Inhalt

VGH München, Beschluss v. 23.07.2024 – 10 ZB 23.171
Titel:

 Erfolgloser Berufungszulassungsantrag wegen Herausgabe von sichergestelltem Geld

Normenketten:
VwGO § 55, § 108 Abs 1, § 124 Abs. 1, Abs. 2
GVG § 169 Abs. 1 S. 1
PAG Art. 25 Abs. 1 Nr. 1a, Art. 28 Abs. 2 S. 1
EMRK Art. 6
GRCh Art. 48 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei der Entscheidung über die Zulassung der Berufung prüft der Senat nur die (fristgerecht) in der Antragsbegründung dargelegten Zulassungsgründe, eine pauschale Bezugnahme „auf den gesamten erstinstanzlichen Vortrag, den Vortrag im verwaltungsgerichtlichen Eil- und Beschwerdeverfahren, einschließlich der dort enthaltenen Beweisantritte“, die „vollinhaltlich auch zum Gegenstand dieser Antragsbegründung“ gemacht würden, geht ins Leere. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer Sicherstellung von Bargeld zur Abwehr einer zum Zeitpunkt der Sicherstellung vorliegenden gegenwärtigen (und derzeit noch immer bestehenden) Gefahr der Verwendung des Bargeldes zur Begehung von Betäubungsmittelstraftaten erledigt sich diese Gefahr nicht durch bloßen Zeitablauf und wird allein dadurch nicht zu einer „Abschöpfung“, sondern behält ihren sicherheitsrechtlichen Charakter und wird nicht zu einer strafrechtlichen Maßnahme. (Rn. 20) (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Gebot der Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens bedeutet, dass die Verhandlung in Räumen stattfinden muss, zu denen während der Dauer der Verhandlung grundsätzlich jedermann der Zutritt offensteht und wird nicht dadurch verletzt, dass die mündliche Verhandlung nicht in dem in der Ladung angegebenen Sitzungssaal stattgefunden hat, sondern kurzfristig ohne besonderen schriftlichen Hinweis in einem anderen Saal desselben Gerichtsgebäudes durchgeführt wurde. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (Aufklärungsrüge) kann grundsätzlich nicht geltend gemacht werden, wenn ein anwaltlich vertretener Kläger es unterlassen hat, in der mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Polizeirecht, (präventive) Sicherstellung von Bargeld, Anhaltspunkte für die Verwendung für Drogenhandel, Durch Tatsachen gestützte Prognose, Unschuldsvermutung, Öffentlichkeit der Verhandlung, Berufungszulassungsvefahren, ernstliche Richtigkeitszweifel, rechtsgrundsätzliche Bedeutung, Verfahrensmangel, Sicherstellungsanordnung, Gefahrenprognose, Bargeld, szenetypische Stückelung, PKW-Versteck, Drogenhandel, mündliche Verhandlung, Öffentlichkeit, Saalverlegung, Aufklärungsrüge
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 07.12.2022 – W 9 K 21.937
Fundstelle:
BeckRS 2024, 20317

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 93.350,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids der Verkehrspolizeiinspektion S... vom 24. Juni 2021 sowie auf Herausgabe der sichergestellten 93.350,00 Euro, hilfsweise auf Aufhebung der Beschlagnahme und Herausgabe des Geldes, weiter.
2
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid wurde Bargeld in Höhe von 93.350,00 Euro gemäß Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a PAG sichergestellt, das bei einer Verkehrskontrolle am 23. Juni 2021 im Fahrzeug des Klägers gefunden worden war. Einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hatte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. Juli 2021 (W 9 S 21.939) abgelehnt, die hiergegen erhobene Beschwerde wurde vom Senat mit Beschluss vom 1. August 2022 (10 CS 21.2223) zurückgewiesen.
3
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (2.) noch im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann (3.).
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1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
5
Solche ernstlichen Zweifel bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33). Die von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geforderte Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert innerhalb der Zulassungsbegründungsfrist von zwei Monaten eine konkret fallbezogene und hinreichend substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung; es muss dargelegt werden, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- und Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat (BayVGH, B.v. 29.4.2020 – 10 ZB 20.104 – juris Rn. 3), wobei „darlegen“ schon nach allgemeinem Sprachgebrauch mehr als lediglich einen allgemeinen Hinweis bedeutet; „etwas darlegen“ bedeutet vielmehr so viel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (BVerwG, B.v. 9.3.1993 – 3 B 105.92 – juris Rn. 3 m.w.N.).
