Titel:
Anforderung eines Nachweises über vollständigen Masernschutz, Erfolgloser Eilantrag
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 94
IfSG § 20 Abs. 9 S. 1 Nr. 2 Alt. 2
IfSG § 20 Abs. 12 S. 1 Nr. 1
IfSG § 20 Abs. 13
Schlagworte:
Anforderung eines Nachweises über vollständigen Masernschutz, Erfolgloser Eilantrag
Fundstelle:
BeckRS 2024, 19992
Tenor
I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 2.500,00 festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragsteller wenden sich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die ihnen gegenüber ergangenen Anordnungen des Antragsgegners, einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern für ihre am … … 2020 geborene Tochter N* … bzw. eine medizinische Kontraindikation gegen eine entsprechende Impfung nachzuweisen.
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Der vorgelegten Behördenakte zufolge erging am … Dezember 2023 eine Meldung des Kindergartens S* … in F* …, den die Tochter der Antragsteller besucht, an das Gesundheitsamt B* … …, dass kein Nachweis zum Masernschutz erbracht worden sei. Aufgrund eines Stoffes, auf den das Kind allergisch reagiere, könne es derzeit nicht geimpft werden.
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Einer Aktennotiz des Gesundheitsamtes B* … … über ein Telefonat mit der Kindergartenleitung vom … Dezember 2023 zufolge habe die Antragstellerin zu 1) bereits ein älteres Kind in der Einrichtung, das geimpft sei. Bei der Tochter N* … habe die Antragstellerin zu 1) mündlich angegeben, dass ein Verwandter einen „Stoff“ nicht vertrage, weshalb auch die Tochter laut Hausarzt nicht geimpft werden solle.
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Mit Schreiben vom 25. Januar 2024 teilte der Antragsgegner den Antragstellern jeweils mit, dass diese als Sorgeberechtigte ihrer Tochter N* … verpflichtet seien, einen der – im weiteren näher aufgeführten – Nachweise nach § 20 Abs. 9 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vorzulegen. Es sei beabsichtigt, die Nachweisvorlage beim Gesundheitsamt B* … … anzuordnen. Vor Erlass kostenpflichtiger Anordnungsbescheide wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Zugleich wurde auf die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gemachten Anforderungen an ein ärztliches Zeugnis zur medizinischen Kontraindikation hingewiesen.
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Mit Schreiben vom 31. Januar 2024 zeigte die Bevollmächtigte der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner deren Vertretung an und führte aus, dass die Schreiben vom 25. Januar 2024 nicht in Einklang mit § 20 IfSG stünden. Die Eltern seien nach dem Gesetzeswortlaut nicht verpflichtet, Originale oder beglaubigte Kopien von ärztlichen Zeugnissen vorzulegen. Es gelte die Nachweispflicht. Die Anhörung sei ganz offensichtlich grob rechtswidrig, da dieser die wesentlichen entscheidungserheblichen konkreten infektionsschutzrechtlichen Tatsachen fehlen würde. Diese erschöpfe sich in der Wiedergabe von Gesetzeswortlauten in Verbindung mit einer Androhung. Zudem habe die Kindergartenleitung die fachärztlichen Ausführungen bestätigt und glaubhaft versichert, dass die Gründe nachvollziehbar seien.
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Mit Bescheid vom 23. Mai 2024 betreffend den Antragsteller zu 2) und mit Bescheid vom 24. Mai 2024 betreffend die Antragstellerin zu 1), beide der Bevollmächtigten der Antragsteller zugestellt am 28. Mai 2024, forderte der Antragsgegner die Antragsteller auf, dem Landratsamt Berchtesgadener Land, Staatliches Gesundheitsamt, innerhalb von acht Wochen nach Zustellung des jeweiligen Bescheids, einen der nachfolgenden Nachweise für ihre am … … 2020 geborene Tochter vorzulegen:
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- Impfausweis bzw. Impfbescheinigung nach § 22 IfSG (§ 26 Abs. 2 Satz 4 SGB V) mit Nachweis von insgesamt 2 Masern-Schutzimpfungen
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- ärztliches Zeugnis über eine (labordiagnostizierte) Immunität gegen Masern
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- ärztliches Zeugnis darüber, dass das Kind aus medizinischen Gründen nicht oder erst später geimpft werden kann (Kontraindikation mit Angabe der Dauer)
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- Bestätigung von einer zuvor besuchten, nach § 20 Abs. 8 IfSG betroffenen Einrichtung (z.B. Kindertagesstätte, Schule) darüber, dass ein entsprechender Nachweis dort bereits vorgelegt wurde.
