Titel:
Nutzungsänderung für Einzelbaudenkmal – Genehmigungsfiktion
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 5
BayVwVfG Art. 42a Abs. 3
BayBO Art. 59 Abs. 1 Nr. 3, Art. 68 Abs. 2
BayDSchG Art. 6, Art. 12 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 3 Nr. 5
Leitsätze:
1. Die Genehmigungsfiktion knüpft ihre Rechtsfolge an den bloßen, rein tatsächlichen Umstand der fehlenden Versagung des Antrages innerhalb der Entscheidungsfrist. Ob die erfolgte Versagung rechtlich einwandfrei erfolgt ist und in der Folgezeit Bestand hat, ist insoweit ohne Belang. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist für den Regelfall davon auszugehen, dass bei Baudenkmälern ein Erhaltungsinteresse anzuerkennen ist und damit „gewichtige Gründe“ für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands indiziert sind. Gewichtige Gründe sind allenfalls bei völlig unbedeutenden Baudenkmälern oder völlig geringfügigen Beeinträchtigungen zu verneinen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Den fachlichen Einschätzungen des Landesamts für Denkmalpflege kommen auch aufgrund der gesetzlichen Wertung des Art. 12 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 3 Nr. 5 BayDSchG bei der Rechtsanwendung ein besonderes tatsächliches Gewicht zu. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bauherrenklage, Genehmigungsfiktion (verneint), kein Anspruch auf Ausstellung der Fiktionsbescheinigung bei Aufhebung des Ablehnungsbescheids zum Bauantrag, Baudenkmal „ehemaliges Postgebäude“, denkmalschutzrechtliches Versagungsermessen, Ermessensfehler (verneint), gewichtige Gründe des Denkmalschutzes, Landesamt für Denkmalpflege
Fundstellen:
BayVBl 2024, 566
BeckRS 2024, 20545
LSK 2024, 20545
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt für ein Einzelbaudenkmal die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung des 2. Dachgeschosses zu Wohnraum unter Einbau von vier Fenstern in die Dachfläche.
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Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. … der Gemarkung ... (A.-Straße ...), das mit einem Einzelbaudenkmal (alte Post) bebaut ist. Sie beantragte bei der Beklagten (Bauantrag Az.: 1..., eingegangen am 8. Dezember 2021) die Erteilung einer Baugenehmigung für den Einbau von vier sog. Lackerfenstern (großflächige Lamellenfenstern) und Nutzungsänderung der 2. DG-Ebene von Speicherzu Wohnraum. Bereits im Jahr 2021 hatte die Klägerin (im Verfahren der Beklagten: Az.: 2...) die Baugenehmigung zum Ausbau des Dachgeschosses in zwei Wohneinheiten und Anbau von Balkonen sowie Errichtung einer Gaube erhalten. Die im Verfahren beteiligte Fachstelle der Beklagten „Untere Denkmalschutzbehörde“ teilte in ihrer Stellungnahme vom 3. Februar 2022 mit, die streitgegenständliche Planung sei dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) vorgestellt worden, das sich wie folgt denkmalfachlich geäußert habe:
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„Das Baudenkmal A.-Straße ... ist mit folgendem Text in die Denkmalliste eingetragen: „Ehemaliges Postgebäude, zweigeschossiger, giebelständiger Satteldachbau mit vorgesetztem, halbrundem Treppenhaus im Süden und östlich erdgeschossigem Anbau mit Satteldach, Blankziegel, von ... und ..., 1931; Ummauerung und Wartehalle, gleichzeitig.“
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Weiter führt die Fachstelle aus, das überlieferte Erscheinungsbild des Denkmals werde ganz wesentlich von einem hochaufragenden, steilen Satteldach geprägt, da es eine geschlossene Ziegeldeckung aufweise, die nur im 1. DG von wenigen Satteldachgauben und im Bereich des an der Südseite vorspringenden Treppenturms unterbrochen ist. Im Rahmen eines dem jetzigen Antrag vorausgegangen Verfahrens zum Ausbau des Daches habe das Bayerische BLfD bereits weitrechende Zugeständnisse gemacht. Mit dem nun darüber hinaus geplanten Ausbau des Daches, insbesondere jedoch mit dem Einbau großflächiger Lamellenfenster in die Dachhaut, bestehe aus denkmalfachlicher Sicht kein Einverständnis. Die gewünschten Verglasungen würden in der bislang weitgehend geschlossenen Dachhaut störend wirken und das Erscheinungsbild und die Wirkung des Baudenkmals erheblich beeinträchtigen, zumal die südliche Dachfläche von der A.-Straße und von der B.-Straße aus voll einsehbar sei. Die vorgelegte Planung müsse aus Sicht des BLfD abgelehnt werden.
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Die vom BLfD vorgetragenen denkmalfachlichen Belange seien zutreffend. Das Gebäude sei genutzt und sein Erhalt damit wirtschaftlich gesichert, in der Vergangenheit seien für Nutzungs- und Veränderungswünsche der Eigentümerin bereits weitgehende Zugeständnisse gemacht worden. Die beantragte Maßnahme würde das Baudenkmal in seiner Wirkung erheblich beeinträchtigen, der Antrag sei deshalb aus der Sicht der Unteren Denkmalschutzbehörde abzulehnen.
