Inhalt

VGH München, Beschluss v. 30.07.2024 – 15 NE 24.762
Titel:

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Bebauungsplan für Fachmarktzentrum

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 6
BauGB § 1 Abs. 6 Nr. 2, § 1a Abs. 3 S. 4, § 3 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 20, § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Leitsätze:
Die Beifügung des bewertenden Zusatzes „keine Konflikte zu erwarten“ bei den Angaben umweltbezogener Informationen in der Bekanntmachung der Öffentlichkeitsbeteiligung wird der Anstoßfunktion nicht gerecht. (Rn. 35)
1. Zur Antragsbefugnis bei einer Mitnutzung des Nachbargrundstücks aufgrund einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Umweltbezogene Stellungnahmen der beteiligten Behörden sind in der Regel ebenso wesentlich wie die Stellungnahmen anerkannter Naturschutzverbände und damit nach § 3 Abs. 2 S. 1 BauGB zu veröffentlichen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Während § 3 Abs. 2 S. 1 BauGB die Auslegung der nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen betrifft, erfordert § 3 Abs. 2 S. 4 BauGB Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind und geht damit inhaltlich über § 3 Abs. 2 S. 1 BauGB hinaus. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrolle, einstweiliger Rechtsschutz, Öffentlichkeitsbeteiligung, Bekanntmachung, nicht vollständige Auslegung angegebener Unterlagen, Fachmarktzentrum
Fundstellen:
LSK 2024, 20336
NVwZ-RR 2025, 136
BeckRS 2024, 20336

Tenor

I. Der am 7. Mai 2024 bekannt gemachte, vorhabenbezogene Bebauungsplan „Fachmarktzentrum an der S. …straße“ der Antragsgegnerin wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller wenden sich gegen den am 7. Mai 2024 bekannt gemachten, vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Fachmarktzentrum an der S. …straße“ der Antragsgegnerin.
2
Am 3. Mai 2021 fasste die Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Fachmarktzentrum an der S. …straße“. Das Plangebiet liegt am östlichen Ortseingang von P. … zwischen dem Stadtteil E. … im Westen und dem G. …-Markt im Osten. Festgesetzt ist ein Sondergebiet mit Einkaufszentrum für Einzelhandelsbetriebe sowie für großflächige Einzelhandelsbetriebe. In dem Fachmarktzentrum werden ein Vollsortimenter, ein Discounter, ein Drogeriemarkt sowie fünf weitere Fachmärkte im Bereich des Handels für den Verkauf an den Endverbraucher angesiedelt. Das Fachmarktzentrum wird in drei Gebäudeeinheiten realisiert, deren Ausrichtung zu keinen erhöhten Lärmemissionen für die Umgebung, besonders für die unmittelbar im Westen angrenzende Wohnbebauung mit Einfamilienhäusern, führen soll.
3
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des unmittelbar westlich an das Plangebiet angrenzenden Grundstücks FlNr. …7 Gemarkung P. …, das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Der Antragsteller ist der Lebensgefährte der Antragstellerin und bewohnt mit dieser zusammen das auf dem Grundstück erbaute Wohngebäude. Die Antragstellerin hat sowohl einzeln als auch im Rahmen einer Interessengemeinschaft im Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung Einwendungen erhoben, die von der Antragsgegnerin am 6. März 2023 behandelt wurden.
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Am 27. März 2023 fasste die Antragsgegnerin den Satzungsbeschluss. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan „Fachmarktzentrum an der S. …straße“ wurde am 4. April 2023 bekannt gemacht. Auf entsprechenden Normenkontrollantrag der Antragsteller erklärte der Senat mit Beschluss vom 6. November 2023 den am 4. April 2023 bekannt gemachten Bebauungsplan „Fachmarktzentrum an der S. …straße“ wegen eines formalen Fehlers bei der Öffentlichkeitsbeteiligung für unwirksam (Az. 15 N 23.1314); die Entscheidung ist rechtskräftig.
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Bereits mit Beschluss vom 9. Oktober 2023 leitete die Antragsgegnerin ein ergänzendes Verfahren ein. Im Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung erhoben die Antragsteller Einwendungen, über die die Antragsgegnerin am 22. Januar 2024 beschloss. Der Satzungsbeschluss erfolgte am 22. April 2024 und die Ausfertigung am 24. April 2024. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan „Fachmarktzentrum an der S. …straße“ wurde am 7. Mai 2024 ortsüblich bekannt gemacht.
