Inhalt

LG Ingolstadt, Endurteil v. 21.05.2024 – 21 O 952/22 Ver
Titel:

Verjährung von Rückforderungsansprüchen nach Prämienanpassung; Beitragsanpassung bei Prämienzuschlag nach § 149 VAG

Normenketten:
VVG § 203 Abs. 2, Abs. 5
VAG § 149
BGB § 195, § 199 Abs. 1 Nr. 2, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1
Leitsätze:
1. Als Beginn der Verjährungsfrist von Rückforderungsansprüchen nach einer Beitragsanpassung in der Krankenversicherung ist der Schluss des Jahres anzusetzen, in dem der Versicherungsnehmer nach Erhalt des Beitragsanpassungsschreibens auch die angepassten Beiträge gezahlt hat. Spätestens dann ist der Versicherungsnehmer über die Anpassung und deren Höhe informiert. Er kann dann entscheiden, ob er die Anpassung akzeptieren oder dagegen vorgehen möchte (Anschluss an BGH BeckRS 2021, 37439 Rn. 39 ff.). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zu den Anforderungen an die Mitteilung der maßgeblichen Gründe iSv § 203 Abs. 5 VVG (Anschluss an OLG München BeckRS 2021, 26097 Rn. 12 ff. mwN). (Rn. 25 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Anpassung des gesetzlichen Beitragszuschlags ist keine eigene Beitragsanpassung iSv § 203 Abs. 2 VVG, da dieser Zuschlag sich bereits aus dem Gesetz ergibt (§ 149 VAG) und an die Beitragsentwicklung der Tarife, die die substitutive Krankheitskostenversicherung abbilden, geknüpft ist (s. aber BGH BeckRS 2024, 1392 zur Beitragsanpassung in einem Beitragsentlastungstarif). (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Krankenversicherung, Beitragsanpassung, Prämienanpassung, Verjährung, Verjährungsbeginn, Mitteilung der maßgeblichen Gründe, gesetzlicher Beitragszuschlag
Fundstelle:
BeckRS 2024, 19984

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen. 
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 16.485,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klagepartei wendet sich gegen von der Beklagten vorgenommene Prämienanpassungen im Rahmen eines zwischen den Parteien bestehenden Vertrages über eine private Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer ... Die private Krankenversicherung hat den Versicherungsschutz der Klagepartei zum Gegenstand.
2
Die Beklagte nahm in der Vergangenheit Beitragsanpassungen vor.
3
Vor den jeweiligen Beitragsanpassungen informierte die Beklagte die Klagepartei mit entsprechenden Schreiben, denen Informationen zur Beitragsanpassung beigefügt waren. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die jeweiligen Mitteilungsschreiben nebst Anlagen (Anlagenkonvolut der Beklagten) verwiesen.
4
Die Klagepartei zahlte die verlangten (angepassten) Beiträge.
5
Die Klagepartei hält die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen für unwirksam.
6
Die Klagepartei ist der Ansicht, die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen seien formell rechtswidrig gewesen, die jeweiligen Mitteilungen über die Beitragsanpassungen seien nicht ausreichend begründet gewesen.
7
Der Kläger hat die Klageanträge teilweise erweitert und teilweise zurückgenommen und beantragt zuletzt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 6323.22 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Neufestsetzung der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer ... unwirksam sind:
a) die Anpassung des Beitrags im Tarif V222S2P zum 01.01.2013 in Höhe von 114.70 EUR
b) die Anpassung des Beitrags im Tarif GBZ (V222S2P) zum 01.01.2013 in Höhe von 11.47 EUR
c) die Anpassung des Beitrags im Tarif V222S2P zum 01.01.2020 in Höhe von 11.25 EUR
d) die Anpassung des Beitrags im Tarif GBZ (V222S2P) zum 01.01.2020 in Höhe von 1.12 EUR
e) die Anpassung des Beitrags im Tarif V222S2P zum 01.01.2022 in Höhe von 98.94 EUR
f) die Anpassung des Beitrags im Tarif GBZ (V222S2P) zum 01.01.2022 in Höhe von 9.89 EUR.
