm trotz gleichen Statusamtes nicht erfolgt sei. Bereits rein rechnerisch sei es im Falle einer Bewertung des Merkmals „Führung“ möglich, dass sich die Gesamtnote seiner Beurteilung ändere.
16
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag.
17
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
18
Der Antrag ist zulässig und begründet.
19
Die Antragstellerin hat einen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin über ihre Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entscheidet und solange keine Besetzung der Stelle mit dem Beigeladenen erfolgt, da die Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen rechtswidrig ist und den Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin gemäß Art. 33 Abs. 2 GG verletzt.
20
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Dabei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung setzt voraus, dass die begehrte einstweilige Anordnung geeignet und notwendig ist, den auf Art. 33 Abs. 2 GG beruhenden materiellen Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin zu sichern und dadurch einen endgültigen Rechtsverlust zu ihrem Nachteil abzuwenden.
21
Ein abgelehnter Bewerber, dessen subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt worden ist, kann eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen, wenn seine Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl offen sind, mithin seine Auswahl als möglich erscheint. Dieser Prüfungsmaßstab ist wie im Hauptsacheverfahren auch bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung anzulegen. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung dürfen ebenfalls nicht über das hinausgehen, was für ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren genügt (vgl. BVerfG, B.v. 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13 – juris; BVerwG, B.v. 22.11.2012 – 2 VR 5.12 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 17.4.2013 – 6 CE 13.119 – juris Rn. 12).
22
1. Die Antragstellerin konnte einen Anordnungsgrund glaubhaft machen. Dieser setzt voraus, dass die Antragstellerin in einem nach den Auswahlgrundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG durchzuführenden Stellenbesetzungsverfahren wegen möglicher Fehler in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt sein könnte, ihre Auswahl bei einer Verfahrenswiederholung möglich erscheint und dass deshalb zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eine vorläufige Entscheidung erforderlich ist. Dies ist vorliegend der Fall.
23
Der Dienstposten stellt für beide mit A14 BBesO besoldete Bewerber einen höherwertigen Dienstposten (A15 BBesO) im Sinne eines sog. Beförderungsdienstpostens dar, der nach den Auswahlgrundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG zu vergeben ist. Zwar erfolgt mit erfolgreicher Bewerbung nicht unmittelbar die Beförderung nach A15 BBesO, jedoch ist diese damit vorgezeichnet, da nach den Verfahrensgrundsätzen für die Besetzung von Referatsleitungen im … gemäß der Vorgaben aus § 22 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) dem nach den Auswahlgesprächen am Besten geeigneten Bewerbenden der ausgeschriebene Dienstposten zunächst probeweise für die Dauer von sechs Monaten übertragen und nach erfolgreicher Erprobung der Dienstposten dauerhaft übertragen wird. Damit wird die Auslese für Beförderungsämter vorverlagert auf die Auswahl unter den Bewerbern um „Beförderungsdienstposten“. Dieser Umstand begründet in Fällen der Übertragung eines Beförderungsdienstpostens an einen Mitbewerber für den Unterlegenen einen Anordnungsgrund (vgl. BVerwG, B.v. 25.10.2011 – 2 VR 4.11 – juris Rn. 11, 12 m.w.N.). Die Antragsgegnerin legte sich zudem auch in den Verfahrensgrundsätzen für die Besetzung von Referatsleitungen im … selbst fest, dass die Auswahl der Bewerbenden nach den Grundsätzen der Bestenauslese erfolgen wird.
24
Dadurch, dass die Antragstellerin bei der Auswahlentscheidung trotz der im Vergleich zum Beigeladenen besseren aktuellen dienstlichen Beurteilung nicht als bestgeeignete Bewerberin ausgewählt wurde, könnte sie in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt sein. Ihre Auswahl erscheint bei einer Verfahrenswiederholung auf Grund der besseren Gesamtnote der Beurteilung auch möglich. Die familienbedingte Beurlaubung steht der Auswahlentscheidung zu Gunsten der Antragstellerin nicht entgegen, wie sich aus der zwingend zu beachtenden Bestenauslese nach Leistung, Befähigung und Eignung gemäß Art. 33 Abs. 2 GG, aber auch aus dem Benachteiligungsverbot gemäß § 25 BBG ergibt. Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ist daher eine vorläufige gerichtliche Entscheidung erforderlich.