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Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen (Nr. 2). Für jeden Bescheid wurde eine Gebühr in Höhe von 120,00 EUR festgesetzt. Die Auslagen betragen jeweils 3,67 EUR (Nr. 3). Es bestehe eine gesetzliche Verpflichtung zur Nachweisvorlage. Die Antragsteller hätten den vollen Beweis anzutreten hinsichtlich des Masernschutzes ihrer Tochter N* … Dieser Beweis könne nur durch Vorlage eines Nachweises im Original erbracht werden. Eine mündliche Aussage darüber, ein Verwandter sei gegen einen Stoff allergisch und daher solle N* … nicht geimpft werden, sei nicht ausreichend bzw. kein Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG. Da der Kindergartenleitung nie ein ärztliches Attest für die Tochter der Antragsteller vorgelegt worden sei, sei eine Anerkennung durch die Kindergartenleitung nicht möglich gewesen.
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Mit Schriftsatz der Bevollmächtigten der Antragsteller vom 19. Juni 2024 wurde „in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren des Kindes N* … …, geb. … … 2020, vertreten durch die – namentlich benannten – Eltern“ Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23. Mai 2024 erhoben, die unter dem Aktenzeichen M 26a K 24.3623 geführt wird. Gleichzeitig wurde beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage hinsichtlich Ziff. 1 des Bescheides der Beklagten vom 23. Mai 2024, Aktenzeichen … anzuordnen.
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Zur Begründung wurde konkret im Hinblick auf das vorliegende Verfahren u.a. ausgeführt, dass der Antragsgegner den Antragstellern als Eltern des Kindes N* … eine verwaltungsrechtliche Pflicht auferlegt habe, obwohl die Freiwilligkeit der Impfentscheidung der Eltern unstreitig unangetastet zu bleiben habe und eine mit Zwang durchsetzbare Impfpflicht nach Aussagen des Bundesverfassungsgerichts nicht bestehen dürfe. Dem stünden die angekündigten Zwangsmaßnahmen wie das Betretungsverbot des Kindergartens und ein etwaiges Bußgeldverfahren entgegen. Für das Kind N* … sei der Kindergarteneinrichtung ein schriftliches Attest vom … September 2023 vorgelegt worden. Mit der Einsicht in das ärztliche Zeugnis habe sich die Leiterin des Kindergartens einverstanden erklärt und an dem ärztlichen Zeugnis keine Zweifel gehabt. Die Einsichtnahme habe dazu geführt, dass das Attest überzeugend den gesundheitlichen Status der Kontraindikation aufgrund der verheerenden Belastungen in der Verwandtschaft nachweise. Hierzu wurde ein Attest vom … September 2023 einer Hausärztin, Allergologie, Umweltmedizin, Traditionelle Chinesische Medizin, Frau Dr. med. … … K* … vom … September 2023 vorgelegt, wonach das Kind N* … am … September 2023 von ihr untersucht worden sei. Es hätten sich Sensibilisierungen gegenüber Nahrungsmitteln, insbesondere bei Eigelb und bei Eiklar, bei Metallen und bei PEG gezeigt. Eine Immunschwäche sei anzunehmen. Momentan sei eine Impfung kontraindiziert, bis die Frage der Immunschwäche weiterhin geklärt sei.
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Zugleich wurde – ohne weitere Begründung oder nähere Ausführungen – die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beantragt.
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In der Eingangsmitteilung wies das Gericht darauf hin, dass es davon ausgehe, dass Antragsteller/Kläger die Eltern des Kindes seien. Nachdem sich die Bevollmächtigte der Antragsteller in einem weiteren Schreiben vom 25. Juni 2024, erneut bezeichnet als „in dem Verfahren des Kindes N* … …, vertreten durch die Eltern…“, gegen die Übertragung des Rechtsstreits auf einen Einzelrichter gewandt hatte und nachdem der Antragsgegner mit Schreiben vom 26. Juni 2024 die Behördenakte vorgelegt hatte, wurde die Bevollmächtigte der Antragsteller aufgefordert, bis 5. Juli 2024 klarzustellen, ob Kläger/Antragsteller das Kind N* …, vertreten durch die Eltern, oder die Eltern des Kindes N* … sein sollen. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass Gegenstand der Klage/des Antrags der an den Vater gerichtete Bescheid vom 23. Mai 2024, nicht jedoch der an die Mutter gerichtete Bescheid vom 24. Mai 2024 ist. Mit Schreiben vom 28. Juni 2024 teilte die Bevollmächtigte daraufhin mit, dass Kläger/Antragsteller die Eltern seien. Zugleich wurde vorgetragen, dass als Nachtrag zur Anlage K1 (Bescheid vom 23. Mai 2024, lautend auf den Vater) der Bescheid vom 23. (sic!) Mai 2024, lautend auf die Mutter, vorgelegt werde; tatsächlich vorgelegt wurde der Bescheid vom 24. Mai 2024 betreffend die Mutter.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten des Eil- und des Klageverfahrens (M 26a S 24.3624 und M 26a K 23.3623) und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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1. Dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird nicht entsprochen.