6
Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2024 erhoben die Antragsteller Normenkontrollantrag (Az. 15 N 24.774), über den noch nicht entschieden ist. Unter demselben Datum haben sie zudem einen Normenkontrolleilantrag gestellt. Sie machen geltend, der Bebauungsplan leide an mehreren formellen Fehlern, insbesondere im Zusammenhang mit der Öffentlichkeitsbeteiligung. Das Verfahren hätte nicht auf die neue Gesetzesfassung gestützt werden dürfen, sondern noch nach der bis 6. Juli 2023 geltenden Fassung abgeschlossen werden müssen. Die Antragsgegnerin habe mehrere wesentliche umweltbezogene Stellungnahmen, wie die Artenschutzkartierung sowie die Stellungnahmen des Bund Naturschutz, des Wasserwirtschaftsamts und des Landratsamts, nicht ausgelegt. Außerdem komme die Bekanntmachung ihrer Anstoßfunktion nicht nach, da im Hinblick auf den Umfang des Regionalplans und des Landesentwicklungsprogramms eine Überinformation vorliege. Zudem enthalte die Spalte „Konflikte/Details“ Bewertungen, die geeignet seien, Bürger von einer weitergehenden Information abzuhalten. Auch Verstöße gegen das Datenschutzrecht durch eine fehlende Anonymisierung der Einwendungsführer und eine nicht anonymisierte Versendung von Einwendungen an andere Einwendungsführer seien geeignet, Bürger von der Erhebung von Einwendungen abzuhalten.
7
Materiell-rechtlich verstoße die Planung gegen den Grundsatz der Erforderlichkeit, weil der Bebauungsplan aus Gründen des Natur- und Artenschutzrechts, des Brandschutzes, des Hochwasserschutzes und der festgesetzten Bauweise nicht vollzugsfähig sei. Es liege ferner ein Verstoß gegen das Anpassungsgebot an die Ziele der Raumordnung sowie das Entwicklungsgebot aus dem Flächennutzungsplan vor. Der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung fehle es an einer Rechtsgrundlage und die Beschreibung des Sondergebiets sei unbestimmt bzw. widersprüchlich. Ebenfalls widerspreche der Vorhaben- und Erschließungsplan beispielsweise hinsichtlich der Verkaufsflächen und der Versickerungseinrichtungen dem Bebauungsplan. Schließlich weise der Bebauungsplan zahlreiche Abwägungsmängel auf. So seien u.a. die Waldeigenschaft des Nachbargrundstücks, die Auswirkungen der Bebauung auf die Waldfunktion und die Auswirkungen von Störfallbetrieben nicht ausreichend ermittelt worden. Nicht verwertbar und fehlerhaft seien die Auswirkungsanalyse und das Verkehrsgutachten. Der Schallschutz sei ungenügend und die Festsetzungen hierzu, ebenso wie die Festsetzungen zum naturschutzrechtlichen Ausgleich und dem Hochwasserschutz bzw. dem Schutz vor Starkregenereignissen, abwägungsfehlerhaft. Insbesondere die Nichtberücksichtigung verschiedener Auswirkungen und die Unwirksamkeit der Festsetzungen zum Lärmschutz ließen gewichtige Nachteile zu Lasten der Antragsteller erwarten. Eine besondere Dringlichkeit ergebe sich daraus, dass bereits ein Antrag auf Baugenehmigung gestellt worden sei und das Landratsamt deren Erteilung angekündigt habe, so dass die Schaffung vollendeter Tatsachen drohe.
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Die Antragsteller beantragen,
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den am 7. Mai 2024 bekannt gemachten, vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Fachmarktzentrum an der S. …straße“ bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Normenkontrollantrag der Antragsteller außer Vollzug zu setzen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
12
Der Antrag des Antragstellers zu 2 sei bereits unzulässig, da dieser als Lebensgefährte der Antragstellerin zu 1 keine rechtlich relevante und gesicherte Stellung habe. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet. Formelle Fehler lägen nicht vor, da ein ergänzendes Verfahren an der Stelle fortgesetzt werde, an der ein Fehler unterlaufen sei, weshalb dann die Verfahrensvorschriften in der nunmehr geltenden Fassung anzuwenden seien. Die Anstoßfunktion sei in jeder Hinsicht gewahrt worden.
