Titel:
Beschwerde gegen Festsetzung eines Zwangsgeldes
Normenketten:
VwGO § 106, § 146 Abs. 1, § 167 Abs. 1, § 167 Abs. 1 S. 1, § 168 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 767, § 795 S. 1, § 888, § 894
BGB § 133, § 157, § 362
Leitsätze:
1. Der Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgelds durch das Verwaltungsgericht verlangt zunächst - als allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen - Titel, Klausel und Zustellung. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird ein Leistungserfolg - hier die Eintragung einer Grunddienstbarkeit in das Grundbuch - geschuldet, besteht der Erfüllungsanspruch fort, wenn der Leistungserfolg trotz Vornahme einer Leistungshandlung nicht eintritt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die auf das Nichtbestehen bzw. den Wegfall des materiellen, der Vollstreckung zugrundeliegenden Anspruchs gerichteten Einwendungen (subjektive Unmöglichkeit, Verjährung) können im Vollstreckungsverfahren nicht berücksichtigt werden. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde, Zwangsgeld, Grunddienstbarkeit, Grundbuch, Vollstreckungsvoraussetzungen, Vollstreckungsverfahren
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 22.04.2024 – RN 2 V 23.2394
Fundstelle:
BeckRS 2024, 20345
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Vollstreckungsschuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1
Der Vollstreckungsgläubiger begehrt die Festsetzung eines weiteren Zwangsgelds zur Vollstreckung der Verpflichtung der Vollstreckungsschuldnerin aus einem Prozessvergleich, ihm ein Geh- und Fahrtrecht als Grunddienstbarkeit einzuräumen.
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Die Vollstreckungsschuldnerin und ihr Ehemann sind in Gütergemeinschaft Eigentümer des Wohngrundstücks FlNr. …4/16 und des Grundstücks FlNr. …7/3 („… Weg“) Gemarkung … Der Vollstreckungsgläubiger ist Eigentümer des Hausgrundstücks FlNr. …4/18, das im Norden an den „… Weg“ grenzt; die östlich davon gelegene Landwirtschaftsfläche FlNr. …4/2 hat er im September 2010 an seine Ehefrau übertragen.
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Die Vollstreckungsschuldnerin und ihr Ehemann verpflichteten sich in einem vor dem Verwaltungsgerichtshof geschlossenen Prozessvergleich vom 17. August 2010 (Az. 8 B 09.846), an dem Grundstück FlNr. …7/3 zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Grundstücke FlNr. …4/18 und …4/2 ein Geh- und Fahrtrecht in Gestalt einer Grunddienstbarkeit unter näher bestimmten Vorgaben einzuräumen (Ziffer III des Vergleichs). Der weitere Vollzug der Verpflichtung soll durch notariell beurkundete Verträge erfolgen, zu deren Abschluss sich jeder Beteiligte persönlich verpflichtet hat (Ziffer V des Vergleichs).
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Die Vollstreckungsschuldnerin und ihr Ehemann übertrugen im Februar 2013 das Grundstück FlNr. …7/3 an ihre Tochter; eine daraufhin von ihr erhobene Vollstreckungsabwehrklage gegen die Vollstreckung aus dem Vergleich wurde vom Verwaltungsgericht Regensburg abgewiesen. Das Verwaltungsgericht gelangte zu dem Schluss, die Grundstücksübertragung sei sittenwidrig und nichtig, weil sie einzig und allein bezweckt habe, die Vollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich zu vereiteln (U.v. 6.12.2018 – RN 2 K 16.1236). Das Urteil wurde rechtskräftig (vgl. BayVGH, B.v. 21.1.2020 – 8 ZB 19.192); eine Verfassungsbeschwerde der Vollstreckungsschuldnerin blieb erfolglos (BayVerfGH, E.v. 25.5.2021 – Vf. 38-VI-20).
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Auf den Antrag des Vollstreckungsgläubigers setzte das Verwaltungsgericht gegen die Vollstreckungsschuldnerin mit Beschluss vom 18. Januar 2022 (Az. RN 2 V 20.367) ein Zwangsgeld in Höhe von 7.500 €, ersatzweise Zwangshaft, fest für den Fall, dass diese ihre Verpflichtungen aus Ziffern III und V des o.g. Prozessvergleichs nicht fristgemäß erfüllt. Die Beschwerde der Vollstreckungsschuldnerin wies der Senat zurück (BayVGH, B.v. 27.10.2022 – 8 C 22.334). Das Zwangsgeld wurde beigetrieben.
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Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 17. Mai 2023 bewilligte die Vollstreckungsschuldnerin die Eintragung einer Grunddienstbarkeit und beantragte die Eintragung im Grundbuch. Die Eintragung wurde vom Grundbuchamt nicht vollzogen.
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Mit Beschluss vom 22. April 2024 setzte das Verwaltungsgericht ein weiteres Zwangsgeld von 12.000 €, ersatzweise für den Fall, dass das Zwangsgeld nicht beigetrieben werden kann, je 1.000 Euro Zwangsgeld einen Tag Zwangshaft fest für den Fall, dass die Vollstreckungsschuldnerin die o.g. Verpflichtungen nicht bis 1. Juli 2024 erfüllt.
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Gegen diesen Beschluss hat die Vollstreckungsschuldnerin Beschwerde erhoben. Der Vergleich habe keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Sie habe ihre Verpflichtung mit Abgabe und Weiterleitung der Bewilligung vom 17. Mai 2023 erfüllt. Ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung gegen ihre Tochter stehe ihr nicht zu. Die vollstreckte Verpflichtung sei verjährt. Ihre Vollstreckungsabwehrklage habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgewiesen (U.v. 18.4.2024 – RN 2 K 23.365); auf die Begründung des Berufungszulassungsantrags (Az. 8 ZB 24.789) wurde Bezug genommen.
