Titel:
Zulassungsantrag: Klage gegen Vollstreckung aus Vergleich
Normenketten:
VwGO § 91, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 5, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2, § 144 Abs. 4 analog, § 167 Abs. 1 S. 1, § 173 S. 1
ZPO § 264 Nr. 2, § 767 Abs. 1, Abs. 3, § 894, § 888
BGB § 133, § 157, § 197 Abs. 1 Nr. 4, § 212 Abs. 1 Nr. 2
Leitsätze:
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (ebenso BVerwG BeckRS 2022, 6805). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird aus einem verwaltungsgerichtlichen Vergleich vollstreckt, kann verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich mit der - in der Zivilprozessordnung geregelten - Vollstreckungsgegenklage erlangt werden. (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zwar erweist es sich als verfahrensfehlerhaft, einen Rückzahlungsanspruch gegen die Staatskasse im Urteil zu verneinen, ohne zuvor die Zulässigkeit der darauf gerichteten Klage zu bejahen; ein solcher Verfahrensfehler ist aber offensichtlich unbeachtlich, wenn sich die Sachabweisung als richtig erweist. (Rn. 29 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufungszulassung (abgelehnt), Vollstreckung aus gerichtlichem Vergleich, wiederholte Vollstreckungsabwehrklage, Unmöglichkeit, Erfüllung, Verjährung (alle verneint), Verfahrensmangel (Prozess-/Sachabweisung), Rückzahlung beigetriebenen Zwangsgelds, Berufungszulassungsantrag, Vollstreckungsgegenklage, Einwendungen, Unmöglichkeit, Erfüllung, Verjährung, Verfahrenfehler, Rückzahlung, ernstliche Zweifel
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 18.04.2024 – RN 2 K 23.365
Fundstelle:
BeckRS 2024, 20348
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 12.860,53 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Vollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich.
2
Die Klägerin und ihr Ehemann sind in Gütergemeinschaft Eigentümer des Wohngrundstücks FlNr. …4/16 und des Grundstücks FlNr. …7/3 („… Weg“) Gemarkung … Der Beklagte ist Eigentümer des Hausgrundstücks FlNr. …4/18, das im Norden an den „… Weg“ grenzt; die östlich davon gelegene Landwirtschaftsfläche FlNr. …4/2 hat er im September 2010 an seine Ehefrau übertragen.
3
Die Klägerin und ihr Ehemann verpflichteten sich in einem vor dem Verwaltungsgerichtshof geschlossenen Prozessvergleich vom 17. August 2010 (Az. 8 B 09.846), an dem Grundstück FlNr. …7/3 zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Grundstücke FlNr. …4/18 und …4/2 ein Geh- und Fahrtrecht in Gestalt einer Grunddienstbarkeit unter näher bestimmten Vorgaben einzuräumen (Ziffer III des Vergleichs). Der weitere Vollzug der Verpflichtung soll durch notariell beurkundete Verträge erfolgen, zu deren Abschluss sich jeder Beteiligte persönlich verpflichtet hat (Ziffer V des Vergleichs).
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Die Klägerin und ihr Ehemann übertrugen im Februar 2013 das Grundstück FlNr. …7/3 an ihre Tochter; eine daraufhin von der Klägerin erhobene Vollstreckungsabwehrklage gegen die Vollstreckung aus dem Vergleich wurde vom Verwaltungsgericht Regensburg abgewiesen. Das Verwaltungsgericht gelangte zu dem Schluss, die Grundstücksübertragung sei sittenwidrig und nichtig, weil sie einzig und allein bezweckt habe, die Vollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich zu vereiteln (VG Regensburg, U.v. 6.12.2018 – RN 2 K 16.1236). Das Urteil wurde rechtskräftig (vgl. BayVGH, B.v. 21.1.2020 – 8 ZB 19.192); eine Verfassungsbeschwerde der Klägerin blieb erfolglos (BayVerfGH, E.v. 25.5.2021 – Vf. 38-VI-20).