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Mit Bescheid vom 8. März 2022 (Az.: 1...) lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für das beantragte Vorhaben ab. In den Gründen ist ausgeführt, dass das Vorhaben Vorschriften widerspreche, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen seien (Art. 68 Abs. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO)). Das Vorhaben widerspreche denkmalschutzrechtlichen Vorschriften. Auf die weitere Bescheidsbegründung wird Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 6. April 2022 ließ die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg (Au 5 K 22.900) gegen den Bescheid der Stadt ... vom 8. März 2022 erheben. Die Berichterstatterin führte am 14. Dezember 2022 einen nichtöffentlichen Augenscheinstermin durch, auf dessen Protokoll samt Lichtbildern Bezug genommen wird. Im Rahmen der zum Klageverfahren durchgeführten mündlichen Verhandlung am 2. Februar 2023 hob die Beklagte den Bescheid vom 8. März 2022 auf, nachdem die Kammer darauf hingewiesen hatte, dass einiges dafür spreche, dass der Bescheid die Anforderungen an die Ausübung des der Behörde nach Art. 6 Bayerisches Denkmalschutzgesetz (BayDSchG) eröffneten Ermessens nicht ausreichend erfülle und überdies auch ein Ermessensausfall in Betracht komme.
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Im Nachgang ließ die Klägerin auf Anfrage der Beklagten mitteilen, sie halte an dem Bauantrag fest und bitte um einen Gesprächstermin, um eine einvernehmliche Lösung zu finden; ggf. wünsche sie den Erlass eines rechtmittelfähigen Bescheids.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 10. Mai 2023 (Gz.: 1...) wurde der Antrag vom 8. Dezember 2021 auf Erteilung einer Baugenehmigung für das Bauvorhaben „Einbau von vier Lackerfenstern und Nutzungsänderung der 2. DG-Ebene von Speicher- zu Wohnraum“ abgelehnt. Der Bescheid vom 8. März 2022 wurde gemäß Protokoll des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. Februar 2023 aufgehoben (Ziffer 1 des Bescheides). Zur Begründung ist ausgeführt, dass die beantragte Baugenehmigung versagt werde, da das Bauvorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspreche, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 68 Abs. 1 BayBO). Das Vorhaben widerspreche Bauplanungsrecht. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 BayDSchG sei u.a. die Veränderung von Baudenkmälern erlaubnispflichtig. Diese Erlaubnis könne versagt werden, soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprächen. Das überlieferte Erscheinungsbild des Denkmals werde ganz wesentlich von einem hochaufragenden, steilen Satteldach geprägt, das eine geschlossene Ziegeldeckung aufweise, die nur im 1. DG von wenigen Satteldachgauen und im Bereich des an der Südseite vorspringenden Treppenturms unterbrochen sei. Mit dem geplanten Ausbau des Daches, insbesondere jedoch mit dem Einbau großflächiger Lamellenfenster in die Dachhaut, bestehe aus denkmalfachlicher Sicht kein Einverständnis. Die gewünschten Verglasungen würden in der bislang weitgehend geschlossenen Dachhaut störend wirken und das Erscheinungsbild und die Wirkung des Baudenkmals erheblich beeinträchtigen, zumal die südliche Dachfläche von der A.-Straße und von der B.-Straße aus voll einsehbar sei. Die Entscheidung über die Ablehnung werde daher nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen, sie sei die geeignete Maßnahme um baurechtmäßige Zustände zu erhalten. Die Ablehnung des beantragten weiteren Dachausbaus sei auch angemessen, da das Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung des Denkmals höher zu bewerten sei, als die wirtschaftlichen Interessen der Bauherrin an einer größtmöglichen Ausnutzung des Gebäudes. Im Rahmen eines dem jetzigen Antrag vorausgegangenen Verfahrens zum Ausbau des Daches habe die Bauaufsichtsbehörde bereits weitreichende Zugeständnisse gemacht (siehe 3...).
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Der Bescheid vom 10. Mai 2023 wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 16. Mai 2023 zugestellt.
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Mit Schreiben vom 14. Juni 2023, bei Gericht eingegangen am 15. Juni 2023, ließ die Klägerin Klage erheben und beantragen,
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1. Den Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 2023 (Az. 1...) aufzuheben,
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2. Die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin zu ihrem Bauantrag vom 10. Januar 2022 eine Fiktionsbescheinigung nach Art. 42 Abs. 3 BayVwVfG i.V.m. Art. 68 Abs. 2 BayBO auszustellen,
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3. Hilfsweise: Die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung erneut unter Berücksichtigung der Rechtssauffassung des Gerichts zu entscheiden.
