Titel:
Fälligkeit der Gerichtsgebühren und Antragstellerhaftung bei sechs Monaten des Nichtbetriebs eines Scheidungsverbundverfahrens
Normenketten:
FamGKG § 11 Abs. 1 Nr. 3, § 21 Abs. 1 S. 1, § 57 Abs. 2, Abs. 3
FamFG § 137 Abs. 2 S. 2, § 150 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Antragstellerhaftung gem. § 21 Abs. 1 FamGKG in einem Scheidungsverbundverfahren erstreckt sich nicht auf die von der Antragsgegnerseite im Wege des Widerantrages gestellten Folgesachenanträge. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Beantragt der Gegner eines Stufenantrages, dem Antragsteller eine Frist zur Erledigungserklärung eines Vorbereitungsantrages zu stellen und nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zu terminieren, liegt kein Nichtbetreiben iSv § 11 Abs. 1 Nr. 3 FamGKG vor, wenn über einen Zeitraum von sechs Monaten weder das Gericht hierauf reagiert, noch die Beteiligten darauf zurückkommen. (Rn. 13 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antragstellerhaftung, Nichtbetreiben des Scheidungsverfahrens, Zugewinn, Folgesache, Unterhalt, Gerichtsgebühren, Schlusskostenrechnung
Vorinstanz:
AG Landshut, Beschluss vom 05.10.2023 – 5 F 1230/21
Fundstellen:
RPfleger 2024, 298
JurBüro 2024, 256
FamRZ 2024, 886
BeckRS 2024, 2027
LSK 2024, 2027
Tenor
Der Beschluss vom 05.10.2023 sowie der Kostenansatz des Amtsgerichts Landshut vom 04./06.07.2023 (KR III) werden aufgehoben.
Gründe
1
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 17.12.2021 die Scheidung von der Antragsgegnerin beantragt. Diese machte am 17.12.2021 ihrerseits Auskunftsansprüche zur Ermittlung des nachehelichen Unterhalts sowie zur Höhe des Zugewinnes (Güterrecht) geltend; diese Folgesachen, auch der Versorgungsausgleich, werden vom Amtsgericht in getrennten Sonderheften geführt.
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In der Scheidungssache kam es zu Terminierungen und Terminsverlegungen. Mit Verfügung vom 14.09.2022 hob das Amtsgericht den auf den Folgetag bestimmten Termin wegen „Erkrankung des Richters und Erledigterklärung der Auskunftsstufe“ auf.
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In dem Verfahren betreffend den nachehelichen Unterhalt erließ das Gericht am 01.04.2022 im schriftlichen Verfahren einen Teilbeschluss, wonach der Antragsteller zur Auskunft verpflichtet und die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten wurde. Der Antragsteller legte mit Schriftsatz vom 14.04.2022 die Auskunft zum Einkommen vor.
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In dem Sonderheft „Unterhalt Ehegatte“ findet sich sodann ein Schriftsatz des Antragstellers vom 27.10.2022, in dem er bemerkt, er habe am 14.04.2022 vollständige Auskunft erteilt; seitdem könne kein Fortgang in der Sache verzeichnet werden. Seiner Auffassung nach sei die Auskunftsstufe von der Antragsgegnerin für erledigt zu erklären. Er beantrage, dieser hierzu eine Frist zu setzen. Überdies möge die Gegenseite darauf hingewiesen werden, dass das Gericht bei fruchtlosem Fristablauf terminieren werde. Das Gericht verfügte hierauf die Mitteilung dieses Schreibens sowie eines weiteren Schriftsatzes des „Antragstellers vom 13.09.2022“ an die Antragsgegnerin. Diese teilte am 08.12.2022 mit, ihr sei lediglich der Schriftsatz des Antragstellers vom 27.10.2022 übersandt worden. Die Mitteilung des Gerichts, wonach der Antragsteller am 13.09.2022 das Verfahren in der Auskunftsstufe für erledigt erklärt habe, sei nicht verständlich. Eine Reaktion des Gerichts hierauf enthält dieses Heft nicht.
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Ausweislich des weiteren Sonderheftes „Güterrecht“ legte der Antragsteller am 09.02.2022 ein Vermögensverzeichnis vor, dessen Vollständigkeit die Antragsgegnerin bezweifelte (Schriftsatz 17.03.2022). Mit Schriftsatz vom 29.06.2022 teilte die Antragsgegnerin mit, Nachforschungen bei der Geschäftsstelle des Gerichts hätten ergeben, dass ihr eine Antwort des Antragstellers auf die Rügen vom 17.03.2022 nicht zugestellt worden sei. Nach weiteren Auseinandersetzungen hinsichtlich der Vollständigkeit des Vermögensverzeichnisses erklärte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 13.09.2022 die Folgesache Güterrecht in der Auskunftsstufe für erledigt. Dieser Schriftsatz wurde dem Antragsteller erst gemäß Verfügung vom 09.12.2022 zugestellt. Auch das Sonderheft „Güterrecht“ enthält den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 08.12.2022, vgl. oben.