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Auf den Vollstreckungsantrag des Beklagten setzte das Verwaltungsgericht gegen die Klägerin mit Beschluss vom 18. Januar 2022 (Az. RN 2 V 20.367) ein Zwangsgeld in Höhe von 7.500 €, ersatzweise Zwangshaft, fest für den Fall, dass diese ihre Verpflichtungen aus Ziffern III und V des o.g. Prozessvergleichs nicht fristgemäß erfüllt. Die Beschwerde der Klägerin wies der Senat zurück (BayVGH, B.v. 27.10.2022 – 8 C 22.334). Das Zwangsgeld wurde beigetrieben; die Klägerin bezahlte am 17. Oktober 2023 einen Betrag von 7.860,53 € an den Gerichtvollzieher, um der am 23. Oktober 2023 terminierten Abgabe einer eidesstaatlichen Versicherung zu entgehen.
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Am 5. März 2023 hat die Klägerin erneut eine Vollstreckungsabwehrklage zum Verwaltungsgericht Regensburg erhoben und beantragt, die Vollstreckung durch den Beklagten aus dem Vergleich vom 17. August 2010 für unzulässig zu erklären. Unter dem 19. Dezember 2023 hat sie ihre Klage erweitert und zusätzlich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, 7.860,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit der Klagerweiterung zu zahlen.
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Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 17. Mai 2023 bewilligte die Klägerin die Eintragung einer Grunddienstbarkeit und beantragte die Eintragung im Grundbuch. Die Eintragung wurde vom Grundbuchamt nicht vollzogen.
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Mit Urteil vom 18. April 2024 wies das Verwaltungsgericht die Vollstreckungsabwehrklage der Klägerin ab. Ihr sei die Einräumung eines Geh- und Fahrtrechts nicht unmöglich; sie habe sich nicht ausreichend um eine Eintragung in das Grundbuch bemüht. Mit ihrer notariellen Bewilligung habe sie ihre Verpflichtung nicht hinreichend erfüllt. Der Anspruch des Beklagten sei nicht verjährt. Der Verjährungsfrist betrage 30 Jahre und beginne im Falle einer gerichtlichen Vollstreckungshandlung erneut. Die Rückzahlungsklage, die bei Auslegung des Klagebegehrens gegen die Staatskasse gerichtet sei, sei jedenfalls unbegründet, weil die Klägerin ihre Verpflichtung auf Einräumung eines dinglichen Geh- und Fahrtrechts nicht nachträglich erfüllt habe.
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Mit Beschluss vom 22. April 2024 setzte das Verwaltungsgericht ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 12.000 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, je 1.000 Euro Zwangsgeld einen Tag Zwangshaft fest für den Fall, dass die Klägerin die o.g. Verpflichtungen nicht bis 1. Juli 2024 erfüllt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde bleibt ebenfalls erfolglos (BayVGH, B.v. 13.8.2024 – 8 C 24.781).
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Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren betreffend ihre erneute Vollstreckungsabwehrklage weiter.
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A. Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 5 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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I. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 18.3.2022 – 2 BvR 1232/20 – NVwZ 2022, 789 = juris Rn. 23 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 15). Bei der Beurteilung ist nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung abzustellen (vgl. BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – NVwZ 2021, 325 = juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9).
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Ausgehend davon zieht die Klägerin die Abweisung ihrer erneuten Vollstreckungsgegenklage (§ 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 767 ZPO) nicht ernstlich in Zweifel.
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1. Die Einwendung der Klägerin, ihr sei die Einräumung eines dinglichen Geh- und Fahrtrechts an dem streitbefangenen Grundstück unmöglich, greift nicht durch.
