Inhalt

OLG München, Beschluss v. 09.08.2024 – 33 Wx 115/24 e
Titel:

Abschlussfunktion der Unterschrift bei eigenhändigem Testament

Normenkette:
BGB § 2247 Abs. 1, Abs. 3
Leitsätze:
1. Befindet sich der Namenszug des Erblassers neben dem übrigen Text, obwohl unterhalb des Textes ausreichend Raum für eine Unterschrift wäre, stellt dieser Namenszug keine Unterschrift gemäß den Anforderungen zur Errichtung eigenhändiger Testamente dar. (Rn. 14)
2. Kann erst unter Zuhilfenahme des formunwirksamen Teils einer Verfügung (hier: Überschrift „Last will“) der Schluss gezogen werden, dass es sich um eine Verfügung von Todes wegen handeln soll, lässt sich ein Testierwille daraus nicht ableiten (Anschluss an: BayObLG, Beschluss vom 09.03.2005, 1Z BR 112/04). (Rn. 20)
Schlagworte:
eigenhändiges Testament, Formwirksamkeit, Unterschrift, Testierwille
Vorinstanz:
AG Augsburg, Beschluss vom 23.02.2024 – 2 VI 2135/23
Fundstellen:
RPfleger 2024, 694
FGPrax 2024, 236
FamRZ 2024, 1905
NWB 2024, 2892
ErbR 2024, 871
LSK 2024, 20202
RNotZ 2024, 620
BeckRS 2024, 20202
ZErb 2024, 435
NJW-RR 2024, 1462
ZEV 2024, 680
FDErbR 2024, 020202

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Augsburg – Nachlassgericht – vom 23.02.2024, Az. 2 VI 2135/23, in Ziffern 1 und 2 aufgehoben.
2. Das Nachlassgericht wird angewiesen, dem Beschwerdeführer ein Europäisches Nachlasszeugnis zu erteilen, das bezeugt, dass der Erblasser […],von [Beschwerdeführer] allein beerbt worden ist.
3. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Augsburg – Nachlassgericht – vom 23.02.2024, Az. 2 VI 2135/23, in Ziffer 6 wie folgt neu gefasst:
a) Der Beteiligte zu 1 trägt die gerichtlichen Kosten des von ihm veranlassten Verfahrens auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses.
b) Der Beschwerdeführer trägt die gerichtlichen Kosten des von ihm veranlassten Verfahrens auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses.
c) Außergerichtliche Kosten werden in beiden Verfahren nicht erstattet.
d) Gerichtliche Kosten für das Verfahren auf Errichtung einer Nachlasspflegschaft werden nicht erhoben.

Gründe

I.
1
Der geschiedene Erblasser war britischer Staatsangehöriger und lebte in Deutschland. Er ist zwischen dem …03.2023 und dem …03.2023 in Deutschland verstorben. Der Beschwerdeführer ist sein Sohn, die Beteiligten zu 1 bis 6 sind seine Angehörigen.
2
Nach dem Tod des Erblassers wurde am …2023 durch die Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1 bis 6 beim Nachlassgericht ein Schriftstück im Format A4 abgeliefert, bei dem es sich um das Testament des Erblassers handeln soll. Der Text befindet sich dabei allein in der oberen Blatthälfte, die untere Blatthälfte ist leer. Das Schriftstück hat folgenden Inhalt:
3
Maschinenschriftlich]: „LAST WILL AND TESTAMENT for [Name des Erblassers handschriftlich:
4
Name [= B2] 40% Name [= Beschwerdeführer] 25% Name [= B4] 10% Name [= B3] 10% [Erblasser] Name [= B1] 5% [Ort] 7 pm Name [= B6] 5% TT MM 2022.“
5
Name [= B5] 5% Gestützt auf dieses Schriftstück beantragte der Beteiligte zu 1 mit notarieller Urkunde vom 25.07.2023 die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, das die Beteiligten zu 1 bis 6 entsprechend der im o.g. Schriftstück ausgewiesenen Prozentsätze als Miterben ausweist.