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Eine fehlende Vollzugsfähigkeit des Planes liege nicht vor. In Bezug auf den Artenschutz seien im überplanten Bereich schon keine Lebensstätten besonders oder streng geschützter Tier- oder Pflanzenarten festgestellt worden. Eine fehlende Anpassung an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung liege nicht vor, da das Vorhaben nach den Stellungnahmen der Höheren Landesplanungsbehörde raumordnerisch und landesplanerisch verträglich sei. Auch das Entwicklungsgebot sei eingehalten, da maßgeblich nicht die Darstellung im Flächennutzungsplan sei, sondern dessen planerische Grundzüge, die im Bebauungsplan um- und festgesetzt worden seien. Widersprüche oder unzulässige Festsetzungen lägen nicht vor. Der Bebauungsplan sei auch abwägungsfehlerfrei. Es erfolge kein Eingriff in Wald und wesentliche Auswirkungen seien nicht vorhanden. Sowohl die Auswirkungsanalyse als auch das Verkehrsgutachten seien fehlerfrei; der Lärmschutz sei entsprechend den Vorgaben aus der schalltechnischen Untersuchung umgesetzt worden. Jedenfalls sei der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht dringend geboten. Der Vollsortimenter und die Fachmärkte würden entlang der westlichen Außenwände durch eine Schallschutzwand verbunden, die nach dem Durchführungsvertrag entsprechend der schalltechnischen Untersuchung verpflichtend umzusetzen sei. Die so ermittelten Beurteilungspegel schlössen eine unzumutbare Lärmbeeinträchtigung aus.
14
Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat sich nicht am Verfahren beteiligt.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in den Verfahren sowie die beigezogenen Planaufstellungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
16
Der Antrag auf einstweilige Anordnung hat Erfolg.
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1. Der Normenkontrolleilantrag ist zulässig; insbesondere sind die Antragsteller antragsbefugt.
18
Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann einen Normenkontroll(eil) antrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder verletzt zu werden. An die Geltendmachung einer – möglichen – Rechtsverletzung sind keine höheren Anforderungen zu stellen als an die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Ausreichend ist, wenn der jeweilige Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt wird. Ist im Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan – wie hier – der Betroffene nicht Eigentümer eines Grundstücks im Plangebiet, so kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange nach § 1 Abs. 7 BauGB folgen. In diesem Fall hat ein Antragsteller aufzuzeigen, dass seine aus dem Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3 BauGB) folgenden Rechte verletzt sein können. Das setzt voraus, dass die Planung einen abwägungserheblichen Belang des Antragstellers berührt. Abwägungserheblich sind private Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. An Letzterem fehlt es etwa bei geringwertigen oder mit einem Makel behafteten Interessen sowie bei solchen, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solchen, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2024 – 15 NE 23.1455 – juris Rn. 27).
19
Danach ist die Antragstellerin zu 1 als Eigentümerin des unmittelbar an das Plangebiet angrenzenden Grundstücks FlNr. …7 Gemarkung P. … im Hinblick auf die geltend gemachten Lärmbeeinträchtigungen antragsbefugt (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2022 – 15 N 21.2243 – juris Rn. 19). Diese sind auch unter Berücksichtigung der notwendigen und festgesetzten Lärmschutzmaßnahmen nicht offensichtlich geringwertig.
20
Das gleiche gilt für den Antragsteller zu 2, der gemeinsam mit der Antragstellerin zu 1 das Grundstück FlNr. …7 Gemarkung P. … bewohnt. Denn im Rahmen der Bauleitplanung sind regelmäßig die Interessen der gesamten von der Planung berührten „Wohnbevölkerung“ (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB) als abwägungserhebliche Belange zu berücksichtigen (vgl. VGH BW, U.v. 30.11.1993 – 3 S 2120/92 – juris Rn. 21). Der Antragsteller zu 2 ist ein von der Planung betroffener Grundstücksnutzer. Zwar begründet eine nichteheliche Lebensgemeinschaft keine wesentlichen rechtlichen Bindungen und die Mitbenutzung des Grundstücks beruht auf einer tatsächlichen Gestattung (vgl. BGH, U.v. 30.4.2008 – XII ZR 110/06 – juris Rn. 14). Der Antragsteller zu 2 kann sich aber nach seinem Vortrag zu den Lebensumständen und aufgrund der sich hieraus ergebenden Umstände des Einzelfalls auf ein Nutzungs- und Besitzrecht am Grundstück FlNr. …7 Gemarkung P. … berufen (vgl. BGH, B.v. 19.3.2008 – I ZB 56/07 – juris Rn. 169, Götz in Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Beck ’scher Online-Großkommentar, Stand 1.4.2024, § 866 Rn. 22). Auch bei einem nicht-förmlichem Mietvertrag ist hier aufgrund der vom Antragsteller zu 2 geschilderten Umstände zwischen den nichtehelichen Lebenspartnern von einem Mitbesitz des Antragstellers zu 2 i.S.d. § 866 BGB auszugehen (vgl. Gurk in Grandel/Stockmann, BGB, Stand 30.6.2021, Nichteheliche Lebensgemeinschaft Rn. 122). Die Einräumung dieses Mitbesitzes kann auch nicht „jederzeit“ und nicht ohne wichtigen Grund rückgängig gemacht werden (vgl. Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 5. Auflage 2014, 6. Teil Rn. 9).
