Titel:
Anerkennung einer Berufskrankheit eines Professors für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Normenkette:
BayBeamtVG Art. 46 Abs. 3 S. 1
Leitsätze:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung gilt iSd Art. 46 Abs. 3 S. 1 BayBeamtVG bzw. hierzu inhaltsgleichen § 31 Abs. 3 S. 1 BeamtVG iVm der Anlage 1 der BKV die in Nr. 3101 aufgeführte Infektionskrankheit nur dann als Dienstunfall, wenn die zur Zeit der Infektion konkret ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß im Ganzen gesehen ihrer Art nach unter den besonderen zur Zeit der Krankheitsübertragung bestehenden tatsächlichen Verhältnissen und Begleitumständen eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung in sich birgt. Art. 46 Abs. 3 S. 1 BayBeamtVG soll insofern nicht die Folgen jeglicher Krankheit abmildern, die sich der Beamte im Dienst zuzieht, sondern nur besonderen Gefährdungen Rechnung tragen, denen ein Beamter im Vergleich zur Beamtenschaft insgesamt ausgesetzt ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgeblich ist, dass die Gefährdung aus der konkreten Tätigkeit selbst herrührt. Denn der Gesetzgeber hat sich in Art. 46 Abs. 3 S. 1 BayBeamtVG dafür entschieden, auf die Art der jeweiligen Tätigkeit abzustellen und nicht auf sonstige dienstliche Bedingungen, wie insbesondere die Beschaffenheit der Diensträume. Die generelle Ansteckungsgefahr, der ein Beamter ausgesetzt sein kann, wenn er im Dienst mit anderen Menschen in Kontakt kommt, genügt nicht. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Professor für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Laserbehandlung von genitalen Warzen und präinvasiven und invasiven Läsionen, Infektion mit Humanen, Papillomviren des Typs 16 (HPV 16), HPV 16-assoziiertes Zungengrundkarzinom als Berufskrankheit (verneint), kein Nachweis einer besonderen Infektionsgefahr durch Operationsnebel/Laser- oder Elektrokauter-Rauch, Sachverständigengutachten, unklare Forschungslage hinsichtlich Übertragungsweg, keine höhere Infektionsgefahr als in der Gesamtbevölkerung, Professor, Frauenheilkunde, Geburtshilfe, Laserbehandlung, genitale Warzen, präinvasive und invasive Läsionen, Infektion, Humane Papillomviren des Typs 16 (HPV 16), HPV 16-assoziiertes Zungengrundkarzinom, Berufskrankheit, Nachweis, besondere Infektionsgefahr, Operationsnebel, Laserrauch, Elektrokauter-Rauch, unklare Forschungslage, Übertragungsweg, höhere Infektionsgefahr, Gesamtbevölkerung, Gutachten, Infektionsweg, Infektionsgefahr, Krebs
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 07.06.2022 – AN 1 K 20.1838
Fundstelle:
BeckRS 2024, 20343
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger ist als ordentlicher Professor für Frauenheilkunde und Geburtshilfe an einer Universitätsklinik tätig und begehrt die Anerkennung eines im Mai 2019 diagnostizierten Zungengrundkarzinoms, das durch eine Infektion mit Humanen Papillomviren (im Folgenden: HP-Viren) des Typs 16 verursacht worden ist, als Berufskrankheit.
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Zur Begründung führt er aus, er sei im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit trotz Schutzkleidung bei der Laserbehandlung von genitalen Warzen und präinvasiven und invasiven Läsionen der Vulva, der Vagina und der Zervix einem viruspartikelhaften Rauch ausgesetzt. Insbesondere enthalte dieser Rauch HP-Viren. Aufgrund seiner mehr als 19-jährigen Berufsausübung müsse davon ausgegangen werden, dass seine Erkrankung auf seine dienstliche Tätigkeit zurückzuführen sei. Dafür spreche auch, dass anderweitige Risikofaktoren (z.B. Tabak, Alkohol etc.) bei ihm nicht gegeben seien. Er lebe in einer festen Beziehung; bei seiner Partnerin seien bisher keine HPV-bedingten Erkrankungen diagnostiziert worden. In den letzten drei Kalenderjahren habe er pro Jahr 100 bis 124 Operationen bei Patientinnen mit Genitalkrebsvorstufen und bis zu 50 genitale Krebsoperationen durchgeführt. Dabei sei folgende persönliche Schutzausrüstung eingesetzt worden: Operationskleidung, mobile Rauchgasabsaugung mit entsprechenden Systemen für offene Operationsfelder, partikelfiltrierende Halbmasken, sog. FFP2-Masken, entsprechend der Norm EN 149:2001+A1:2009, chirurgische Handschuhe und seit 2019 Laserschutzbrille bzw. Laserjustierbrille. An einem Operationstag würden zwischen acht und 14 Laseroperationen durchgeführt, so dass sich der belastete Operationsrauch trotz der Rauchgasabsaugung über die sechs- bis achtstündige Dauer hinweg insgesamt in der Raumluft verteilen könne.
