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LG Amberg, Endurteil v. 28.02.2024 – 24 O 400/23
Titel:

Beendigung einer Krankentagegeldversicherung bei Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente

Normenketten:
VVG § 192
MB/KT § 7 S. 1, § 11 S. 2, § 15 lit. b
Leitsatz:
Bei einer Krankentagegeldversicherung endet das Versicherungsverhältnis mit dem Bezug einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Wird die Rente rückwirkend bewilligt, entfällt die Leistungspflicht des Versicherers schon mit dem Beginn des Zeitraums, für den die Rente gewährt wird. Die diesbezüglichen Regelungen in den Versicherungsbedingungen (hier: § 15 MB/KT 2009 bzw. Nr. 31 TB) begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Die vereinbarte Beendigungsregelung verstößt nicht gegen § 307 BGB, da das Versicherungsunternehmen dem Versicherungsnehmer in Nr. 31 TB die Möglichkeit der Fortsetzung des Vertrages im Rahmen einer Anwartschaftsversicherung angeboten hat. Der Versicherer kann bei rückwirkender Rentenbewilligung einen vertraglichen Rückzahlungsanspruch von Krankentagegeldleistungen gem. §§ 280 Abs. 1 BGB, §§ 1 ff, 192 ff VVG i.V.m. §§ 11 S. 2, 15 MB/KT 2009 i.V.m. Nr. 30 TB geltend machen. (Rn. 41 – 46, 35 – 36 und 47)
Schlagworte:
Krankentagegeldversicherung, Ende des Versicherungsverhältnisses, Versicherungsfähigkeit, rückwirkende Bewilligung, rückwirkende Beendigung, Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente, Wirksamkeit, Anwartschaftsversicherung, vertraglicher Rückzahlungsanspruch
Fundstellen:
NJOZ 2024, 1236
LSK 2024, 20546
BeckRS 2024, 20546

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.040,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.01.2022 sowie als Nebenforderung außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 719,95 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.06.2022 zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.040,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Rückzahlung von Krankentagegeld.
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Der Beklagte unterhielt bei der Klägerin einen privaten Krankentagegeldversicherungsvertrag zum Tarif TG 42. Danach stand dem Beklagten ein Krankentagegeld in Höhe von 15,00 € täglich bei einer Arbeitsunfähigkeit von 100 % unter Berücksichtigung einer Karenzzeit von 42 Tagen zu.
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Es wird vollumfänglich auf die Vertragsunterlagen, Anlagen … 1 bis 3, Bezug genommen.
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Der Beklagte erhielt im Zeitraum vom 16.09.2020 bis zum 17.08.2021 von der Klägerin Krankentagegeld aus diesem Versicherungsvertrag in Höhe von insgesamt 5.040,00 €.
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Mit Schreiben vom 06.04.2021 bestätigte die Beklagte dem Kläger die Verlängerung der Krankentagegeldversicherung bis zum 31.01.2022. Auf die Anlage „K 1“ (bei den Beklagtenanlagen) wird Bezug genommen.
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Die Deutsche Rentenversicherung ... bewilligte dem Beklagten mit Schreiben vom 22.06.2021 rückwirkend für den Zeitraum ab dem 01.09.2020 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die monatlich ausbezahlten Leistungen betrugen ab dem 01.08.2021 insgesamt 1.230,68 €. Für den Zeitraum vom 01.09.2020 bis zum 31.07.2021 betrug die Nachzahlung 12.478,27 €. Auf die Anlage … 4 wird umfassend Bezug genommen.