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2. Der Antrag ist auch begründet.
22
Gemäß § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab bei Bebauungsplänen sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinn von § 47 Abs. 6 VwGO geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass dessen Vollzug suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Weg einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten in der Hauptsache – dringend geboten ist (BVerwG, B.v. 30.4.2019 – 4 VR 3.19 – juris Rn. 4 m.w.N.; BayVGH, B.v. 20.2.2024 – 15 NE 23.1455 – juris Rn. 30). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO hier dringend geboten.
23
a) Der zulässige Normenkontrollantrag ist in der Hauptsache erfolgreich, da der vorhabenbezogene Bebauungsplan „Fachmarktzentrum an der S. …straße“ an formellen Fehlern leidet, die zu seiner Gesamtunwirksamkeit führen.
24
aa) Zwar hat die Antragsgegnerin das Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung im Zeitraum vom 23. Oktober 2023 bis 24. November 2023 zu Recht nach § 3 Abs. 2 BauGB in der ab 7. Juli 2023 geltenden Fassung (G.v. 3.7.2023, BGBl. I Nr. 176) durchgeführt. Denn aufgrund der Durchführung eines ergänzenden Verfahrens wird das (ursprüngliche) Verfahren in das Stadium des Bebauungsplan-Entwurfs zurückversetzt und an der Stelle fortgeführt, an der der Gemeinde der zu korrigierende Fehler unterlaufen ist (vgl. BVerwG, B.v. 12.7.2017 – 4 BN 7.17 – juris Rn. 7; BVerwG, B.v. 4.3.2012 – 4 B 40.20 – juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 15.6.2021 – 15 N 20.398 – juris Rn. 15). Damit ist die Überleitungsvorschrift des § 233 Abs. 1 Satz 2 BauGB im Hinblick auf den gesetzlich vorgeschriebenen Schritt der Öffentlichkeitsbeteiligung anwendbar, mit der Folge, dass die Antragsgegnerin ein Wahlrecht bezüglich der anzuwendenden Gesetzesfassung hat, welches sie hier dahingehend ausgeübt hat, die geltende Fassung anzuwenden. Das Verfahren ist aufgrund der Unwirksamerklärung des am 4. April 2023 bekannt gemachten Ursprungsbebauungsplans durch Beschluss des Senats vom 6. November 2023 (Az. 15 N 23.1314) auch nicht dergestalt abgeschlossen, dass kein ergänzendes Verfahren mit einer entsprechenden Rückversetzung in den fehlerhaften und zu wiederholenden Verfahrensabschnitt mehr möglich wäre (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Januar 2024, § 214 Rn. 211, 264a).
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bb) Entgegen der Ansicht der Antragsteller verfehlen weder die Bekanntmachung der Öffentlichkeitsbeteiligung vom 20. Oktober 2023 noch die Schlussbekanntmachung vom 7. Mai 2024 hinsichtlich der Ausgleichsfläche auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung I. … die erforderliche Anstoßfunktion. Zwar mag die Nr. 15.8 der textlichen Festsetzungen unzutreffend platziert sein, inhaltlich ist damit nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage allerdings keine dingliche Zustandsregelung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB festgesetzt, so dass weder eine Kompetenzverletzung der Antragsgegnerin wegen Festsetzungen auf fremden Hoheitsgebiet noch eine Erweiterung des Geltungsbereichs (vgl. NdsOVG, U.v. 4.5.2023 – 1 KN 27/21 – juris Rn. 25 f.) vorliegt. Denn die Ausgleichsfläche ist auf der Planurkunde nur als „planlicher Hinweis“ dargestellt und enthält ausdrückliche Hinweise auf die Belegenheit in fremdem Stadtgebiet sowie die erfolgte Abstimmung mit der dortigen unteren Naturschutzbehörde. Nr. 15.8 der textlichen Festsetzungen ist deshalb nicht als Festsetzung, sondern als Ergänzung und im Zusammenhang mit dem planlichen Hinweis zu verstehen. Darüber hinaus werden die Ausgleichsmaßnahmen gerade über Vereinbarungen mit dem Vorhabenträger und eine dingliche Sicherung gem. § 1a Abs. 3 Satz 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB und nicht im Wege von Festsetzungen getroffen.