3
Das Landesamt für Finanzen (Dienststelle R.) lehnte den Antrag auf Anerkennung des Zungengrundkarzinoms als Berufserkrankung im Sinne des Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG mit der Begründung ab, dass chirurgischer Rauch zwar HP-Viren enthalten könne, der eindeutige Nachweis der Infektiosität dieser Partikel jedoch bisher nicht geführt worden sei. Bislang existiere kein Testverfahren, um die Virulenz von im Rauch nachgewiesener HP-Viren-DNA zu bestimmen. Aufgrund der unklaren Datenlage gebe es derzeit auch keine Empfehlung für eine flächendeckende Impfung des Operationspersonals gegen HP-Viren. Die Gefährdung medizinischen Personals werde in der wissenschaftlichen Literatur insgesamt als sehr gering eingeschätzt.
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Die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobene Klage blieb in erster Instanz ohne Erfolg. Unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgetragenen Studienlage herrsche in der medizinischen Forschung nur insoweit Übereinstimmung, als bei Laseroperationen an weiblichen Genitalien – wie auch der Kläger sie vornehme – HPV-Partikel im Operationsnebel enthalten seien, die sich im Mund- und Rachenbereich des Operationspersonals nachweisen ließen. Es blieben aber Zweifel, ob diese Partikel lebensfähig und infektiös seien. Schon aufgrund der Unsicherheit in der Wissenschaft über den vom Kläger vorgebrachten Infektionsweg könne eine besondere Gefahr seiner Erkrankung im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit nicht angenommen werden. Selbst wenn man zu seinen Gunsten davon ausgehe, dass eine Infektion mit HP-Viren über Aerosole im Operationsnebel möglich sei, belegten die vorgelegten wissenschaftlichen Artikel nicht, dass die Gefahr, an einem HP-Virenverursachten Karzinom zu erkranken, im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit des Klägers typisch und damit in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung vorhanden wäre. Für die Annahme einer Berufskrankheit im Sinne von Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG fehle es schließlich an Erfahrungswerten und Vergleichsgruppen, die die besondere Gefahr der Erkrankung belegen könnten.
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Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers. Wissenschaftliche Publikationen kämen zu dem Schluss, dass eine Übertragung von HP-Viren mit hohem Risiko durch Operationsrauch möglich sei. Auf eine Vielzahl von Fällen könne dann nicht verwiesen werden, wenn – wie vorliegend – bundesweit nur eine kleine Gruppe von Ärzten derartige spezifische Behandlungen vornähmen. Der epidemiologische Nachweis einer Vielzahl von Referenzfällen könne nicht gefordert werden, weil ansonsten Beamte, die wie vorliegend eine seltene Tätigkeit verrichteten, keine Möglichkeit hätten, in den Genuss von Unfallfürsorgeleistungen zu kommen. Dies würde zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung im Vergleich zu Beamten führen, welche eine häufig praktizierte Tätigkeit ausübten. Nach verschiedenen Publikationen (im Einzelnen dargestellt) bestehe das Risiko einer Erkrankung, welches aus der dienstlichen Tätigkeit des Klägers resultiere. In der Fachliteratur mehrten sich derzeit die Empfehlungen der Fachgesellschaften, eine prophylaktische Impfung gegen HP-Viren vorzunehmen.
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das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. Juni 2022 abzuändern und den Bescheid vom 8. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. August 2020 aufzuheben, den Beklagten zu verpflichten, die Erkrankung des Klägers an einem Zungengrundkarzinom links durch Infektion mit humanen Papillomviren gemäß Art. 47 Abs. 3 Satz 1 und 3 BayBeamtVG als Dienstunfall anzuerkennen und dem Kläger Unfallfürsorge zu gewähren.
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Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Mit Beschluss des Senats vom 22. September 2023 wurde die Leiterin des Nationalen Referenzzentrums für Papillom- und Polyomaviren am Universitätsklinikum Köln, Institut für Virologie, Oberärztin Frau Prof. Dr. W. (Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie) mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt.
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Das am 31. Januar 2024 vorgelegte Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Infektionsgefahr durch die konkret ausgeübte dienstliche Tätigkeit des Klägers sehr gering sei und nicht über der Infektionsgefahr in der Gesamtbevölkerung liege. Die von dem Kläger seit 2001 konkret ausgeübte dienstliche Tätigkeit berge erfahrungsgemäß im Ganzen gesehen ihrer Art nach unter den besonderen bestehenden tatsächlichen Verhältnissen und Begleitumständen bei der ausgeübten dienstlichen Verrichtung unter Berücksichtigung der von ihm verwendeten Schutzausrüstung keine hohe Wahrscheinlichkeit der HPV-Übertragung.
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Dagegen erhob der Kläger Einwände, legte drei weitere Studien vor und beantragte die Einvernahme der Sachverständigen, die ihr Gutachten in der Berufungsverhandlung am 24. Juli 2024 näher erläuterte.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie das Protokoll der mündlichen Berufungsverhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg.