25
2. Die Antragstellerin konnte auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen. Die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin zur Besetzung der Referatsleitung des Referats … ist rechtswidrig und verletzt sie in ihren Rechten aus Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BBG.
26
Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Das in Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 Satz 1 BBG statuierte Leistungsprinzip, welches für sämtliche Ernennungen gilt, dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes und vermittelt zum anderen Bewerbern ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Art. 33 Abs. 2 GG begründet einen Anspruch des Bewerbers, dass über seine Bewerbung in fehlerfreier Weise entschieden und sie nur aus Gründen zurückgewiesen wird, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (vgl. BVerwG, U.v. 17.8.2005 – 2 C 37.04 – juris Rn. 18 m.w.N.). Wird dieses subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, folgt daraus zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Beförderung oder Vergabe des begehrten Dienstpostens; der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen (BVerfG, B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457.04 – juris Rn. 11 m.w.N.).
27
a) Die Auswahlentscheidung ist nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin die nach Ablauf der Bewerbungsfrist eingegangene Bewerbung des Beigeladenen bei ihrer Auswahlentscheidung berücksichtigt hat.
28
Ungeachtet der bereits abgelaufenen Bewerbungsfrist war es zur Gewährleistung des Grundsatzes der Bestenauslese gemäß Art. 33 Abs. 2 GG wenn nicht geboten, so doch gerechtfertigt, einen weiteren Bewerber, dessen Eignung für das angestrebte Amt nicht von vorneherein ausgeschlossen werden kann, zu berücksichtigen (vgl. so angelegt in BVerfG, B.v. 24.9.2015 – 2 BvR 1686.15 – juris Rn. 19).
29
Nicht zu beanstanden gewesen wäre auch, wenn sich der Beigeladene auf Anraten der Antragsgegnerin auf die ausgeschriebene Stelle beworben hätte. Die Antragsgegnerin hat als Dienstherrin grundsätzlich ein sehr weites Organisationsermessen (vgl. z.B. VGH Mannheim, B.v. 30.6.2006 – 4 S 634/06; OVG Koblenz, U.v. 10.9.2007 – 2 A 10413/07 jew. juris), das sich auch auf die Art und Weise der Personalgewinnung erstreckt.
30
b) Jedoch ist die Art und Weise der Niederlegung der Auswählerwägungen seitens der Antragsgegnerin zu beanstanden und die Auswahlentscheidung damit bereits aus formalen Gründen rechtswidrig.
31
Aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG ergibt sich die Pflicht des Dienstherrn, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen und so eine Auswahlentscheidung transparent zu machen (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2014 – 3 CE 14.286 – juris Rn. 21). Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen – deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen kann – wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er daher gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen auch dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen (vgl. BVerfG, B.v. 9.7.2007 – 2 BvR 206.07 – juris Rn. 21 ff.).
32
Vorliegend hat das … die Auswahl des Beigeladenen ausweislich der Erwägungen der Verfügung vom 10. April 2024 darauf gestützt, dass dieser aus den Auswahlgesprächen am 13. März 2024 als bestgeeigneter Kandidat hervorgegangen ist. Die Bewertungsbögen über die Auswahlgespräche sind im Auswahlvorgang enthalten (vgl. Bl. 19 – 22 der Behördenakte).
33
Die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle sind damit schriftlich festgehalten und geben der Antragstellerin als unterlegener Mitbewerberin Kenntnis über die entscheidenden Erwägungen der Antragsgegnerin.