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cc) Die Öffentlichkeitsbeteiligung leidet jedoch an einem beachtlichen Fehler, weil wesentliche umweltbezogene Stellungnahmen nicht ausgelegt wurden.
27
Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind die Entwürfe der Bauleitpläne mit der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats im Internet zu veröffentlichen. Zwar besteht danach ein Beurteilungsspielraum und keine Verpflichtung, alle vorhandenen Stellungnahmen auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2013 – 4 CN 3.12 – juris Rn. 18; OVG NW, U.v. 9.6.2022 – 7 D 49/17.NE – juris Rn. 74; Krautzberger/Jaeger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 3 Rn. 35a). Umweltbezogene Stellungnahmen der nach § 4 BauGB beteiligten Behörden sind jedoch in der Regel ebenso wesentlich (vgl. VGH BW, U.v. 18.4.2018 – 5 S 2105/15 – juris Rn. 65) wie – im Einzelfall – die Stellungnahmen anerkannter Naturschutzverbände (vgl. BR-Drs. 15/2250, S. 44). Es spricht deshalb viel dafür, dass die Stellungnahmen des Bund Naturschutz vom 23. Dezember 2022, die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 22. Dezember 2022 sowie die Stellungnahme des Landratsamts vom 20. Dezember 2022 als wesentlich zu qualifizieren sein dürften, da diese sich inhaltlich ausführlich und substantiell und nicht nur pauschal und undifferenziert zu Umweltbelangen der konkreten Planung verhalten (vgl. OVG SH, B.v. 4.7.2024 – 1 MR 2/24 – juris Rn. 61). Ebenso wenig wie auf die Frage, ob diese umweltbezogenen Stellungnahmen durch die Einarbeitung in den Umweltbericht der Öffentlichkeit bereits ausreichend in zusammengefasster Form zugänglich gemacht wurden (vgl. SächsOVG, U.v. 9.3.2012 – 1 C 13/10 – juris Rn. 60), kommt es vorliegend aber auch nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin durch die Einstufung dieser Stellungnahmen als „nicht wesentlich“ insoweit offensichtlich rechtsmissbräuchlich gehandelt hat (vgl. OVG SH, B.v. 4.7.2024 a.a.O.; a.A. SächsOVG, U.v. 9.3.2012 – 1 C 13/10 – juris Rn. 63; offengelassen: OVG Berlin-Bbg, U.v. 11.11.2021 – OVG 2 A 22.19 – juris Rn. 48).
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Denn die Antragsgegnerin hat in der Bekanntmachung vom 20. Oktober 2023 – zutreffend gegliedert nach Themenblöcken (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2022 – 4 CN 1.22 – juris Rn. 25; U.v. 6.6.2019 – 4 CN 7.18 – juris Rn. 12; U.v. 6.6.2019 – 4 CN 7.18 – juris Rn. 12) – unter der Rubrik „Art der Information“ eine Vielzahl von Stellungnahmen aufgelistet und dort u.a. auch die o.g. Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange angeführt. In der Bekanntmachung wird sodann ausgeführt, dass die „Entwürfe des vorhabenbezogenen Bebauungsplans ‚Fachmarktzentrum an der S. …straße‘, bestehend aus Planzeichnung, Textlichen Festsetzungen, Begründung mit Umweltbericht und Gutachten, i.d.F. vom 9.10.2023, sowie die zuvor genannten umweltbezogenen Informationen“ (Hervorhebung durch den Senat) gem. § 3 Abs. 2 BauGB „im Internet veröffentlicht und (…) einsehbar“ sind. „Neben der Veröffentlichung im Internet werden die Unterlagen während der Veröffentlichungsfrist auch in Papierform im Foyer des Rathauses P. … sowie im Bauverwaltungsamt (…) ausgelegt“ (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB). Ausweislich der Unterlagen zur Auslegung in den Planaufstellungsakten wurden jedoch „die zuvor genannten umweltbezogenen Informationen“ in Gestalt der oben angeführten Stellungnahmen weder tatsächlich ausgelegt, noch im Internet veröffentlicht (vgl. Screenshot vom 20.10.2023 in den Planaufstellungsakten). Gleiches gilt für die Artenschutzkartierung des Planungsbüros (vgl. A Nr. 4 der Begründung, S. 24), deren Ergebnisse zwar in den Umweltbericht eingeflossen sein dürften, die jedoch – abgesehen von der Angabe der Untersuchungstermine (vgl. B Nr. 2.2.1 des Umweltberichts, S. 38) und an das Plangebiet angrenzender Brutplätze für die artenschutzrechtlich relevanten Goldammer und Dorngrasmücke (vgl. B Nr. 2.2.1 des Umweltberichts, S. 39) – nicht weiter in den Planaufstellungsakten zu finden ist.