6
Gemessen daran werden mit dem Zulassungsantrag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht dargelegt.
7
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Voraussetzungen für die Sicherstellung des Bargeldes zum Zeitpunkt der Sicherstellungsanordnung vorgelegen hätten. Bei einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände hätten konkrete Anhaltspunkte sowohl für die Annahme, dass die sichergestellten Bargeldmittel aus dem Betäubungsmittelhandel stammten, als auch für die Prognose, dass sie zu diesem Zweck wieder eingesetzt werden sollten, vorgelegen. Die Sicherstellungsanordnung sei eine verhältnismäßige und ermessensgerechte Maßnahme zur Unterbindung der gegenwärtigen Gefahr der Begehung von Drogenstraftaten gewesen.
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Das Verwaltungsgericht hat dabei zunächst auf die Ausführungen in den erwähnten Entscheidungen im vorangegangen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, auch der weitere Vortrag des Klägers im Klageverfahren führe nicht zu einer anderen Beurteilung.
9
Der Kläger habe auch keinen Herausgabeanspruch hinsichtlich des bei ihm sichergestellten Bargeldes. Die Voraussetzungen für die Sicherstellung seien nicht im Sinn des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 PAG weggefallen.
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Dieses ausführlich und eingehend unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles begründete Urteil kann die Begründung des Zulassungsantrags nicht durchgreifend in Frage stellen.
11
1.1. Die pauschale Bezugnahme „auf den gesamten erstinstanzlichen Vortrag (W 9 K 21/937), den Vortrag im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren (W 9 S 21/939) und Beschwerdeverfahren (10 CS 21.2223), einschließlich der dort enthaltenen Beweisantritte“, die „vollinhaltlich auch zum Gegenstand dieser Antragsbegründung“ gemacht würden, geht ins Leere. Bei der Entscheidung über die Zulassung der Berufung prüft der Senat nur die (fristgerecht) in der Antragsbegründung dargelegten Zulassungsgründe (vgl. z.B. Roth in Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, Stand 1.4.2024, § 124a Rn. 63).
12
1.2. Weiter führt der Kläger aus, das Verwaltungsgericht halte fehlerhaft für das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr im Sinn des Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a PAG „eine Vermutung und Prognose der handelnden Behörde für ausreichend“. Für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung lasse das Gericht es ausreichen, dass es dem Kläger nicht gelungen sei, die rechtlich nicht zu beanstandenden „Vermutungen und Prognoseüberlegungen“ des Beklagten zu erschüttern. Es sei Aufgabe des Klägers, nachzuweisen, dass im vorliegenden Fall keine Gefahr für ein Schutzgut des PAG vorgelegen habe oder noch vorliege. Es reiche nicht aus, dass das Strafverfahren eingestellt oder keine strafbaren Handlungen in Bezug auf die Verwendung des beschlagnahmten Bargeldes von Seiten des Beklagten behauptet oder zum Gegenstand von Ermittlungen gemacht werde. Auch wenn die Strafverfolgungsbehörde kein Interesse mehr an den Handlungen des Klägers zeige, führe dies nicht dazu, dass im vorliegenden Fall die gegenwärtige Gefahr für ein Schutzgut ausgeräumt sei.
13
Mit diesen Ausführungen gibt der Kläger die Überlegungen des Verwaltungsgerichts unzutreffend wieder; dem angefochtenen Urteil lassen sich derartige Rechtsansichten nicht entnehmen.
14
Vielmehr hat das Gericht zum anzuwendenden rechtlichen Maßstab ausdrücklich festgehalten, dass für eine gesicherte Gefahrenprognose hinreichend konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen, dass das Geld unmittelbar oder in allernächster Zukunft zur Vorbereitung oder Begehung von Straftaten verwendet werden wird, und dass ein bloßer Gefahrenverdacht oder bloße Vermutungen hierfür nicht ausreichen (UA S. 15).
