Titel:
Umfang der Feststellungen und der Beweiswürdigung bei Einholung eines Sachverständigengutachtens im Rahmen eines sog. standardisierten Messverfahrens
Normenketten:
OWiG § 71 Abs. 1, § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 2
StPO § 267 Abs. 1, Abs. 3
StVG § 24, 25 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Abs. 2a, § 26a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2
BKatV § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Auch in Bußgeldsachen müssen die Urteilsgründe nach § 71 OWiG i. V. m. § 267 Abs. 1 und Abs. 3 StPO so beschaffen sein, dass ihnen das Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen der Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung entnehmen kann, welche Feststellungen das Tatgericht zu den objektiven und subjektiven Tatbestandselementen getroffen hat und welche tatrichterlichen Erwägungen der Bemessung der Geldbuße und der Anordnung oder dem Absehen von Nebenfolgen, namentlich einem bußgeldrechtlichen Fahrverbot, zugrunde liegen. Dies gilt auch für die Beweiswürdigung, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in den Stand gesetzt wird, diese auf Widersprüche, Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze zu überprüfen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird die Geschwindigkeitsmessung mit dem grundsätzlich die Voraussetzungen eines amtlich anerkannten sog. standardisierten Messverfahrens im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (ebenso BGH BeckRS 1997, 30001950) erfüllenden Video-Nachfahrsystem "ProViDa 2000 modular" durchgeführt, ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur erforderlich, soweit konkrete Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Messung bestehen (ebenso OLG Bamberg BeckRS 2016, 16725). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Holt das Amtsgericht im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens ein Sachverständigengutachten ein, ist es gehalten, in den Urteilsgründen näher darzulegen, weshalb es sich überhaupt zur Einholung bzw. Verwertung eines Gutachtens zur Beantwortung welcher Beweisfragen veranlasst gesehen hat. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
4. Schließt sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung den Ausführungen einer bzw. eines Sachverständigen an, müssen im Urteil deshalb die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und fachbezogenen Ausführungen des Sachverständigen – wenigstens in zusammenfassender, im Einzelfall auch nur "gedrängter" Form – derart wiedergegeben werden, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit unabdingbar ist, um dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung zu ermöglichen, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die gezogenen Schlussfolgerungen (Befundtatsachen) nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind. Der jeweils gebotene Umfang der Darlegungspflicht hängt im Einzelfall von der Beweislage und der Bedeutung der Beweisfrage, die dieser für die Entscheidung zukommt, ab (ebenso BGH, BeckRS 2015, 8385). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
5. Bezugnahmen auf ein elektronisches Speichermedium als solches sind unwirksam, weil § 267 Abs. 1 S. 3 StPO als Ausnahmevorschrift nur die Bezugnahme auf bei den Akten befindliche „Abbildungen“ erlaubt, als Abbildung aber nur eine unmittelbar durch Gesichts- oder Tastsinn wahrnehmbare Wiedergabe der Außenwelt gelten kann. Hieran fehlt es jedoch bei einer auf einem Speichermedium gespeicherten Aufnahme, da diese nur über den Umweg der Nutzung eines Abspielgerätes wahrnehmbar ist (ebenso BGH BeckRS 2023, 38568). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
standardisiertes Messverfahren, Urteilsgründe, Verkehrsordnungswidrigkeit, Geschwindigkeitsmessung, Sachverständigengutachten, Video-Nachfahrsystem ‚ProViDa 2000 modular‘, Anknüpfungstatsachen, Beweiswürdigung, Videoaufzeichnung, Speichermedium, Rechtsbeschwerde
Fundstellen:
LSK 2024, 19980
DAR 2024, 456
BeckRS 2024, 19980
Tenor
I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 2. Oktober 2023 mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
1
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer am 15.05.2022 als Führer eines Pkws auf einer Bundesstraße fahrlässig begangenen, mit dem Video-Nachfahrsystem ‚ProViDa 2000 modular‘ festgestellten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um (toleranzbereinigt noch) 44 km/h zu einer Geldbuße von 480 Euro verurteilt. Daneben hat es gegen den Betroffenen entsprechend der Rechtsfolgenfestsetzung im Bußgeldbescheid vom 23.06.2022 wegen des groben Pflichtenverstoßes im Sinne der §§ 24, 25 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 26a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StVG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. lfd.Nr. 11.3.7 der Tabelle 1c zum BKat ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG (sog. beschränkter Vollstreckungsaufschub) angeordnet. Mit seiner hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. […]
2
Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist mit der Sachrüge begründet, weil die Urteilsfeststellungen lückenhaft sind. Insbesondere genügen die Feststellungen des Amtsgerichts zur Ordnungsgemäßheit der (standardisierten) Geschwindigkeitsmessung nicht den nach den §§ 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 StPO gebotenen Mindestanforderungen. Auf die verfahrensrechtlichen Beanstandungen kommt es nicht mehr an.