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Der Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 8. April 2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25. August 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des HPV 16-assoziierten Zungengrundkarzinoms links als Berufskrankheit, da die Voraussetzungen des Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG nicht vorliegen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Nach Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG gilt als Dienstunfall auch die Erkrankung an einer in Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31. Oktober 1997 (BGBl I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheit, wenn der Beamte oder die Beamtin nach der Art seiner oder ihrer dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt war, es sei denn, dass der Beamte oder die Beamtin sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Gemäß Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV i.V.m. § 1 BKV sind Infektionskrankheiten als Berufskrankheiten erfasst, wenn der Versicherte (hier der Beamte/die Beamtin) im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war.
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Beim Kläger wurde ein HPV 16-assoziiertes Zungengrundkarzinom diagnostiziert (Universitätsklinikum E. v. 24.6. und 24.10.2019 – VGH-Akte S. 20 ff.). Die Ansteckung mit HP-Viren (hier des Typs 16) verursacht eine von Mensch zu Mensch übertragbare Infektionskrankheit, so dass sie von Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV grundsätzlich erfasst wird.
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Der im Gesundheitsdienst tätige Kläger war jedoch nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung (Laserbehandlung von genitalen Warzen und präinvasiven und invasiven Läsionen der Vulva, der Vagina und der Zervix) und gemessen an den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Maßstäben (1.) der Gefahr, an einem HPV 16-assoziierten Zungengrundkarzinom zu erkranken, nicht besonders ausgesetzt (2.).
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1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats gilt im Sinne des Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG bzw. hierzu inhaltsgleichen § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG i.V.m. der Anlage 1 der BKV die in Nr. 3101 aufgeführte Infektionskrankheit nur dann als Dienstunfall, wenn die zur Zeit der Infektion konkret ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß im Ganzen gesehen ihrer Art nach unter den besonderen zur Zeit der Krankheitsübertragung bestehenden tatsächlichen Verhältnissen und Begleitumständen eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung in sich birgt (BVerwG, U.v. 28.1.1993 – 2 C 22.90 – juris Rn. 11 f.; BayVGH, B.v. 29.6.1998 – 3 B 95.3890 – juris Rn. 11; B.v. 27.8.1998 – 3 ZB 98.568 – juris Rn. 2; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand: Dezember 2021, § 31 BeamtVG Rn. 187). Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG setzt nicht voraus, dass die durch die Art der dienstlichen Verrichtung hervorgerufene Gefährdung generell den Dienstobliegenheiten anhaftet; vielmehr genügt es, wenn die eintretende Gefährdung der konkreten dienstlichen Verrichtung ihrer Art nach eigentümlich ist, allerdings nur dann, wenn sich die Erkrankung als typische Folge des Dienstes darstellt (vgl. BVerwG, B.v. 15.5.1996 – 2 B 106.95 – juris Rn. 6). Dabei kommt es nicht auf die individuelle Veranlagung des Beamten an (BayVGH, B.v. 29.6.1998 – 3 B 95.3890 – juris Rn. 11; U.v. 17.5.1995 – 3 B 94.3181 – juris Rn. 20). Die besondere Gefährdung muss für die dienstliche Verrichtung typisch und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung vorhanden sein (BayVGH, U.v. 17.5.1995 – 3 B 94.3181 – juris Rn. 20). Entscheidend für die Beurteilung, ob es sich um ein derart erhöhtes Ansteckungsrisiko handelt, sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls (BVerwG, B.v. 15.5.1996 a.a.O.; VGH BW, U.v. 21.1.1986 – 4 S 2468/85 – ZBR 1986, 277). Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG soll insofern nicht die Folgen jeglicher Krankheit abmildern, die sich der Beamte im Dienst zuzieht, sondern nur besonderen Gefährdungen Rechnung tragen, denen ein Beamter im Vergleich zur Beamtenschaft insgesamt ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – juris Rn. 17).
20
Maßgeblich ist, dass die Gefährdung aus der konkreten Tätigkeit selbst herrührt. Denn der Gesetzgeber hat sich in Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG dafür entschieden, auf die Art der jeweiligen Tätigkeit abzustellen und nicht auf sonstige dienstliche Bedingungen, wie insbesondere die Beschaffenheit der Diensträume (vgl. BayVGH, U.v. 17.5.1995 – 3 B 94.3181 und 3 B 94.3113 – juris; U.v. 17.5.1995 – 3 B 94.3182 – BeckRS 1995, 13966 nachfolgend BVerwG B.v. 15.5.1996 – 2 B 106.95 – juris; BayVGH, B.v. 25.5.1999 – 3 ZB 98.3140 – n.v.; B.v. 16.3.1998 – 3 ZB 98.718 – n.v.; OVG RhP, U.v. 16.2.1996 – 2 A 11573/95 – NVwZ-RR 1997, 45). Die generelle Ansteckungsgefahr, der ein Beamter ausgesetzt sein kann, wenn er im Dienst mit anderen Menschen in Kontakt kommt, genügt nicht (vgl. BayVGH, U.v. 5.6.2024 – 3 BV 21.3116 – juris Rn. 22 f.). Im Dienstunfallrecht gelten die allgemeinen Beweisgrundsätze bei Unaufklärbarkeit einer entscheidungserheblichen Tatsache. Für das Vorliegen einer besonderen Erkrankungsgefahr trägt der Beamte die materielle Beweislast, wenn das Gericht die erforderliche, d.h. vernünftige Zweifel ausschließende Überzeugungsgewissheit nicht gewinnen kann (BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – juris Rn. 13).