15
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung und der Kommentarliteratur (siehe hierzu Senftl in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.3.2024, PAG Art. 25 Rn. 52; Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, Polizeiaufgabengesetz/Polizeiorganisationsgesetz, 6. Aufl. 2023, PAG Art. 25 Rn. 51; NdsOVG, U.v. 7.3.2013 – 11 LB 438/10 – juris Rn. 37; OVG Bremen, U.v. 24.6.2014 – 1 A 255/12 – juris Rn. 27 ff.; BayVGH, B.v. 17.9.2015 – 10 CS 15.1435, 10 C 15.1434 – juris Rn. 22; BayVGH, U.v. 22.5.2017 – 10 B 17.83 – Rn. 26 ff.; OVG NW, U.v. 2.3.2021 – 5 A 942/19 – juris Rn. 434 ff.) hat das Verwaltungsgericht sodann Anhalts- bzw. Gesichtspunkte für die Herkunft eines Bargeldbetrages aus dem Drogenhandel genannt (UA S. 16): „hoher Geldbetrag, Versteckthalten oder zumindest Aufbewahrung an einem ungewöhnlichen Ort (zB im Kfz extra dafür geschaffener Hohlraum zum Transport), szenetypische Stückelung der Geldscheine (zB Häufung von 50-Euro-Scheinen), nicht plausibel erklärte Herkunft des Geldes, positiv ausgefallener sog. Drugwipe-Test an den sichergestellten Geldscheinen, Verdachtsmomente aus der organisierten Kriminalität, einschlägige strafrechtliche Ermittlungsverfahren / Verurteilungen. Zudem kann berücksichtigt werden, dass es kriminalistischer Erfahrung entspricht, dass das aus Drogengeschäften gewonnene Geld in der Regel zumindest teilweise wieder in die Beschaffung von Betäubungsmitteln investiert wird“.
16
Hiervon ausgehend, hat das Verwaltungsgericht unter eingehender Würdigung der Umstände des vorliegenden Falles, hier insbesondere das Verstecken von Banknoten mit einem hohen Gesamtbetrag in Hohlräumen des Fahrzeugs, die Stückelung des Bargelds, Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten bei der Erklärung der Herkunft des Geldes durch den Kläger sowie ein positiv ausgefallener Drogenwischtest, gewichtige Anhaltpunkte festgestellt, dass das Bargeld alsbald (wieder) zur Begehung von Straftaten eingesetzt werden sollte; um „Vermutungen“ oder „Prognoseüberlegungen“ handelte es sich dabei nicht.
17
Es hat auch nicht festgestellt, dass es Aufgabe des Klägers sei, die Überlegungen des Beklagten zu erschüttern oder nachzuweisen, dass keine Gefahr für ein Schutzgut vorliege. Soweit es sich auf widersprüchliche oder gar unzutreffende Aussagen des Klägers bezüglich der Herkunft des Bargelds und dessen beabsichtigte Verwendung bezieht, hat es ihm nicht die Beweislast auferlegt, sondern aus diesen Aussagen eigene Schlussfolgerungen abgeleitet. Wenn der Kläger insoweit die Formulierungen, dass der Vortrag des Klägers nicht zu einer anderen Beurteilung führe (UA S. 22), bzw. dass der Kläger hinsichtlich des Wegfalls der Sicherstellungsvoraussetzungen keine maßgeblichen Umstände vorgetragen habe (UA S. 26), meinen sollte, handelt es sich um Einleitungssätze betreffend die Würdigung von Klagevorbringen des Klägers.
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1.3. Der Kläger weist (zutreffend) darauf hin, dass eine „gegenwärtige“ Gefahr im Sinn des Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a PAG voraussetzt, dass die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht (siehe Senftl in Möstl/ Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.3.2024, PAG Art. 25 Rn. 16). Daraus ist aber nicht abzuleiten – wie der Kläger offenbar meint –, dass allein wegen des seit der Sicherstellung verstrichenen Zeitraums die „Gegenwärtigkeit“ der Gefahr entfallen ist.
