Titel:
Formunwirksamkeit eines Testamentes bei Verweis auf den durch Adressaufkleber genannten Erben mit einem Symbol
Normenkette:
BGB § 125 Abs. 1, § 2247 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein handschriftliches Testament ist formunwirksam, wenn der Bedachte durch einen maschinenschriftlichen Adressaufkleber (hier: auf einem Briefumschlag) benannt werden soll. Das Schriftformerfordernis für eigenhändige Testamente stellt eine grundsätzliche Wirksamkeitsvoraussetzung dar, von der auch im Einzelfall nicht abgewichen werden kann. (Rn. 10 und 15)
2. Eine Verfügung von Todes wegen ist auch dann formunwirksam, wenn die Zuwendung dergestalt erfolgen soll, dass zur Person des Bedachten nur ein Symbol (hier: Pfeil) weist, denn bei Symbolen handelt es sich nicht um eine Schrift, die auf ihre Eigenhändigkeit hin untersucht werden könnte. (Rn. 13 – 14)
Schlagworte:
Testament, Form, Adressaufkleber, Symbol, Verweis
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 01.12.2022 – 618 VI 1071/22
Fundstellen:
RPfleger 2024, 696
MDR 2024, 1390
FGPrax 2024, 235
ErbR 2024, 869
FamRZ 2024, 1906
ZEV 2024, 679
FDErbR 2024, 020208
ZErb 2024, 390
NJW-RR 2025, 78
LSK 2024, 20208
RNotZ 2024, 620
BeckRS 2024, 20208
Tenor
1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts München – Nachlassgericht – vom 01.12.2022, Az. 618 VI 1071/22, wird zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer trägt die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren bleibt vorbehalten.
Gründe
1
Die ledige Erblasserin ist am …2022 kinderlos verstorben. Der Beschwerdeführer begehrt die Erteilung eines ihn als Alleinerben ausweisenden Erbscheins. Dafür beruft er sich auf ein Schriftstück, das von der Erblasserin herrühren soll.
2
Bei dem Schriftstück handelt es sich um die Vorderseite eines Fensterbriefumschlages im Format 21 cm x 11 cm. In der linken oberen Ecke finden sich die eingekreisten Buchstaben „kl. Test.“ Oberhalb des Fensters befindet sich das Wort [Nachname der Erblasserin] vom Beschwerdeführer auf das Briefkuvert geschrieben worden ist. In der Mitte bzw. am rechten Rand befindet sich folgender Text bzw. folgendes Symbol:
„Familie F. Liebe Grüße!!!
Internet alles löschen Seelenmess! Rechter Schrank schw. Kleid Schultertuch Gab: 2‘.
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Neben den letzten beiden Zeilen in der rechten unteren Ecke des Briefkuverts befindet sich ein Adressaufkleber des Beschwerdeführers. Zwischen den Wörtern „Rest dir“ und dem Adressaufkleber befindet sich ein Pfeil, der auf den Namen des Beschwerdeführers weist. Die (vermeintliche) Unterschrift der Erblasserin befindet sich oberhalb dieses Adressaufklebers neben dem Wort „Schultertuch“.
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Der Beschwerdeführer behauptet, alle übrigen Wörter und Schriftzeichen, auch der Pfeil zu dem Adressschild seien von der Erblasserin selbst gefertigt worden. Am 21.10.2022 beantragte der Beschwerdeführer einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist.
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Mit Beschluss vom 01.12.2022 wies das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag zurück. Es stützte sich unter anderem darauf, dass das Formerfordernis des § 2247 Abs. 1 BGB nicht gewahrt und ein Testierwille nicht ersichtlich sei.
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Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 25.08.2023, mit der der Beschwerdeführer seinen Antrag weiter erfolgt. Dieser Beschwerde half das Nachlassgericht mit Beschluss vom 13.12.2023 nicht ab und legte die Akten dem Senat zu Entscheidung vor.
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Die Beschwerde ist zulässig, bleibt im Ergebnis jedoch ohne Erfolg.
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Der Senat teilt die Ansicht des Nachlassgerichts, dass das verfahrensgegenständliche Schriftstück keine formwirksame Verfügung von Todes wegen darstellt.
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1. Nach § 2247 Abs. 1 BGB kann der Erblasser ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten. Zweck dieses Schriftformerfordernisses ist es insbesondere, den wirklichen Willen des Erblassers zur Geltung kommen zu lassen, in dem es die Selbstständigkeit dieses Willens nach Möglichkeit verbürgt und die Echtheit seiner Erklärungen so weit wie möglich sicherstellen soll (BGH, Beschluss vom 03.02.1967, III ZB 14/66, NJW 1967, 1124; OLG Frankfurt, 20 W 542/11, ZEV 2013, 334).