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Nach § 94 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht das Verfahren aussetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Dabei steht die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens – wenn die Tatbestandsvoraussetzungen hierfür vorliegen – im Ermessen des Gerichts. Soweit eine im Rechtsstreit entscheidungserhebliche Norm gleichzeitig Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde ist, kommt eine Aussetzung des Verfahrens in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO in Betracht (vgl. hierzu Schoch/Schneider/Rudisile, 44. EL März 2023, VwGO, § 94 Rn. 51).
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Unabhängig von der Frage, ob die Aussetzung eines Verfahrens im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes überhaupt zulässig ist (so Eyermann/Wöckel, 16. Aufl. 2022, VwGO § 94 Rn. 2; HK-VerwR/Winfred Porz, 5. Aufl. 2021, VwGO § 94 Rn. 2; NK-VwGO/Wilfried Peters/Katrin Schwarzburg, 5. Aufl. 2018, VwGO § 94 Rn. 4; a.A.: BeckOK VwGO/Garloff, 67. Ed. 1.7.2023, VwGO § 94 Rn. 7 m.w.N.; Schoch/Schneider/Rudisile, 44. EL März 2023, VwGO § 94 Rn. 12 m.w.N.; OVG Münster, B.v. 8.10.2021 – 13 B 1129/21 – juris Rn. 27 m.w.N.), übt das erkennende Gericht das ihm zustehende Ermessen hinsichtlich einer Aussetzungsentscheidung dahingehend aus, von dieser Möglichkeit vorliegend keinen Gebrauch zu machen. Hierfür ist maßgeblich, dass Sinn und Zweck der Vorschriften des einstweiligen Rechtsschutzes einer Aussetzung zuwiderlaufen würden und auch Gründe der Prozessökonomie nicht dafür streiten, das Verfahren auszusetzen (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 07.09.2021 – 6 C 21.2079 – juris Rn. 17).
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Das Gericht weist lediglich ergänzend darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht bereits mit Beschluss vom 21. Juli 2022 – 1 BvR 469/20, 1 BvR 470/20, 1 BvR 471/201 BvR 472/20 – entschieden hat, dass die angegriffenen und auch im vorliegenden Verfahren einschlägigen Vorschriften des § 20 Abs. 8 Satz 1 bis 3 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 und 6 und Abs. 12 Satz 1 und 3 sowie i.V.m. Abs. 13 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in der Fassung des Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) vom 10. Februar 2020 (BGBl. I S. 148) zwar sowohl das die Gesundheitssorge für ihre Kinder umfassende Grundrecht der beschwerdeführenden Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) als auch und vor allem das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der beschwerdeführenden Kinder auf körperliche Unversehrtheit berühren, sowohl die Eingriffe in das Elternrecht als auch die in die körperliche Unversehrtheit jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt und die beschwerdeführenden Kinder nicht in ihrem Anspruch auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt sind. Auf die umfangreichen Ausführungen dieses Beschlusses wird insoweit verwiesen (vgl. hierzu auch Bayerisches Oberstes Landesgericht, B.v. 28.03.2024 – 201 ObWOi 141/24 – juris Rn. 8-22 im Rahmen eines Bußgeldverfahrens und VG Bayreuth, U.v. 01.07.2024 – B 7 K 23.793 – juris Rn. 23-39).
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Inwieweit eine noch ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die von der Antragspartei im Übrigen noch nicht einmal benannt wurde, für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren betreffend ein Kindergartenkind von Bedeutung sein könnte, wurde weder von Seiten der Antragspartei nachvollziehbar dargelegt und noch ist dies für das Gericht sonst ersichtlich.
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2. Die zulässigen Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen bleiben in der Sache ohne Erfolg.
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2.1. Nach ausdrücklicher Klarstellung durch die Bevollmächtigte der Antragsteller im Schriftsatz vom 28. Juni 2024 geht das Gericht davon aus, dass Antragsteller im vorliegenden Verfahren die Eltern des Kindes N* … sind, an die auch die streitgegenständlichen Bescheide gerichtet und die zur Erfüllung der Nachweispflicht nach § 20 Abs. 13 IfSG verpflichtet sind.