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2. Daran gemessen konnte der Kläger nicht zur Überzeugung des Senats nachweisen, dass er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung (Laserbehandlung von genitalen Warzen und präinvasiven und invasiven Läsionen der Vulva, der Vagina und der Zervix) der Gefahr, an einem HPV 16-assoziierten Zungengrundkarzinom zu erkranken, besonders ausgesetzt war.
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Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht bereits nicht hinreichend fest, dass die dienstliche Tätigkeit, konkret die Exposition gegenüber dem Operationsrauch, der bei der Durchführung von Laserbehandlungen an karzinomen Vorstufen und Karzinomen der Vagina, Vulva und Zervix entsteht, überhaupt geeignet ist, beim Operateur ein Zungengrundkarzinom durch Infektion mit Humanen Papillomviren zu verursachen (2.1). Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen ist die Infektionsgefahr durch die konkret ausgeübte dienstliche Tätigkeit des Klägers zudem nur sehr gering und liegt nicht über der Infektionsgefahr in der Gesamtbevölkerung (2.2).
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2.1 Die Infektiosität der HPV oder HPV-DNA im Operationsnebel ist nach der Überzeugung des Senats aufgrund des im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens vom 31. Januar 2024, das von der Sachverständigen in der Berufungsverhandlung näher erläutert wurde, nicht hinreichend nachgewiesen.
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Die Sachverständige hat für den Senat schlüssig und überzeugend dargelegt, dass man in der Fachliteratur in einem Zeitraum von über 30 Jahren (1991 bis heute) nur einzelne (n = 6) anekdotische Fallberichte zu möglichen (aber nicht definitiv bewiesenen) beruflich bedingten HPV-Übertragungen auf medizinisches Personal finde, die in den Jahren 1991, 2003, 2013 und 2021 veröffentlicht worden seien (Calero et al. 2003, Hallmo et al. 1991; Rioux et al. 2013, Parker et al. 2021). Die beruflich bedingte HPV-Übertragung sei in diesen Fällen nur vermutet, aber nicht definitiv bewiesen worden (Gutachten S. 3). In zwei Fällen, einer OP-Schwester aus Deutschland (Calero et al. 2003) und eines Laser-Chirurgen aus Norwegen (Hallmo et al. 1991), die an der Entfernung von Genitalwarzen (Condylomata acuminata) mittels elektro- und laserchirurgischer Abtragung beteiligt waren, lägen allerdings keine HPVbedingten Oropharynxkarzinome (Mundrachenkarzinome), sondern Larynxpapillome (gutartige Papillome im Kehlkopf) vor, die nicht durch HPV16, sondern in der Regel durch die Niedrigrisiko-HPV-Typen HPV6 oder HPV11 verursacht würden. Bei der OP-Schwester sei kein HPV-Nachweis erfolgt, in der Larynx-Papillomatose des Laser-Chirurgen sei HPV6 nachgewiesen worden (Calero et al. 2003, Hallmo et al. 1991). Rioux et al. (2013) beschrieben zwei Laser-Chirurgen aus Kanada mit einem HPV16-positiven Tonsillen- bzw. Zungengrundkarzinom, die keine oder wenige andere Risikofaktoren für die Entwicklung eines Oropharynxkarzinoms hätten, und schließen daraus, dass die beiden Chirurgen (lediglich) möglicherweise durch HPV im Laser-Rauch infiziert worden seien. Parker et al. (2021) berichteten von zwei Gynäkologen aus Australien mit einem Tonsillen- bzw. einem Zungengrundkarzinom, die ohne Rauchabzug gearbeitet hätten, wobei einer der beiden in der Vergangenheit geraucht, beide Alkohol getrunken hätten und in beiden Tumoren kein direkter HPV-DNA Nachweis durchgeführt worden sei, sondern nur ein indirekter HPV-Nachweis (sog. p16-Test). Es gebe etliche Arbeiten, die HPV-DNA (Nukleinsäure) im Laser- oder Elektrokauter-Rauch bei Therapie von HPVbedingten Erkrankungen wie Genitalwarzen, Hautwarzen, Larynxpapillomen oder Gebärmutterhalskrebsvorstufen nachgewiesen hätten, wobei