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Zur Klagebegründung ist ausgeführt, der Ablehnungsbescheid vom 10. Mai 2023 sei zu Unrecht erlassen worden. In der Zwischenzeit sei für den Bauantrag der Klägerin vom 8. Dezember 2021 bzw. 10. Januar 2022 Genehmigungsfiktion nach Art. 42a Abs.1 Satz 1 BayVwVfG eingetreten. Die Beklagte habe zu dem Bauantrag Unterlagen nachgefordert, welche die Klägerin mit Schreiben vom 10. Januar 2022, Eingang bei der Beklagten am 11. Januar 2022, nachgereicht habe. Die Genehmigungsfiktionsfrist habe somit am 1. Februar 2022 begonnen und hätte nach drei Monaten am 2. Mai 2022 geendet. In der Zwischenzeit habe die Beklagte zwar den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 8. März 2022 abgelehnt und es sei damit die Fiktionsfrist bereits vor ihrem Ablauf geendet, der Ablehnungsbescheid vom 8. März 2022 sei allerdings in der mündlichen Verhandlung am 2. Februar 2023 aufgehoben worden. Das Gesetz treffe keine Regelung dazu, ob die Fiktionsfrist in einem solchen Fall erneut zu laufen beginne. Nachdem Sinn und Zweck der Fiktionsfrist die Verfahrensbeschleunigung sei, würde diese völlig konterkariert werden, wenn es den Behörden möglich wäre, allein durch (negative) Entscheidung und Aufhebung dieser Entscheidung die Fiktionsfrist auszuhebeln. Dahingestellt bleiben könne, ob die Fiktionsfrist in einem solchen Fall gehemmt oder unterbrochen werde, weil in beiden Fällen die Genehmigungsfiktionsfrist bereits abgelaufen sei. Für den Fall der Hemmung wäre das Ende der Genehmigungsfiktionsfrist am 30. März 2023 gewesen. Für die Annahme einer Unterbrechung endete die Genehmigungsfiktionsfrist am 2. Mai 2023. In beiden Fällen wäre die Genehmigungsfiktionsfrist vor Erlass des hier streitgegenständlichen Bescheides vom 10. Mai 2023 abgelaufen. Damit habe die Klägerin Anspruch auf Ausstellung der Bescheinigung nach Art. 42a Abs. 3 BayVwVfG.
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Bei Annahme, dass die Genehmigungsfiktionsfrist doch nicht eingetreten sei, sei jedenfalls die beantragte Baugenehmigung zu Unrecht aus Gründen des Denkmalschutzes versagt worden. Das Vorhaben widerspreche nicht öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen seien, insbesondere nicht Denkmalschutzrecht. Selbst wenn – den Einschätzungen des BLfD folgend – von einer Denkmaleigenschaft des Gebäudes auszugehen sei, bedeute dies nicht, dass zwingend die Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 2 BayDSchG und damit die Baugenehmigung versagt werden müsse. Es handele sich hier um eine zu treffende Ermessensentscheidung, bei der die für und gegen eine Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechenden Umstände des Einzelfalls unter Würdigung insbesondere auch der Belange des Denkmaleigentümers abzuwägen seien. Es liege keine Ermessensreduzierung auf Null vor, da nicht erkennbar sei, dass das Gebäude eine derart überragende denkmalschutzrechtliche Bedeutung habe, die jegliche Eigentümerinteressen überlagere. Die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung über die Erteilung (wohl eher: Ablehnung) der Baugenehmigung keine Ermessensentscheidung getroffen. Sie habe vielmehr die Gründe, die vom BLfD formuliert worden seien, unverändert übernommen, ohne dabei eigene Ermessensgesichtspunkte einzubringen. Der Zusatz, dass die Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen worden sei, stelle eine reine Floskel dar. Zu Gunsten der Klägerin seien allein deren wirtschaftliche Interessen angeführt worden. Es sprächen jedoch, wie schon in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht am 2. Februar 2023 explizit herausgearbeitet, auch weitere Ermessensgesichtspunkte für die Erteilung der Baugenehmigung zu Gunsten der Klägerin. Abgesehen von der wirtschaftlichen Nutzung des Gebäudes seien insbesondere folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Schaffung dringend benötigten Wohnbauraums, geringe Bedeutung des Denkmals, faktische Uneinsehbarkeit von Norden, nicht geschützte Einsehbarkeit von Süden und Genehmigung des Einbaus solcher Dachflächenfenster in vergleichbaren Fällen.