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Da der die Antragstellerin zu 1) betreffende Bescheid vom 24. Mai 2024 ebenfalls mit Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 28. Juni 2024 übersandt wurde, geht das Gericht zudem davon aus, dass beide Bescheide Gegenstand des Klageverfahrens und des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtschutzes sind, auch wenn der Bescheid vom 24. Mai 2024 im Schreiben der Bevollmächtigten vom 28. Juni 2024 als Bescheid vom 23. Mai 2024 benannt wurde.
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2.2. Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen sind zulässig, insbesondere statthaft nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG.
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Bei den Anordnungen in Nr. 1 der streitgegenständlichen Bescheide vom 23. Mai 2024 und 24. Mai 2024 handelt es sich – jedenfalls seit der Neufassung des § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG vom 16. September 2022, gültig ab dem 17. September 2022 (BGBl. I S. 1454) – um Verwaltungsakte, die durch Verwaltungsvollstreckungsrecht durchgesetzt werden können (vgl. BayVGH, B.v. 7.7.2021 – 25 CS 21.1651 – juris, Rn. 9 mit Verweis auf Gerhardt, 6. Aufl. 2022, IfSG § 20 Rn. 124; a.A. BeckOK InfSchR/Aligbe, 16. Ed. 8.4.2023, IfSG § 20 Rn. 259c). Hierfür spricht, dass der Gesetzgeber mit der Gesetzesänderung ausweislich der Gesetzesbegründung erreichen wollte, dass künftig auch die Nachweisanforderung des Gesundheitsamtes sofort vollziehbar sein soll (BT-Drs. 20/3328, S. 14). Eine solche Regel zur sofortigen Vollziehbarkeit einer Anordnung bzw. zur aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen die Anordnung macht aber nur dann Sinn, wenn es sich bei der Nachweisanforderung um einen Verwaltungsakt handelt.
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Die Klagen gegen diese Anordnungen haben keine aufschiebende Wirkung. Nach
§ 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine vom Gesundheitsamt nach § 20 Abs. 12 Satz 1 oder Satz 2 IfSG erlassene Anordnung keine aufschiebende Wirkung. Da die in Nr. 1 der streitgegenständlichen Bescheide angeordnete Nachweispflicht auf der Rechtsgrundlage des § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 und Abs. 13 IfSG erfolgte, sind diese Anordnungen kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG) sofort vollziehbar.
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2.3. Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall eines gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) ganz oder teilweise anordnen. Hierbei hat das Gericht selbst abzuwägen, ob diejenigen Interessen, die für einen gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts streiten, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechen, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht als alleiniges Indiz zu berücksichtigen (so z.B. BVerwG B.v. 25.3.1993 – 1 ER 301/92 – NJW 1993, 3213, juris Rn. 3). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein, so wird im Regelfall nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung und der Antrag bleibt voraussichtlich erfolglos. Sind die Erfolgsaussichten bei summarischer Prüfung als offen zu beurteilen, findet eine eigene gerichtliche Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
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Nach diesen Maßstäben sind die Anträge abzulehnen, da die Anordnungen in Nr. 1 der Bescheide vom 23. Mai 2024 und 24. Mai 2024 voraussichtlich rechtmäßig sind und die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, so dass die in der Hauptsache zulässigen, insbesondere auch im Hinblick auf den Bescheid vom 24. Mai 2024 fristgerecht erhobenen Anfechtungsklagen voraussichtlich keinen Erfolg haben werden.
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids (BayVGH, B.v. 7.7.2021 – 25 CS 21.1651 – juris Rn. 11).
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2.3.1. Die streitgegenständlichen Bescheide sind formell rechtmäßig, insbesondere ist die erforderliche Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz erfolgt.
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2.3.2. Die streitgegenständlichen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Anforderung, einen Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorzulegen, ist vorliegend § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG. Danach haben Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut werden, dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorzulegen. Soweit – wie hier – die verpflichtete Person minderjährig ist, hat derjenige für die Einhaltung der diese Person nach den Absätzen 9 bis 12 treffenden Verpflichtungen zu sorgen, dem die Sorge für diese Person zusteht. Dabei hat der Gesetzgeber mit § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG nicht nur eine Vertretung des Kindes durch den Personensorgeberechtigten, sondern eine Übertragung der Verpflichtung auf den Sorgeberechtigten statuiert (BayVGH, B.v. 6.10.2021 – 25 CE 21.2383 – juris Rn. 8).
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2.3.3. Das Gericht hat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der vorstehenden Regelungen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Nr. 1 verwiesen.
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2.3.4. Bei summarischer Prüfung liegen die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 13 Satz 1 IfSG vor.