der Nachweis von HPV-DNA nicht dem Nachweis von infektiösen, vermehrungsfähigen Viren entspreche (zusammengefasst in Fox-Lewis et al. 2020 und Palma et al. 2021 – Anlage K6, sowie Zhou et al. 2019 – Anlage K2, Neumann et al. 2018 – Anlage K4 und Liu et al. 2019 – Anlage K5 der VG-Akte). In Tierstudien seien infektiöse Rinder-Papillomviren im Laser- und Elektrokauter-Rauch bei Therapie von Rinderpapillomen nachgewiesen worden und in einer Arbeit mit Nacktmäusen seien murine Papillomviren durch Laserrauch übertragbar gewesen (Sawchuck et al. 1989, Garden et al. 2002, Best et al. 2020). Für Humane Papillomviren lägen keine vergleichbaren Arbeiten vor und es habe bisher nicht gezeigt werden können, dass chirurgischer Rauch vermehrungsfähige HP-Viren enthalte (Fox-Lewis et al. 2020). Kunachak et al. sei es nicht gelungen, vermehrungsfähige Papillomiren aus Larynxpapillomen, die mit CO2-Laser vaporisiert worden seien, zu kultivieren, während dies bei nicht mit Laser behandelten Larynxpapillomen gelungen sei. Die Autoren hätten daraus geschlossen, dass die Energiedichte des Lasers die Infektiosität von HPV zerstöre (Kunachak et al. 1996). In den o.g. Experimenten mit Rinder-Papillomviren hätten Sawchuck et al. (1989) zeigen können, dass chirurgische Masken nahezu alle bovinen Papillomviren aus Laser- oder Elektrokauter-Rauch abgehalten hätten. llmarinen et al. hätten HPV-DNA zwar auf den Handschuhen von OP-Personal, das CO2-Laser Behandlungen von Larynxpapillomen oder Genitalwarzen vorgenommen hatte, nachweisen können, aber nicht auf den OP-Masken oder auf der Mundschleimhaut des OP-Personals (Ilmarinen et al. 2012). Kofoed et al. (2015) fanden, dass die HPV-Prävalenz (Häufigkeit) in Nasenabstrichen oder Mundspülungen bei medizinischem Personal, das elektrochirurgische Behandlungen von Genitalwarzen oder Operationen mit Loop-Elektroden durchführte, nicht höher gewesen sei als bei medizinischem Personal, welches diese Eingriffe nicht durchgeführt habe. In zwei Arbeiten, die HPV-DNA in geringen Prozentzahlen in postoperativen Nasenabstrichen von Chirurgen fanden, sei der HPV-DNA Nachweis nur transient (vorübergehend, nicht dauerhaft) gewesen und bei Chirurgen, die OP-Masken getragen hatten, signifikant niedriger als bei solchen die ohne OP-Maske gearbeitet hatten (Zhou et al. 2019, Hu et al. 2021; Anlagen K2 und K3 der VG-Akte). Gloster et al. (1995) hätten gezeigt, dass Laserchirurgen insgesamt nicht häufiger Warzen entwickelten als Personen aus der Allgemeinbevölkerung, wohingegen eine Metaanalyse von Palma et al. (2021; Anlage K6 der VG-Akte), die allerdings nur drei Studien mit erheblichen methodischen Einschränkungen zusammenfasse, zu dem Schluss komme, dass Laser-Anwender häufiger nasale/orale/pharyngeale Läsionen (Warzen) hätten als Kontrollpersonen. Bei den festgestellten Läsionen habe es sich um Warzen und nicht um Oropharynxkarzinome gehandelt (Palma et al. 2021, Gloster et al. 1995). Willems et al. (2015) empfehlen in einer deutschen Übersichtsarbeit mit dem Titel „Humane Papillomviren in chirurgischem Rauch“ adäquate Belüftung und Rauchabsaugung in der Nähe des Operationsfeldes sowie FFP2-Masken, hielten aber aufgrund der derzeitigen Datenlage eine HPVlmpfung des OP-Personals für nicht generell empfehlenswert (Willems et al. 2015 – Anlage K1 der VG-Akte). Zwei Übersichtsarbeiten kämen zu dem Schluss, dass trotz des experimentellen Nachweises von HPV-DNA in chirurgischem Rauch (surgical smoke) nur ein geringes berufliches Infektionsrisiko für medizinisches Personal vorliege (Manson et al. 2013) bzw. dass die HPV-Übertragung durch chirurgischen Rauch auf OP-Personal unbewiesen bleibe und eine erhöhte Prävalenz (Häufigkeit) HPVassoziierter Erkrankungen bei OP-Personal bisher nicht überzeugend gezeigt worden sei (Fox-Lewis et al. 2020).