29
Die Antragsgegnerin hat durch dieses Vorgehen allerdings die Differenzierung des § 3 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2 Satz 4 BauGB nicht beachtet. Denn während § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB die Auslegung der nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen betrifft, erfordert § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind und geht damit inhaltlich über § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB hinaus. Durch die Formulierung, dass alle zuvor genannten umweltbezogenen Informationen in Form der aufgelisteten Stellungnahmen und Unterlagen veröffentlicht sind bzw. ausgelegt werden, hat die Antragsgegnerin diese Differenzierung aufgegeben. Sie hat dadurch vielmehr zum Ausdruck gebracht, alle in der Gliederung genannten Stellungnahmen als wesentlich anzusehen und der Auslegungspflicht zu unterwerfen. Dieser ist sie dann allerdings nicht vollständig nachgekommen. Vielmehr hat sie in Widerspruch zur Bekanntmachung vom 20. Oktober 2023 eine erhebliche Anzahl an Stellungnahmen, die sie ausweislich der Formulierung in der Bekanntmachung selbst zur Veröffentlichung und Auslegung angeführt und vorgesehen hat, nicht bekannt gemacht und insoweit gegen § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB verstoßen.
30
Dieser Fehler ist gem. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB beachtlich und wurde von den Antragstellern – zumindest sinngemäß – auch gem. § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB fristgerecht gerügt. Unabhängig davon ist die Frist zum Zeitpunkt der Entscheidung auch noch nicht abgelaufen, so dass die Kontrollbefugnis des Senats nicht eingeschränkt ist (vgl. BayVGH, U.v. 26.6.2023 – 15 N 22.1975 – juris Rn. 27).
31
dd) Die Bekanntmachung vom 20. Oktober 2023 leidet noch an einem weiteren beachtlichen Fehler, weil die Beschreibung der umweltbezogenen Informationen in der Spalte „Konflikte/Details“ geeignet ist, interessierte Bürger von einer Beteiligung im Planaufstellungsverfahren abzuhalten.
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§ 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB schreibt vor, dass die ortsübliche Bekanntmachung (u.a.) Angaben dazu enthalten muss, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind. Hierbei ist es nicht mit einer bloßen namentlichen Auflistung der vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen getan, sondern es bedarf einer Unterweisung über die Inhalte der vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2013 – 4 CN 3.12 – juris Rn. 16).
