Inhalt

LG Amberg, Endurteil v. 01.02.2024 – 24 O 142/23
Titel:

Rückzahlungsansprüche aus einem gekündigten Bauspardarlehen nach Eintritt eines Erbfalls

Normenkette:
BGB § 138 Abs. 1, § 421 S. 1, § 488 Abs. 1 S. 2, § 1922 Abs. 1
Leitsatz:
Ein Darlehensvertrag eines Mithaftenden ist nicht gem. § 138 Abs. 1 BGB infolge von Sittenwidrigkeit nichtig, wenn die Darlehensnehmerin als Mitverpflichtete dem anderen Mitverpflichteten persönlich nahe steht (Sohn) und keinen eigenen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil aus der Mitverpflichtung als Darlehensnehmerin erlangt. Eine krasse finanzielle Überforderung ist ausgeschlossen, wenn die Mithaftende in der Lage war, die monatlich geschuldeten Zins- und Tilgungsleistungen von ihrer monatlichen Rente zu begleichen, auch wenn die Mithaftende nur über eine geringe Gesamtrente verfügt. Eine Sittenwidrigkeit der Mithaftungserklärung ergibt sich auch nicht aus dem Alter der Mithaftenden bei Darlehensvertragsschluss (85 Jahre). (Rn. 42 – 63)
Schlagworte:
Bauspardarlehen, Mithaftung, Sittenwidrigkeit, Handlungsfreiheit, Verhandlungsunterlegenheit, Bürgschaftsvertrag, krasse finanzielle Überforderung, ruinöse Bürgschaft
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.06.2024 – 14 U 388/24
OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 06.05.2024 – 14 U 388/24
OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.06.2024 – 14 U 388/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 20423

Tenor

1. Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 17.180,86 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von jährlich zweieinhalb Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.09.2021 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagten zu 1) und 2) haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 17.183,82 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Rückzahlung eines gekündigten Bauspardarlehens nach Eintritt eines Erbfalls.
2
Die Beklagten sind als Kinder die Erben nach der am 08.09.2017 verstorbenen Darlehensnehmerin H… B…, geb. am …. Der Erblasserin gehörte das Anwessen S… R… hälftig als Eigentümerin; die andere Hälfe gehörte ihrem weiteren Sohn C… J… B….
3
Die Erblasserin wurde beerbt von ihrem Sohn, dem Beklagten zu 1), ihrer Tochter, der Beklagten zu 2), und ihrem weiteren Sohn, C… J… B… zu je 1/3.
4
Der Sohn C… J… B… war nach dem Erbfall Miteigentümer des Anwesens zu 4/6, die beiden anderen Miterben zu jeweils 1/6. Die Erben veräußerten das Anwesen nach dem Tod der Erblasserin gemeinsam mit Kaufvertrag vom 22.05.2018 zu einem Kaufpreis von 273.000,00 €, von dem der Sohn C… J… B… einen Betrag in Höhe von 173.120,36 € und die Beklagten zu 1) und 2) jeweils 43.280,09 € erhielten. Weiteren Nachlass gab es nicht.
5
Die Erblasserin H… B… deren Sohn C… J… B… und dessen Ehefrau N… B… schlossen am 30.05./11.06.2014 mit der Klägerin einen Bauspardarlehensvertrag ab zum Bausparvertrag mit der Bausparnummer … über eine Bausparsumme von € 29.000,00 für ein künftiges Bauspardarlehen in Höhe von ca. € 17.700,00. Mit selbem Datum wurde ergänzend zum Bauspardarlehensvertrag ein Vorausdarlehensvertrag über € 29.000,00 abgeschlossen. Hiernach gewährte die Klägerin bis zur Zuteilungsreife des Bausparvertrages ein Vorausdarlehen in Höhe von € 29.000,00. Das Vorausdarlehen über € 29.000,00 war verzinslich mit nominal 3,200 % jährlich. Der Zinssatz war fest bis zur Zuteilung. Die Zinsen waren monatlich im Voraus fällig. Die monatliche Zinsrate betrug € 77,33. Bei diesem Finanzierungsmodell wird anstelle der Tilgung des Vorausdarlehens lediglich der Darlehenszins bezahlt, ferner gleichzeitig der jeweilige Bausparvertrag angespart. Bei der Zuteilung des Bausparvertrages wird das Vorausdarlehen aus der Bausparsumme (Bausparguthaben + Bauspardarlehen) abgelöst. Die für das Vorausdarlehen und das Bauspardarlehen geltenden „Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge“ (ABB) wurden unterschriftlich anerkannt (vgl. Anlage K 1). Das Bauspardarlehen selbst sollte nach Zuteilung in monatlichen Zins- und Tilgungsbeiträgen von € 249,00 zurückgezahlt werden. Der Zinssatz betrug nominal 2,750 % jährlich bis zur vollständigen Rückzahlung des Bauspardarlehens. Dem im Kontokorrent geführten Darlehenskonto sollten die vereinbarten Prämien für die abgeschlossene Bauspar-Risikolebensversicherung belastet werden. Inhaber des Bausparvertrages und Empfänger des Vorausdarlehensbetrages sowie des Bauspardarlehens war der Sohn der Erblasserin, C… J… B…. Zu den Einzelheiten wird auf den Bauspardarlehensvertrag nebst Vorausdarlehensvertrag, Anlagenkonvolut K 2, Bezug genommen.
6
Die Erblasserin verfügte im Zeitpunkt der Unterzeichnung der streitgegenständlichen Verträge über eine Gesamtrente von monatlich 1.190,00 €. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der streitgegenständlichen Darlehensverträge war der o.g. Grundbesitz mit Grundschulden in Höhe von 150.000,00 € belastet.
7
Die Klägerin zahlte das Vorausdarlehen über € 29.000,00 entsprechend der Anweisung der Darlehensnehmer auf das Girokonto des C… J… B… bei der … Bank … in zwei Teilbeträgen (€ 22.477,40 und € 6.522,60) aus.
8
Die Klägerin zog in der Folgezeit mittels der erteilten Bankeinzugsermächtigung die fälligen Beträge ein. Per 30.04.2020 wurde der Bausparvertrag zugeteilt.
9
Im Zeitpunkt der Zuteilung des Bausparvertrages valutierte das Vorausdarlehen in Höhe von € 29.309,34. Zum selben Zeitpunkt betrug das Guthaben auf dem Bausparvertrag € 11.611,46. Die Ablösung des Vorausdarlehens erfolgte demgemäß, wie folgt:

Darlehensschuld aus Vorausdarlehen

€ 29.309,34

./. Sparguthaben aus Bausparvertrag

€ 11.611,46

./. Bauspardarlehen € 17.388,54

Bausparsumme € 29.000,00

Restschuld aus Vorausdarlehen

€ 309,34.

10
Der Rest aus dem Vorausdarlehen in Höhe von € 309,34 resultierte aus den fehlenden Raten für Januar bis April 2020 (4 Raten). Soweit im März 2020 € 154,67 gezahlt worden waren, wurde die Zahlung auf die älteste Schuld, nämlich die ebenfalls nicht geleisteten Raten für November und Dezember 2019 verrechnet. Die Klägerin hat die Restforderung aus dem Zwischenkredit dem Darlehen zugeschlagen.
11
In der Folgezeit sollten die im Bauspardarlehensvertrag vereinbarten Zins- und Tilgungsbeiträge in Höhe von monatlich € 249,00 von den Darlehensnehmern geleistet werden. Regelmäßige Zahlungen auf das Bauspardarlehen erfolgten jedoch nicht. Es erfolgten lediglich im Mai 2020 noch eine Zahlung in Höhe von € 858,35 und im Juni 2020 eine Zahlung in Höhe von € 386,68 seitens der Darlehensnehmer C… J… B… und N… B…. Weitere Zahlungen erfolgten nicht mehr.
12
Die Klägerin forderte daraufhin die Darlehensnehmer daraufhin zur Zahlung der rückständigen Raten bis zum 04.02.2021 auf und drohte gleichzeitig die Kündigung des Darlehens an. Zahlungen blieben jedoch aus. Die Klägerin kündigte mit Schreiben vom 01.07.2021 das Darlehen aus wichtigem Grund und forderte die Darlehensnehmer zur Zahlung des Abrechnungsbetrages bis zum 31.08.2021 auf (Anlagen K 12 und K 13). Die Klägerin kündigte im Kündigungsschreiben vom 01.07.2021 auch an, anstelle des vereinbarten Sollzinssatzes den Verzugsschaden (Zins) gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu berechnen. Die Kündigungsschreiben sind den Darlehensnehmern im Juli 2021 zugegangen. Gleichlautende Mahnschreiben und Kündigungsschreiben gingen auch an C… J… B… und N… B….
13
Über das Vermögen von C… J… B… und N… B… wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
14
Die Klägerin stützt sich darauf, den Darlehensnehmern Kontoauszüge übersandt zu haben, gegen welche keine Einwendungen erhoben wurden. Die Bausparkasse schließe die Konten zum Schluss eines Kalenderjahres ab und übersende dem Bausparer in den ersten zwei Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres einen Kontoauszug zum Bausparkonto mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass dieser als anerkannt gelte, wenn der Bausparer nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang schriftlich Widerspruch erhebe. Die Klägerin geht davon aus, dass damit jeweils die Kontostände per 31.12.2014, 31.12.2015, 31.12.2016, 31.12.2017, 31.12.2018 und 31.12.2019 als richtig anerkannt seien.
15
Die Klägerin berechnet die Forderung wie folgt:

Kontostand per 31.12.20

€ 16.808,59

zzgl. Versicherungsprämie

€ 67,07

zzgl. 2,75 % Zinsen vom 01.01.2021 bis 31.08.2021

€ 308,16

Restdarlehensforderung

€ 17.183,82.