6
Dem ist der Beschwerdeführer entgegengetreten. Er ist der Ansicht, das Schriftstück stelle keine formwirksame Verfügung von Todes wegen dar, im Übrigen sei der Erblasser testierunfähig gewesen. Er hat deswegen seinerseits mit notarieller Urkunde vom 24.10.2023 einen Antrag auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses gestellt, das ihn aufgrund gesetzlicher Erbfolge als Alleinerben ausweist.
7
Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 23.02.2024, den Beteiligten zugestellt am 28.02.2024, die Erteilung des von dem Beteiligten zu 1 beantragten Europäischen Nachlasszeugnisses angekündigt und den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses zurückgewiesen ebenso wie dessen Antrag auf Errichtung einer Nachlasspflegschaft.
8
Der dagegen mit Schriftsatz vom 27.03.2024 eingelegten Beschwerde hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 16.04.2024 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
9
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache ganz überwiegend Erfolg.
10
Der Beschluss des Nachlassgerichts war aufzuheben, soweit die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses zugunsten des Beteiligten zu 1 angekündigt worden und der Antrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen worden ist. Insoweit war das Nachlassgericht anzuweisen, das vom Beschwerdeführer beantragte Europäische Nachlasszeugnis zu erteilen.
11
Soweit der Beschwerdeführer die Errichtung einer Nachlasspflegschaft beantragt hat und dieser Antrag im angefochtenen Beschluss zurückgewiesen worden ist, konnte der Senat von der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung absehen. Zwar lagen die Voraussetzungen für die Errichtung einer Nachlasspflegschaft vor; durch die mit dem vorliegenden Beschluss ergangene Anweisung an das Nachlassgericht, das beantragte Europäische Nachlasszeugnis zugunsten des Beschwerdeführers zu erteilen, ist der Erbe jedoch nicht mehr unbekannt.
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1. Es ist gesetzliche Erbfolge eingetreten, da eine wirksame Verfügung von Todes wegen nicht vorliegt. Bei dem Schriftstück vom 24.03.2022 handelt es sich nicht um ein formgültiges Testament im Sinne des § 2247 Abs. 1, 3 BGB. Insoweit mangelt es bereits an der erforderlichen Unterschrift.
13
a) Eine Unterschrift ist der räumliche Abschluss einer Urkunde. Sie soll sicherstellen, dass keine späteren Zusätze vorgenommen werden. Sie ist bei der Errichtung eines Testaments im Sinne des § 2247 BGB zwingendes Gültigkeitserfordernis, von dem aus Gründen der Rechtssicherheit nicht abgewichen werden kann. Sie garantiert die Ernstlichkeit der letztwilligen Verfügung. Nur die Unterschrift gibt die Gewähr für den Abschluss des Testaments durch den Erblasser (MüKoBGB/Sticherling BGB § 2247 Rn. 39). Sie hat grundsätzlich am Schluss der Urkunde zu erfolgen (OLG Düsseldorf, I-3 Wx 246/12, ZEV 2013, 552). Es kann ausnahmsweise genügen, wenn die Unterschrift sich in einem solchen räumlichen Verhältnis und Zusammenhang mit dem Text befindet, dass sie die Erklärung nach der Verkehrsauffassung als abgeschlossen deckt. Das kann der Fall sein, wenn sie aus Platzmangel oberhalb des Textes oder neben dem Text angebracht ist (BGH, Urteil vom 21.01.1992, XI ZR 71/91, NJW 1992, 829).