33
Die Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB bezweckt eine „Anstoßwirkung“. Sie soll interessierte Bürger ermuntern, sich über die gemeindlichen Planungsabsichten zu informieren und gegebenenfalls mit Anregungen und Bedenken zur Planung beizutragen. Die Anstoßwirkung, die der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang der Bekanntmachung der „Arten verfügbarer Umweltinformationen“ beimisst, geht noch darüber hinaus. Sie bezweckt durch einen erleichterten Zugang zu Informationen und eine verbesserte Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren, die Qualität und die Umsetzung von Entscheidungen zu verbessern, zum Bewusstsein der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten beizutragen, der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, ihre Anliegen zum Ausdruck zu bringen, und es den Behörden zu ermöglichen, diese Anliegen angemessen zu berücksichtigen. Zielsetzung ist somit, eine breitere Öffentlichkeit für Entscheidungsverfahren im Umweltbereich zu interessieren und ihre Beteiligungsbereitschaft zu fördern (vgl. BVerwG, U.v. 6.6.2019 – 4 CN 7.18 – juris Rn. 13). Der veröffentlichte Bekanntmachungstext muss vor dem Hintergrund dieser speziellen Zielsetzung seiner Anstoßfunktion gerecht werden. Es ist deshalb unerlässlich, dass die bekannt gemachten Informationen der Öffentlichkeit bereits eine erste inhaltliche Einschätzung darüber ermöglichen, welche Umweltbelange in den vorliegenden Stellungnahmen und sonstigen Unterlagen behandelt werden. Nur auf dieser Grundlage kann die informierte Öffentlichkeit entscheiden, ob die Planung aus ihrer Sicht weitere, von den vorhandenen Stellungnahmen nicht abgedeckte Umweltbelange berührt, denen sie durch eigene Stellungnahmen Gehör verschaffen will. Die Gemeinden sind somit verpflichtet, die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammenzufassen und diese in der Auslegungsbekanntmachung schlagwortartig zu charakterisieren. Dies gilt im Übrigen auch für solche Arten verfügbarer Umweltinformationen, die in Stellungnahmen enthalten sind, welche die Gemeinde für unwesentlich hält und deshalb nicht auszulegen beabsichtigt (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 18.7.2013 – 4 CN 3.12 – Leitsatz und Rn. 23; BayVGH, U.v. 17.7.2019 – 15 N 19.27 -juris Rn. 15).
34
Zwar dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2022 – 4 CN 1.22 – juris Rn. 25) und maßgeblich ist eine inhaltliche, nicht eine formale Vollständigkeit (vgl. BVerwG, U.v. 20.1.2021 – 4 CN 7.19 – juris Rn. 23). Entgegen der Bewertung der Antragsteller beinhaltet die Auslegungsbekanntmachung – auf die allein es hier ankommt – auch keine „Überinformation“, in dem Sinn, dass sie mit detaillierten Umweltinformationen überfrachtet wäre (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2013 – 4 CN 3.12 – juris Rn. 20); die bloße Auflistung und Beschreibung umfangreicher Unterlagen und Stellungnahmen genügt hierfür jedenfalls nicht, da die Bekanntmachung eine Orientierung geben muss, eine gewisse Komplexität aber unvermeidbar und zumutbar erscheint (vgl. NdsOVG, U.v. 27.9.2017 – 1 KN 168/15 – juris Rn. 38 f.). Unschädlich ist es grundsätzlich auch, wenn besonders detaillierte Schlagwörter verwendet werden oder im Rahmen der Bekanntmachung zusätzliche Angaben enthalten sind, die die Vorschrift nicht verlangt (vgl. BVerwG, U.v. 6.6.2019 – 4 CN 7.18 – juris Rn. 12 ff.).
35
Die Bekanntmachung vom 20. Oktober 2023 enthält hier allerdings in der Spalte „Konflikte/Details“ keinerlei inhaltliche Beschreibung der Umweltinformationen, sondern Bewertungen und Angaben zum Bearbeitungsstand. Diese reichen von „angepasst“, „eingearbeitet“ und „berücksichtigt“ bis hin zur mehrfach verwendeten Beschreibung, dass „keine Konflikte zu erwarten“ seien oder die Planung den Vorgaben entspreche. Die Angaben stellen damit keine inhaltliche Zusammenfassung oder schlagwortartige Charakterisierung dar, sondern geben – im Stil einer Abwägungstabelle – eine bewertende Zusammenfassung der prognostizierten planbedingten Umweltauswirkungen. Als solche sind die Angaben aber geeignet, den interessierten Bürger davon abzuhalten, sich weitergehend zu informieren und mit Anregungen und Bedenken zu der Planung beizutragen, weil sie den Eindruck erwecken, nach den vorliegenden umweltbezogenen Informationen stehe bereits fest, wie die planbedingten Umweltauswirkungen objektiv einzuschätzen seien. So wie die Gemeinde dem interessierten Bürger nicht die nach ihrer Auffassung unwesentlichen Arten umweltbezogener Informationen vorenthalten darf, darf sie ihn mit der Wiedergabe des Inhalts der umweltbezogenen Informationen auch nicht in einer Weise lenken, die seine Bereitschaft, sich an der Planung zu beteiligen, potenziell hemmt (vgl. OVG NW, U.v. 27.2.2023 – 10 D 26/20.NE – juris Rn. 97). Eine Bewertung der vorhandenen Informationen ist nicht schon im Rahmen der Auslegung geboten (vgl. BayVGH, U.v. 27.6.2014 – 1 N 16.220 – juris Rn. 19). Die Gemeinde hat im Rahmen des § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB – anders als i.R.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB – gerade keine Befugnis zur Bewertung und Selektion der Umweltinformationen (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2014 – 4 CN 1.14 – juris Rn. 14) und verstößt durch diese wertenden Angaben hier gegen § 3 Abs. 2 BauGB.