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Die Beklagte legte die Behördenakte vor und beantragt mit Schreiben vom 11. Juli 2023,
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Die Genehmigungsfiktion sei im vorliegenden Fall nicht eingetreten. Die Behörde habe über den Bauantrag (fristgerecht) mit Bescheid vom 8. März 2022 entschieden und diesen abgelehnt. Erst im Rahmen des anschließenden Klageverfahrens sei aufgrund der vorläufigen Rechtsauffassung des Gerichts der Ablehnungsbescheid zurückgenommen worden, da Zweifel bezüglich einer fehlerfreien Ermessensausübung bestanden hätten. Mit dieser (negativen) Entscheidung sei die Frist gewahrt worden, da als Entscheidung sowohl die vollständige oder teilweise Genehmigung wie auch die Antragsablehnung zu sehen sei. Auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung komme es nicht an. Eine Entscheidung sei selbst der nichtige Verwaltungsakt. Für diese Auslegung spreche, dass die Behörde zumindest den Rechtsschein einer Entscheidung gesetzt habe. Sie sei also nicht untätig geblieben, was durch Art. 42a BayVwVfG sanktioniert werden solle. Sie habe auch den Antrag im Sinne des für die Fiktionsvorschriften zugrundeliegenden Art. 13 Abs. 4 DLRL (Dienstleistungsrichtlinie) „beantwortet“. Dasselbe gelte, wenn ein Rechtsbehelf gegen den Verwaltungsakt eine aufschiebende Wirkung auslöse oder dieser später zurückgenommen werde (vgl. Schoch/Schneider/Baer, VwVfG, § 42a Rn. 46; NK-VwVfG/Michael Uechtritz, VwVfG, § 42a Rn. 38). Sei eine Entscheidung über den Genehmigungsantrag erlassen worden, beginne die Entscheidungsfrist nicht erneut (oder weiter) zu laufen, wenn die Genehmigungsentscheidung später nach Art. 48 ff. BayVwVfG oder im Rechtsbehelfsverfahren aufgehoben werde. Jeder Antrag löse nur einmal den Beginn der Entscheidungsfrist aus, die damit nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch die fingierte oder tatsächlich erlassene Genehmigungsentscheidung „erschöpft“ ist (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 42a Rn. 1). Wie auch das OVG Lüneburg ausgeführt habe, sei Sinn und Zweck der Genehmigungsfiktion allein, die Genehmigungsbehörde zu einer zügigen Entscheidung anzuhalten. Eine nachträgliche Korrektur solle durch die Regelung zur Genehmigungsfiktion nicht verhindert werden. Entscheidend sei, dass – wie hier erfolgt – innerhalb der Entscheidungsfrist eine Entscheidung durch die Genehmigungsbehörde getroffen werde (OVG Lüneburg, B.v. 20.5.2016 – 7 ME 50/16 – juris zur entsprechenden Genehmigungsfiktion in § 15 Abs. 1 Satz 5 Personenbeförderungsgesetz – PBefG). Hinzu komme, dass der Gesetzgeber mit den weiteren Verfahrensvorschriften in Art. 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBO ersichtlich nur den Fall der erstmaligen Entscheidung über den eingereichten Bauantrag regeln wollte. Anknüpfungspunkt für die Berechnung der Fristen sei also die Einreichung des Bauantrags. Weitere explizite Regelungen für den Fall, wie etwa hier gegeben, regele das Gesetz nicht. Sollte der Gesetzgeber tatsächlich gewollt haben, dass entgegen der gerade dargelegten Rechtsauffassung die Fiktionsfrist quasi wieder „auflebe“, lasse er die Anwender mangels weiterer Regelungen völlig im Unklaren. Auch die Klägerin selbst sei unschlüssig darüber, wie die zweite Fristberechnung ablaufen solle.
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Zur denkmalschutzrechtlichen Beurteilung habe das BLfD zum Klagevorbringen im Wesentlichen dahingehend Stellung genommen, dass das Ziel der Denkmalverträglichkeit vorgebe, durchzuführende Maßnahmen dahingehend zu optimieren, dass die Denkmäler möglichst unverfälscht erhalten würden. Die von der Klägerin verfolgten Planungen würden jedoch zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes und des Charakters des Denkmals führen und dieses verfälschen. Dies ergebe sich insbesondere aus der fachlichen Stellungnahme vom 3. Februar 2022, auf die verwiesen werde. Die beabsichtigten Lamellenfenster wären in der ansonsten geschlossenen, ziegelgedeckten Dachfläche als große Glasflächen materiell fremd, würden sich gegenüber den umgebenden, ziegelgedeckten Flächen deutlich abzeichnen und dadurch das Erscheinungsbild des Gebäudes erheblich beeinträchtigen. Im Rahmen der rechtlich fehlerfreien Ermessensausübung seien die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin berücksichtigt. Das Interesse an der Erhaltung des Denkmals sei höher zu bemessen als das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der größtmöglichen Ausnützung des Gebäudes. Dazu werde auf die bereits weitreichenden Zugeständnisse zum Ausbau des Daches (siehe Genehmigung 3...) verwiesen, wodurch die Nutzung des Dachraums als Wohnraum und damit die wirtschaftliche Nutzung des Dachgeschosses bereits ermöglicht worden sei. Der Einbau großflächiger Verglasungen in der Dachebene sei weder zur Erhaltung noch zur sinnvollen oder wirtschaftlichen Nutzung des Gebäudes erforderlich, sondern dies diene in erster Linie einem größeren Wohnkomfort und wirtschaftlichen Interessen durch den Erlös höherer Mieteinnahmen oder eines höheren Verkaufspreises. Eine wirtschaftliche Nutzung von EG, OG und Dachraum sei auch ohne die gewünschten großflächigen Verglasungen ohne weiteres möglich. Zudem räume der Gesetzgeber der Schaffung von Wohnraum gegenüber dem Denkmalschutz auch keinen Vorrang ein. Wie bereits im Augenscheinstermin des vorangegangenen Klageverfahrens vor Ort eingesehen, seien beide Dachflächen voll einsehbar. Auch seien keine Vergleichsfälle bekannt, in denen der Einbau von sog. Lackerfenstern an einem Denkmal in so exponierter Lage und vom öffentlichen Raum so gut einsehbaren Dachflächen erlaubt bzw. genehmigt worden wäre. Sollte die Klägerin wie im vorangegangenen Klageverfahren auf das Denkmal C.straße ... in ... anspielen, werde auf die im vorangegangenen Klageverfahren (Au 5 K 22.900) hierzu abgegebene Stellungnahme des BLfD vom 14. November 2022 Bezug genommen.