16
Die Klägerin verweist darauf, dass bei der Beantragung des streitgegenständlichen Vorausdarlehens über € 29.000,00 der Darlehensnehmer C… B… und die Erblasserin übereinstimmend erklärt hätten, den Kredit -neben € 7.000,00 für eine Umschuldung -im Umfang von € 22.000,00 für energetische Maßnahmen zu verwenden und diese Verwendungsverpflichtung unterschriftlich bestätigt hätten.
17
Die mit der Darlehensanfrage hereingereichten Einkommensnachweise des C… B… hätten erwarten lassen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit aufgrund dieser Einkünfte die eingegangenen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag dauerhaft erfüllt werden könnten. Die Unterschrift der H… B… sei aus Sicht der Klägerin deswegen geboten gewesen, weil das Darlehen verwendet werden sollte für das im Eigentum der H… B… stehende Hausgrundstück. Dies sei ein völlig normaler Vorgang.
18
H… B… sei als Eigentümerin des Grundstücks vermögend gewesen.
19
Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei der Kreditgeber eines Verbraucherdarlehensvertrages nicht verpflichtet gewesen, zum Schutz des Verbrauchers dessen eigene Kreditwürdigkeit zu prüfen. Die Bestimmung des § 505 a BGB sei durch das Wohnimmobilienkreditrichtlinien-Umsetzungsgesetz erst mit Wirkung zum 21.03.2016 eingeführt worden. Die Klägerin verweist auf Art. 229 § 38 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 EGBGB.
20
Die Beklagten könnten sich auf etwaige nur zum Schein abgegebene Erklärungen zur Verwendung des Darlehensbetrags gem. § 242 BGB nicht berufen.
21
Es handle sich beim streitgegenständlichen Vorausdarlehensvertrag um einen Immobiliardarlehensvertrag i.S.d. § 503 Abs. 1 BGB in der bis zum 20.03.2016 geltenden Fassung. Die Klägerin habe gem. § 7 Abs. 4 Nr. 2 BauSparkG von der Sicherung durch Grundpfandrechte wegen der geringen Höhe des Darlehensbetrages absehen können. Aus Sicht der Klägerin habe es vernünftige und nachvollziehbare Gründe gegeben, welche C… B… und die Erblasserin H… B… veranlasst habe, bei der Klägerin nach der entsprechenden Finanzierung nachzusuchen.
22
Die Klägerin verweist darauf, dass die Genossenschaftsbanken sowohl untereinander als auch gegenüber der Klägerin dem Bankgeheimnis unterliegen.
23
Die Klägerin meint, die Fälligstellung und die verzugsbegründende Mahnung zulässigerweise miteinander verbunden zu haben und sich die Beklagten seit 01.09.2021 in Verzug befinden. Die Klägerin macht Verzugszinsen geltend in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz entsprechend § 503 Abs. 2 BGB.
24
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner neben C… B… und N… B…, gegen die sich das Verfahren nicht richtet, verurteilt, an die Klägerin € 17.183,82 nebst Zinsen hieraus in Höhe von jährlich zweieinhalb Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.09.2021 zu zahlen.
25
Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen
Klageabweisung.
26
Die Beklagten machen geltend, dass weder die Erblasserin noch die Beklagten in der Lage gewesen seien, Einwendungen gegen Kontoauszüge zu erheben. Die Kontoauszüge seien alle an den weiteren Darlehensnehmer C… J… B… gegangen.
27
Die Beklagten berufen sich darauf, dass die Erblasserin und Mitdarlehensnehmerin die streitgegenständlichen Darlehensverträge ausschließlich aus emotionaler Verbundenheit mit dem Sohn, C… J… B…, ohne eigenen wirtschaftlichen Vorteil unterzeichnet habe. Der Auszahlungsbetrag aus dem streitgegenständlichen Vorausdarlehen und dem streitgegenständlichen Bauspardarlehen sei ausschließlich dem Sohn, C… J… B…, zugute gekommen. Er sei auch nicht für wohnwirtschaftliche Zwecke verwendet worden, sondern ausschließlich für die Umschuldung von Darlehen des C… J… B….
28
Die Erblasserin und Mitdarlehensnehmerin sei, so die Beklagten, im Zeitpunkt der Unterzeichnung der streitgegenständlichen Verträge bereits 85 Jahre alt gewesen und nicht in der Lage gewesen, ihre Verpflichtungen aus den streitgegenständlichen Darlehensverträgen zu erfüllen. Im Zeitpunkt der Zuteilung des Bausparvertrages an den Sohn C… J… B… am 30.04.2020 wäre, wie die Beklagten geltend machen, die Erblasserin und Mitdarlehensnehmerin 91 Jahre alt gewesen, wenn sie nicht vorher am 08.09.2017 verstorben wäre.
29
Die streitgegenständlichen Verträge seien, jedenfalls soweit sie mit der Erblasserin und Mitunterzeichneten geschlossen worden seien, sittenwidrig.
30
Zudem sei die Mitdarlehensnehmerin und Erblasserin vor Unterzeichnung der streitgegenständlichen Verträge nicht beraten und ihre Kreditwürdigkeit sei nicht überprüft worden. Wäre eine Überprüfung erfolgt, wäre, so die Beklagten, festgestellt worden, dass die Mitunterzeichnete und Erblasserin ihre Darlehensverpflichtungen wahrscheinlich nicht hätte erfüllen können. Die Verträge, jedenfalls mit ihr, wären in diesem Fall, so die Beklagten, nicht abgeschlossen worden. Beide Verträge stellten Verbraucherdarlehensverträge dar und hätten nach Ansicht der Beklagten daher der vorhergehenden Beratung und der vorhergehenden Überprüfung der Kreditwürdigkeit bedurft. Wäre die Mitunterzeichnete und Erblasserin im Zuge der Beratung über ihre Verpflichtungen aus den streitgegenständlichen Darlehensverträgen aufgeklärt worden, hätte sie, so die Beklagten, die Verträge nicht unterzeichnet.
31
Weiterhin machen die Beklagten geltend, dass bei Mitteilung eines Darlehensanspruchs durch die Klägerin nach dem Tod der Erblasserin am 08.09.2017 dieser Umstand bei der Erbauseinandersetzung unter den Miterben berücksichtigt worden wäre. Die streitgegenständliche Darlehensforderung wäre für diesen Fall, so die Beklagten, zu Gunsten der Klägerin aus dem Nachlass unter Verrechnung auf den Erbanteil des C… J… B… hinterlegt worden, weil dieser der eigentliche Schuldner der Darlehensforderung gewesen sei. Dies sei deshalb nicht erfolgt, weil die Klägerin und auch die … banken diesen Umstand den Miterben nicht mitgeteilt hätten und diesen Anspruch auch nicht geltend gemacht hätten, obwohl sowohl der Beklagte zu 1) als auch die Erblasserin als auch der Miterbe C… J… B… Geschäftsverbindungen zu den … hatten und dort ihre Konten unterhielten. Die Klägerin habe es verabsäumt, die Beklagten in die Lage zu versetzen, sich dergestalt mit dem Darlehensnehmer und Miterben C… B… auseinanderzusetzen, dass dieser den allein ihm dienenden Darlehensvertrag bediene. Informationen über die bloße Existenz des Darlehens als Nachlassverbindlichkeit, die Entwicklung des Darlehens und auch dessen nachlässige Bedienung hätten seit 2014 bis 2017 bis zum Tod der Erblasserin, bzw. bis 2018 bis zum Verkauf des Anwesens der Erblasserin und des weiteren Darlehensnehmers C… B… nach Auffassung der Beklagten erfolgen können und müssen.
32
Die Klägerin habe ihren Klageanspruch verwirkt, nachdem sie diesen Klageanspruch nicht rechtzeitig geltend gemacht und damit durch die unterbliebene Erbauseinandersetzung zu Lasten des C… J… B… den Beklagten einen Schaden zugefügt habe, so dass die Klägerin insoweit schadensersatzpflichtig wäre. Die Beklagten rechnen hilfsweise mit einem solchen Schadensersatzanspruch auf.
33
Auch seien die streitgegenständlichen Darlehensverträge wegen des Verstoßes gegen § 505 a Abs. 1, Satz 1 und 2, BGB nichtig.
34
Zum weiteren Parteivortrag wird ergänzend vollumfänglich auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2023 Bezug genommen.
35
Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.