34
Zu beanstanden ist jedoch, dass die Antragsgegnerin die Auswahlerwägungen erst am 10. April 2024 im Rahmen der Beteiligung der Interessenvertretungen des … niedergelegt hat, mithin einem Zeitpunkt, der sowohl nach der tatsächlichen Auswahlentscheidung als auch nach der Absage an die Antragstellerin vom 4. April 2024 datiert. Die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin muss denknotwendigerweise jedoch bereits vor dem 10. bzw. 4. April 2024 getroffen worden sein. Eine Niederlegung der Gründe der zu diesem Zeitpunkt getroffenen Auswahlentscheidung fehlt. Durch die Fixierung der Auswahlgründe erst im Zeitpunkt der Beteiligung der Interessenvertretung ist nicht gewährleistet, dass diese mit der bereits zu einem früheren Zeitpunkt getroffenen Auswahlentscheidung übereinstimmen und diese tragen.
35
Von selbst versteht sich, dass in dem an den örtlichen Personalrat gerichteten Schreiben nicht zugleich die Auswahlentscheidung des Dienstherrn liegt oder diese dadurch ersetzt wird. Die Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens setzt regelmäßig voraus, dass der Dienstherr eine Auswahlentscheidung getroffen hat. Für diese Entscheidung ist vor ihrer Vollziehung im Rahmen des personalvertretungsrechtlichen Verfahrens das Einverständnis des Personalrats einzuholen (Thüringer OVG, B.v. 18.3.2011 – 2 EO 471/09 – juris Rn. 49).
36
c) Die Auswahlerwägungen sowie die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin sind zudem auch deshalb rechtswidrig, da sie die Tatsache, dass die Antragstellerin nach dem Gesamturteil der aktuellen dienstlichen Beurteilung die besser geeignete Bewerberin gewesen wäre, außer Acht lassen und damit gegen den Grundsatz gemäß Art. 33 Abs. 2 GG verstoßen, dass Bewerbungen nur aus Gründen zurückgewiesen werden dürfen, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind.
37
Dem bei der Beförderung zu beachtenden Grundsatz der Bestenauslese gemäß Art. 33 Abs. 2 GG entspricht es zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Regelmäßig sind dies die aktuellsten Beurteilungen (vgl. BVerwG, U.v. 27.2.2003 – 2 C 16.02 – juris Rn. 12). Maßgeblich für den Vergleich der Bewerber im Rahmen der Auswahlentscheidung ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil der dienstlichen Beurteilungen, die auf das Statusamt bezogen sein müssen (vgl. OVG NRW, B.v. 16.10.2017 – 6 B 685/17 – juris Rn. 14). Die dienstliche Beurteilung ist damit das primäre Erkenntnismittel für die Auswahlentscheidung (vgl. Hoffmann A. in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht-Kommentar, 6.3.2 Auswahlprozess Rn. 50). Dabei ist darauf zu achten, dass die dem Vergleich der Konkurrenten zugrunde gelegten Beurteilungen untereinander vergleichbar sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2017 – 3 CE 17.434 – juris Rn. 35). Die Eignung der Beurteilungen als Instrument zur Klärung einer Wettbewerbssituation erfordert die Gewährleistung ihrer Vergleichbarkeit auch in zeitlicher Hinsicht und setzt aus Gründen der Chancengleichheit voraus, dass keinem der Bewerber ein nennenswerter Aktualitätsvorsprung erwächst. Unterschiedlich lange Beurteilungszeiträume schließen die Vergleichbarkeit dienstlicher Beurteilungen nicht aus, solange im Einzelfall auf der Grundlage dieser Beurteilungen ein Qualifikationsvergleich nach Bestenauslesegrundsätzen ohne ins Gewicht fallende Benachteiligung eines Bewerbers möglich bleibt. Dass die Beurteilungszeiträume (annähernd) gleich lang sind, ist nicht erforderlich. Denn für eine konkrete Verwendungsentscheidung ist der aktuelle Leistungsstand ausschlaggebend. Erkenntnisse, die einen länger zurückliegenden Zeitraum betreffen, sind für die Entscheidung regelmäßig von geringerem Gewicht. Daher ist für die Vergleichbarkeit dienstlicher Beurteilungen von weitaus größerer Bedeutung, dass der von ihnen