25
Da nach alldem begründete Zweifel an der Tauglichkeit des Infektionsweges bestehen, kann – wie auch schon das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat – bereits nicht von einer besonderen Gefahrenlage ausgegangen werden. Der Kläger verkennt, dass für den Nachweis der Infektiosität der HPV oder HPV-DNA im Operationsnebel nicht der wissenschaftliche Nachweis ausreicht, dass HPV (DNA) über den Operationsrauch in die oberen Atemwege des Operateurs übertragen werden und HPV Krebs auslösen kann. Dass er aufgrund der noch unklaren Forschungslage außer Stande ist, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die besondere Gefahrenlage nachzuweisen, welche die gesicherte Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft über die Möglichkeit einer kausalen Verbindung zwischen dienstlicher Tätigkeit und Erkrankung voraussetzt, geht nach ständiger Rechtsprechung zu seinen Lasten.
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2.2 Nach den für den Senat überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen liegt die Infektionsgefahr durch die konkret ausgeübte Tätigkeit des Klägers zudem nicht über der Infektionsgefahr in der Gesamtbevölkerung.
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Das Sachverständigengutachten (S. 6) führt insoweit aus, dass in drei kürzlich publizierten Original- und Übersichtsartikeln zu beruflichen Risiken für die Entwicklung eines Oropharynxkarzinoms medizinisches Personal nicht als berufliche Risikogruppe für Oropharynkarzinome identifiziert worden sei (Chieng et al. 2023, Nikkilä et al. 2023 und 2024). Eine große Studie mit Daten von 14,9 Millionen Menschen aus fünf nordischen Ländern habe kürzlich gezeigt, dass Oropharynxkarzinome bei Ärzten (physicians) und Pflegekräften (nurses, assistant nurses) genauso häufig wie in der Gesamtbevölkerung aufträten (Nikkilä et al. 2024). Zusammengefasst gäbe es in der Fachliteratur keine wissenschaftliche Evidenz für ein, im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, erhöhtes Risiko für die Entwicklung HPVbedingter Oropharynxkarzinome bei Ärzten, die elektrochirugische Operationen oder Laser-Operationen von HPVassoziierten Läsionen vornähmen.
28
2.3 Mit seinen Einwendungen vermag der Kläger das Sachverständigengutachten nicht zu erschüttern.
29
Der Vortrag zu seiner konkreten Maskenverwendung (keine Maskentragung beim Einschlafen und Wachwerden der Patienten; keine Verwendung von FFP2-Masken, sondern nur eines medizinischen Mund-Nasen-Schutzes zu Beginn seiner Tätigkeit) ist für die Frage der Infektiosität und Ansteckungsmöglichkeit über Operationsnebel (siehe unter 2.1) grundsätzlich ohne Bedeutung. Welche Auswirkungen die unterlassene Maskentragung beim Einschlafen und Wachwerden der Patienten haben sollte, wird zudem weder dargelegt noch ist dies für den Senat vor dem Hintergrund der in den Blick zu nehmenden konkreten dienstlichen Verrichtung (Laserbehandlung) erkennbar. Im Hinblick auf die frühere Verwendung bloßer medizinischer Schutzmasken weist das Gutachten (S. 5) ferner darauf hin, dass Experimente mit Rinder-Papillomviren laut Sawchuck et al. (1989) zeigten, dass auch chirurgische Masken nahezu alle bovinen Papillomviren aus Laser- oder Elektrokauter-Rauch abgehalten hätten.
30
Es trifft zudem nicht zu, dass die zitierten Studien nur auf „medizinisches Personal“ abstellten und dabei nicht die besondere Nähe des Operateurs zum Operationsrauch berücksichtigt werde (vgl. Hallmo et al. 1991: Laser-Chirurg, Rioux et al. 2013: zwei Laser-Chirurgen aus Kanada, Parker et al. 2021: zwei Gynäkologen aus Australien, Zhou et al. 2019, Hu et al. 2021: Nasenabstriche von Chirurgen, Gloster et al. 1995: Laserchirurgen und Nikkilä et al. 2024).