19
1.4. Der Kläger meint ferner, das Verwaltungsgericht verkenne die Regelung des Art. 28 Abs. 3 Satz 1 PAG, wonach die Sicherstellung ohne gerichtliche Anordnung nicht über ein Jahr hinaus ausgedehnt werden dürfe. Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nach ihrem Wortlaut nur auf eine Sicherstellung nach Art. 25 Abs. 2 PAG, also die Sicherstellung von Forderungen oder sonstigen Vermögenswerten durch Pfändung unter entsprechender Anwendung der Zivilprozessordnung (ZPO), betrifft also nicht die hier inmitten stehende Sicherstellung von Sachen (Bargeld) (vgl. hierzu Senftl in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.3.2024, PAG Art. 25 Rn. 15 und Art. 28 Rn. 11).
20
1.5. Weiter weist der Kläger darauf hin, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Kläger nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei; durch den seitherigen Zeitablauf sei die Fortsetzung der Sicherstellung nicht mehr verhältnismäßig, nachdem keinerlei Ermittlungstätigkeiten seitens des Beklagten mehr durchgeführt worden seien. Hier verkennt er jedoch den Zweck der streitgegenständlichen Sicherstellung. Es geht nicht um eine Sicherstellung des Bargelds, um es im Verlauf weiterer (strafrechtlicher) Ermittlungen vorläufig zu „sichern“, sondern um die Abwehr einer zum Zeitpunkt der Sicherstellung vorliegenden gegenwärtigen (und derzeit noch immer bestehenden) Gefahr der Verwendung des Bargeldes zur Begehung von Betäubungsmittelstraftaten; diese Gefahr erledigt sich nicht durch bloßen Zeitablauf.
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1.6. Der Kläger ist der Meinung, es stelle einen Eingriff in das Eigentumsrecht dar, „wenn die Behörde sich zur Sicherstellung berechtigt fühlt und keine weiteren Schritte unternimmt, [um] diese Vermutung zu hinterfragen und zu bestätigen“. Aufgrund verfassungskonformer Auslegung seien sichergestellte Sachen dann zurückzugeben, wenn keinerlei Ermittlungsansätze mehr vorlägen, die „die als Vermutung formulierten Gründe einer vorläufigen Sicherstellung bestätigen könnten“.
22
Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht – wie bereits dargelegt – weder von „Vermutungen“ hinsichtlich einer gegenwärtigen Gefahr noch von einer bloß „vorläufigen“ Sicherstellung des Bargelds ausgegangen ist.
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1.7. In umfangreichen Ausführungen wendet sich der Kläger gegen die Gesichtspunkte des hohen Betrages an Bargeld (93.350,00 Euro) sowie die für Betäubungsmittelhandel szenetypische Stückelung der Geldscheine (hier: 861 50-Euro-Banknoten), die das Verwaltungsgericht in die Gesamtschau seiner Prognose eingestellt hat. Unzutreffend sind dabei die Behauptungen, das Verwaltungsgericht habe die Stückelung des Geldbetrages bereits „für sich genommen“ oder „als Kernthese“ für die rechtswidrige Herkunft des Geldes gesehen.
24
Soweit der Kläger vorträgt, es gebe keine „szenetypische Stückelung“ von Geldbeträgen, und die Häufung von 50-Euro-Banknoten mit dem statistischen Anteil dieser Banknoten am gesamten Banknotenumlauf erklärt, ergibt sich daraus für den vorliegenden Fall keine Unrichtigkeit der Überlegungen des Verwaltungsgerichts. Dass eine Häufung von 50-Euro-Scheinen für die Drogenkriminalität „typisch“ ist, ist in der Rechtsprechung anerkannt (ausführlich dazu NdsOVG, U.v. 7.3.2013 – 11 LB 438/10 – juris Rn. 41). Bei dem hohen Geldbetrag erklärt sich auch nicht, warum die Stückelung zum Großteil aus 50-Euro-Scheinen bestand, zumal nach den polizeilichen Ermittlungen die Auszahlung des Betrages von 255.000,00 Euro am 24. Juni 2021 bei der Bank in Dortmund – auf die sich der Kläger berufen hatte – ausschließlich in neuwertigen 200-Euro-Banknoten erfolgt war.