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Aufgrund der erhaltenen Rentenzahlungen wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung ... teilte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 26.10.2021 die Beendigung des Krankentagegeldversicherungsvertrags mit. Darüber hinaus forderte sie den Beklagten zur Rückerstattung der erhaltenen Krankentagegeldleistungen in Höhe von 5.040,00 € unter Fristsetzung von 4 Wochen auf. Auf die Anlagen … 5 und 6 wird vollumfassend rekurriert. Mit Schreiben vom 15.12.2021 erfolgte eine nochmalige Fristsetzung bis zum 07.01.2022 (Anlage … 7). Der Beklagte wurde am 18.05.2022 von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin nochmals zur Zahlung in Höhe von 5.040,00 € zuzüglich Verzugszinsen und außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren unter Fristsetzung bis zum 01.06.2022 aufgefordert. Eine Zahlung erfolgte nicht.
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Die Klägerin meint, dass der Beklagte keinen Anspruch auf die erhaltenen Leistungen gehabt habe, da wegen der bezogenen vollen Erwerbsminderungsrente das Versicherungsverhältnis seit dem 01.09.2020 bedingungsgemäß beendet gewesen sei. Sie stützt den geltend gemachten Rückerstattungsanspruch auf §§ 11 Satz 2, 15 lit. a) und b) MB/KT i.V.m. Nr. 30 der Tarifbedingungen.
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Auch die rückwirkende Bewilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit führe dazu, dass der Verdienstentgang ab dem Zeitpunkt, für den die Rente bewilligt sei, im Sinne des Risikoausschlusses kompensiert werde. Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit beziehe nur, wer mit Erfolg geltend machen konnte, er sei berufsunfähig geworden. Von einem (auch rückwirkenden) Leistungsbescheid des Berufsunfähigkeitsversicherers könne demnach kein Versicherungsnehmer überrascht werden.
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Da die Rentenleistungen den Krankentagegeldanspruch pro Tag überstiegen hätten, könne das Krankentagegeld in voller Höhe zurückgefordert werden.
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Die Klägerin erachtet die Versicherungsbedingungen für klar und verständlich. In § 15 b) MB/KT i.V.m. Nr. 30 Abs. 2 S. 1 der Tarifbedingungen der Klägerin sei eindeutig niedergeschrieben, dass ein Fall der Berufsunfähigkeit nach § 15 b MB/KT auch vorliege, wenn die versicherte Person eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung beziehe.
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Die MB/KT sowie die Tarifbedingungen der Klägerin sähen eine Anwartschaftsversicherung vor. § 15 Abs. 2 MB/KT enthalte die Möglichkeit, dass der Vertrag als Anwartschaftsversicherung fortgeführt werden könne, wenn dieser wegen Eintritts der Berufsunfähigkeit gemäß § 15 1 Abs. 1 b) MB/KT beendet worden sei. Gemäß § 15 MB/KT i.V.m. Nr. 31 S. 1 der Tarifbedingungen bestehe für die versicherte Person die Möglichkeit, den Vertrag im Rahmen einer Anwartschaftsversicherung während der Dauer der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung oder der Dauer des Bezugs der Erwerbsminderungsrente bzw. Berufsunfähigkeitsrente fortzusetzen, wenn die Leistungspflicht des Versicherers wegen Eintritts der Berufsunfähigkeit oder wegen Bezugs einer Berufsunfähigkeits- bzw. Erwerbsminderungsrente beendet werde.
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Dem Beklagten hätte es freigestanden, eine Anwartschaftsversicherung abzuschließen. Der Beklagte hätte für den Fall, dass die Voraussetzungen der Versicherungsfähigkeit zum 01.02.2022 vorlägen, dies der Klägerin anzeigen können. Es hätte, wie im Schreiben vom 06.04.2021 hingewiesen, eine Möglichkeit zur Vertragsverlängerung bestanden.
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Bezüglich des Schreibens der Klägerin vom 06.04.2021 habe der Versicherungsschein einen Hinweis auf die geltenden Versicherungsbedingungen enthalten. Die auf dem Versicherungsschein vermerkte Vertragsgrundlage 403 beinhalte die MB/KT 2009 sowie die Tarifbedingungen der Klägerin.