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Im Scheidungsverfahren vermerkte das Amtsgericht am 14.03.2023, in den Folgesachen „nachehelicher Unterhalt“ und „Güterrecht“ sei jeweils die Bezifferung ausstehend. Als Wiedervorlage wurde der 15.06.2023 mit dem Klammerzusatz „§ 10 AktO?“ notiert. Am 29.06.2023 ist vermerkt, das Verfahren sei seit sechs Monaten nicht mehr betrieben worden und gelte gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 AktO als erledigt; die Akte sei wegzulegen.
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Die Kostenbeamtin erstellte hierauf gegenüber dem Antragsteller für die Gerichtsgebühren die beschwerdegegenständliche Schlusskostenrechnung vom 04.07.2023; dieser hafte als Antragsschuldner gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 FamGKG. Das Verfahren sei durch Nichtbetrieb beendet, was auch keine Gebührenermäßigung gemäß KV-FamGKG Nr. 1111 zur Folge habe. Die Verfahrenswerte von Scheidungsverfahren sowie der Folgesachen werden dabei in dem Kostenansatz addiert und nach KV-FamGKG Nr. 1110 aus dem Gesamtbetrag von € 362.894,00 berechnet (Scheidung und Folgesachen – unter Abzug der bereits geleisteten Vorauszahlung). Der Betrag sei laut Bezirksrevisor nach sechs Monaten gemäß „§ 9 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG“ auch fällig.
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Gegen diesen Kostenansatz wandte sich der Antragsteller mit Schreiben vom 19.07. sowie Schriftsatz vom 21.07.2023. Die Rechnung sei überraschend und von der Höhe her nicht verständlich.
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Mit Beschluss vom 25.07.2023 setzte das Gericht hierauf den Verfahrenswert für das Verfahren vorläufig auf € 362.894,00 fest (Ehesache: € 118.212,00, Versorgungsausgleich € 32.726,00, Ehegattenunterhalt geschätzt: € 12.000,00 sowie Güterrecht geschätzt € 199.956,00).
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Am 22.08.2023 beantragte der Antragsteller Zurückweisung der Folgesachenanträge, Terminierung der Scheidungssache sowie Aufhebung der Kostenrechnung vom 06.07.2023: Selbst ein Nichtbetreiben der Folge sachen führe nicht zu einer „Beendigung“ des Scheidungsverfahrens. Die Behauptung in der gerichtlichen Verfügung, das Verfahren sei „beiderseitig nicht betrieben“ worden, sei falsch. Dem Antragsteller sei zu keiner Zeit mitgeteilt worden, dass das Scheidungsverfahren ruhend gestellt worden sei. Bezeichnend sei auch, dass die gerichtlich vorgenommene Wertfestsetzung erst nach Erstellung der Kostenrechnung erfolgt sei.
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Das Gericht erließ hierauf den nunmehr angefochtenen Beschluss, mit dem es die Erinnerung zurückwies: Das Verfahrens sei ab dem 08.12.2022 nicht mehr betrieben worden. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er sich im Wesentlichen gegen die Annahme eines „Nichtbetreibens“ wendet. Mit Schreiben vom 27.10.2022 habe er noch einmal auf die bereits erteilte Auskunft in der Unterhaltssache hingewiesen und beantragt, der Antragsgegnerin eine Frist zur Erledigungserklärung zu setzen. Weder die Auskunft noch dieser Schriftsatz seien in dem Beschluss erwähnt. Vielmehr sei im Anschluss an den Schriftsatz vom 27.10.2022 keine gerichtliche Tätigkeit mehr bis zum Erlass der Kostenrechnung zu verzeichnen. § 21 FamGKG könne nicht die Haftung des Antragstellers für die gesamten Kosten rechtfertigen; die Folgesachen seien vielmehr von der Antragsgegnerin beantragt worden. Scheidungsverfahren und Folgesachen stünden zwar im Scheidungsverbund, seien jedoch grundsätzlich eigenständig; auf die Begründung im Einzelnen wird Bezug genommen.
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Die gemäß §§ 57 Abs. 2, Abs. 3 FamGKG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg; die Annahme, „das Verfahren“ sei nicht betrieben worden, ist hier nicht gerechtfertigt und die Antragstellerhaftung des § 21 FamGKG erfasst auch nicht die von der Antragsgegnerin geltend gemachten Folgesachen.
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1. Nach dem aus den Akten ersichtlichen Verfahrensablauf lässt sich nicht von einem „Nichtbetreiben“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 3 FamGKG ausgehen:
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Zu Recht weist die Beschwerde darauf hin, der Schriftsatz des Antragstellers vom 27.10.2022 hätte eine Reaktion des Gerichts erfordert. Sollte es der Auffassung gewesen sein, es habe einer Erledigungserklärung seitens der Antragsgegnerin nicht mehr bedurft, hätte dies mitgeteilt werden müssen. Gerügt wird in dem Schriftsatz ferner, es könne kein Fortgang in der Sache verzeichnet werden. Der Schriftsatz ist überschrieben mit „nachehelicher Unterhalt“, so dass selbst ein fehlender Fortgang in dieser Sache kein Nichtbetreiben auch der übrigen Verfahren bedeutete.