31
Soweit der Kläger von der Sachverständigen wissen will, ob aufgrund der besonders hohen Exposition eines Operateurs und der geringen Anzahl der Personen, die diese Tätigkeit verrichten, tatsächlich aufgrund der veröffentlichten Fallbeispiele eine Beantwortung der Beweisfragen überhaupt vorgenommen werden könne, und meint, die vorliegenden epidemiologischen Studien seien nicht geeignet, die geringe Anzahl von Betroffenen zu erfassen, bestätigt er letztendlich, dass er aufgrund der noch unklaren Forschungslage außer Stande ist, die besondere Gefahrenlage mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Hinzu kommt, dass die aus einer Vielzahl von (Referenz-)Fällen gewonnene Erfahrung, dass Beamte, die die fragliche Tätigkeit ausüben, unter den gegebenen Umständen an einer bestimmten Krankheit erkranken, für die besondere Erkrankungsgefahr durchaus Anhaltspunkte bietet (vgl. BayVGH, U.v. 17.5.1995 – 3 B 94.3181 – juris Rn. 21). Eine erhöhte Wahrscheinlichkeit kann aber auch – insbesondere bei seltenen Tätigkeiten – auf der Grundlage anderer Feststellungen angenommen werden (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand: Dezember 2021, § 31 BeamtVG Rn. 188). Solche hat der Kläger allerdings nicht aufgezeigt. Selbst bei einer von Referenzfällen gelösten Betrachtung ergäbe sich zudem vorliegend nichts Anderes. Denn das Sachverständigengutachten stellt für die Bewertung der fehlenden besonderen Gefahrenlage nicht allein auf die nur wenigen Referenzfälle ab, sondern legt insbesondere ausführlich dar, dass bisher nicht gezeigt werden konnte, dass chirurgischer Rauch überhaupt vermehrungsfähige, infektiöse HPV enthält. Die bloße Behauptung der geringen Anzahl von betroffenen Ärzten ist im Übrigen weder belegt noch vor dem Hintergrund der Studienlage nachvollziehbar (vgl. Hu et al. 2021 – Anlage K3: 700 Gynäkologen; Nikkilä et al. 2024: 14,9 Mio. Menschen). Die amerikanische Arbeitsschutzbehörde schätzt, dass jährlich fast eine halbe Million im Gesundheitswesen tätige Personen chirurgischem Rauch ausgesetzt sind (Anlage K 13 S. 4). Auch nach Ansicht der Sachverständigen (vgl. Protokoll S. 3) trifft es nicht zu, dass deutschlandweit nur 100 Personen einem ähnlichen Risiko durch Operationsrauch ausgesetzt seien. Allein in ihrem direkten Umfeld führten über 30 Personen entsprechende Laserbehandlungen durch.
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Das klägerische Vorbringen, dass die besondere Nähe des Operateurs zum Operationsrauch ein erhöhtes Risiko wahrscheinlich mache, erschöpft sich in einer wissenschaftlich nicht untermauerten Annahme. Für die Bejahung einer besonderen Infektionsgefahr genügt es zudem nicht, dass der Kläger durch seine konkrete dienstliche Verrichtung im Gegensatz zur allgemeinen Bevölkerung überhaupt „HPVlastigem Operationsrauch ausgesetzt“ ist. Denn zum einen fehlt es – wie bereits dargestellt – am Nachweis der Infektiosität des Operationsnebels, zum anderen sind HPV-Infektionen in der Gesamtbevölkerung weit verbreitet (Protokoll S. 2). Laut Sachverständige sei die HPV-Prävalenz im Mundraum bei Männern mit etwa 10% (alle HPV-Viren) bzw. 1 bis 2% (HPV16) anzusetzen. Dabei seien als Hauptrisikofaktoren für HPVassoziierte Oropharynxkarzinome oraler Geschlechtsverkehr sowie die Anzahl oraler Sexualpartner im Laufe des Lebens identifiziert worden (Gutachten S. 4).
33
Der klägerische Einwand, eine durch HPV ausgelöste Krebserkrankung entwickle sich in einem Zeitraum von zehn Jahren, so dass hinsichtlich der Studie Hu et al. 2021 (Anlage K3) gar nicht habe erwartet werden können, dass bei den 700 Gynäkologen, die im chirurgischen Rauch gearbeitet hatten, eine HPV bedingte Krebsart auftrete, stellt weder die Feststellungen dieser Studie in Abrede noch zeigt er einen durchgreifenden Fehler des Sachverständigengutachtens auf.
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Nach Ansicht des Klägers sprächen auch die fachlichen Empfehlungen, sich vor den Gefahren durch chirurgischen Rauch mittels Impfungen oder anderer Maßnahmen (FFP2-Masken/lokale Absaugung des OP-Rauchs/Reinraumsysteme) zu schützen, für ein deutliches Erkrankungsrisiko. Dabei verkennt er jedoch, dass sich die zitierten Empfehlungen – im Gegensatz zum Sachverständigengutachten – nicht mit den konkreten Beweisfragen auseinandersetzen. Seit wann Impfstoffe für welche Altersgruppe zugelassen und von welcher Behörde oder Fachgesellschaft eine Impfung empfohlen wird, spielt vor dem Hintergrund der konkret auf die dienstliche Verrichtung des Klägers und dessen Erkrankung bezogenen Ausführungen der Sachverständigen keine Rolle. Der Bericht „Vor Chirurgischem Rauch schützen“ (Anlage K11) enthält in erster Linie allgemeine Ausführungen zu möglichen Schadstoffen in chirurgischem Rauch sowie möglichen Schutzmaßnahmen, ohne dass explizit auf die streitgegenständlichen Themen (s.o. unter 2.1 und 2.2) eingegangen wird. Die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 525, S. 22 unter Nr. 8) treffen keine spezifische Aussage zu HPV 16, sondern weisen (nur) allgemein darauf hin, dass „chirurgische Rauchgase auch biologisch aktive Bestandteile (Zellen, Zellreste, Viren etc.) enthalten können [und] … im Rauch flüchtige Substanzen mit kanzerogenen, mutagenen und reproduktionstoxischen (CMR)-Eigenschaften im Spurenbereich nachgewiesen werden [konnten]. (…) Eine Verbreitung biologisch aktiver Zellen und Zellbestandteile durch elektrochirurgische oder Laser-Eingriffe [müsse] als wahrscheinlich angesehen werden. Die dadurch entstehende Exposition [lasse] sich allerdings nicht quantifizieren“.