15
Der Beklagte befinde sich spätestens seit dem 08.01.2022 in Verzug, da er der Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 15.12.2021 (Anlage … 7) unter Zahlungsfrist bis zum 07.01.2022 nicht nachgekommen sei. Hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten befinde sich der Beklagte seit dem 02.06.2022 in Verzug.
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Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten berechnet die Klägerin aus einer 1,5-Geschäftsgebühr zzgl. 20 Euro Auslagenpauschale zzgl. 19 % MWSt. Sie erachtet die Abrechnung einer 1,5-Geschäftsgebühr unter Berücksichtigung des Bearbeitungsaufwandes, der rechtlichen Schwierigkeit und der besonderen Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin sowie für die Gemeinschaft der Versicherten im Einzelfall für angemessen.
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Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 5.040,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.01.2022 sowie als Nebenforderung außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 719,95 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.06.2022 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
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Der Beklagte meint, dass kein Rückforderungsanspruch bestehe. Die von der Klägerin geführte Argumentation könne nicht zutreffend sein.
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Die Versicherungsbedingungen seien aus der Sicht eines Verbrauchers unklar. In den bisher ergangenen Entscheidungen sei in den Versicherungsbedingungen klar enthalten gewesen, dass das Versicherungsverhältnis mit dem „Bezug von Berufsunfähigkeitsrente“ ende. In den Versicherungsbedingungen der Beklagten sei lediglich ausgeführt, dass, wenn in einem bereits eingetretenen Versicherungsfall Arbeitsunfähigkeit bestehe, das Versicherungsverhältnis nicht vor dem Zeitpunkt ändere, bis zu dem der Versicherer seine im Tarif aufgeführten Leistungen für diese Arbeitsunfähigkeit zu erbringen habe, spätestens 3 Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit.
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Für den Kläger sei der Eintritt der Berufsunfähigkeit mit dem Erlass des Bescheides gegeben, in welchem Berufungsunfähigkeit festgestellt worden sei. Eine deutliche Regelung, dass der Vertrag 3 Monate nach Bezug der Berufsunfähigkeitsrente ende, oder etwa nach 3 Monaten ab dem Zeitpunkt, zu welchem Berufsunfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger festgestellt worden sei, enthalte § 15 der Bedingungen der Klägerin nicht, so dass insoweit für den Beklagten als Verbraucher keineswegs klar gewesen sei, dass im Fall einer rückwirkenden Bewilligung von Berufsunfähigkeitsrente rückwirkend auch der Vertrag ändere.
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Der Beklagte verweist weiterhin auf das Schreiben der Klägerin vom 06.04.2021 zur Bestätigung der Verlängerung des Krankentagegeldes bis zum 31.01.2022 und meint, nachdem dabei keinerlei Hinweis auf die Geltung von Versicherungsbedingungen erfolgt sei, habe der Beklagte davon ausgehen dürfen, dass die Krankentagegeldversicherung zeitlich bis zum 31.01.2022 bestehe.
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Darüber hinaus stünde auch das Verhalten der Klägerin einem Rückforderungsanspruch entgegen. Eine Vertragsaufhebungsklausel sei nur dann wirksam, wenn in den Tarifbedingungen ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt werde, den Vertrag für die Dauer des Bezugs von Berufsunfähigkeitsrente in Form einer Anwartschaftsversicherung fortzusetzen. Diese Möglichkeit sei dem Beklagten nicht gegeben worden. Mit Schreiben vom 26.10.2021 habe die Klägerin nicht auf die
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Möglichkeit der Anwartschaftsversicherung und der Antragstellung hingewiesen.
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Zum weiteren Parteivortrag wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.
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Ergänzend wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2024 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
A.
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Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten 5.040,00 € gem. § 280 Abs. 1 BGB, §§ 1 ff, 192 ff VVG i.V.m. §§ 11 S. 2, 15 Buchst. b der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankentagegeldversicherung, Teil II Musterbedingungen 2009 (MB/KT 2009) i.V.m. Nr. 30 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankentagegeldversicherung, Teil II Tarifbedingungen der … Krankenversicherung … (TB) (vgl. Anlage … 2) zu. Auch besteht Anspruch auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten und Verzugszinsen, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288, 249 BGB.
