Inhalt

VGH München, Beschluss v. 31.07.2024 – 15 CS 24.1156
Titel:

Erfolgloser Nachbareilbeschwerde gegen Baugenehmigung zur Errichtung eines Hotels mit Parkplatz

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3, § § 146 Abs. 4
BGB § 917 Abs. 1
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3
Leitsätze:
1. Ein Bauvorhaben kann nur in besonderen Ausnahmefällen einer hinreichend konkreten, nicht bloß abstrakten Baumwurfgefahr bauplanungsrechtlich wegen Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot unzulässig sein.(Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Nachbarklage unter Berufung auf ein Notwegerecht ist nur erfolgreich, wenn das Bauvorhaben dazu führt, dass auf dem Nachbargrundstück ein solches Notwegerecht entsteht. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarbeschwerde, Baumwurfgefahr, Beeinträchtigung eines (Not-)Wegerechts, Nachbareilverfahren, Beschwerde, Baurecht, Bebauungsplan, Sondergebiet "Ferienhäuser", Baumwurfrisiko, Badebetrieb, Rücksichtnahmegebot, wegemäßige Erschließung, Notwegerecht
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 04.06.2024 – RO 7 S 24.372
Fundstelle:
BeckRS 2024, 20334

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selber trägt.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin ist Miteigentümerin verschiedener Waldgrundstücke und wendet sich gegen die der Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Hotels mit Parkplatz auf (teilweise) angrenzenden Grundstücken. Die Baugrundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Sondergebiet „Ferienhäuser“ K. … der Antragsgegnerin vom 29. Dezember 1988. Über die hiergegen erhobene Klage (RO 7 K 24.373) hat das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden.
2
Den von der Antragstellerin erhobenen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. Juni 2024 ab. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass die Baugenehmigung nicht aufgrund des geltend gemachten erhöhten Haftungsrisikos wegen Baumwurfgefahr gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße und sich die Antragstellerin auch nicht mit Erfolg auf eine Beeinträchtigung der wegemäßigen Erschließung und Bewirtschaftung eines ihrer Waldgrundstücke berufen könne.
3
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie ist der Ansicht, das Verwaltungsgericht habe das Baumwurfrisiko nicht zutreffend bewertet, weil das Baugrundstück bisher nur während des Badebetriebs in der Sommerzeit genutzt wurde, während das geplante Hotel nunmehr ganzjährig in Betrieb sei. Sowohl aus einem Schreiben der Antragsgegnerin vom 13. Juli 2021 als auch aktuell ergebe sich ein akuter Handlungsbedarf zu Baumfällungen aufgrund der klimatischen Veränderungen. Darüber hinaus gehe das Verwaltungsgericht unzutreffend davon aus, dass alle ihre Waldgrundstücke über einen öffentlichen Weg oder eine öffentliche Straße erreichbar seien. Dies sei unzutreffend; ein Grundstück würde im Falle der Baumaßnahme zu einem „Helikoptergrundstück“ und könne nicht mehr erreicht werden.
4
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
5
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 4. Juni 2024 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2024 anzuordnen.
6
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben sich nicht geäußert.
7
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
8
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, zu Recht abgelehnt, weil die Klage der Antragstellerin auf Aufhebung der Baugenehmigung vom 15. Januar 2024 im Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Die allein zu prüfenden Beschwerdegründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Die angefochtene Baugenehmigung dürfte, worauf es allein ankommt, nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen, die zumindest auch dem Schutz der Antragstellerin zu dienen bestimmt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die vorzunehmende Abwägung der gegenseitigen Interessen geht hier demnach zulasten der Antragstellerin aus.
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1. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich keine Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens gegenüber der Antragstellerin.
10
Soweit die Beschwerde hierfür eine erhöhte Baumwurfgefahr, ausgehend von den Waldgrundstücken der Antragstellerin, anführt, hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass allein Haftungsrisiken die Antragstellerin nicht in der bodenrechtlichen Nutzungsmöglichkeit ihrer Waldgrundstücke eingeschränken oder eine forstwirtschaftliche Nutzung ausschließen (vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2021 – 15 CS 21.2578 – Rn. 21). Es hat ferner zutreffend ausgeführt, dass ein Bauvorhaben wegen Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot nur in besonderen Ausnahmefällen einer hinreichend konkreten, nicht bloß abstrakten Baumwurfgefahr i.S.d. Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG bauplanungsrechtlich unzulässig sein könne und eine derartige Situation verneint (BA S. 7). Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nichts Gegenteiliges. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 13. Juli 2021 ist schon deswegen nicht geeignet, eine konkrete Gefahr zu belegen, weil die notwendigen Baumfällarbeiten nach eigenen Angaben der Antragstellerin im Laufe des Jahres 2021 durchgeführt worden sind. Aus dem Schreiben eines weiteren Miteigentümers sowie den vorgelegten Luftbildern lassen sich zwar Schädigungen an Bäumen ersehen. Eine darüberhinausgehende Gefahr für das Bauvorhaben lässt sich hieraus aber nicht ableiten. Denn das Absterben von Bäumen aufgrund klimatischer Veränderungen und/oder eines Schädlingsbefalls sowie damit verbundene Entnahmepflichten aufgrund der Verkehrssicherungspflicht gehen grundsätzlich nicht über die im Rahmen einer üblichen Waldbewirtschaftung bestehenden zumutbaren Handlungspflichten hinaus. Zudem ist anhand der vorgelegten Bilder auch eine genaue Verortung der geschädigten Bäume nicht möglich und das Bauvorhaben weist gemäß der genehmigten Lagepläne mitunter deutliche Abstände zu den wesentlichen Waldflächen der Antragstellerin auf. Mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass die Grundstücke im Miteigentum der Antragstellerin nach der Verwirklichung des Bauvorhabens auch weiterhin in ordnungsgemäßer Erfüllung der gebotenen Verkehrssicherungspflicht zur Waldbewirtschaftung genutzt werden können (BA S. 7), setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.
11
2. Die Antragstellerin bleibt auch mit ihrem Vorbringen, eines ihrer Grundstücke sei nach Ausführung des Bauvorhabens nicht mehr erreichbar und dessen wegemäßige Erschließung beeinträchtigt, erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass eine Nachbarklage unter Berufung auf ein Notwegerecht nur erfolgreich ist, wenn das Bauvorhaben dazu führt, dass auf dem Nachbargrundstück ein solches gem. § 917 Abs. 1 BGB entsteht (vgl. BVerwG, B.v. 11.5.1998 – 4 B 45.98 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 25.3.2022 – 15 ZB 22.268 – juris Rn. 9 f.). Die Antragstellerin macht aber vielmehr eine Beeinträchtigung eines zu ihren Gunsten bestehenden (Not-) Wegerechts geltend; hierfür gilt – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (BA S. 9) – Art. 68 Abs. 5 BayBO.
12
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da sich die Beigeladene im Beschwerdeverfahren nicht beteiligt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
14
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).