Entscheidungsgründe

36
Die zulässige Klage ist in Höhe von 17.180,86 € nebst Zinsen begründet.
A.
37
Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 1) und 2) einen Anspruch auf Zahlung von € 17.180,86 nebst Zinsen gem. § 1922 Abs. 1 BGB i.V.m. § 488 Abs. 1 S. 2 BGB; die Beklagten zu 1) und 2) haften dabei gem. § 421 S. 1 BGB als Gesamtschuldner.
I.
38
Die Beklagten zu 1) und 2) sind passivlegitimiert. Ausweislich des Erbscheins (Anlage K 1) sind die Beklagten zu 1) und 2) Erben ihrer Mutter zu je 1/3. Aufgrund des Grundsatzes der Universalsukzession (vgl. § 1922 Abs. 1 BGB) gingen somit auch die Verbindlichkeiten der Erblasserin auf ihre Erben, die Beklagten zu 1) und 2), über.
II.
39
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückzahlung von 17.180,86 € aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner, § 421 S. 1 BGB.
40
1. Die Erblasserin schloss zusammen mit C… J… B… und N… B… mit der Klägerin im Jahr 2014 die streitgegenständlichen Darlehensverträge.
41
Die Verträge waren vor dem 21.03.2016 zustande gekommen, sodass nach Art. 229 § 38 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 EGBGB die Fassung des BGB anzuwenden ist, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, also 2014, galt.
42
2. Die Verträge sind nicht nach § 138 Abs. 1 BGB infolge von Sittenwidrigkeit nichtig (zum Folgenden vgl. auch BGH, NJW 2001, 2466 – für die Bürgschaft).
43
a) Grundsätzlich ist die Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Einzelnen nach seinem Willen ein Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit. Insbesondere ist der Einzelne nicht gehindert, sich auch über seine finanziellen Möglichkeiten hinaus zu verpflichten, und zwar selbst dann, wenn diese Verpflichtung zeitlebens nicht zu tilgen ist. Ist aber der Inhalt eines Vertrages für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen, so kann die Regelung eine Folge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke sein. Nutzt der andere Vertragspartner die Verhandlungsunterlegenheit des anderen aus, um seine Interessen in auffälliger Weise einseitig durchzusetzen, so kann dies zur Nichtigkeit des Vertrages führen (vgl. BVerfG, 1 BVR 567/89, 1 BVR 1044/89).
44
Zur vergleichbaren Problematik der Bürgschaft wurde entschieden, dass insbesondere ein Bürgschaftsvertrag sittenwidrig ist, den eine Bank mit einem nahen Angehörigen des Kreditnehmers bzw. einem Kreditverpflichteten abschließt, wenn der Bürge bei Übernahme der Bürgschaft nicht einmal die zur Sicherung der Bürgschaft vergebene Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines laufenden Einkommens oder seines Vermögens tragen kann und auch bei Eintritt des Sicherungsfalls voraussichtlich auf Dauer nicht in der Lage sein wird, die Verpflichtungen auch nur hinsichtlich des auf sie entfallenden Zinssatzes zu erfüllen. Hinzukommen muss in einem solchen Fall krasser finanzieller Überforderung, dass der Bürge die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen hat und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (vgl. hierzu BGH v. 25. Januar 2005, XI ZR 28/04; BGH v. 11. Februar 2003, XI ZR 214/01, jeweils m.w.N.).
45
b) Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall in einer Gesamtwürdigung aller hier gegebenen Umstände des Einzelfalls nicht gegeben.
46
Zwar stand die Erblasserin ihrem Sohn persönlich nahe. Sie mag auch keinen eigenen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil aus der Mitverpflichtung als Darlehensnehmerin erlangt haben. Das allein genügt jedoch nicht, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen.
47
Eine Vermutung dafür, dass das Kreditinstitut als Gläubiger die emotionale Beziehung hier zum Nachteil der Erblasserin in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hätte, kommt nur bei einem krassen Missverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit in Betracht (zur Bürgschaft: BGHZ 125, 206, 211).
48
Daran fehlt es hier allerdings.
49
Zwar verfügte die Erblasserin verfügte im Zeitpunkt der Unterzeichnung der streitgegenständlichen Verträge nur über eine Gesamtrente von monatlich 1.190,00 €.
50
Jedoch war die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt auch hälftige Miteigentümerin des Anwesens S… P…, welches mit Kaufvertrag vom 22.05.2018 zu einem Kaufpreis von 273.000,00 € veräußert werden konnte. Auch unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der streitgegenständlichen Darlehensverträge bestehenden Belastung mit Grundschulden in Höhe von 150.000,00 € war der Darlehensbetrag damit wertmäßig vollständig abgedeckt. Das schließt eine Überforderung aus: Der Einsatz des letzten vorhandenen Vermögensguts zur Sicherung der Verbindlichkeiten eines nahen Angehörigen ist nicht ohne weiteres sittlich verwerflich. § 138 Abs. 1 BGB hat sogar dann nicht regelmäßig den Zweck, das Eigenheim eines Mithaftenden auf Dauer zu erhalten, wenn dessen Einkommen die Pfändungsfreibeträge nur in begrenztem Umfang übersteigt. Ebenso wenig schützt die Norm die Möglichkeit eines dauerhaften mietfreien Wohnens (BGH, NJW 2001, 2466, für die Bürgschaft).