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Der Hinweis des Klägers, damit weise jede übliche Abhebung von Bargeld aus einem Bankautomaten bereits eine „szenetypische Stückelung“ auf und unterliege damit der „jederzeitigen Gefahr der Sicherstellung“, verfängt nicht. Bei derartigen Abhebungen von Bankautomaten geht es bekanntermaßen um weitaus geringere Gesamtbeträge. Einen derartigen Fall betrifft auch die vom Kläger herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Hier ging es um einen Betrag von 590,00 Euro, dessen Geldscheine in der konkreten Stückelung in der Tat „gerichtsbekanntermaßen so auch bei der Abhebung eines entsprechenden Geldbetrags aus einem Geldautomat ausgegeben worden sein könnten“ (BGH, B.v. 8.12.2015 – 3 StR 384/15 – juris, obiter dictum in Rn. 7).
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1.8. Die umfangreichen Ausführungen zur Verwendung von Bargeld im Rechtsverkehr und über empirische Erkenntnisse der Verwendung von Bargeld enthalten nichts, was die Rechts- oder Tatsachenaussagen des Verwaltungsgerichts in Frage stellen würde.
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1.9. Soweit der Kläger vorträgt, er habe schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, warum er für den von ihm beabsichtigten Ankauf von Tiefkühl-Lkw in Griechenland eine Zahlung mit Bargeld geplant habe, wiederholt er letztlich seinen erstinstanzlichen Vortrag und beanstandet, dass das Verwaltungsgericht diesem Vortrag nicht gefolgt ist. Damit stellt er jedoch die Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichts nicht durchgreifend in Frage. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass das Gericht gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet. Diese Freiheit ist nur dann überschritten, wenn es entweder seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zu Grunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen. Dass ein Beteiligter den Sachverhalt anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse zieht, reicht hierfür nicht aus (BayVGH, B.v. 10.1.2023 – 10 ZB 22.1328 – juris Rn. 9). Eine Überschreitung der Grenzen der richterlichen Überzeugungsbildung legt das Zulassungsvorbringen hier aber nicht dar. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich begründet, warum es dem Sachvortrag des Klägers nicht folgt (UA S. 23 f.), daher genügt es nicht, erneut den erstinstanzlichen Vortrag darzulegen, ohne die Fehlerhaftigkeit der erstgerichtlichen Sachverhaltswürdigung zu substantiieren.
28
1.10. Entsprechendes gilt für die umfangreichen weiteren Darlegungen des Klägers zu einzelnen Gesichtspunkten des Sachverhalts, die das Verwaltungsgericht in seine Schlussfolgerung, das sichergestellte Bargeld stamme aus dem Drogenhandel und werde aller Voraussicht nach wieder dafür eingesetzt, eingestellt hat. Dies betrifft etwa die Behauptung, der sichergestellte Geldbetrag sei in Wirklichkeit nicht „hoch“, sowie die vorgetragenen Gründe für das Verstecken des Geldes in Hohlräumen des Fahrzeugs, ferner die angebliche Herkunft des Geldes und außerdem den positiv ausgefallenen Drug-wipe-Test. In Bezug auf das Verstecken des Geldes zeigt sich im Übrigen ein Widerspruch: während er nunmehr angibt, er selbst habe das Geld „in seiner Werkstatt in Dortmund verstaut“, hat er erstinstanzlich vorgetragen, dieses sei durch einen Herrn M. P. aus Koufalia (Griechenland) erfolgt (zweite Seite der Klageschrift, Bl. 25 VG-Akte).
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Soweit der Kläger beanstandet, das Verwaltungsgericht gehe von einer „einschlägigen“ Verurteilung des Klägers wegen „gewerblichem Drogenhandel“ aus, trifft diese Behauptung nicht zu. Das Gericht hat lediglich „ergänzend“ auf die Verurteilung „im einschlägigen Bereich der Drogenkriminalität hingewiesen (UA S. 24/25).