abgedeckte Zeitraum zum gleichen Stichtag oder zumindest nicht zu erheblich auseinanderfallenden Stichtagen endet, als dass der jeweils erfasste Beurteilungszeitraum zum gleichen Stichtag beginnt (vgl. OVG NRW, B.v. 27.1.2016 – 6 B 1358/15 – juris Rn. 17, B.v. 30.10.2015 – 6 B 865/15 – juris Rn. 6, B.v. 27.2.2012 – 6 B 181/12 – juris Rn. 5, B.v. 22.9.2011 – 6 A 1284/11 – juris Rn. 20). Sind danach mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann im Rahmen sachgerechter Erwägungen auch sonstigen sachlichen Gesichtspunkten ein (gegebenenfalls) entscheidendes Gewicht für die Auswahl beigemessen werden, sofern dadurch das Gebot der Auswahl nach Eignung, Befähigung und Leistung nicht in Frage gestellt wird (BVerwG, B.v. 26.3.2015 – 1 WB 44/14 – juris Rn. 36). Sind Bewerber in ihren aktuellen dienstlichen Beurteilungen mit dem gleichen Gesamturteil bewertet worden und im Wesentlichen gleich einzustufen, kann auf sekundäre (Leistungs-)Erkenntnisquellen (z.B. strukturierte Auswahlgespräche und Assessment-Center, vgl. im Einzelnen hierzu: Schnellenbach, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, Anhang 2, Rn. 135 f.) sowie nichtleistungsbezogene sonstige Hilfskriterien als weitere Auswahlkriterien zurückgegriffen werden. Ein bloßes Auswahlgespräch ersetzt jedoch nicht den Qualifikationsvergleich anhand unmittelbar leistungsbezogener Kriterien, wie der dienstlichen Beurteilungen. Es dient lediglich der Abrundung des aus den dienstlichen Beurteilungen gewonnenen Leistungs- und Eignungsbildes. Der Dienstherr kann bei einem sich aus den dienstlichen Beurteilungen ergebenden Qualifikationsgleichstand mehrerer Bewerber im Rahmen des ihm zustehenden weiten Ermessens das Ergebnis derartiger Gespräche als weiteres, möglicherweise auch ausschlaggebendes Kriterium für die Begründung seiner Auswahlentscheidung heranziehen. Er darf das Auswahlgespräch indes nicht zur alleinigen Entscheidungsgrundlage machen (vgl. BayVGH, B.v. 17.5.2013 – 3 CE 12.2469 – juris Rn. 38 m.w.N., OVG NRW, B.v. 28.9.2015 – 1 B 628/15 – juris Rn. 22).
38
Gegen diese Grundsätze hat die Antragsgegnerin verstoßen, indem sie – so auch die Verfahrenshinweise für die Besetzung von Referatsleiterstellen im … – nicht den dienstlichen Beurteilungen der Bewerber, sondern den Ergebnissen der Auswahlgespräche die entscheidende Bedeutung für die Auswahl des bestgeeigneten Bewerbers auf die Referatsleiterstelle … beigemessen hat. Die Gesamtnote der letzten dienstlichen Beurteilung (mind. 7 Punkte) diente lediglich als konstitutives Anforderungsmerkmal (vgl. Ziffer 2 der Verfahrenshinweise für die Besetzung von Referatsleiterstellen).
39
Mit den Beurteilungen der Antragstellerin sowie des Beigeladenen jeweils zum Stichtag 1. Oktober 2022 hätten jedoch vergleichbare Beurteilungen vorgelegen, die die Antragsgegnerin als primäres leistungsbezogenes Erkenntnismittel hätte heranziehen müssen. Die Beurteilungen sind für beide Beteiligte im gleichen Statusamt (A14 BBesO) und zudem zum gleichen Beurteilungsstichtag (1. Oktober 2022) erstellt worden. Zwar weichen die Beurteilungen hinsichtlich des Beurteilungszeitraumes voneinander ab, sodass sich für die Antragstellerin ein beurteilter Zeitraum von 23 Monaten ergibt, für den Beigeladenen von 9,5 Monaten (bzw. 14 Monaten, sofern die Anlassbeurteilung wegen Ablaufs der Probezeit von 1. Juni 2021 bis 15. Oktober 2021 ebenfalls berücksichtigt würde). Dies war jedoch vorliegend aufgrund der kürzeren Verweildauer des Beigeladenen im … unvermeidbar und hätte auch nicht durch die Erstellung einer Anlassbeurteilung oder andere Maßnahmen ausgeglichen werden können. Die Vergleichbarkeit der Beurteilungen ist vor allem dadurch gewährleistet, dass der Stichtag der Beurteilungen der Bewerber identisch ist und damit jeweils den aktuellen Leistungsstand der Bewerber wiedergibt.