51
Zum anderen verbliebe der Erblasserin, selbst bei Zahlung der monatlichen Raten in Höhe von 249 €, von der Rente noch mehr übrig als das vorgesehene Existenzminimum für das Jahr 2014 von 8.352 € (becklink 1023464), wenn man von der Rente in Höhe von 1.190 € die genannte Rate abzöge. Auch sind keine Mietaufwendungen abzuziehen.
52
Eine krasse finanzielle Überforderung ist damit nicht gegeben.
53
c) In einem solchen Fall wie hier, bei dem es an der krassen finanziellen Überforderung fehlt, kann die Mithaftung der Erblasserin nur auf Grund besonders erschwerender und dem Kreditinstitut zurechenbarer Umstände das Gepräge der Sittenwidrigkeit erlangen (zur Bürgschaft BGHZ 120, 272, 276).
54
Daran fehlt es hier ebenfalls.
55
Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin eine aus familiärer Bindung herrührende subjektive Zwangslage der Erblasserin ersichtlich zu ihren Gunsten ausgenutzt hätte. Die Klägerin war grundsätzlich berechtigt, die Darlehen nur bei Einbeziehung weiterer Mitdarlehensnehmer zu stellen. Im Vertragsschluss mit der Erblasserin liegt keine unlautere Einwirkung der Klägerin auf die Willensbildung der Erblasserin. Die Bank, die eigene berechtigte Sicherungsinteressen wahrnimmt, handelt nicht objektiv unlauter, solange sie nicht die emotionale Zwangslage des Verpflichteten in rechtlich verwerflicher Weise begründet oder ausnutzt (zur Bürgschaft BGH, NJW 1997, 1005).
56
Eine außergewöhnliche geschäftliche Unerfahrenheit brauchte die Klägerin angesichts des Alters der Erblasserin nicht vorauszusetzen. Auf Grund allgemeiner Lebenserfahrung musste ihr das Risiko einer Mitdarlehensnehmerschaft wenigstens im Allgemeinen bekannt sein.
57
Aus diesen für sie ersichtlichen Umständen brauchte die Klägerin nicht den Schluss zu ziehen, dass die Erblasserin sich bei ihrer Entscheidung nicht von rationalen Erwägungen hätte leiten lassen.
58
Die Klägerin konnte auf Grund der Angaben in den Darlehensverträgen und der Zweckbindungserklärung berechtigterweise davon ausgehen, dass das Darlehen zumindest auch der Erblasserin bzgl. deren im Miteigentum stehender und von dieser bewohnter Immobilie zugute kommen würde. Laut der Vereinbarung der vertragsschließenden Parteien sollte der Großteil des Darlehens der energetischen Sanierung des Grundstücks dienen (17.000 € für Wärmeschutz Fenster/Türen, 5.000 € für Umstieg auf Holzpellets/Hackschnitzel/Scheitholz). Von den 29.000 € kamen hiernach nur 7.000 € der Umschuldung zugunsten ihres Sohnes C… J… B… zugute (vgl. Anlage K 14). Aus Sicht der Klägerin brachte das Darlehen also auch der Erblasserin Vorteile, sodass nicht ins Auge fiel, dass das Darlehen aus einer rein familiären Verbundenheit entstanden wäre. Damit konnte die Klägerin berechtigterweise von einem gewissen Eigeninteresse der Erblasserin am Zustandekommen der Verträge ausgehen. Eine spätere Verwendung des Darlehens für andere Zwecke war für die Klägerin nicht ersichtlich bzw. bestehen hierfür jedenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte.
59
d) Auch ergibt sich keine Sittenwidrigkeit unter dem Gesichtspunkt, dass sich die Klägerin nur eine zusätzlich mithaftende Person gesucht habe. Dies könnte nur dann gegeben sein, wenn die Klägerin der Erblasserin bewusst eine hoffnungslose finanzielle Lage des Sohnes verschwiegen hätte (vgl. BGHZ 125, 206, 217). Insofern reicht eine auf bloß leichter Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis wesentlicher Tatsachen nicht für den Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens aus. Allenfalls wer sich grob fahrlässig der Kenntnis wesentlicher Tatsachen verschließt, kann damit sittenwidrig handeln (BGHZ 10, 228, 223).
60
Für all dies gibt es vorliegend keinen ausreichenden Anhaltspunkt. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der dargestellten Vorteile der Darlehensgewährung für die Erblasserin aus Klägersicht.
61
Damit kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Klägerin lediglich im Voraus eine weitere Schuldnerin sichern wollte. Die Aussage, dass die Klägerin Kenntnis von den finanziellen Umständen der Mitunterzeichnenden gehabt hätte, wurde von dieser in Abrede gestellt und zutreffend auf das Bankgeheimnis verwiesen. Eine Zurechnung des etwaigen Wissens der mit der Klägerin verbundenen … Bank, bei welcher die Mitunterzeichnenden Kunden waren, ist daher ausgeschlossen.
62