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Weiter bezweifelt der Kläger die „kriminalistische Erfahrung“ des Verwaltungsgerichts und die Aussage, es könne berücksichtigt werden, dass es kriminalistischer Erfahrung entspreche, dass das aus Drogengeschäften gewonnene Geld in der Regel zumindest teilweise wieder in die Beschaffung von Betäubungsmitteln investiert werde (UA S. 16). Insoweit bezieht sich das Gericht jedoch nicht auf „eigene“ kriminalistische Erfahrung, sondern zitiert hier Feststellungen aus der Rechtsprechung und Kommentarliteratur (NdsOVG, U.v. 7.3.2013 – 11 LB 438/10 – juris Rn. 38; siehe hierzu Senftl in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.3.2024, PAG Art. 25 Rn. 52; Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, Polizeiaufgabengesetz/Polizeiorganisationsgesetz, 6. Aufl. 2023, PAG Art. 25 Rn. 51).
31
1.11. Die Ausführungen in Bezug auf die „Abschöpfung“ rechtswidrig erworbener Vermögenswerte sind nicht schlüssig. Die Kläger weist richtig darauf hin, dass das Verwaltungsgericht hiervon gerade nicht ausgegangen ist (UA S. 21). Die Sicherstellung wird aber nicht – wie der Kläger wohl meint – allein durch den Zeitablauf zu einer „Abschöpfung“; vielmehr behält sie ihren sicherheitsrechtlichen Charakter (siehe oben 1.5.) und wird nicht zu einer strafrechtlichen Maßnahme.
32
1.12. Der Kläger unterstellt ferner, die Verkehrskontrolle einschließlich der Durchsuchung seien rechtswidrig gewesen und will hieraus ein „Beweisverwertungsverbot“ hinsichtlich des gefundenen und sichergestellten Bargelds ableiten. Jedoch waren diese Maßnahmen nicht „unstreitig“ rechtswidrig, vielmehr hat das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung dahingestellt gelassen und die Meinung vertreten, die „vorgefundenen Umstände“ seien „uneingeschränkt verwertbar“ (UA S. 22/23). Insoweit verweist es zu Recht darauf, dass strafprozessuale Beweisverwertungsverbote nicht ohne Weiteres auf das polizeiliche Gefahrenabwehrrecht übertragen werden können (siehe BayVGH, B.v. 5.3.2009 – 11 CS 08.3046 – juris Rn. 18 f.; BayVGH, B.v. 17.6.2009 – 11 CS 09.833 – juris Rn. 11 ff.; OVG NW B.v. 8.7.2021 – 5 B 1922/20 – juris Rn. 48; OVG NW, B. 10.10.2018 – 5 B 1128/18 – juris Rn. 7 f. m.w.N.). Der Kläger ist dieser gesicherten Rechtsprechung mit seinen pauschalen Ausführungen nicht substantiiert entgegengetreten.
33
1.13. Weiter trägt der Kläger vor, das Verwaltungsgericht habe ausdrücklich offengelassen, „ob in der Zurückführung des Geldes in die Bundesrepublik Deutschland nicht eine die Beschlagnahme begründende Straftat im Sinne des § 261 StGB (Geldwäsche) gesehen werden könnte“. Es unterstelle jedoch „offensichtlich“ das Vorliegen einer tatbestandlichen rechtswidrigen Handlung im Sinne des § 261 StGB. Da das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren aber mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden sei, hätte das Verwaltungsgericht eine rechtswidrige Tat selbst feststellen müssen.
34
Dieser Vortrag gibt die Ausführungen des Verwaltungsgerichts unzutreffend wieder. Es hat eine mögliche Absicht zur „Verwendung des Bargelds zur Begehung einer Straftat nach § 261 StGB“ ausdrücklich offengelassen, „denn das Gericht geht nicht von einer solchen Verwendungsabsicht aus“. Es sei vielmehr an der Prognose, dass das Geld wieder im Drogenhandel eingesetzt werden solle, festzuhalten (UA S. 24).
35
Soweit das Verwaltungsgericht noch darauf hingewiesen hat, der Kläger habe den Bargeldbetrag nicht gemäß Art. 3 der Verordnung (EG) 2018/1672 bei den Zollbehörden angemeldet, räumt der Kläger das Versäumnis ein, meint aber, es sei entschuldbar. Ein Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung ist damit nicht vorgetragen.