8
Die Beklagte hat, soweit erforderlich, der teilweisen Klagerücknahme zugestimmt und beantragt
kostenpflichtige Klageabweisung.
9
Die Beklagte ist der Meinung, die Beitragsanpassungen seien in formeller und materieller Hinsicht nicht zu beanstanden und rechtswirksam. Die entsprechenden Anpassungsmitteilungen seien nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen und entsprechend der BGH-Rechtsprechung ausreichend begründet gewesen.
10
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung, soweit mögliche Ansprüche der Klagepartei hinsichtlich des Jahres 2013 betroffen sind.
11
Wegen des übrigen Parteivorbringens und der Einzelheiten wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
12
Ebenso auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 11.07.2023 und vom 26.03.2024.

Entscheidungsgründe

I.
13
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Ingolstadt aufgrund des Streitwerts sachlich und örtlich nach § 215 VVG zuständig. Die Klägerpartei wohnt im hiesigen Bezirk.
II.
14
Die Klage ist aber nicht begründet.
15
Der Kläger hat gegen die Beklagte keine (durchsetzbaren) Ansprüche.
16
Klägerische Ansprüche sind verjährt, soweit sie eine eventuelle Beitragsanpassung für das Jahr 2013 betreffen.
17
Die Beitragsanpassungen für die Jahre 2020 und 2022 sind in formeller Hinsicht wirksam vorgenommen worden.
18
Die materielle Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Beitragsanpassungen ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
19
1. Klägerische Ansprüche sind verjährt, soweit sie eine eventuelle Beitragsanpassung für das Jahr 2013 betreffen. Die Verjährungseinrede der Beklagtenpartei (Schriftsatz vom 23.08.2023) greift insoweit durch. Dies betrifft die Klageanträge 2. a) und b).
20
a) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 17.11.2021, IV ZR 113/20, zur Frage der Verjährung von Ansprüchen auf Prämienrückforderungen wegen Beitragserhöhung eine grundlegende Entscheidung getroffen und hierzu ausgeführt:
„(…) Die – unbeschränkt zugelassene – Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Rückgewähr der Erhöhungsbeträge, die der Kläger bis zum 31. Dezember 2014 geleistet hat, sowie auf Herausgabe der daraus gezogenen Nutzungen (§ 217 BGB) vor Klageerhebung verjährt war.
a) Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) begann jeweils mit dem Schluss des Jahres, in dem die Prämienanteile gezahlt wurden, so dass die Frist für die letzten hier in Rede stehenden Zahlungen Ende 2017 ablief.
aa) Die Regelverjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Rückzahlungsansprüche entstanden hier jeweils mit der Zahlung der Erhöhungsbeträge.
bb) Der Kläger hatte mit dem Zugang der Änderungsmitteilungen im November 2007, November 2008 und Februar 2013 auch zu diesen Zeitpunkten bereits im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners.
(1) Der Verjährungsbeginn setzt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (Senatsurteil vom 21. Februar 2018 – IV ZR 304/16, VersR 2018, 403 Rn. 15 m.w.N.).