Letztlich kann auch nicht von einer völligen Zahlungsunfähigkeit der Mitunterzeichnenden ausgegangen werden, da diese jedenfalls hinsichtlich des Vorauszahlungsdarlehens über einen längeren Zeitraum zu nicht unerheblichen Zahlungen finanziell imstande waren und auch noch zwei Zahlungen auf das Bauspardarlehen leisteten.
63
e) Eine Sittenwidrigkeit ist daher im vorliegend in einer Gesamtschau aller im hier vorliegenden Einzelfall maßgeblichen Umstände und Aspekte unter keinem Gesichtspunkt gegeben.
64
3. Der Vertrag ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 505 a BGB bzw. § 509 BGB a.F. (Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung) unwirksam/nichtig bzw. es bestehen insofern keine entsprechenden aufrechenbaren Gegenansprüche.
65
a) § 505 a BGB, wonach der Darlehensgeber vor dem Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers zu prüfen hat, ist vorliegend bereits nicht anwendbar, da die Vorschrift für ab dem 21.03.2016 geschlossene Verträge Gültigkeit erlangte, der Vertragsschluss aber bereits 2014 erfolgte; Art. 229 § 38 EGBGB.
66
Die Vorgängervorschrift des § 509 BGB a.F. (in der ab 11.06.2010 bis 20.03.2016 gültigen Fassung) sah eine Bewertung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers vor. Bei Verstößen wurde dem Verbraucher ein auf den Ersatz des negativen Interesses gerichteter Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB zugestanden (MünchKomm-BGB/Schürnbrand, 7. Auflage 2016, § 509 BGB a.F. Rn. 7).
67
b) Vorliegend ist allerdings nicht ersichtlich, dass die Beklagte gegen diese ihr auferlegten Pflichten verstoßen hätte. Eine entsprechende Kausalität einer etwaigen Pflichtverletzung ist nicht gegeben, da davon ausgegangen werden muss, dass eine ordnungsgemäße Kreditwürdigkeitsprüfung eine positive Prognose ergeben hätte (so auch § 505 d Abs. 1 S. 5 BGB).
68
Im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung sind Einkommen, Ausgaben sowie andere finanzielle und wirtschaftliche Umstände des Darlehensnehmers eingehend zu prüfen. Dabei hat der Darlehensgeber die Faktoren angemessen zu berücksichtigen, die für die Einschätzung relevant sind, ob der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag voraussichtlich nachkommen kann (vgl. auch § 505 b BGB).
69
Vorliegend war in Anbetracht der monatlichen Rente von 1.190 €, dem Umstand, dass die Erblasserin in einer hälftig in ihrem Eigentum stehenden Immobilie wohnte und hierdurch keine Mietaufwendungen hatte, dass sie nur Mitschuldnerin neben zwei weiteren Mitschuldnern war, dabei nur subsidiär zur Zahlung verpflichtet sein sollte, und das Darlehen nach dem vereinbarten Zweck auch der Wohnimmobilie zugute kommen sollte, in einer Gesamtschau aller Aspekte davon auszugehen, dass die Erblasserin voraussichtlich ihren Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nachkommen können würde.
70
4. Auch ändert der Vortrag der Beklagten, dass die Erblasserin bei Aufklärung über ihre Verpflichtungen aus den streitgegenständlichen Darlehensverträgen im Zuge der Beratung diese Verträge nicht unterzeichnet hätte, nichts am Bestehen des Anspruchs.
71
Wie sich aus den vorgelegten Verträgen (Bauspardarlehensvertrag und Vorausdarlehensvertrag, beides Anlage K 2) ergibt, waren die monatliche Zinsrate des Vorausdarlehensvertrages in Höhe von 77,33 € sowie der monatliche Zins- und Tilgungsbeitrag des Bauspardarlehensvertrages in Höhe von 249,00 € klar aus den Verträgen ersichtlich. Die Verpflichtung zur mitschuldnerischen Haftung ist auf S. 18 der Verträge direkt vor den Unterschriften erläutert. Ihre aus den Verträgen resultierenden Verpflichtungen wurden der Erblasserin daher hineichend deutlich vor Augen geführt. Desweiteren hat die Erblasserin ausweislich der vorgelegten Vertragsunterlagen auch den Erhalt der maßgeblichen Informationen unterschriftlich bestätigt (S. 19 der Vertragsunterlagen, Anlage K 2).
72
5. Der Anspruch ist nicht durch Aufrechnung mit Schadensersatzforderungen nach §§ 387, 389 BGB durch die Beklagten erloschen. Es besteht kein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen die Klägerin im Zusammenhang mit der geltend gemachten Verabsäumung einer Information der Beklagten über das Bestehen des streitgegenständlichen Anspruchs zur Berücksichtigung im Wege der Erbauseinandersetzung.
73
Eine entsprechende Pflicht- oder Rechtsgutverletzung der Klägerin gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) ist nicht gegeben.
74
Zu Recht beruft sich die Beklagte insofern auf das Bankgeheimnis. Eine Weitergabe entsprechender Informationen ist hiernach nicht gestattet. Es hätte den Erben oblegen, im Rahmen der Entscheidung über die Annahme oder etwaige Ausschlagung der Erbschaft das Bestehen etwaiger Verbindlichkeiten zu prüfen. Diese Aufgabe fällt nicht in den Pflichtenkreis der Klägerin. Es obliegt nicht dem Verantwortungsbereich der Klägerin, die Auseinandersetzung der Erben untereinander zu erleichtern/zu beeinflussen.