36
1.14. Ferner trägt der Kläger vor, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass er als Drogendealer einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Dies ergebe sich daraus, dass nach „kriminalistischer Erfahrung“ Bargeld in „szenetypischer Stückelung“ bei Drogendealern zu finden sei; aufgrund der Auffindesituation werde damit auch ihm vorgeworfen, Drogendealer zu sein. Diese Unterstellung findet jedoch im Urteil keinerlei Stütze. Das Verwaltungsgericht hat lediglich – eher am Rande – auf die Verurteilung vom 12. August 2016 „im einschlägigen Bereich der Drogenkriminalität“ (es handelte sich um unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln) hingewiesen (UA S. 24/25).
37
1.15. Schließlich wendet sich der Kläger noch gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass ein Herausgabeanspruch nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 PAG nicht vorliege. Das Gericht verkenne, dass nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft nicht mehr von einer strafbaren Handlung im Zusammenhang mit dem sichergestellten Bargeld ausgegangen werden könne. Dem ist (erneut) entgegenzuhalten, dass es hier nicht um eine Sicherstellung des Bargelds ging, um es im Verlauf weiterer strafrechtlicher Ermittlungen vorläufig zu „sichern“, sondern um die Abwehr einer zum Zeitpunkt der Sicherstellung vorliegenden gegenwärtigen (und derzeit noch immer bestehenden) Gefahr der Verwendung des Bargeldes zur Begehung von Betäubungsmittelstraftaten; diese Gefahr erledigt sich nicht durch bloßen Zeitablauf (siehe oben 1.5.). Auch bezüglich der weiteren vom Kläger aufgelisteten Gesichtspunkte hat sich – wie ausgeführt – der Sachverhalt nicht im Sinn des Art. 28 Abs. 1 PAG geändert.
38
2. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor.
39
Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 18.11.2022 – 10 ZB 21.2465 – juris Rn. 19; B.v. 23.1.2020 – 10 ZB 19.2235 – juris Rn. 4; B.v. 14.2.2019 – 10 ZB 18.1967 – juris Rn. 10).
40
2.1. Der Kläger formuliert zunächst als Frage von grundsätzlicher Bedeutung: „Gilt die Unschuldsvermutung des Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) auch im präventivpolizeilichen Verwaltungsverfahren?“ Jedenfalls dann, wenn dem unbescholtenen Bürger im Rahmen des präventiven polizeilichen Verwaltungshandelns die Begehung einer Straftat vorgeworfen werde, müsse der Rechtsgrundsatz des Art. 6 Abs. 2 EMRK Anwendung finden.
41
Diese Frage ist jedoch höchstrichterlich bereits geklärt, weshalb es keines Berufungsverfahrens bedarf. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu festgestellt: „Diese Unschuldsvermutung betrifft das strafprozessuale Verfahren und gerichtliche Entscheidungen, die an den Ausgang des Strafverfahrens anknüpfen. Sie soll verhindern, dass die Öffentlichkeit vorzeitig von der Schuld des Angeklagten ausgeht und die gerichtliche Beweiswürdigung vorweggenommen wird […]. Art. 6 Abs. 2 EMRK trifft keine Aussage über die Zulässigkeit von Maßnahmen der Gefahrenabwehr und -vorsorge, denen in aller Regel eine Prognose über die künftige Entwicklung anhand eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs zugrunde liegt. Gleiches gilt für Art. 48 Abs. 1 GRCh, wonach jeder Angeklagte bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis seiner Schuld als unschuldig gilt“ (BVerwG, B.v. 25.3.2019 – 6 B 163.18 u.a. – juris Rn. 9). Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (siehe z.B. BayVGH, B.v. 8.2.2021 – 10 ZB 20.340 – juris Rn. 15).
42
2.2. Als weitere klärungsbedürftige Frage benennt der Kläger: „Führt die Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens gemäß § 170 Abs. 2 StPO, das im Rahmen des die Sicherstellung begründenden Polizeieinsatzes eingeleitet wurde, zum Entfall der Sicherstellungsvoraussetzungen der Gegenstände, die im Rahmen dieses Verfahrens sichergestellt wurden?“
43
Diese Frage trifft nicht auf den vorliegenden Fall zu, weil es hier nicht um eine Sicherstellung im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens geht, sondern um eine davon (rechtlich) unabhängige Sicherstellung auf präventivpolizeilicher Grundlage nach Art. 25 Abs. 1 PAG. Hier geht es nicht um das Ergebnis staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen, sondern um die Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr, wofür andere Maßstäbe gelten (siehe oben 1.2. und 1.5.).