(2) Dem Kläger war eine Geltendmachung seiner Ansprüche möglich, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat. Die Erhebung einer Klage, mit der die formelle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen aufgrund einer unzureichenden Begründung geltend gemacht wird, war jedenfalls nicht wegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage unzumutbar. Entgegen der Ansicht der Revision war der Verjährungsbeginn nicht bis zur Klärung durch den Senat (siehe dazu mittlerweile Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56) hinausgeschoben. Für eine Unzumutbarkeit der Klageerhebung genügte es nicht, dass es zu den Anforderungen an die nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden Gründe einer Prämienanpassung einen Meinungsstreit gab, der – soweit – er in den Jahren 2008 bis 2014 überhaupt schon bestand – jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt war. Eine Rechtslage ist nicht schon dann im Sinne der genannten Rechtsprechung unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist (Senatsurteil vom 21. Februar 2018 – IV ZR 304/16, VersR 2018, 403 Rn. 17 m.w.N.). Bei einer solchen Konstellation ist dem Gläubiger die Erhebung einer Klage jedenfalls dann nicht unzumutbar, wenn er gleichwohl bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend macht und dadurch selbst zu erkennen gibt, vom Bestehen des Anspruchs auszugehen (Senatsurteil vom 21. Februar 2018 aaO m.w.N.). So liegt es hier. Der Kläger hat im Jahr 2018 seine Ansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht und Klage erhoben. Ungeachtet des damals ungeklärten Meinungsstreits ging er von der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen aus. Umstrittener als zu diesem Zeitpunkt war der Inhalt des § 203 Abs. 5 VVG jedoch in den Jahren bis einschließlich 2014 nicht, so dass dem Kläger die Klageerhebung auch damals nicht unzumutbar war. Eine entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung, die ausnahmsweise den kenntnisabhängigen Beginn der Verjährungsfrist hinausschieben könnte (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2018 – IV ZR 304/16, VersR 2018, 403 Rn. 18 m.w.N.), gab es nicht.
b) Entgegen der Ansicht der Revision ist es für die Feststellung der Verjährung nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger mit Zugang der Änderungsmitteilungen auch Kenntnis von den Tatsachen hatte, aus denen die von ihm ebenfalls geltend gemachte materielle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen folgen könnte. Für den Beginn der Verjährungsfrist ist dies ohne Bedeutung. Der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs – aus § 812 Abs. 1 Satz 1Alt. 1 BGB hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt (Senatsurteil vom 21. Februar 2018 – IV ZR 385/16, VersR 2018, 404 Rn. 15). Maßgeblich ist daher das Fehlen des Rechtsgrundes, das dem Kläger mit Erhalt der Änderungsmitteilungen jedenfalls aufgrund der seiner Auffassung nach bestehenden formalen Mängel bereits bekannt war. Eine erneute Kenntnisnahme vom Fehlen desselben Rechtsgrundes aus weiteren Gründen setzt keine neue Verjährungsfrist in Gang. Anders als bei Schadensersatzansprüchen gehört ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten, etwa bei der Neufestsetzung der Prämie oder deren Mitteilung, nicht zu den Voraussetzungen des Bereicherungsanspruchs. Entgegen der Ansicht der Revision ist daher die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verjährung bei mehreren eigenständigen Beratungs- oder Aufklärungsfehlern in der Anlageberatung (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 – III ZR 198/14, BGHZ 206, 41 Rn. 14 m.w.N.) auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar.“
21
Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen an und hat dem auch nichts hinzuzufügen.
22
b) Für die vorliegende Klage bedeutet dies, dass Ansprüche, welche die Beitragsanpassungen zum 01.01.2013 betreffen, verjährt sind. Als Beginn der Verjährungsfrist ist der Schluss des Jahres anzusetzen, in dem der Versicherungsnehmer nach Erhalt des Beitragsanpassungsschreibens auch die angepassten Beiträge gezahlt hat. Spätestens dann ist der Versicherungsnehmer über die Anpassung und deren Höhe informiert. Er kann dann entscheiden, ob er die Anpassung akzeptieren oder dagegen vorgehen möchte.
23
Hinsichtlich der Anpassung zum 01.01.2013 begann die Verjährung also mit Ablauf des Jahres 2013. Die Verjährung trat demnach mit dem Schluss des Jahres 2016 ein. Die hiesige Klage datiert vom 08.06.2022 und war daher nicht mehr geeignet, die Verjährung zu hemmen.
24
Darüber hinaus wäre eine fehlerhafte Beitragsanpassung für das Jahr 2013 durch die nachfolgenden wirksamen Anpassungen geheilt, siehe in der Folge.