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I. In der Hauptsache ist der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung von 5.040,00 € gem. § 280 Abs. 1 BGB, §§ 1 ff, 192 ff VVG i.V.m. §§ 11 S. 2, 15 Buchst. b der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankentagegeldversicherung, Teil II Musterbedingungen 2009 (MB/KT 2009) i.V.m. Nr. 30 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankentagegeldversicherung, Teil II Tarifbedingungen der …Krankenversicherung … (TB) (Anlage … 2) vollumfänglich begründet.
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1. Maßgeblich sind die dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen.
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Gemäß Nachtrag zum Versicherungsschein von November 2011 des Klägers, Anlage … 1, wird u.a. auf die Vertragsgrundlage 403 Bezug genommen. Gem. Anlage … 2 handelt es sich bei der Vertragsgrundlage 403 um die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die Krankentagegeldversicherung, Teil I Musterbedingungen 2009 (MB/KT 2009, im Folgenden: MB/KT), Teil II Tarifbedingungen der … Krankenversicherung … (TB) (Anlage … 2).
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Gem. § 1 Abs. 1 S. 1 der MB/KT besteht Versicherungsschutz gegen Verdienstausfall als Folge von Krankheiten oder Unfällen, soweit dadurch Arbeitsunfähigkeit verursacht wird.
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Nach § 7 S. 1 der MB/KT endet der Versicherungsschutz mit der Beendigung des Versicherungsverhältnisses nach §§ 13 bis 15. Wenn das Versicherungsverhältnis wegen Eintritts der Berufsunfähigkeit endet, bestimmt sich die Leistungspflicht nach § 15 Buchst. a oder b (§ 7 S. 3 AVB).
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Gem. § 15 Buchst. b der MB/KT endet das Versicherungsverhältnis mit Eintritt der Berufsunfähigkeit, welche vorliegt, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig ist; besteht jedoch zu diesem Zeitpunkt in einem bereits eingetretenen Versicherungsfall Arbeitsunfähigkeit, so endet das Versicherungsverhältnis nicht vor dem Zeitpunkt, bis zu dem der Versicherer seine im Tarif aufgeführten Leistungen für diese Arbeitsunfähigkeit zu erbringen hat, spätestens aber drei Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit.
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Gem. Nr. 30 Berufsunfähigkeit Abs. 2 zu § 15 Buchst. B, TB, liegt ein Fall der Berufsunfähigkeit im Sinne von § 15 Buchst. b der MB/KT auch vor, wenn die versicherte Person eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bei Unfähigkeit des Versicherten, mehr als vier Stunden kalendertäglich erwerbstätig zu sein, bezieht. Die Differenz zwischen der Rentenzahlung und dem vertraglich vereinbarten Tagegeld wird für längstens 3 Monate nach Beginn der Rentenzahlung ausgezahlt, sofern nicht bereits wegen festgestellter Berufsunfähigkeit die 3-monatige Nachleistung in Anspruch genommen wurde.
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Gem. § 11 MB/KT ist der Eintritt der Berufsunfähigkeit (vgl. § 15 Buchstabe b) einer versicherten Person dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen (S. 1); erlangt der Versicherer von dem Eintritt dieses Ereignisses erst später Kenntnis, so sind beide Teile verpflichtet, die für die Zeit nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses empfangenen Leistungen einander zurückzugewähren (S. 2).
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2. Unter Zugrundelegung dieser Regelungen ist der geltend gemachte Rückforderungsanspruch gegeben. Insbesondere begegnen auch die Versicherungsbedingungen inhaltlich keinen Bedenken; sie sind auch nicht, wie der Beklagte meint, unklar.