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In der Sache wurde am 14. März 2024 mündlich verhandelt; auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung wird verwiesen. Im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren sowie im Verfahren Au 5 K 22.900 sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung (dazu 1.) noch hilfsweise Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Bauantrag vom 8. Dezember 2021 zu entscheiden (dazu 2.), § 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO. Denn die Beklagte hat den Bauantrag ermessensfehlerfrei abgelehnt.
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung nach Art. 42a Abs. 3 BayVwVfG i.V.m. Art. 68 Abs. 2 BayBO, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, da die Fiktionswirkung nicht eingetreten ist.
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a) Nach Art. 42a Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. Art. 68 Abs. 2 BayBO gilt bei einem Bauantrag, durch den Wohnraum – wie hier, mittels Ausbau des 2. Dachgeschosses zu zwei Wohneinheiten – geschaffen werden soll, die Genehmigung nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist (hier: 3 Monate) als erteilt (Genehmigungsfiktion). Auf Verlangen ist demjenigen, dem die Baugenehmigung bekannt gegeben werden müsste, also jedenfalls dem Bauherrn, der Eintritt der Genehmigungsfiktion schriftlich zu bescheinigen. Die Frist für die Entscheidung beginnt drei Wochen nach Zugang des Bauantrags oder drei Wochen nach Zugang der verlangten Unterlagen, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine entsprechende Aufforderung nach Art. 65 Abs. 2 BayBO versandt hat. Sowohl die Genehmigungsfiktion als auch die Bestätigung der Genehmigungsfiktion sind Verwaltungsakte (Laser in Schwarzer/König, BayBO, 5. Aufl. 2022, Art. 68 Rn. 49; BayVGH, B.v.7.11.2022 – 15 CS 22.1998 – juris Rn. 45 m.w.N.).
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Vorliegend forderte die Beklagte zu dem am 8. Dezember 2021 eingegangenen Bauantrag mit Schreiben vom 20. Dezember 2021 – und damit jedenfalls binnen drei Wochen nach Zugang des Bauantrags – Unterlagen nach, Art. 65 Abs. 2 BayBO. Die nachgeforderten Unterlagen gingen bei der Beklagten am 11. Januar 2022 ein. Damit begann die Fiktionsfrist am 1. Februar 2022 und endete nach drei Monaten am 2. Mai 2022. Zuvor aber erging bereits eine Entscheidung über den Bauantrag, nämlich der Ablehnungsbescheid vom 8. März 2022 (Klagegegenstand im Verfahren Au 5 K 22.900).
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b) Die Fiktionsfrist ist nicht wieder „aufgelebt“, weil der Ablehnungsbescheid vom 8. März 2022 von der Beklagten wegen Rechtswidrigkeit am 2. Februar 2023 aufgehoben wurde.
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Nach dem klaren Gesetzeswortlaut tritt die Genehmigungsfiktion „nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist“ ein. Auch die Ablehnung des Bauantrags ist eine (mögliche Form einer) Entscheidung; ebenso wie eine vollständige oder teilweise Genehmigung, auch mit Nebenbestimmungen. Auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung kommt es nicht an. Eine Entscheidung ist auch der nichtige Verwaltungsakt, da auch in diesem Fall die Behörde nicht untätig geblieben ist. Dasselbe gilt, wenn ein Rechtsbehelf gegen den Verwaltungsakt eine aufschiebende Wirkung auslöst oder dieser später zurückgenommen wird. Für den Ausschluss der Fiktion kommt es insoweit allein auf den Erlass eines Verwaltungsaktes als Vorgang, nicht auf den Erlass eines (wirksamen) Verwaltungsaktes als Regelung an (Baer in Schoch/Schneider, VwVfG, 3. EL August 2022, § 42a Rn. 46; ebenso Adolph in Giehl/Adolph/Käß, BayVwVfG, Stand März 2024, Art. 42a Rn. 33; Stelkens in Stel-kens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 42a Rn. 42).
28
Dabei löst jeder Antrag nur einmal den Beginn der Entscheidungsfrist aus. Ist die Fiktion eingetreten oder eine Entscheidung über den Genehmigungsantrag erlassen worden, beginnt die Entscheidungsfrist nicht erneut (oder weiter) zu laufen, wenn die (Genehmigungs-)Entscheidung später nach Art. 48 ff. BayVwVfG oder im Rechtsbehelfsverfahren aufgehoben wird (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, a.a.O., § 42a Rn. 41 ff). Die Genehmigungsfiktion knüpft ihre Rechtsfolge an den bloßen, rein tatsächlichen Umstand der fehlenden Versagung des Antrages innerhalb der Entscheidungsfrist. Ob die erfolgte Versagung hingegen rechtlich einwandfrei erfolgt ist und auch in der Folgezeit Bestand hat, ist insoweit ohne Belang. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Genehmigungsfiktion. Diese sind allein, die Genehmigungsbehörde zu einer zügigen Entscheidung anzuhalten. Eine nachträgliche Korrektur soll durch die Regelung nicht verhindert werden. Entscheidend ist damit, dass – wie hier – innerhalb der Entscheidungsfrist eine Entscheidung durch die Genehmigungsbehörde getroffen wird (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 20.05.2016 – 7 ME 50/16 – juris zur Genehmigungsfiktion in § 15 PBefG).