25
2. Die weiteren streitgegenständlichen Beitragsanpassungen zum 01.01.2020 und 01.01.2022 sind in formeller Hinsicht, insbesondere im Hinblick auf die entsprechenden Mitteilungsschreiben ordnungsgemäß und wirksam vorgenommen.
26
Die Kammer verweist hier zu den grundlegenden Voraussetzungen wirksamer Beitragsanpassungen, insbesondere wegen der formellen Anforderungen an die jeweiligen Mitteilungsschreiben zunächst beispielsweise auf die anschaulichen Ausführungen des OLG München in einem Beschluss vom 05.08.2021, 25 U 2807/21, zitiert nach beck-online 26097. Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen zunächst vollumfänglich an.
„Nach den insoweit richtungsweisenden Urteilen des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az.: IV ZR 294/19; BGH, Urteil vom 10.03.2021, Az.: IV ZR 353/19 und Urteil vom 23.06.2021, Az.: IV ZR 250/20) erfordert die in § 203 Abs. 5 VVG vorgesehene Mitteilung der maßgeblichen Gründe die Angabe der Berechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Berechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie zum Beispiel des Rechnungszinses anzugeben. Dabei legt der Bundesgerichtshof dar, dass durch die Verwendung des Begriffs „maßgeblich“ sowohl in § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG als auch in § 203 Abs. 5 VVG mit den mitzuteilenden „maßgeblichen Gründen“ die dafür „maßgeblichen Rechnungsgrundlagen“ gemeint sind. Diese sind ausweislich des § 203 Abs. 2 Satz 3 VVG entweder die Versicherungsleistungen oder die Sterbewahrscheinlichkeiten. Zugleich folge aus dem Wort „maßgeblich“, dass nicht alle Gründe genannt werden müssten, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend sei nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreite oder nicht. Auch die Gesetzgebungsgeschichte stütze dieses Verständnis. Nach der Vorgängerregelung war das Wirksamwerden der Prämienanpassung nur von einer Benachrichtigung des Versicherungsnehmers abhängig. Der Gesetzesbegründung zufolge entspreche der zum 01.01.2008 in Kraft getretene § 203 Abs. 5 VVG im Wesentlichen der Vorgängerregelung (vgl. BT-Drucks. 16/3945 S.114). Dies zeige, dass der Gesetzgeber keine grundsätzliche Neuregelung für das Wirksamwerden einer Prämienanpassung beabsichtigt habe, sondern die Mitteilungspflicht nur geringfügig habe erweitern wollen. Damit im Einklang könne auch der Zweck des § 203 Abs. 5 VVG nicht weitreichend verstanden werden. Die Norm ziele in erster Linie darauf ab, dem Versicherungsnehmer einen gewissen Zeitraum zu belassen, um sich auf eine ihm mitgeteilte Vertragsänderung einstellen zu können und sich darüber klar zu werden, ob er innerhalb der zeitgleich ausgestalteten Frist des § 205 Abs. 4 VVG sein Kündigungsrecht ausüben oder die Prämienänderung zum Anlass nehmen möchte, von seinem Tarifwechselrecht nach § 204 VVG Gebrauch zu machen. Daneben solle die Mitteilung der maßgeblichen Gründe dem Versicherungsnehmer zeigen, was Anlass für die konkrete Prämienanpassung gewesen sei. Dies müsse jedoch für den Einzelfall mitgeteilt werden. Der Versicherungsnehmer müsse nicht aus dem Umstand, dass eine Prämienanpassung erfolgt ist, darauf schließen, dass deren Voraussetzungen erfüllt seien, vielmehr müsse der Versicherer ihm dies ausdrücklich mitteilen. Für diesen Zweck sei aber nicht erforderlich, dem Versicherungsnehmer die Rechtsgrundlage des geltenden Schwellenwerts oder die genaue Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlage mitzuteilen (BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az.: IV ZR 294/19 – juris).
(…)
Die Frage, ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden.“
27
Die Prüfung ergibt vorliegend, dass die streitgegenständlichen Mitteilungen ausreichend begründet waren.