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Zur Begründung kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungen des Senats vom 21. Januar 2020 (8 ZB 19.192, Rn. 12 ff.) und vom 27. Oktober 2022 (Az. 8 C 22.334, Rn. 28 ff.) Bezug genommen werden. Neue Umstände, die eine abweichende Einschätzung rechtfertigen könnten (vgl. § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 767 Abs. 3 ZPO), zeigt die Klägerin nicht auf. Die vorgelegten Schreiben des Grundbuchamts beim Amtsgericht Kelheim (rechtlicher Hinweis vom 11.9.2023, Gerichtsakte [GA] Az. RN 2 E 23.1877 S. 14 f.; Mitteilung vom 1.6.2023, elektronische GA [eGA] Az. RN 2 E 23.1270 S. 32), wonach die Klägerin die Eintragung als Nicht-Eigentümerin des zu belastenden Grundstücks nicht bewilligen könne, stützen den Unmöglichkeitseinwand nicht. Die Klägerin hat es ausweislich des rechtlichen Hinweises des Rechtspflegers (Schreiben vom 11.9.2023) schon versäumt, dem Grundbuchamt das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. Dezember 2018 (Az. RN 2 K 16.1236), das die Klägerin erfolglos angegriffen hat (vgl. BayVGH, B.v. 21.1.2020 – 8 ZB 19.192 – Rn. 12 ff.), vorzulegen (vgl. dort zweiter Absatz: „Lediglich die Ansicht des VG Regensburg [welche hier nicht vorliegt] reicht dazu nicht aus.“). Die Klägerin zeigt auch sonst nicht auf, alle ihr zumutbaren Maßnahmen einschließlich eines gerichtlichen Vorgehens erfolglos unternommen zu haben, um ihre Tochter als „Bucheigentümerin“ zur Duldung bzw. Mitwirkung bei der Einräumung eines Geh- und Fahrtrechts zu veranlassen (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2022 – 8 C 22.334 – Rn. 30 f.). Der angeführte Schriftwechsel, mit dem sie diese erfolglos um Zustimmung ersucht hat (vgl. GA Az. RN 2 E 23.1877 S. 7 f.), belegt dies nicht. Im Übrigen ist die Einwendung der Klägerin, einem gerichtlichen Vorgehen gegen ihre Tochter stehe die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 6. Dezember 2018 (Az. RN 2 K 17.744) entgegen, nicht nachvollziehbar; der Streitgegenstand und die Beteiligten unterscheiden sich (vgl. § 121 VwGO).
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2. Der Erfüllungseinwand ist unberechtigt.
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Das Vorbringen der Klägerin, sie habe ihre Verpflichtung aus Ziffern III und V des Vergleichs durch Abgabe und Weiterleitung der Bewilligung vom 17. Mai 2023 erfüllt, verhilft dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg. Die Klägerin und ihr Ehemann schulden aus Ziffer III des Vergleichs einen Leistungserfolg, nämlich die Einräumung eines Geh- und Fahrtrechts in Gestalt einer Grunddienstbarkeit. Ziffer V des Vergleichs, wonach der Vollzug durch notariell zu beurkundende Verträge erfolgt und sich jeder Beteiligte persönlich verpflichtet, die entsprechenden Verträge abzuschließen, ist entsprechend §§ 133, 157 BGB nicht dahingehend zu verstehen, dass – unabhängig vom Eintritt eines Leistungserfolgs – nur eine Leistungshandlung geschuldet wäre. Scheitert die Eintragung in das Grundbuch mit der Folge, dass der Leistungserfolg trotz Vornahme einer Leistungshandlung nicht eintritt, besteht der Erfüllungsanspruch also fort (§ 362 Abs. 1 BGB; vgl. BGH, U.v. 15.3.2024 – V ZR 224/22 – NJW 2024, 1960 = juris Rn. 7; U.v. 14.9.2018 – V ZR 213/17 – NJW 2018, 3523 = juris Rn. 14; Fetzer in Krüger, Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2022, § 362 Rn. 2). Das Zulassungsvorbringen, der Beklagte verhalte sich rechtsmissbräuchlich, weil er die Eintragungsbewilligung nicht als Erfüllung anerkenne, geht somit ins Leere.