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Zudem ist die hier erfolgte Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 8. März 2022 durch die Beklagte nach dem Wortsinn auch kein „(neuer) Bauantrag“. Über den bestehenden Bauantrag vom 8. Dezember 2021 wurde aber mit Ablehnungsbescheid vom 8. März 2022 schon entschieden. Ein erneuter Fristbeginn würde aber wohl einen neuen Bauantrag oder ein erneutes Unterlagenverlangen voraussetzen, was hier beides nicht der Fall war.
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Auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift, also mittels teleologischer Auslegung, ergibt sich kein „Wiederaufleben“ für den Fall einer Aufhebung der ablehnenden Entscheidung. Denn Telos der Vorschrift ist, dass der Bauantragsteller Rechtssicherheit und Planungssicherheit erhalten soll. Die Norm befähigt den Antragsteller zum Wissen, dass er nach Ablauf der Frist mit der Genehmigung rechnen kann, wenn er nicht eine Entscheidung, nämlich die Ablehnung, erhält. Die Genehmigungsfiktion dient so auch dazu, die Behörde zur Einhaltung der gesetzlichen Fristen zu motivieren. Sinn und Zweck des Art. 42a BayVwVfG ist es aber nicht, die rechtliche Fehlerhaftigkeit der Behörde zu sanktionieren, sondern die tatsächliche Untätigkeit der Behörde. Vielmehr stünde eine Genehmigungsfiktion, die nur bei einer rechtmäßigen Entscheidung einträte oder deren Frist bei fehlerhafter Ablehnung wiederauflebte, genau diesem Sinn und Zweck der Planungssicherheit entgegen.
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Soweit eine analoge Anwendung des Art. 42a BayVwVfG bemüht werden wollte, besteht dafür ebenfalls kein Raum. Es fehlt vorliegend weder an einer planwidrigen Regelungslücke noch an einer vergleichbaren Interessenlage. Letztere ist nicht gegeben, da die Klägerin durch die (erstmalige) Bauantragsstellung von Art. 42a BayVwVfG „profitieren“ konnte und kein Bedarf für eine nochmalige Fiktionsfrist besteht. Grund dafür ist, dass die Behörde bereits innerhalb der Frist entschieden hat und jetzt – aufgrund ihres eigenen Aufhebungsbescheids zum Ablehnungsbescheid – zwar erneut entscheiden muss, zu dieser Entscheidung aber nicht durch einen nochmaligen Antrag (ggf. in abgeänderter Form) gebracht wird.
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Im Ergebnis wurde die von der Beklagten einzuhaltende Frist damit durch den Ablehnungsbescheid am 8. März 2022 gewahrt. Die spätere Aufhebung durch die Beklagte ist insoweit unerheblich und führt nicht zu einem „Wiederaufleben“ der Fiktionsfrist. Die Klägerin hat damit – mangels Fristablauf – keinen Anspruch auf Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung.
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2. Die Klägerin vermag auch nicht mit ihrem hilfsweise geltend gemachten Antrag durchzudringen, die Beklagte zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Bauantrag vom 8. Dezember 2021 zu entscheiden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erneute Verbescheidung, da dem Anspruch auf Baugenehmigung aus Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO das ermessensfehlerfrei ausgeübte Versagungsermessen der Beklagten aus Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO i.V.m. Art. 6 Abs. 2 DSchG entgegensteht.
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a) Im Rahmen des Baugenehmigungsantrags sind nach Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO Prüfungsgegenstand auch andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach diesen anderen öffentlichrechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird. Hier entfällt gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayDSchG eine gesonderte Erlaubnis nach dem Denkmalschutzgesetz, wenn eine Baugenehmigung erforderlich ist. Das ist für die vorliegend beantragte Nutzungsänderung von Speicher zu Wohnnutzung der Fall (Art. 55 Abs. 1 Halbs. 1 BayBO). Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO erstreckt den Prüfumfang im (hier vereinfachten) Baugenehmigungsverfahren auf den mit dem Vorhaben verbundenen denkmalrechtlichen Erlaubnistatbestand (BayVGH, U.v. 9.3.2016 – 15 B 13.2435 – juris Rn. 39).
35
b) Die denkmalschutzrechtliche Erlaubnispflicht ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSchG. Das zur Genehmigung beantragte Bauvorhaben verändert durch den Einbau der Lackerfenster in der Dachfläche das in die Denkmalliste (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG) eingetragene Baudenkmal (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG). Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG räumt der Behörde – hier der Baugenehmigungsbehörde im Rahmen der Baugenehmigungserteilung – ein Versagungsermessen ein. Nach der genannten Norm kann u.a. im hier vorliegenden Fall des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBO die Erlaubnis versagt werden, soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Die „gewichtigen Gründe“ sind nicht dahin zu verstehen, dass dem Baudenkmal im Vergleich mit der allgemein für die Begründung der Denkmaleigenschaft maßgebenden Bewertung eine gesteigerte Bedeutung zukommen muss. Sie ergeben sich vielmehr grundsätzlich bereits aus der Bedeutung, auf der die Denkmaleigenschaft beruht. Es ist daher bereits für den Regelfall davon auszugehen, dass bei Baudenkmälern ein Erhaltungsinteresse anzuerkennen ist und damit „gewichtige Gründe“ für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands indiziert sind. Gewichtige Gründe sind allenfalls bei völlig unbedeutenden Baudenkmälern oder völlig geringfügigen Beeinträchtigungen zu verneinen (BayVGH, U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 33).