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Eine fehlende Vergleichbarkeit der Beurteilungen oder eine Fehlerhaftigkeit der Beurteilung des Beigeladenen resultiert auch nicht daraus, dass in der Beurteilung des Beigeladenen anders als bei der Antragstellerin in Ziffer 5 das Leistungsmerkmal „Führung“ nicht bewertet wurde. Vielmehr wird damit dem Erfordernis der richtigen Erfassung der dienstlichen Tätigkeiten des Mitarbeiters und der Bewertung der daraus resultierenden Arbeitsergebnisse Genüge getan.
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Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Grundlage für den Bewerbervergleich setzt u.a. voraus, dass diese inhaltlich aussagekräftig sind. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das Leistungsvermögen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 33). Nach Ziffer 4.1. (2) und (3) der Richtlinie für die Beurteilung von Beamtinnen und Beamten im Geschäftsbereich … vom 11. Mai 2017 sind daher bei der Beurteilung Leistungsmerkmale zu streichen, die wegen der Art der angefallenen Aufgaben im Beurteilungszeitraum nicht beobachtet wurden. Die im Beurteilungsvordruck unter Nr. 5 (Führung) aufgeführten Leistungsmerkmale dürfen nicht gestrichen werden, wenn die oder der zu Beurteilende eine Führungsfunktion ausübt. Die Leiterin oder der Leiter der Behörde lege fest, wer als Führungskraft im Sinne der Richtlinie anzusehen sei. Laut § 3 der Dienstvereinbarung zwischen dem Präsidenten des … und dem Gesamtpersonalrat sind Führungskräfte i.S.d. Beurteilungsrichtlinie u.a. Abwesenheitsvertreter(innen), wenn sie eine nicht vorhandene Führungskraft de facto ersetzen oder solche, die die eigentliche Führungskraft (z.B. bei Erkrankung, Abordnung, usw.) mindestens 6 Monate ersetzt haben.
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Nach diesen Maßgaben wurde bei der Antragstellerin in der Beurteilung zum Stichtag 1. Oktober 2022 auf Grund der Übernahme von Führungsaufgaben in Form der Leitung des Referats … als Vakanzenvertretung (vgl. S. 2 der Beurteilung zum Stichtag 1. Oktober 2022, dort: Ziffer II. Tätigkeitsbeschreibung sowie schriftliche Übertragungsverfügung vom 24. September 2021 in der Personalakte der Antragstellerin) das Leistungsmerkmal „Führung“ bewertet. Wohingegen dies beim Beigeladenen zu Recht unterblieben ist, da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist (vgl. Ziffer II. Tätigkeitsbeschreibung, dort: „Referent der …“), dass er im Beurteilungszeitraum eine Führungsfunktion i.S.d. Beurteilungsrichtlinie ausgeübt hat. Im Ergebnis wirkt sich dies vorliegend jedoch nicht aus, da Führungserfahrung bzw. -verhalten keine überwiegende oder maßgebliche Bedeutung für die Bewerberauswahl für die ausgeschriebene Stelle hat. Die Beurteilungen sind gleichwohl materiell miteinander vergleichbar.