36
Dieser Fehler ist nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 BauGB beachtlich, da die Anstoßfunktion insgesamt verfehlt wurde. Der Verstoß wurde mit der Antragsbegründung auch fristgerecht gerügt (§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB).
37
ee) Soweit die Antragsteller einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 BauGB im Zusammenhang mit der Verletzung datenschutzrechtlicher Vorschriften geltend machen (vgl. VGH BW, U.v. 29.3.2013 – 5 S 1291/22 – juris Rn. 89; U.v. 24.5.2022 – 3 S 1813/19 – juris Rn. 60), weil die Abwägungstabelle mit namentlicher Nennung der Antragsteller anderen Einwendungsführern übersandt wurde, spricht einiges dafür, dass es sich nicht um systematische, bewusste und grundsätzliche Verstöße der Antragsgegnerin handelt. Gleichwohl dürfte die Antragsgegnerin gehalten sein, künftig verstärkt zu prüfen, ob und in welchem Umfang es notwendig ist, personenbedingte Daten zu erheben, weiterzuleiten oder zu verwenden (vgl. Schrödter/Wahlhäuser in Schrödter, BauGB, 9. Auflage 2019, § 3 Rn. 14d).
38
b) Auf die von den Antragstellern zahlreich geltend gemachten, materiell-rechtlichen Fehler kommt es hier mithin nicht weiter an. Gleiches gilt für die vorgetragenen Abwägungsfehler.
39
c) Die Anordnung ist auch zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten.
40
Der voraussichtliche Erfolg der Hauptsache ist bereits ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. Eine einstweilige Anordnung kann in diesem Fall gleichwohl nur dann ergehen, wenn der (weitere) Vollzug des Bebauungsplans vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (vgl. BVerwG, B.v. 16.9.2015 – 4 VR 2.15 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 20.2.2024 – 15 NE 23.1455 – juris Rn. 56).
41
Zwar stellt der bloße Vollzug eines Bebauungsplans grundsätzlich noch keinen schweren Nachteil dar (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2021 – 15 NE 21.2427 – juris Rn. 16; B.v. 19.8.2016 – 9 NE 16.1512 – juris Rn. 20) und formelle Fehler können in einem ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB behoben werden. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei Durchführung eines ergänzenden Verfahrens das Bebauungsplanverfahren aufgrund der oben angeführten Fehler im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung in ein frühes Entwurfsstadium zurückversetzt wird, in dessen weiterem Verlauf es unter Berücksichtigung der (erneuten) Stellungnahmen und Einwendungen sowie der nachfolgenden Abwägungsentscheidung gegebenenfalls auch zu inhaltlichen Änderungen kommen kann. Schließlich handelt es sich bei dem geplanten Vorhaben um ein Fachmarktzentrum mit erheblichem Umfang, zu dessen Realisierung bereits zum für unwirksam erklärten Vorgängerbebauungsplan Bauanträge gestellt wurden. Unter Berücksichtigung des Verfahrensstandes des Bebauungsplans sowie der Bauanträge, der Lage des von den Antragstellern bewohnten Grundstücks, der geltend gemachten Lärmbeeinträchtigungen, der getroffenen Festsetzungen zum Immissionsschutz sowie den in der Antragsbegründung in diesem Zusammenhang aufgeworfenen umfangreichen rechtlichen Problemen ist in der Gesamtbetrachtung nicht auszuschließen, dass die Verwirklichung des Bebauungsplans eine schwerwiegende Beeinträchtigung der rechtlich geschützten Position der Antragsteller konkret erwarten lässt.
42
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
43
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 und 8, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.8.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
44
In entsprechender Anwendung von § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO hat die Antragsgegnerin Nummer I der Entscheidung in derselben Weise zu veröffentlichen wie den angegriffenen Bebauungsplan.
45
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).