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Die Voraussetzungen des eigenhändig geschriebenen Testaments sind eng auszulegen. Als eigenhändig geschrieben ist nur ein solches Testament anzusehen, das nicht nur vom Erblasser persönlich abgefasst und niedergelegt, sondern auch von ihm in der ihm eigenen Schrift geschrieben und damit in einer Art und Weise errichtet worden ist, welche die Nachprüfung der Echtheit des Testaments aufgrund der individuellen Züge, die die Handschrift eines jeden Menschen aufweist, gestattet (BGH, Beschluss vom 03.02.1967, III ZB 14/66, NJW 1967, 1124). Daher entspricht z. B. die Anordnung des letzten Willens in Bildern nicht der gesetzlichen Form (Lange/Kuchinke, ErbR, 2001, § 20 IV.1.c).33 Wx 329/23 e – Seite 4 – Die Unterschrift soll das Testament räumlich abschließen, um spätere Zusätze auszuschließen (MüKoBGB/Sticherling, 9. Aufl. 2022, BGB, § 2247 Rn. 39). Sie ist zwingendes Gültigkeitserfordernis, von dem aus Gründen der Rechtssicherheit nicht abgegangen werden kann. Sie garantiert die Ernstlichkeit der letztwilligen Verfügung. Nur die Unterschrift gibt die Gewähr für den Abschluss des Testaments durch den Erblasser (Abschlussfunktion der Unterschrift), sie hat grundsätzlich am Schluss der Urkunde zu erfolgen (BGH, Urteil vom 20.11.1990, XI ZR 107/89, NJW 1991, 487; BGH, Urteil vom 21.01.1992, XI ZR 71/91, NJW 1992, 829; Senat, 33 Wx 119/23, ErbR 2024, 121).
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2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann das vorliegende Schriftstück nicht als formwirksame Verfügung von Todes wegen angesehen werden. Weder wurde es von der Erblasserin durchgängig handschriftlich verfasst, noch weist es eine Unterschrift auf.
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a) Das vorliegende Schriftstück stellt schon deswegen keine wirksame Verfügung von Todes wegen dar, weil es nicht durchgängig handschriftlich verfasst wurde, § 2247 Abs. 1 BGB.
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aa) Bei dem auf dem Schriftstück angebrachten Pfeil handelt es sich um ein Symbol und damit nicht um Schrift. Hinsichtlich des Pfeils ist eine Überprüfung der Urheberschaft von vornherein ausgeschlossen.
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bb) Dahinstehen kann im vorliegenden Fall, dass es nur schwer vorstellbar erscheint, dass der Pfeil von einer anderen Person als von der Erblasserin selbst stammt. Da es bei der Frage der Formwirksamkeit eines Testaments um grundsätzliche Wirksamkeitsvoraussetzungen geht, kann es hierauf nicht ankommen. Aufgrund der von der Erblasserin gewählten Gestaltung des Schriftstücks, also der Kombination aus handschriftlichen Worten einerseits – die für sich allein genommen keine auslegbare letztwillige Verfügung darstellen – und einem Pfeil, d. h. einem Symbol andererseits, mangelt es bereits an der grundsätzlichen Funktion der Sicherstellung der Echtheit der Erklärung. Diese kann sich nicht nur auf einen Teil – den in geschriebene Worte gefassten – beschränken, sondern muss sich auf den gesamten Erklärungsinhalt erstrecken, da nur so sichergestellt ist, dass es sich durchgängig um den letzten Willen der Erblasserin handelt. Eine derartige Überprüfung der Echtheit kann hinsichtlich des angebrachten Pfeils aber grundsätzlich gerade nicht erfolgen, da dieser ohne eine Möglichkeit der Nachprüfung – z. B. durch Schriftsachverständigengutachten – abgeändert oder angebracht worden sein kann.
15
cc) Auch der Adressaufkleber, auf dem sich Name und Anschrift des Beschwerdeführers befinden, wahrt – ersichtlich – nicht die Form des § 2247 Abs. 1 BGB. Ohne den nicht handschriftlichen Teil liegt aber keine aus sich heraus verständliche Verfügung von Todes wegen vor, vielmehr bedürfte es gerade des Aufklebers, um überhaupt zu einer Erbeinsetzung und dann zu einer solchen des Beschwerdeführers zu gelangen. Eine Verfügung von Todes wegen, die insoweit nicht der gesetzlichen Form entspricht, ist gemäß § 125 Abs. 1 BGB nichtig.
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b) Schließlich fehlt es auch an einer eigenhändigen Unterschrift der Erblasserin. Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich bei dem Schriftzug oberhalb des Aufklebers um die „Unterschrift“ der Erblasserin handeln würde, handelt es sich im vorliegenden Fall gerade nicht um eine Unterschrift, da der Schriftzug das Schriftstück räumlich nicht abschließt. Zwar hat es das BayObLG für möglich gehalten, dass eine Unterschrift mangels eines freien Raums unter dem Text auch rechts neben dem Text auf demselben Blatt von unten nach oben angebracht werden könne (BayObLG, Beschluss vom 12.03.1981, BReg. 1 Z 3/81, BayObLGZ 1981, 79), allerdings liegen diese Voraussetzungen hier nicht vor, so dass nicht entschieden werden muss, ob dieser Rechtsprechung zu folgen ist.
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Die Erblasserin hätte eine Unterschrift jedenfalls auf dem freien Raum neben der Anschrift des Erblassers auf dem Aufkleber und damit unterhalb seines Namens anbringen können, womit sichergestellt gewesen wäre, dass die Person des Zuwendungsempfängers von der Unterschrift gedeckt ist. Da dies vorliegend nicht der Fall ist, scheitert die Wirksamkeit des streitgegenständlichen Schriftstücks als Testament auch an der fehlenden Unterschrift.
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3. Auf die Frage, ob aus der Wahl des Briefkuverts als Schreibmaterial auf einen mangelnden Testierwillen zu schließen ist, kommt es nach allem nicht mehr an.
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Der Beschwerdeführer trägt die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren bleibt vorbehalten, bis das Nachlassgericht den Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls ermittelt hat.
21
Die Voraussetzung für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.