43
Der Antragsgegnerin war es auf Grund vorhandener vergleichbarer Beurteilungen verwehrt, bei der Bewerberauswahl primär auf das Ergebnis der Auswahlgespräche als ein nicht unmittelbar leistungsbezogenes Hilfskriterium zurückzugreifen. Im gebotenen Vergleich der Gesamtnoten der dienstlichen Beurteilungen der Bewerber zum Stichtag 1. Oktober 2022 hätte sich ein eindeutiger Leistungsvorsprung der Antragstellerin um einen Punkt ergeben. Während der Beigeladene eine Gesamtnote von 7 Punkten erhielt, erzielte die Antragstellerin 8 Punkte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht durch den Einbezug der für den Beigeladenen für den Beurteilungszeitraum von 1. Juni 2021 bis 15. Oktober 2021 wegen Ablaufs der Probezeit erstellten Anlassbeurteilung, in der der Beigeladene eine dienstliche Beurteilung mit der Gesamtnote von 7 Punkten erhielt (vgl. zum Leistungsvergleich zwischen verschiedenen Beurteilungsarten und älteren dienstlichen Beurteilungen ausführlich: Thüringer OVG, B.v. 16.8.2012 – 2 EO 868/11 – juris Rn. 36 ff.).
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Ein Rückgriff auf die geführten Auswahlgespräche, die im Vergleich zu den dienstlichen Beurteilungen lediglich eine Momentaufnahme der Leistungen darstellen und daher ein nicht unmittelbar leistungsbezogenes Hilfskriterium darstellen, war der Antragsgegnerin damit verwehrt. Sie hätte die Beurteilungsnote nicht lediglich als konstitutives Anforderungsmerkmal festlegen dürfen, sondern diese ihrer Auswahlentscheidung als primäres, aufgrund des Leistungsvorsprungs der Antragstellerin vorliegend sogar als alleiniges Entscheidungsmerkmal zugrunde legen und die Antragstellerin als bestgeeignete Bewerberin auswählen müssen.
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Selbst wenn sich im Vergleich der Gesamturteile der dienstlichen Beurteilungen der Antragstellerin und des Beigeladenen kein Qualifikationsunterschied ergeben hätte, wäre die Antragsgegnerin zunächst verpflichtet gewesen, die dienstlichen Beurteilungen der im Gesamturteil gleichbewerteten Bewerber inhaltlich auszuschöpfen. Das heißt, sie hätte im Wege einer näheren Ausschärfung des übrigen Beurteilungsinhalts der Frage nachgehen müssen, ob die jeweiligen Einzelfeststellungen eine gegebenenfalls unterschiedliche Prognose in Richtung auf den Grad der Eignung für das Beförderungsamt, also für die künftige Bewährung in diesem Amt (bzw. auf den Beförderungsdienstposten) ermöglichen (vgl. NRW OVG, B.v. 30.11.2015 – 6 B 1080/15 – juris Rn. 22/23). Hätte dann immer noch ein Qualifikationsgleichstand zwischen den Bewerbern bestanden, hätte die Antragsgegnerin die Vorbeurteilungen in den Blick nehmen, umfassend inhaltlich auswerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis nehmen müssen. Erst wenn die unmittelbar leistungsbezogenen Erkenntnisse ausgeschöpft worden wären, hätte die Antragsgegnerin auf Hilfskriterien zurückgreifen dürfen (st. Rechtspr. d. BVerwG, vgl. z.B. U.v. 30.6.2011 – 2 C 19.10 – juris Rn. 17).
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Nach alledem war dem Antrag stattzugeben.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten gemäß § 162 Abs. 3 VwGO selbst, da er keinen Antrag gestellt und sich damit auch nicht am Kostenrisiko beteiligt oder das Verfahren sonst wesentlich gefördert hätte.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 2 bis 4 GKG. Der Streitwert in einem beamtenrechtlichen Eilverfahren, das wie hier auf die vorläufige Freihaltung der zu besetzenden Beförderungsstelle durch Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet ist, bemisst sich nach § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG und beträgt wie bei einer auf Neuverbescheidung des Beförderungsbegehrens gerichteten Hauptsacheklage ein Viertel der für ein Kalenderjahr in dem angestrebten Amt zu zahlenden Bezüge der Endstufe nach Maßgabe von § 52 Abs. 6 Satz 1 bis 3 GKG (vgl. BayVGH, B.v.1.2.2022 – 6 CE 21.2708 – juris Rn. 44), vorliegend demnach 23.538,96‬ EUR (drei Monatsgehälter á 7.846,32 EUR).