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Die minderjährige Tochter der Antragsteller, geboren am … … 2020, besucht den Kindergarten S* … in F* … und wird daher in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nr. 1 IfSG (Kindertageseinrichtungen und Kinderhorte) im Bezirk des Antragsgegners betreut.
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Einen Nachweis im Sinne des § 20 Abs. 9 IfSG haben die Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses dem Antragsgegner nicht vorgelegt. Darauf, ob das im Rahmen des Klageverfahrens bzw. des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes vorgelegte ärztliche Attest vom … September 2023 den materiellen Anforderungen des § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 IfSG entspricht, kommt es vorliegend nicht entscheidungserheblich an (vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2023 – 20 CS 23.1937 – juris Rn. 4 m.w.N.). Gleiches gilt für die von der Bevollmächtigten der Antragsteller aufgeworfenen Frage, ob dieses Attest der Kindergartenleitung vorgelegt und von dieser für ausreichend erachtet wurde, da der Antragsgegner jedenfalls nach der Meldung des Kindergartens S* … in F* …, dass kein Nachweis zum Masernschutz erbracht worden sei, nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG tätig werden durfte.
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2.3.5. Es liegt auch kein Ermessensfehler des Antragsgegners vor. Die rechtlichen Befugnisse des Gesundheitsamtes sind in § 20 Abs. 12 IfSG statuiert und räumen dem Antragsgegner zwar ein entsprechendes Entschließungs- und Auswahlermessen ein (im Ergebnis ebenso: VG Ansbach, B.v. 5.11.2021 – AN 18 S 21.1891 – Beckonline Rn. 43ff.; B.v. 28.5.2021 – AN 18 S 21.932 – Beckonline Rn. 23; VG Bayreuth, U.v. 1.7.2024 – B 7 K 23.793 – juris Rn. 58; VG München; B.v. 11.4.2024 – M 26a S 23.4202 – juris Rn. 56; VG Köln, B.v. 14.2.2024 – 7 L 1981/23 – juris Rn. 71; VG Minden, B.v. 6.11.2023 – 7 L 882/23 – juris Rn. 66; Kießling/Gebhard, IfSG, 3. Aufl. 2022, § 20 Rn. 61; Gerhardt, IfSG, 6. Aufl. 2022, § 20 Rn. 119). Auch wenn sich den streitgegenständlichen Bescheiden nicht entnehmen lässt, dass der Antragsgegner insoweit ein Ermessen ausgeübt hat, führt dies jedoch vorliegend nicht zu einem Ermessensfehler im Sinne eines Ermessensausfalls. Denn vor dem Hintergrund der mit § 20 Abs. 8 ff. IfSG verfolgten Zwecke des öffentlichen Gesundheitsschutzes, des Schutzes von Leben und körperlicher Unversehrtheit, zu dem der Staat auch kraft seiner grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz auch angehalten ist (BVerfG, B. v. 11.05.2020 – 1 BvR 469/20, 1 BvR 470/20 – juris), und des Schutzes vulnerabler Personengruppe vor einer Masernerkrankung handelt es sich bei § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG nach Ansicht des erkennenden Gerichts um ein sog. intendiertes Ermessen. Liegen demnach die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG vor, ist in der Regel nur die Entscheidung für die Aufforderung des Pflichtigen zur Vorlage eines Nachweises nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG ermessensfehlerfrei und muss dann auch nicht näher begründet werden, weshalb von der Anordnungsbefugnis Gebrauch gemacht wird (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – juris Rn. 37 m.w.N.). Eine Darlegung der Ermessenserwägungen bedarf es daher nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die ein Absehen von einer Aufforderung nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG rechtfertigen könnten. Solche außergewöhnlichen Umstände wurden vorliegend jedoch nicht substantiiert geltend gemacht und sind für das Gericht auch nicht ersichtlich.
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2.3.6. Auch gegen die Frist zur Vorlage eines Nachweises innerhalb von acht Wochen ab Bekanntgabe des Bescheides bestehen keine rechtlichen Bedenken (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 22.01.2024 – 20 CS 23.2238 – juris Rn. 13).
41
3. Nach alldem waren die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklagen mangels deren Aussicht auf Erfolg abzulehnen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 VwGO.
43
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 (Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Im Hinblick darauf, dass die Antragsteller untereinander familiär verbunden sind und die streitgegenständlichen Bescheide vom 23. Mai 2024 und 24. Mai 2024 als Rechtsgemeinschaft bekämpfen, ist der für den Streitgegenstand angemessene Streitwert von 2.500,00 EUR nur einmal zu berücksichtigten (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 28.10.2021 – 25 CE 21.2628 – juris Rn. 4).