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a) § 15 MB/KT sieht für alle dort normierten Tatbestände die automatische Beendigung des Versicherungsvertrages vor; es bedarf hierzu keiner entsprechenden Erklärung (Rogler, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 4. Aufl., 2020, § 15 MB/KT 2009 Rn. 1). Der Bezug einer Rente führt in diesem Zusammenhang nur dann zum Wegfall der Versicherungsfähigkeit, wenn dies -- wie vorliegend der Fall – in den Bedingungen ausdrücklich geregelt ist (BGH, Urteil vom 30.6.2010, IV ZR 163/09, VersR 2010, 1171; OLG Köln, Urteil vom 22.12.2003, 5 U 114/03, VersR 2005, 822).
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Dem Beklagten wurde ausweislich des Rentenbescheids vom 22.06.2021, Anlage … 4, Rente wegen voller Erwerbsminderung, beginnend ab 01.09.2020, auf den Antrag vom 03.11.2020 gewährt. Damit endete das Versicherungsverhältnis mit dem Bezug der Rente wegen voller Erwerbsminderung. Deren Bezug begann ab 01.09.2020.
41
b) § 15 Buchst. a MB/KT ist nach § 307 BGB unwirksam, wenn er dem Versicherungsnehmer bei endgültiger Beendigung des Versicherungsvertrages keine reelle Möglichkeit bietet, bei Wegfall des Beendigungstatbestandes gleichwertigen Versicherungsschutz zu erhalten (Rogler, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 4. Aufl., 2020, § 15 MB/KT 2009 Rn. 2; BGH, Urteil vom 22.01.1992, IV ZR 59/91, VersR 1992, 477; BGH, Urteil vom 26.02.1992, IV ZR 339/90, VersR 1992, 479; OLG Saarbrücken, Urteil vom 15.12.1999, 5 U 539/99-37, VersR 2001, 318). Die Klausel kann deshalb nur dann Bestand haben, wenn dem Versicherungsnehmer die Option offensteht, z.B. über eine Anwartschaftsversicherung, seine Ansprüche zu bewahren (BGH, Urteil vom 22.01.1992, IV ZR 59/91, VersR 1992, 477; BGH, Urteil vom 27.02.2008, IV ZR 219/06, VersR 2008, 628; OLG Köln, Urteil vom 22.12.2003, 5 U 114/03, VersR 2005, 822; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.07.2006, 12 U 89/06, VersR 2007, 51).
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Für § 15 Buchst. b MB/KT trifft diese Erwägung in gleicher Weise zu (zum Ganzen: Rogler, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 4. Aufl., 2020, § 15 MB/KT 2009 Rn. 2, unter Rekurs auf BGH, Urteil vom 09.03.2011, IV ZR 137/10, VersR 2011, 518; BGH, Urteil vom 26.02.1992, IV ZR 339/90, VersR 1992, 479; OLG Saarbrücken, Urteil vom 26.07.2018, 5 U 15/17, VersR 2018, 1117).
43
Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben.
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In Nr. 31 TB zu § 15 Buchst. b MB/KT ist festgehalten, dass dann, wenn die Leistungspflicht des Versicherers wegen Bezugs einer Erwerbsminderungsrente endet, der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis für die Dauer des Bezugs der Erwerbsminderungsrente hinsichtlich der betroffenen versicherten Person im Rahmen einer Anwartschaftsversicherung fortsetzen kann. Der Antrag auf diese Umwandlung des Versicherungsverhältnisses ist innerhalb von zwei Monaten seit Bezug der Erwerbsminderungsrente, bei erst späterem Bekanntwerden des Ereignisses gerechnet ab diesem Zeitpunkt, zu stellen.
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Dem Beklagten stand es also frei, diese Anwartschaftsversicherung abzuschließen. Diese war auch an der entsprechenden Stelle gut erkennbar in den Versicherungsbedingungen erwähnt.
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Gegen den Beendigungstatbestand bestehen deshalb keine rechtlichen Bedenken.