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Der als Anlage K12 vorgelegte „Commentary“ (Bourgeois/Ross, Vaccinating Prividers for HPV Due to Transmission) beschränkt sich im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die in dem Sachverständigengutachten berücksichtigten Studien auf eine Impfempfehlung.
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Der Aufsatz „Human papillomavirus and occupational exposure: The need for vaccine provision for healthcare providers“ von Afsar/Hossain/Islam/Simmonds/Stillwell/Butler (Anlage K13) verhält sich nicht zu den streitgegenständlichen Beweisfragen, sondern gibt im Wesentlichen die Ergebnisse einer Umfrage zum Thema wieder, wie ausgeprägt das Bewusstsein und das Wissen von im Gesundheitswesen tätigen Personen im Zusammenhang mit der beruflichen Exposition gegenüber HPV und den Impfempfehlungen ist. Die Infektiosität des chirurgischen Rauchs wird auch in diesem Aufsatz (S. 4) allenfalls vermutet. Neue Erkenntnisse aus neueren Studien deuteten (lediglich) darauf hin, dass die Exposition gegenüber chirurgischem Rauch bei Eingriffen an HPVbedingten Läsionen zu einer nasalen und oropharyngealen HPV-Infektion führen könne. Eine wachsende Zahl von Forschungsergebnissen deute [„suggests“] auf einen möglichen [„a possible“] Zusammenhang zwischen der Durchführung solcher Eingriffe, die HPVassoziierte Läsionen beinhalteten, und der Erzeugung von chirurgischem Rauch und einer Handvoll [„handful“] Fälle von HPVbedingten Erkrankungen der oberen Atemwege bei medizinischem Personal mit Verdacht auf berufliche Herkunft hin.
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Auch der Hinweis auf den Aufsatz von Cox/Palefsky „Human papillomavirus vaccination“ (K 14 unter https://www.uptodate.com/contents/human-papillomavirus-vaccination, Stand 24.7.2024), wonach die American Society for Colposcopy and Cervical Pathology eine Impfung des medizinischen Personals empfehle, führt zu keiner anderen Sichtweise. Denn auch nach dieser Publikation ist das Ausmaß des Übertragungsrisikos durch HPV-Exposition in Dämpfen unbekannt („There is evidence that upper aerodigestive (nasal and oropharyngeal) HPV infection may be transmitted through exposure to HPV in vapors generated during surgical excision or ablation of HPVassociated lesions, although the magnitude of this risk is unknown“).
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Auch wenn die Autorin des als Anlage K1 vorgelegten Aufsatzes („Humane Papillomviren in chirurgischem Rauch“ – Frauenarzt 2015, S. 898 ff.) Schutzmaßnahmen empfiehlt, ist nach dem Aufsatz zum einen gerade „nicht eindeutig belegt“ (S. 902), dass die Gefahren des Rauchs den Menschen langfristig belasten könnten. Zum anderen ist dort nur von einem „potenziell“ gesundheitsschädlichen Aspekt durch die einzelnen Rauchbestandteile und einer „möglichen viralen Gefährdung“ die Rede, die die Leistungsfähigkeit des Operationsteams beeinträchtige.
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Vor dem Hintergrund des oben aufgezeigten Beweismaßstabes ist das Sachverständigengutachten auch nicht dadurch erschüttert, dass nach dem Artikel „Airborne human papillomavirus (HPV) transmission risk during ablation procedures: A systematic review and meta-analysis“ (Anlage K 6 S. 6) eine Hochrisiko-HPV-Übertragung durch chirurgischen Rauch zwar möglich („feasible“), das Infektionsrisiko beim Menschen jedoch weiterhin umstritten sei, was aus der Schwierigkeit resultiere, eine berufsbedingte Übertragung als solche zu identifizieren, da andere Übertragungswege nicht immer auszuschließen seien. Die als Anlage K2 („Human papillomavirus DNA in surgical smoke“) vorgelegte Studie führt zwar aus, dass HPV-DNA im Operationsnebel enthalten sei. Die Infektiosität der DNA-Partikel sieht die Studie gleichwohl als unklar an („unclear“ – S. 9). Die Studie „Is surgical plume developing during routine LEEP’s contaminated with high-risk HPV?“ (Anlage K 4) fordert nicht nur weitere Untersuchungen zur Infektiosität im Hinblick auf die potentiellen Gefahren für das medizinische Personal, sondern stellt auch eindeutig fest, dass die Fähigkeit der HPV-Partikel zur Infektiosität unklar bleibt („unclear“ – S. 3).
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Die Berufung war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 132 Abs. 2, § 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 BRRG).