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3. Nicht ernstlich zweifelhaft ist auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der vom Beklagten gegen die Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Einräumung eines Geh- und Fahrtrechts in Gestalt einer Grunddienstbarkeit sei nicht verjährt.
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Die Einwendung, die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 197 Abs. 1 Nr. 4 BGB sei nicht anwendbar, weil der gerichtliche Vergleich keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe, geht fehl. Die Verpflichtung der Klägerin und ihres Ehemanns, dem jeweiligen Eigentümer der Grundstücke FlNrn. …4/18 und …4/2 ein Geh- und Fahrtrecht in Gestalt einer Grunddienstbarkeit einzuräumen, ist nach Inhalt, Art und Umfang eindeutig bestimmt. Der Beklagte kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht darauf verwiesen werden, auf Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung zu klagen mit dem Vorteil, dass ein Urteil die Abgabe der Willenserklärung § 894 ZPO ersetzt. Die Vollstreckungsmöglichkeiten nach § 888 und § 894 ZPO stehen wahlweise zur Verfügung (vgl. BGH, U.v. 19.6.1986 – IX ZR 141/85 – BGHZ 98, 127 = juris Rn. 10; Gruber in Krüger/Rauscher, Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 888 Rn. 9)
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Mit der ergänzenden Begründung des Verwaltungsgerichts, die Verjährungsfrist habe infolge von Vollstreckungshandlungen des Beklagten nach § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB neu begonnen (vgl. UA S. 26), setzt sich der Zulassungsantrag nicht auseinander.
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4. Mit der Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Zulässigkeit der Klagerweiterung nicht offenlassen und die Klage auf Rückzahlung von 7.860,53 € nebst Zinsen nicht als „jedenfalls unbegründet“ abweisen dürfen, macht die Klägerin in der Sache einen Verfahrensmangel nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend (vgl. unten Rn. 26 ff.).
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Die Versagung der begehrten Rückzahlung in der Sache greift der Zulassungsantrag nicht an. Ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin scheidet auch aus. Sie hat ihre Verpflichtung, dem Beklagten ein dingliches Geh- und Fahrtrecht einzuräumen, nicht erfüllt (vgl. oben Rn. 18). Die für eine Rückzahlung des Zwangsgelds erforderliche Aufhebung des rechtskräftigen Festsetzungsbeschlusses vom 18. Januar 2022 (Az. RN 2 V 20.367), der durch Beitreibung vollstreckt wurde, kommt nicht in Betracht (vgl. auch BGH, B.v. 6.9.2017 – XII ZB 42/17 – NJW 2017, 3592 = juris Rn. 23 unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 15.6.2016 – 8 C 5.15 – BVerwGE 155, 261 = juris Rn. 16).
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II. Der Zulassungsantrag zeigt auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
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Die Klägerseite legt nicht dar, dass die Rechtssache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, d.h. sich wegen ihrer Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 4.10.2022 – 8 ZB 22.1193 – AUR 2022, 472 = juris Rn. 32; vgl. auch BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – DVBl 2000, 1458 = juris Rn. 17). Die Beurteilung, ob ein vollstreckbarer Prozessvergleich vorliegt, die Verjährungseinrede durchgreift und die Klagerweiterung zulässig war lässt sich – wie aufgezeigt (vgl. Rn. 20 und 26 ff.) – ohne nennenswerten Aufwand im Zulassungsverfahren klären.
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III. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen, auf dem das Ersturteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
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Die Verfahrensrüge, das Verwaltungsgericht habe die Zulässigkeit der nachträglichen Klageerweiterung („verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“) rechtsfehlerhaft offengelassen und als „jedenfalls unbegründet“ abgewiesen, greift nicht durch.