44
3. Es liegt auch kein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann, im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vor.
45
3.1. Der Kläger trägt vor, es habe ein Ladungsfehler vorgelegen, auf dem die Entscheidung beruhen könne. Geladen worden sei das Verfahren in den Saal 01 des Verwaltungsgerichts, stattgefunden habe die mündliche Verhandlung im Saal 02, ohne dass eine Verlegung auf dem Aushang vermerkt worden sei. Personen, die an der mündlichen Verhandlung teilnehmen wollten, seien insoweit ausgeschlossen gewesen; das Verfahren habe daher nicht öffentlich im Sinne der Verwaltungsgerichtsordnung stattgefunden.
46
Diese Rüge einer Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit (§ 55 VwGO i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG) ist nicht gerechtfertigt. Dadurch, dass die mündliche Verhandlung nicht in dem in der Ladung angegebenen Sitzungssaal stattgefunden hat, sondern kurzfristig ohne besonderen schriftlichen Hinweis in einem anderen Saal desselben Gerichtsgebäudes durchgeführt wurde, ist die Öffentlichkeit der Sitzung nicht verletzt worden. Das Gebot der Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens bedeutet, dass die Verhandlung in Räumen stattfinden muss, zu denen während der Dauer der Verhandlung grundsätzlich jedermann der Zutritt offensteht. Es ist nicht geboten, die mündliche Verhandlung durch Aushang bekanntzumachen, weil das Merkmal der Öffentlichkeit eine an jedermann gerichtete Bekanntgabe, wann und wo eine Gerichtsverhandlung stattfindet, nicht voraussetzt. Eine – selbst kurzfristig beschlossene – Verlegung des Ortes der Verhandlung bedarf keiner öffentlichen Bekanntgabe (BVerwG, B.v. 15.9.1994 – 1 B 170.03 – juris Rn. 5; BVerwG, B.v. 12.6.1986 – 5 CB 140.83 – juris Rn. 3).
47
Aus dem Vorbringen des Klägers ist nicht zu entnehmen, weshalb Personen, die an der mündlichen Verhandlung teilnehmen wollten, hier „ausgeschlossen“ gewesen sein sollten, zumal die beiden Sitzungssäle sich unmittelbar nebeneinander befinden; nach den unwidersprochenen Angaben des Beklagten wurde auch per Aushang vor dem jeweiligen Sitzungssaal auf die anstehenden Verhandlungen hingewiesen.
48
3.2. Soweit der Kläger schließlich einen Verstoß gegen die richterliche Aufklärungspflicht durch die Nicht-Vernehmung schriftsätzlich benannter Zeugen rügt, kann er damit ebenfalls nicht durchdringen.
49
Die Rüge greift schon deswegen nicht durch, weil eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht grundsätzlich nicht geltend gemacht werden kann, wenn ein anwaltlich vertretener Kläger es – wie hier – unterlassen hat, in der mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen (vgl. etwa BVerwG, B.v. 20.12.2012 – 4 B 20.12 – juris Rn. 6). Mit der Aufklärungsrüge können Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten, vor allem unterbliebene Beweisanträge, nicht kompensiert werden (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 10 ZB 16.1049 – juris Rn. 8).
50
Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung am 7. Dezember 2022 (Bl. 117 ff. der Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts) hat der Kläger keinen Beweisantrag gestellt. Denn ein Beweisantrag im Sinn des § 86 Abs. 2 VwGO liegt nur vor, wenn der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung von dem Gericht ausdrücklich begehrt, es solle die Behauptung einer bestimmten Tatsache durch ein zu benennendes Beweismittel feststellen (Breunig in Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, Stand 1.4.2024, § 86 Rn. 63, m.w.N.). Nur schriftsätzlich vorgebrachte Beweisangebote sind keine Beweisanträge in diesem Sinn, sondern unverbindliche Beweisanregungen, die eine Beweiserhebung in das Ermessen des Gerichts stellen (Breunig in Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, Stand 1.4.2024, § 86 Rn. 64).
51
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GKG.
52
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).