75
6. Dementsprechend kommt auch keine Verwirkung des Klageanspruchs, § 242 BGB, wie geltend gemacht, in Betracht.
76
Für die Verwirkung durch Zeitablauf muss der Rechtsinhaber das betroffene Recht über eine längere Zeitspanne hinweg nicht geltend gemacht haben (sog. „Zeitmoment“), wobei sich der für die Verwirkung erforderliche Zeitablauf abstrakt nicht näher eingrenzen lässt. Anders als bei den gesetzlichen oder vertraglichen Verjährungs- und Ausschlussfristen besteht keine absolute Zeitspanne, sondern es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Daraus ergibt sich, dass der Zeitablauf allein – anders als bei Verjährungs- und Ausschlussfristen – nicht genügt, um die Rechtsfolgen der Verwirkung auszulösen. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten (sog. „Umstandsmoment“), so dass die Verwirkung nach einer Gesamtbetrachtung der Interessenlage gerechtfertigt ist bzw. im Interesse der Gegenpartei geboten erscheint. Diese Umstände haben auch Einfluss darauf, wie das Zeitmoment im Einzelfall beschaffen sein muss. Der Zeitablauf kann umso kürzer sein, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und umgekehrt muss die abgelaufene Zeit umso länger sein, je geringer die Umstände sind. Für das Zeitmoment ist grundsätzlich entscheidend, ob und inwieweit dem Rechtsinhaber eine (wesentlich) frühere Geltendmachung möglich war und von ihm erwartet werden konnte. Nicht jede vermeidbare Verzögerung führt zur Verwirkung. Es kommt nicht darauf an, innerhalb welches Zeitraums mit der Ausübung des Rechts aus der Sicht eines objektiven Beobachters üblicherweise zu rechnen war. Der Berechtigte darf die Rechtsausübung durchaus über die übliche Zeitspanne hinaus verzögern. Negativ formuliert liegt das Zeitmoment für die Verwirkung vor, wenn mit der Geltendmachung des Rechts vernünftigerweise nicht mehr zu rechnen ist.
77
Das Umstandsmoment wird allgemein so beschrieben, dass die späte Geltendmachung des Rechts als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Illoyalität des Berechtigten erscheinen muss. Das setzt nicht voraus, dass die Inanspruchnahme des Rechts ein missbilligenswertes Verhalten ist. Die Verwirkung durch Zeitablauf hängt nicht von einem Unwerturteil über den Rechtsinhaber ab. Die verspätete Inanspruchnahme muss der Gegenpartei lediglich unzumutbar sein. Darin liegt der maßgebliche Wertungsgesichtspunkt. Wie beim venire contra factum proprium ist es erforderlich und ausreichend, dass die Untätigkeit des Berechtigten für die Gegenpartei einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat oder die spätere Rechtsausübung mit der früheren Untätigkeit aus anderen Gründen unvereinbar erscheint. Dafür sind die objektiven Gegebenheiten und die subjektiven Aspekte in Bezug auf beide Parteien wesentlich. Das Umstandsmoment ist weder rein subjektiv noch ausschließlich objektiv zu betrachten. Das bloße Unterlassen löst ein schutzwürdiges Vertrauen an sich nicht aus, es sei denn, der Schuldner durfte dieses als bewusst und planmäßig ansehen. Ein gewichtiges subjektives Element ist das tatsächliche Vertrauen der Gegenseite darauf, dass der Berechtigte sein Recht nicht mehr ausüben werde. Die Interessen der Gegenpartei sind weniger schutzwürdig, wenn diese selbst gut oder sogar besser als der Berechtigte in der Lage war, die Sach- und Rechtslage zu überblicken, oder wenn ihr ein rechtswidrig-schuldhaftes Verhalten zur Last fällt. Letzteres schließt die Verwirkung nicht generell aus. Jedenfalls besteht kein Vertrauensschutz, wenn der Schuldner weiß oder davon ausgehen muss, dass der Gläubiger sein Recht aus Unkenntnis nicht geltend macht. Bei der allgemeinen Interessenabwägung kommen als objektive Merkmale schließlich die Art des Rechtsverhältnisses und die typischerweise besonders stark oder schwach ausgeprägte Schutzwürdigkeit der einen oder der anderen Seite (z.B. aus sozialen Gründen) zum Tragen (zum Ganzen: MünchKomm-BGB/Schubert, 9. Aufl., 2022, § 242 Rn. 456 ff).
78
Eine Verwirkung des Rückzahlungsanspruchs durch den Darlehensgeber kommt auch nur in sehr seltenen Ausnahmefällen in Betracht, wenn der Kreditnehmer berechtigterweise davon ausgehen darf, die Kreditschuld bestehe nicht mehr (MünchKomm-BGB/K.P. Berger, 9. Auflage 2023, § 488 Rn. 86).
79