3
1. Wenn auch für das Bußgeldverfahren und hier gerade für das ‚entkriminalisierte‘ Verkehrsrecht als Massenverfahren des täglichen Lebens im Hinblick auf die gegenüber dem Strafverfahren gemilderte „Strenge des anzuwendenden Maßstabs“ entsprechend seinem auf einfache und schnelle („summarische“) Erledigung gerichteten Zweck hinsichtlich der Abfassung der Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind, kann doch für den Inhalt des Urteils in Bußgeldsachen im Grundsatz nichts anderes als für Urteile in Strafsachen gelten. Denn auch im Bußgeldverfahren bilden die Urteilsgründe die alleinige Grundlage für die sachlich-rechtliche Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Sie müssen deshalb auch in Bußgeldsachen nach § 71 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 und Abs. 3 StPO so beschaffen sein, dass ihnen das Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen der Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung entnehmen kann, welche Feststellungen das Tatgericht zu den objektiven und subjektiven Tatbestandselementen getroffen hat und welche tatrichterlichen Erwägungen der Bemessung der Geldbuße und der Anordnung oder dem Absehen von Nebenfolgen, namentlich einem bußgeldrechtlichen Fahrverbot, zugrunde liegen. Dies gilt auch für die Beweiswürdigung, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in den Stand gesetzt wird, diese auf Widersprüche, Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze zu überprüfen (st.Rspr.; vgl. u.a. neben BGHSt 39, 291, 299; BGHSt 43, 22/26 f.; BayObLG DAR 2004, 230, 231; BVerfG [3. Kammer des 2. Senats], Beschluss vom 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18 = NJW 2021, 455 = NZV 2021, 41 = DAR 2021, 75; BVerfG [2. Kammer des 2. Senats], Beschluss vom 20.06.2023 – 2 BvR 1167/20 = DAR 2023, 446 = NZV 2023, 413 = BeckRS 2023, 16934; aus der Lit. u.a. Göhler/Bauer OWiG 19. Aufl. vor § 71 Rn. 1, § 71 Rn. 42 ff.; KK-OWiG/Senge 5. Aufl. § 71 Rn. 106 u. Gieg, in Buck/Gieg [Hrsg.], Sachverständigenbeweis im Verkehrs- und Strafrecht, 3. Aufl. [2023], § 8 Rn. 1 ff. [= S. 518 f.], jeweils m.w.N.).