14
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze handelt es sich bei dem Namenszug rechts neben der Auflistung der einzelnen Namen nicht um eine Unterschrift im Sinne des § 2247 Abs. 1, 3 BGB. Der Schriftzug befindet sich auf halber Höhe neben dem Text, ohne dass dafür Gründe, etwa ein Platzmangel, ersichtlich wären. Einen wie auch immer gearteten Abschluss der Erklärung stellt der Schriftzug des Erblassers an dieser Stelle nicht dar. Der Senat hat zuletzt entschieden (Senat, Beschluss vom 23.07.2023, 33 Wx 329/23), dass die sog. Nebenschrift nicht ausreicht, um dem Unterschriftserfordernis zu genügen, selbst dann nicht, wenn im konkreten Fall nicht zweifelhaft erscheint, dass die fragliche Schrift vom Erblasser herrührt. Sowohl die vom Gesetz verlangte Handschriftlichkeit als auch das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift verfolgen den Zweck, die Echtheit des Testaments aufgrund der individuellen Merkmale, die die Handschrift eines jeden Menschen aufweist, überprüfen zu können (so auch OLG München, 31 Wx 72/05, ZEV 2006, 33), so dass der Namenszug des Erblassers neben dem übrigen Text keine Unterschrift darstellt. Daran hält der Senat auch im vorliegenden Fall fest, zumal keinerlei Umstände ersichtlich sind, warum der Erblasser seinen Schriftzug nicht unterhalb der Liste angebracht hat.
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c) Die – unterstellt – letztwillige Verfügung ist auch nicht nach englischem Recht gültig. Zwar ist eine Verfügung von Todes wegen hinsichtlich ihrer Form gültig, wenn sie den Formerfordernissen des Staates entspricht, in dem der Erblasser letztwillig verfügt hat oder dem er im Zeitpunkt seines Todes angehörte, Art. 1 Abs. 1 lit. b Haager Testamentsformabkommen (Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 6. Auflage 2020, § 5 Rn. 43). Allerdings liegen die Voraussetzungen nach sec. 9 Wills Act 1837 nicht vor, denn es fehlt jedenfalls die gleichzeitige Anwesenheit von zwei Zeugen bei der Errichtung, die dies durch ihre Unterschriften bestätigen (NK-BGB/Odersky, 6. Aufl. 2022, Länderbericht Großbritannien, Rn. 44).
16
2. Darüber hinaus lässt sich hinsichtlich des Schriftstückes auch kein Testierwille feststellen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich das Schriftstück aus einem handschriftlichen und einem maschinenschriftlichen Teil zusammensetzt.
17
a) Der handschriftlich errichtete Teil des Schriftstücks erschöpft sich in einer Namensliste und dahinter vermerkten Prozentangaben. Ohne die maschinenschriftliche Überschrift lässt sich dieser Liste nicht entnehmen, dass der Erblasser damit von Todes wegen einen oder mehrere Rechtsnachfolger in wirtschaftlicher Hinsicht bestimmen wollte. Hintergrund einer solchen Liste könnte jeder beliebige Umstand, der eine Aufteilung zwischen mehreren Personen erfordert ist, sein. Ohne die Überschrift ist aus der Liste selbst ein Testierwille nicht einmal ansatzweise zu erkennen.
18
b) Etwas anderes mag gelten, wenn man die Überschrift hinzunimmt. Dies ist aber deswegen nicht möglich, weil diese maschinenschriftliche Überschrift nicht den Formerfordernissen des § 2247 Abs. 1 BGB entspricht und ihre Authentizität nicht überprüft werden kann. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des BayObLG, auf die das Nachlassgericht im angefochtenen Beschluss Bezug nimmt.
19
aa) Das BayObLG hat entschieden, dass die maschinell erstellte Überschrift „Testament” nicht zur Nichtigkeit des handschriftlich geschriebenen Testaments führt, wenn der eigenhändig geschriebene Teil als selbstständige Verfügung für sich einen abgeschlossenen Sinn ergibt (BayObLG, Beschluss vom 09.03.2005, 1Z BR 112/04, NJW-RR 2005, 1025).
20
bb) Gemessen an diesen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall gerade an einer handschriftlichen Verfügung, die ohne den maschinenschriftlichen Teil als selbständige Verfügung einen abgeschlossenen Sinn ergäbe (s. o.). Kann überhaupt erst unter Zuhilfenahme des formunwirksamen Teils einer Verfügung der Schluss gezogen werden, dass es sich um eine Verfügung von Todes wegen handeln soll, ist ein Testierwillen anhand der Urkunde nicht feststellbar. Zwar besteht, wenn eine Urkunde mit „Testament“, „Mein letzter Wille“, „Letztwillige Verfügung“ etc. überschrieben und unterzeichnet ist, mangels anderer Anhaltspunkte kein Grund zur Prüfung, ob nur ein Entwurf vorliegt (OLG München, 31 Wx 246/19, ZEV 2020, 694; MüKoBGB/Sticherling, 9. Aufl. 2022, BGB § 2247 Rn. 8), das gilt aber nur dann, wenn die Verfügung insgesamt, also einschließlich der Überschrift, formwirksam errichtet wurde.