Vorliegend sind diese Voraussetzungen in einer Gesamtschau nicht gegeben. In zeitlicher Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass zuletzt Zahlungen seitens der Darlehensnehmer C… J… B… und N… B… im Mai 2020 und Juni 2020 erfolgten und die Klägerin sodann mit Schreiben vom 07.01.2021 mahnte sowie mit Schreiben vom 01.07.2021 das Darlehen kündigte. Demgegenüber war die Erblasserin aber bereits am 08.09.2017 verstorben. Nach dem Tod der Erblasserin erfolgten also noch Zahlungen seitens der weiteren Darlehensnehmer. Es war damit zum Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls nicht ersichtlich, dass eine Inanspruchnahme der Erben der Erblasserin bevorstehen würde. Die identische Sachlage war zum Zeitpunkt des Hausverkaufs gegeben; der Kaufvertrag datierte vom 22.05.2018. Von der Klägerin war damit in Anbetracht der zeitlichen Entwicklung eine wesentlich frühere Geltendmachung des Anspruchs gegen die Erben nicht zu erwarten. Es war nicht so, dass die Beklagten mit der Geltendmachung des Rechts durch die Klägerin vernünftigerweise nicht mehr zu rechnen brauchten.
80
Ferner ist auch kein Umstandsmoment gegeben. Ein entsprechender Vertrauenstatbestand wurde seitens der Klägerin nicht geweckt. Die spätere Inanspruchnahme war den Beklagten in einer Gesamtabwägung aller Umstände nicht unzumutbar. Die Untätigkeit der Klägerin war in den Zahlungen der Primärschuldner begründet. Die spätere Rechtsausübung war mit der früheren Untätigkeit auch nicht anderweitig unvereinbar.
81
7. Die Tatsache, dass das Darlehen an die Einhaltung einer Zweckbindung geknüpft war, welche, wie beklagtenseits vorgetragen, nicht eingehalten wurde, begründet keinen Wegfall des Anspruchs.
82
Die Zweckbindung hinsichtlich der Verwendung der Valuta dient vor allem dem Interesse des Darlehensgebers, der dadurch sein typusbedingtes Risiko steuern möchte. Der Darlehensnehmer ist daher dem Darlehensgeber zur Einhaltung der Zweckbestimmung verpflichtet. Bei Verstößen besteht ein außerordentliches Kündigungsrecht des Darlehensgebers (MünchKomm-BGB/K.P. Berger, 9. Auflage 2023, § 488 Rn. 85).
83
Ansprüche der Darlehensnehmer gegenüber der Darlehensgeberin sind hiermit hingegen nicht verbunden.
84
8. Die gesamte Darlehenssumme wurde nach § 498 BGB a.F. (Fassung gültig ab 11.06.2010 bis 20.03.2016), Art. 229 § 9 EGBGB, wirksam fällig gestellt. Das Darlehen ist damit in seiner Gesamtheit zurückzuzahlen. Der gem. § 498 S. 1 Nr. 1 BGB a.F. erforderliche Zahlungsrückstand war gegeben und wurde beklagtenseits auch nicht in Abrede gestellt. Eine Zahlungsaufforderung an die Beklagten zu 1) und 2) erfolgte am 07.01.2021 mit einer mehr als zweiwöchigen Frist nach § 498 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. Die Frist lief erfolglos ab.
85
8. Der Anspruch ist Höhe des gegenüber den Beklagten geltend gemachten Abrechnungsbetrages in Höhe von 17.180,86 €, Anlagen K 12 und K 13 gegeben. Substantiierte Einwendungen gegen die Höhe dieses Abrechnungsbetrages wurden nicht geltend gemacht. Es wurde keine über die berücksichtigten Zahlbeträge hinausgehende Leistungen o.ä. geltend gemacht. Auch der Einwand hinsichtlich der fehlenden Kenntnisnahmemöglichkeit bzgl. der Kontoauszüge durch die Beklagten dringt nicht durch, da diese zumindest an den Primärschuldner C… J… B… übermittelt wurden, § 166 BGB entsprechend.
III.
86
Verzug der Beklagten zu 1) und 2) ist seit 01.09.2021 gegeben, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB.
87
Mit Schreiben vom 01.07.2021 wurden die Beklagten zu 1) und 2) zur Zahlung des Abrechnungsbetrages bis 31.08.2021 aufgefordert. Die Fälligstellung und die verzugsbegründende Mahnung konnten zulässigerweise miteinander verbunden werden (BGH, Urteil vom 13.07.2010, XI ZR 27/10, WM 2010, 1596 f). Verzug trat damit ab 01.09.2021 ein.
88
Die Beklagten haben an die Klägerin damit Zinsen in Höhe von 2,5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz für das Jahr aus dem Abrechnungsbetrag in Höhe von 17.180,86 € seit dem 01.09.2021 zu zahlen, §§ 497 Abs. 1, Abs. 4, 288 BGB a.F.
IV.
89
Der klägerseits im Tenor vermerkte Zusatz der Verurteilung als Gesamtschuldner „neben C… B… und N… B… gegen die sich das Verfahren nicht richtet“, war nicht in den Urteilstenor aufzunehmen: Richtet sich der Prozess nur gegen einen von mehreren Gesamtschuldnern, so braucht die Gesamtschuldnerschaft nicht im Tenor vermerkt zu werden, weil der Tenor insoweit eindeutig ist, da ja spezifisch der Beklagte zu einer exakt bestimmten Leistung verurteilt wird. Sie darf aus diesem Grunde auch nicht in den Tenor aufgenommen werden, weil dem Kläger insoweit das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Er darf mit oder ohne Tenorierung der Gesamtschuld auf jeden Fall in voller Höhe gegen den Verurteilten vollstrecken. Damit wird auch dem Monitum Genüge getan, dass der nicht am Prozess beteiligte Gesamtschuldner das Urteil nicht gegen sich gelten zu lassen braucht (zum Ganzen: beck-online.GROSSKOMMENTAR/Kreße, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg: Looschelders, Stand: 01.12.2023, § 421 Rn. 69 m.w.N.).
B.
90
Die Beklagten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits, §§ 100 Abs. 4, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Mehrforderung war gering.
C.
91
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.