28
Mit den vorstehend genannten Mitteilungen, bestehend aus den im Anlagenkonvolut der Beklagten (Info_2020-Bsp und Info_2022) enthaltenen Informationen werden die für die Beitragsanpassung maßgeblichen Gründe entsprechend den oben dargestellten Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG mitgeteilt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Inhalt der Mitteilungen in den von der Beklagten vorgelegten Anlagen verwiesen.
29
Es muss insoweit nämlich nur mitgeteilt werden, welche Rechnungsgrundlage (z.B. Versicherungsleistungen) die Neufestsetzung veranlasst hat, vgl. BGH v. 16.12.2020, IV ZR 294/19.
30
Die Höhe der Veränderungen muss der Versicherer ebenso wenig mitteilen wie die Veränderung sonstiger Faktoren, weil die Mitteilungspflicht nicht den Zweck hat, dem Versicherten eine Plausibilitätskontrolle der Anpassungen mitzuteilen (BGH a.a.O.).
31
Nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des BGH liegt der Hauptzweck der Begründungspflicht darin, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände die Erhöhung aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat (vgl. BGH, Urt. v. 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19). Dieser Zweck wird durch die Mitteilungen der Beklagten in genügendem Maße erreicht.
32
In den noch relevanten Anpassungsmitteilungen erfolgte nämlich jeweils der klare Hinweis, dass Veränderungen in den Versicherungsleistungen die Beitragsanpassungen ausgelöst haben (vorliegend nicht etwa Sterbewahrscheinlichkeiten). Anders sind die Mitteilungen nicht zu verstehen. Insbesondere kann den Mitteilungen nicht entnommen werden, dass etwa das konkrete Verhalten des Klägers, etwa durch Einreichung vieler Rechnungen durch den Kläger, die Anpassungen ausgelöst haben könnte. Auch findet sich in den Mitteilungen nichts darüber, das den Schluss nahelegen könnte, die Beklagte habe lediglich im Rahmen einer freien Entscheidung die Beiträge angepasst.
33
Dies allein ist hier maßgeblich und ausreichend.
34
3. Die Anpassung des gesetzlichen Beitragszuschlags (vom Kläger Tarif GBZ genannt) ist keine eigene Beitragsanpassung im Sinne von § 203 Abs. 2 VVG, da dieser Zuschlag sich bereits aus dem Gesetz ergibt (§ 149 VAG) und an die Beitragsentwicklung der Tarife, die die substitutive Krankheitskostenversicherung abbilden, geknüpft ist.
35
Die Rechtmäßigkeit des gesetzlichen Zuschlags hängt also quasi von der Rechtmäßigkeit der eigentlichen Beitragserhöhung ab. Nachdem die eigentlichen Beitragserhöhungen vorliegend rechtmäßig sind, bzw. Ansprüche hinsichtlich des Jahres 2013 ohnehin verjährt sind, ist die Klage auch hinsichtlich der entsprechenden Klageanträge 2. b), d) und f)) unbegründet.
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4. Der Klagepartei steht folglich auch nicht der mit dem Klageantrag 1) geltend gemachte bereicherungsrechtliche Zahlungsanspruch im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Prämienanpassungen zu. Sämtliche Zahlungen der Klägerpartei erfolgten aufgrund der wirksamen Beitragsanpassungen nämlich mit Rechtsgrund (§ 812 ff BGB). Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Es bestehen daher weder Ansprüche auf Rückzahlung von Beiträgen noch auf Herausgabe von Nutzungen.
37
5. Nachdem die Klagepartei schon dem Grunde nach keine (durchsetzbaren) Ansprüche gegen die Beklagtenpartei hat, kommt es auch auf die Höhe möglicher Ansprüche, auf eine Entreicherung bei der Beklagtenpartei oder sonstige Gegenrechte nicht an.
III.
38
Die Klage war auch hinsichtlich der Nebenforderungen (Zinsen) abzuweisen. Diese teilen das Schicksal der Hauptforderung.
IV.
39
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 269 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.