21
cc) Auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände erlauben keinen Rückschluss auf einen Testierwillen des Erblassers (BayObLG, Beschluss vom 04.02.2000, 1Z BR 16/99, ZEV 2000, 365; BeckOGK/Grziwotz, 01.07.2024, BGB, § 2247 Rn. 16). Dabei kann unterstellt werden, dass sich der Erblasser um den Zeitpunkt der Errichtung des Schriftstücks vom 24.03.2022 über die Gestaltung einer Verfügung von Todes wegen anwaltlich beraten ließ und das Schriftstück seiner Verfahrensbevollmächtigten übergab. Wenn sich aber aus dem formwirksamen Teil der Urkunde keinerlei Anhaltspunkt für einen Testierwillen ergibt, können außerhalb der Urkunde liegende Umstände darüber nicht hinweghelfen, denn es muss außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat (BayObLG, Beschluss vom 02.08.2004, 1Z BR 56/04, FamRZ 2005, 656; OLG Oldenburg, 3 W 96/23, DNotZ 2024, 529). Das ist vorliegend nicht der Fall.
22
3. Auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers und den Umstand, dass das Nachlassgericht die Einholung etwa erforderlicher Beweise verfahrensordnungswidrig von der Stellung eines Antrags abhängig gemacht hat (vgl. § 26 FamFG), kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an.
23
4. Soweit das Nachlassgericht die Errichtung einer Nachlasspflegschaft (§ 1960 Abs. 1 BGB) im angefochtenen Beschluss abgelehnt hat, hat es bei dieser Entscheidung sein Bewenden.
24
a) Zwar lagen die Voraussetzungen für die Errichtung einer Nachlasspflegschaft vor, weil die Erben unbekannt waren und ein Fürsorgebedürfnis für den Nachlass bestand.
25
b) Mit der Entscheidung des Senats sind die Erben jedoch bekannt, so dass die Voraussetzungen des § 1960 Abs. 1 BGB jetzt nicht mehr vorliegen und die Errichtung einer Nachlasspflegschaft unterbleibt.
26
5. Mit der umfassenden Anfechtung der nachlassgerichtlichen Entscheidung hat der Senat auch über die Kosten für das erstinstanzliche Verfahren zu befinden. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass sowohl der Beschwerdeführer als auch der Beteiligte zu 1 einen Antrag auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses gestellt haben. Durch die jeweilige Antragstellung ist jeweils ein eigenständiges Verfahren im Sinne des § 22 Abs. 1 GNotKG in Gang gesetzt worden (vgl. dazu Krätzschel, ZEV 2023, 731 ff.).
27
a) Danach ist es gerechtfertigt, dass der Beteiligte zu 1 die gerichtlichen Kosten des von ihm in Gang gesetzten Verfahrens zur Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses einschließlich seiner rechtlichen Vertretung trägt (§ 22 GNotKG).
28
b) Der Beschwerdeführer trägt die gerichtlichen Kosten des von ihm in Gang gesetzten Verfahrens zur Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses einschließlich seiner außergerichtlichen Vertretung (§ 22 GNotKG).
29
c) Hinsichtlich des Verfahrens auf Errichtung einer Nachlasspflegschaft werden gerichtliche Kosten für das Verfahren 1. Instanz nicht erhoben, § 21 GNotKG.
III.
30
Gerichtliche Kosten fallen für die erfolgreiche Beschwerde nicht an. Soweit der Senat davon absieht, die angefochtene Entscheidung in Ziffer 3 (Nachlasspflegschaft) aufzuheben, werden gerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren nicht erhoben, § 21 GNotKG. Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten im Beschwerdeverfahren sieht der Senat keine Veranlassung.
31
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.