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Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 22. April 2024 wird der Antrag abgelehnt.
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Der Vollstreckungsgläubiger beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er verteidigt den angegriffenen Beschluss.
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Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
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A. Die Beschwerde ist zulässig (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2022 – 8 C 22.334 – juris Rn. 17). Die Prüfung durch das Beschwerdegericht beschränkt sich nicht auf die vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe; § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO findet keine Anwendung (vgl. Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 45).
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B. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Festsetzung eines weiteren Zwangsgelds zu Recht stattgegeben.
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1. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen – Titel, Klausel und Zustellung (§ 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 795 Satz 1 ZPO) – sind gegeben.
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Eine Änderung der insoweit maßgeblichen Verhältnisse, die dem Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2022 betreffend die Beschwerde der Vollstreckungsschuldnerin gegen die Festsetzung eines (ersten) Zwangsgelds (Az. 8 C 22.334, Rn. 21 ff.) zugrunde lagen, ist weder dargelegt noch sonst erkennbar. Der zwischen den Beteiligten zu Protokoll des Senats geschlossene Vergleich stellt einen Vollstreckungstitel mit vollstreckungsfähigem Inhalt dar (§§ 106, 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO). Die Verpflichtung der Vollstreckungsschuldnerin und ihres Ehemanns, dem jeweiligen Eigentümer der Grundstücke FlNrn. …4/18 und …4/2 ein Geh- und Fahrtrecht in Gestalt einer Grunddienstbarkeit einzuräumen, ist nach Inhalt, Art und Umfang eindeutig bestimmt. Da § 894 ZPO nicht auf Prozessvergleiche anwendbar ist (vgl. dazu BayVGH, B.v. 27.10.2022 – 8 C 22.334 – juris Rn. 20 m.w.N.), erfolgt die Vollstreckung der Abgabe der notwendigen Willenserklärungen durch Zwangsgeld oder Zwangshaft (vgl. § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 888 ZPO). Der Vollstreckung dieser Verpflichtung durch Beugemittel nach § 888 ZPO steht auch nicht entgegen, dass die Abgabe von Willenserklärungen (vgl. dort Ziffer V) auch mit einer Leistungsklage durchgesetzt werden könnte (vgl. BGH, U.v. 19.6.1986 – IX ZR 141/85 – BGHZ 98, 127 = juris Rn. 10).
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2. Der Erfüllungseinwand ist unberechtigt.
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Das Vorbringen der Vollstreckungsschuldnerin, sie habe ihre Verpflichtung aus Ziffern III und V des Vergleichs durch Abgabe und Weiterleitung der Bewilligung vom 17. Mai 2023 erfüllt, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Sie und ihr Ehemann schulden aus Ziffer III des Vergleichs einen Leistungserfolg, nämlich die Einräumung eines Geh- und Fahrtrechts in Gestalt einer Grunddienstbarkeit. Ziffer V des Vergleichs, wonach der Vollzug durch notariell zu beurkundende Verträge erfolgt und sich jeder Beteiligte persönlich verpflichtet, die entsprechenden Verträge abzuschließen, ist entsprechend §§ 133, 157 BGB nicht dahingehend zu verstehen, dass – unabhängig vom Eintritt eines Leistungserfolgs – nur eine Leistungshandlung geschuldet wäre. Scheitert die Eintragung in das Grundbuch mit der Folge, dass der Leistungserfolg trotz Vornahme einer Leistungshandlung nicht eintritt, besteht der Erfüllungsanspruch also fort (§ 362 Abs. 1 BGB; vgl. BGH, U.v. 15.3.2024 – V ZR 224/22 – NJW 2024, 1960 = juris Rn. 7; U.v. 14.9.2018 – V ZR 213/17 – NJW 2018, 3523 = juris Rn. 14; Fetzer in Krüger, Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2022, § 362 Rn. 2).
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Daher bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob der Erfüllungseinwand im Vollstreckungsverfahren überhaupt zu berücksichtigen ist (dafür BGH, U.v. 29.9.2022 – I ZR 180/21 – FamRZ 2023, 145 = juris Rn. 17; OVG Bremen, B.v. 31.1.2024 – 2 S 30/24 – NordÖR 2024, 271 = juris Rn. 22; einschränkend VGH BW, B.v. 14.5.2020 – 10 S 461/20 – UPR 2020, 310 = juris Rn. 9) oder aber nur im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach §§ 167 Abs. 1 i.V.m. § 767 ZPO geltend gemacht werden kann (so OVG Berlin-Bbg, U.v. 1.7.2011 – OVG 2 A 14.10 – juris Rn. 29).
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3. Die auf das Nichtbestehen bzw. den Wegfall des materiellen, der Vollstreckung zugrundeliegenden Anspruchs gerichteten Einwendungen (subjektive Unmöglichkeit, Verjährung) können im Vollstreckungsverfahren nicht berücksichtigt werden.
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Diese Einwendungen betreffen nicht die Durchsetzung der titulierten Forderung, sondern den ihr zugrundeliegenden materiellen Anspruch. Solche können im Vollstreckungsverfahren nicht geltend gemacht werden. Vollstreckt wird der formale Titel (vgl. hier § 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO) und nicht der materielle Anspruch, der dem Titel zugrunde liegt (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.2001 – 2 AV 3.01 – DVBl 2002, 781 = juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 3.9.2012 – 8 C 11.3024 – juris Rn. 3; VGH BW, B.v. 24.4.2018 – 10 S 421/18 – DVBl 2018, 1245 = juris Rn. 11; Kraft in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 167 Rn. 16; Bamberger in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 167 Rn. 12).
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C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).