15
Die Schriftsätze der beiden Parteien sind durchgängig mit einem Betreff versehen („Zugewinn“ bzw. „nachehelicher Unterhalt“ sowie „Scheidung“). Teilweise wurden die Schriftsätze offensichtlich in das Sonderheft der anderen Angelegenheit einpaginiert, was die von den Verfahrensbevollmächtigten mehrfach vorgebrachten Unklarheiten erklärt: Beispielsweise wurde der Termin in der Scheidungssache vom 15.09.2022 auch wegen „Erledigterklärung der Auskunftsstufe“ aufgehoben, offensichtlich, weil der Schriftsatz des Antragstellers vom 12.09.2022 mit der Überschrift „Zugewinn“ in die Akten des Scheidungsverfahrens einpaginiert wurde. Im Sonderheft „Unterhalt Ehegatte“ wird am 17.11.2022 festgestellt, die Antragstellerseite habe mit Schriftsatz vom 13.09.2022 das Verfahren in der Auskunftsstufe für erledigt erklärt. Abgesehen davon, dass nicht der Antragsteller, als Schuldner, vielmehr die Antragsgegnerin diese Erledigterklärung abgegeben hat, bezog diese sich auf die Folgesache Güterrecht.
16
Dies führte offensichtlich zu den aus dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 08.12.2022 erkennbaren Missverständnissen. Diese konnten auch nicht hinreichend dadurch behoben werden, dass der Antragsgegnerin deren eigener Schriftsatz vom 13.09.2022 zugestellt wurde (Sonderheft Güterrecht, Bl. 45). Vor diesem Hintergrund jedenfalls konnte nicht davon ausgegangen werden, die Parteien hätten kein Interesse mehr an der Scheidung und den Folgesachen, zumal hier eine Bezifferung angekündigt war (zum Nichtbetreiben vgl. Schneider/Volpert/Fölsch, Ges. KostenR, 3. Aufl., § 9 GKG Rn. 16).
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Schon die Fälligkeitsvoraussetzung des § 11 Abs. 1 Nr. 3 FamGKG – nicht § 9 FamGKG – ist damit nicht gegeben. Demnach haftet der Antragsteller auch nicht für die nicht von einem Antrag der Gegenseite abhängige Folgesache „Versorgungsausgleich“ (vgl. § 137 Abs. 2 Satz 2 FamFG).
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2. Der Antragsteller haftet auch nicht gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 FamGKG für die Kosten der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Folgesachen „Nachehelicher Unterhalt“ und „Güterrecht“:
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Die Antragstellerhaftung ist dann nicht mehr gegeben, wenn der Antragsgegner die „Angreiferrolle“ übernimmt, in dem er beispielsweise Widerklage erhebt oder einen Widerantrag stellt (vgl. näher etwa Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 5. Aufl., § 21 FamGKG Rn. 2; § 22 GKG Rn. 4; Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl., § 22 GKG Rn. 7, unter „Beklagter“; Meyer, GKG/FamGKG, 17. Aufl., § 22 Rn. 10 ff.).
20
Ungeachtet des Scheidungsverbundes im Sinne von § 137 FamFG haftet der Antragsteller des Scheidungsverfahrens nicht für die von der Antragsgegnerin in Gang gesetzten Folgesachen. Zweck des Verbundes ist insbesondere der Schutz des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten; kostenrechtliche Auswirkungen zu Gunsten der Staatskasse sind damit nicht beabsichtigt. Scheidungs- und Folgesachen sind eigenständig (s. z.B. Sternal-Weber, FamFG, 21. Aufl., § 137 Rn. 3). Die Folgesachen setzen – von § 137 Abs. 2 Satz 2 FamFG/Versorgungsausgleich abgesehen – einen gesonderten Antrag voraus, weshalb der Antrag auf Scheidung für sich nicht zu einer Haftung des Antragstellers auch für die von der Antragsgegnerin eingeführten Folgesachen führt (vgl. Näher BeckOK KostenR, Dörndorfer u.a., – Siede, Std. 01.01.24), § 21 FamGKG Rn. 14; 17.1; Weber, a.a.O., § 137 Rn. 19). Für den Versorgungsausgleich bei der Scheidung mag dies nicht gelten, weil darüber von Amts wegen zu befinden ist (s. § 137 Abs. 2 Satz 2 FamFG).
21
Aus § 150 Abs. 2 FamFG folgt im derzeitigen Stadium nichts anderes, da hier noch gar keine Kostengrundentscheidung vorliegt (und der Scheidungsantrag auch nicht zurückgenommen wurde).
22
Nachdem die Verfahren fortgesetzt werden, werden die Gerichtskosten entsprechend der zu treffenden Kostengrundentscheidung zu verteilen sein.
23
3. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 57 Abs. 8 FamGKG.