47
c) Sind die Klauseln – wie hier der Fall – wirksam, ist der Versicherer für die Dauer des Beendigungstatbestandes leistungsfrei, wie hier auch rückwirkend auf Grund rückwirkender Rentenbewilligung (Rogler, in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 4. Aufl., 2020, § 15 MB/KT 2009 Rn. 2). In Unkenntnis erbrachte Leistungen können dann nach § 11 S. 2 zurückgefordert werden (BGH, Urteil vom 22.01.1992, IV ZR 59/91, VersR 1992, 477; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.07.2006, 12 U 89/06, VersR 2007, 51).
48
Für eine vorherige Kenntnis des Versicherers ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Das zeitlich erste vorliegende Schreiben der Klägerin, aus welchem eine entsprechende Kenntnis der Klägerin hervorgeht, datiert auf den 26.10.2021, Anlage … 5. Der Leistungszeitraum der Klägerin endete am 17.08.2021, also zeitlich vorausgehend.
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d) An dieser Einschätzung ändert auch das beklagtenseits erwähnte Schreiben der Klägerin vom 06.04.2021, Anlage B 1, nichts.
50
Es handelt sich dabei um eine Verlängerung des Versicherungsverhältnisses und nicht um eine inhaltliche Anerkennung eines bestehenden Anspruchs in einem bestimmten Zeitraum, also eine allein zeitbezogene und nicht inhaltsbezogene Erklärung. Auch wird auf dem dazugehörigen Versicherungsschein auf „TG 42, Vertragsgrundlage 403, 591 Krankentagegeldversicherung“ Bezug genommen. Von der Vertragsgrundlage 403 sind die o.g. AVB (MB/KT und TB) erfasst.
51
e) Im Übrigen würde, ohne dass es vorliegend darauf ankommen würde, auch bei einer Unwirksamkeit der entsprechenden Klauseln der Versicherungsvertrag bestehen bleiben; als Folge einer ergänzenden Vertragsauslegung würde die Leistungspflicht des Versicherers für den Zeitraum, in dem die Tatbestände der Buchst. a und b des § 15 MB/KT verwirklicht sind, erlöschen und ein Rückgewährschuldverhältnis entstehen (Rogler, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 4. Aufl., 2020, § 15 MB/KT 2009 Rn. 2).
52
f) Der Rückzahlungsanspruch ist in Höhe von 5.040,00 € gegeben.
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Ein Differenzbetrag zwischen der Rentenzahlung und dem vertraglich vereinbarten Tagegeld für längstens 3 Monate nach Beginn der Rentenzahlung konnte nicht zur Auszahlung kommen, nachdem die Rentenzahlung das Tagegeld überschritt.
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Damit unterliegt der gesamte geleistete Betrag ab 01.09.2020 bis 17.08.2021 in Höhe von 5.040,00 € der Rückzahlung.
55
Die Höhe wurde im Übrigen beklagtenseits auch nicht im Einzelnen angegriffen.
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II. Der Anspruch auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten basiert auf §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 249 BGB. Er wurde der Höhe nach nicht angegriffen. Die Darlegungen der Klagepartei zur Angemessenheit waren ausreichend. Es war eine einzelfallbezogene Prüfung der Versicherungsbedingungen und vorliegenden Schreiben notwendig. Die geltend gemachte Geschäftsgebühr war noch vom zustehenden Ermessensspielraum gedeckt.
57
III. Der Anspruch auf Ersatz der Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB.
58
Mit Schreiben vom 15.12.2021, Anlage … 7, erfolgte eine Zahlungsaufforderung über den Zahlbetrag von 5.040,00 € bis 07.01.2022.
59
Mit Schreiben vom 18.05.2022, Anlage … 8, erfolgte eine Zahlungsaufforderung über den Betrag der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 719,95 € bis 01.06.2022.
60
Der erforderliche Verzug lag damit zu den jeweiligen Verzinsungsbeginn-Zeitpunkten vor.
B.
61
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.