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1. Mit dem Begehren, ihr das beigetriebene Zwangsgeld in Höhe von 7.860,53 € zurückzuzahlen, hat die Klägerin ihre Klage nachträglich erweitert (§ 44 VwGO). Die Zulässigkeit dieser Klageerweiterung hat das Verwaltungsgericht – anders als die Zulässigkeit der auf diesem Weg erhobenen Rückzahlungsklage (zu dieser Unterscheidung vgl. auch BVerwG, B.v. 20.12.2012 – 6 B 29.12 – Buchholz 310 § 91 VwGO Nr. 34 = juris Rn. 6) – im Ergebnis nicht verneint. Dies ist frei von Rechtsfehlern. Ob die nachträgliche Klageerweiterung von der Regelung des § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO erfasst wird, kann insoweit dahinstehen. Denn die Voraussetzungen für eine Klageänderung (§ 91 VwGO) liegen vor; der Beklagte hat sich zu dem Rückzahlungsbegehren in der Sache eingelassen (§ 91 Abs. 2 VwGO; Schriftsatz vom 11.1.2024, GA S. 69 f.; vgl. dazu auch Wöckel in Eyermann, § 91 Rn. 28 m.w.N.).
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2. Das angefochtene Urteil leidet zwar an einem Verfahrensmangel, weil das Verwaltungsgericht einen Rückzahlungsanspruch der Klägerin gegen die Staatskasse verneint hat, ohne zuvor die Zulässigkeit der darauf gerichteten Klage zu bejahen (vgl. BVerwG, U.v. 8.2.2017 – 8 C 2.16 – BVerwGE 157, 292 = juris Rn. 19; Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, Vorbemerkungen zu §§ 40 bis 53 Rn. 5 und 15). Damit hat es die Verschiedenheit der Rechtskraft einer Prozess- und einer Sachabweisung nicht beachtet (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.2018 – 6 B 133.18 – NVwZ 2019, 649 = juris Rn. 21; Kilian/Hissnauer in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 121 Rn. 69).
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Dieser Verfahrensfehler ist aber offensichtlich unbeachtlich, weil sich die Sachabweisung als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO analog). Nach ganz herrschender Rechtsprechung und Literatur kann das Prozessgericht die Rückzahlungsanordnung gegen die Staatskasse analog § 776 ZPO selbst anordnen (vgl. OLG Zweibrücken, B.v. 13.3.2000 – 3 W 44/00 – InVo 2000, 287 = juris Rn. 3; LAG Nürnberg, B.v. 27.7.2016 – 5 Ta 61/16 – juris Rn. 32; LAG Hessen, B.v. 13.9.2013 – 12 Ta 393/12 – juris Rn. 10; LAG Rheinland-Pfalz, B.v. 13.2.2009 – 8 Ta 182/08 – juris Rn. 4; LAG Bremen, B.v. 30.9.2008 – 3 Ta 40/08 – juris Rn. 38; Gruber in Krüger/Rauscher, Münchener Kommentar zur ZPO, § 888 Rn. 32; Seibel in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 888 Rn. 14 und § 890 Rn. 25; Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 888 Rn. 15 und § 890 Rn. 16). Dies ist prozessökonomisch sinnvoll und erspart es dem Vollstreckungsschuldner, ein eigenständiges Klageverfahren zu betreiben. Dass die Staatskasse nicht am Verfahren beteiligt ist, steht dem nicht entgegen. Ihr steht das Zwangsgeld nicht aus eigenem materiellen Recht zu. Die Rückzahlung ist Folge einer Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses, ohne dass sie dagegen Einwendungen erheben könnte.
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Der Klägerin kann somit aus der verwaltungsgerichtlichen Sachabweisung – auch im Hinblick auf den Umfang der Rechtskraft – kein Nachteil erwachsen (vgl. Sennekamp in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 42 VwGO Rn. 84). Sie hat mit ihrem Zulassungsantrag auch nicht geltend gemacht, dass ihre erweiterte Klage auf Rückzahlung des Zwangsgelds als unzulässig abzuweisen gewesen wäre. Ihr Zulassungsvorbringen bezieht sich im Wesentlichen auf eine verfahrensfehlerhafte Abweisung einer Klage mit Prozessstatt durch Sachurteil, die hier nicht vorliegt.
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B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der erstinstanzlichen Festsetzung, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).