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aa) Vorliegend handelt es sich weder um eine völlig geringfügige Beeinträchtigung noch um ein völlig unbedeutendes Baudenkmal, sodass von einem anerkennenswerten Erhaltungsinteresse auszugehen ist.
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Dies ergibt sich insbesondere aus den Stellungnahmen des BLfD vom 3. Februar 2022 und 14. November 2022, nach denen das Denkmal gerade durch das hochaufragende, steile Satteldach mit weitgehend geschlossener Ziegeleindeckung geprägt ist. Die besondere Schutzwürdigkeit des Denkmals unter Berücksichtigung des Daches ist damit nach Auffassung der Kammer ausreichend dargelegt. Die markante Dachform war Gegenstand des gerichtlichen Eindrucks beim Augenscheinstermin. Weiter führt das BLfD aus, die beantragten Fenster würden aufgrund starker Kontrastwirkung (schwarz in roter Eindeckung) störend wirken und Erscheinungsbild und Wirkung des Denkmals erheblich beeinträchtigen, zumal das Dach voll einsehbar sei; letzteres hat sich im Augenscheinstermin ebenfalls bestätigt, wie sich auch aus den gefertigten Lichtbildern ergibt.
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bb) Dabei ist das BLfD die zur fachlichen Einschätzung des Denkmalwerts eines Baudenkmals und seiner Beeinträchtigung nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 BayDSchG berufene Fachbehörde. Auch wenn die Baugenehmigungsbehörden und die Gerichte rechtlich nicht an die fachliche Beurteilung des BLfD gebunden sind, sondern vielmehr deren Aussage- und Überzeugungskraft nachvollziehend zu überprüfen und sich aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens eine eigene Überzeugung zu bilden haben, kommen den fachlichen Einschätzungen des Landesamts auch aufgrund der gesetzlichen Wertung des Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 BayDSchG bei der Rechtsanwendung jedenfalls ein besonderes tatsächliches Gewicht zu (BayVGH, U.v. 18.7.2013 – 22 B 12.1741 – BayVBl 2014, 23 = juris Rn. 27; U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 34). Vorliegend ist die Kammer nach dem Ergebnis der Inaugenscheinnahme unter Heranziehung der fachlichen schriftlichen Äußerungen sowie auch der Ausführungen des Vertreters des BLfD im Augenscheinstermin zu der Überzeugung gelangt, dass gewichtige Gründe des Denkmalschutzes gegen das Bauvorhaben, und damit im Ergebnis mit Blick auf Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO für „baurechtsmäßige Zustände“, sprechen. Im Hinblick auf die Auswirkungen teilt das Gericht die Bewertung der Fachbehörde, dass gewichtige Gründe für die unveränderte Beibehaltung des jetzigen Zustands sprechen.
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cc) Das der Beklagten als Genehmigungsbehörde eröffnete Ermessen, ob sie die Baugenehmigung dennoch erteilt oder aber diese aus denkmalschutzrechtlichen Gründen versagt, hat die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 10. Mai 2023 in nicht zu beanstandender Weise zu Lasten der Klägerin ausgeübt. Dabei konnten gem. § 114 Satz 2 VwGO auch nachgeschobene Ermessenserwägungen berücksichtigt werden.
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Wie mit dem Klageantrag auf (hilfsweise) Verbescheidung zutreffend begehrt, scheidet ein strikter Anspruch der Klägerin gem. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO darauf, dass die Beklagte ihr die Baugenehmigung erteilen muss, aus (BayVGH, U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 40). Ein Ausnahmefall einer Ermessensreduzierung auf Null in dem Sinn‚ dass die Erlaubnis trotz Vorliegens gewichtiger Gründe des Denkmalschutzes erteilt werden muss‚ weil die für das Vorhaben sprechenden Gründe so viel Gewicht hätten‚ dass der Beklagten bei der Ermessensausübung keine andere Wahl bliebe, als dem Antrag zu entsprechen, ist vorliegend weder ersichtlich noch von der Klägerin geltend gemacht.
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Bei dem Ermessen nach Art. 6 Abs. 2 BayDSchG handelt es sich um ein rechtlich gebundenes Ermessen. Die Behörde muss gem. Art. 40 BayVwVfG ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausüben und die Grenzen des Ermessens einhalten. Korrespondierend hierzu bestimmt § 114 Satz 1 VwGO, dass das angerufene Verwaltungsgericht die Entscheidung zwar nicht auf Zweckmäßigkeit zu überprüfen hat, wohl aber auf sog. Ermessensfehler. Der gerichtliche Prüfungsrahmen ist insoweit eingeschränkt (BayVGH, U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 58). Zweck des Erlaubnisvorbehalts in Art. 6 Abs. 2 BayDSchG ist vor allem, durch eine präventive Kontrolle den Hauptzielen des Gesetzes, einer möglichst unveränderten Erhaltung (Art. 4 BayDSchG) und einer möglichst zweckentsprechenden Nutzung (Art. 5 BayDSchG) der Denkmäler gegen Maßnahmen, die diesen Zielen typischerweise zuwiderlaufen, im Rahmen des dem Denkmaleigentümer Zumutbaren Rechnung zu tragen. Dabei sind öffentliche Belange (insbesondere das Interesse an einer möglichst unveränderten Denkmalerhaltung) und private (insbesondere Eigentümer-) Belange in die Ermessensentscheidung einzustellen, entsprechend zu gewichten und abzuwägen (zum Ganzen vgl. BayVGH, U.v. 27.9.2007 – 1 B 00.2474 – juris Rn. 87; U.v. 11.1.2011 – 15 B 10.212 – juris Rn. 21, 26 ff.; B.v. 31.10.2012 – 2 ZB 11.1575 – juris Rn. 12). Hinsichtlich der Gewichtung der Eigentümerinteressen ist dabei von der Sicht eines dem Denkmalschutz aufgeschlossenen Eigentümers auszugehen (vgl. BayVGH, U.v. 11.1.2011 – 15 B 10.212 – juris Rn. 28 m.w.N.). Der Bauherr – hier die Klägerin – hat im Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 2 BayDSchG einen Rechtsanspruch darauf, dass bei Versagung der Erlaubnis bzw. (hier) der Baugenehmigung vom Ermessen pflichtgemäß Gebrauch gemacht wird (BayVGH, U.v. 26.10.2021 -15 B 19.2130 – juris Rn. 59). Dies ist vorliegend der Fall.
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Dass die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen erkannt hat, ergibt sich aus der Zitierung des Wortlauts der Vorschrift des Art.6 Abs. 2 BayDSchG sowie in der Verwendung des Begriffs „Ermessen“ in den Gründen des angegriffenen Bescheids. Dabei führt die Beklagte aus, die Ablehnung des beantragten weiteren Dachausbaus sei auch angemessen, da das Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung des Denkmals höher zu bewerten sei als die wirtschaftlichen Interessen der Bauherrin an einer größtmöglichen Ausnutzung des Gebäudes. Im Rahmen eines dem jetzigen Antrag vorausgegangenen Verfahrens zum Ausbau des Daches habe die Bauaufsichtsbehörde bereits weitreichende Zugeständnisse gemacht (siehe das Baugenehmigungsverfahren 3...). Dabei ist es unschädlich, dass – wie der Klägerinbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung rügte – auch von „baurechtmäßigen Zuständen“ die Rede ist. Denn dies bezieht sich nach Auffassung des Gerichts nicht auf das nach Denkmalschutzrecht eingeräumte Ermessen, da die Erteilung der beantragten Baugenehmigung als solche nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO nicht im Ermessen der Behörde steht. Die Ermessenserwägungen im Bescheid wurden im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nach § 114 Satz 2 VwGO ergänzt dahingehend, dass der Einbau großflächiger Verglasungen in der Dachebene weder zur Erhaltung noch zur sinnvollen oder wirtschaftlichen Nutzung des Gebäudes erforderlich sei, sondern dies in erster Linie einem größeren Wohnkomfort und wirtschaftlichen Interessen durch den Erlös höherer Mieteinnahmen oder eines höheren Verkaufspreises diene. Eine wirtschaftliche Nutzung von EG, OG und Dachraum sei auch ohne die gewünschten großflächigen Verglasungen ohne weiteres möglich. Zudem räume der Gesetzgeber der Schaffung von Wohnraum gegenüber dem Denkmalschutz auch keinen Vorrang ein. Wie bereits im Augenscheinstermin des vorangegangenen Klageverfahrens vor Ort eingesehen, seien beide Dachflächen voll einsehbar. Auch seien keine Vergleichsfälle bekannt, in denen der Einbau von sog. Lackerfenstern an einem Denkmal in so exponierter Lage und vom öffentlichen Raum so gut einsehbaren Dachflächen erlaubt bzw. genehmigt worden wäre. Das Denkmal C.straße ... in ... sei, wie sich aus der Stellungnahme des BLfD vom 14. November 2022 ergebe, anders zu beurteilen.
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Damit hat die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise die für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechenden gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes mit den für das Vorhaben sprechenden Interessen der Klägerin abgewogen. Sie hat die relevanten Ermessensgesichtspunkte spätestens im Klageverfahren (§ 114 Satz 2 VwGO) in ihre Ermessensentscheidung eingestellt und sich im Ergebnis für eine Versagung entschieden. Ermessensfehler sind dabei nicht ersichtlich und ergeben sich auch nicht daraus, dass – wie vom Klägerbevollmächtigten gerügt – die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin nicht (betragsmäßig) ermittelt wurden. Denn die Beklagte hat die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin bei ihrer Ermessensentscheidung dem Grunde nach berücksichtigt und – mit Blick auf die bereits vorhandene gewerbliche Nutzung der einzelnen Geschosse – ausführlich gewürdigt.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung (ZPO), § 711 ZPO.