4
2. Nach den Urteilsgründen steht der festgestellte Sachverhalt zu der dem Betroffenen angelasteten, von diesem hinsichtlich der Richtigkeit der Messung bestrittenen Geschwindigkeitsüberschreitung u.a. „aufgrund der sachkundigen Feststellungen des Sachverständigen“ fest. Aus den Urteilgründen lässt sich indes – wie die Rechtsbeschwerde zu Recht beanstandet – schon nicht nachvollziehbar entnehmen, weshalb es nach Auffassung des Amtsgerichts neben der Aussage des als Zeugen gehörten polizeilichen Messbeamten überhaupt noch einer Begutachtung durch einen messtechnischen Sachverständigen bedurfte. Darüber hinaus erschöpft sich die Darstellung des Urteils zu den vom Sachverständigen für Vermessungstechnik in der Hauptverhandlung getroffenen Ausführungen darin, dass „die umfängliche Überprüfung der vorliegenden Geschwindigkeitsmessung […] zwar eine Abweichung vom Regelfall ergeben“ habe, „die aber aus messtechnischer Sicht die Richtigkeit einer Auswertung mit Hilfe des verwendeten Messsystems nicht in Frage stellen könne“. Die von dem Sachverständigen „vorgenommene individuelle Auswertung der vorliegenden Anknüpfungspunkte habe ergeben, dass das Fahrzeug des Betroffenen die Messstrecke von knapp 600 m mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 144 km/h durchfahren habe“. Auffällig sei lediglich, „dass eine Komponente des konformitätsbewerteten Messsystems, nämlich das Hauptmodul […] gegen ein anderes Hauptmodul […] ausgetauscht worden sei“, was nach einer Mitteilung des zuständigen Landesamts für Maß und Gewicht indes „nicht zu einem erneuerten Messgerät im Sinne von § 2 Nr. 7 MessEG“ geführt habe, weshalb eine neue Bewertung und Konformitätsbescheinigung nicht erforderlich gewesen sei. Auch aus technischer Sicht ergebe sich keine Notwendigkeit für eine entsprechende Neuausstellung. Schließlich habe der Sachverständige bekundet, auch „nach eigener Auswertung des Beweisvideos“ seinen „keine Hinweise auf Fehlfunktionen oder Störungen feststellbar“, weshalb „insgesamt […] aus technischer Sicht keine vernünftigen Zweifel daran“ bestünden, „dass die geeichte Messanlage zum Tatzeitpunkt korrekt innerhalb der zulässigen Fehlergrenzen funktioniert habe. Wegen des Austausches des Messmoduls sei möglicherweise nicht mehr von einem standardisierten Messverfahren auszugehen“. Die vom Sachverständigen „deshalb im Rahmen einer Einzelauswertung mit Hilfe des Beweisfilms individuell – von der polizeilichen Auswertung absolut unabhängig – ermittelte, technisch nachweisbare Geschwindigkeit sei nach Abzug aller maximal angesetzten Toleranzwerte (ca. 8 km/h) mit 144 km/h zu beziffern“.
5
3. Bei dieser Sachlage durfte sich das Amtsgericht mit Blick auf das erstattete Sachverständigengutachten nicht damit begnügen, dass der Sachverständige die Korrektheit der Messung mit der Maßgabe eines geringfügig erhöhten Toleranzabzugs „bestätigt“ habe.
6
a) Nachdem die Geschwindigkeitsmessung mit dem grundsätzlich die Voraussetzungen eines amtlich anerkannten sog. standardisierten Messverfahrens im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 19.08.1993 – 4 StR 627/92 = BGHSt 39, 291 u. 30.10.1997 – 4 StR 24/97 = BGHSt 43, 277) erfüllenden Video-Nachfahrsystem ‚ProViDa 2000 modular‘ durchgeführt wurde, wäre die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur erforderlich gewesen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Messung bestanden hätten (OLG Bamberg, Beschluss vom 20.10.2015 – 3 Ss OWi 1220/15 bei juris; vgl. ferner OLG Bamberg, Beschluss vom 04.04.2016 – 3 Ss OWi 1444/15 = DAR 2016, 337 = StRR 2016, Nr. 8 u. 05.09.2016 – 3 Ss OWi 1050/16 = StraFo 2016, 461). Schon allein aus diesem Grund wäre das Amtsgericht gehalten gewesen, näher darzulegen, weshalb es sich überhaupt zur Einholung bzw. Verwertung eines Gutachtens zur Beantwortung welcher Beweisfragen veranlasst gesehen hat.
7
b) Darüber hinaus durfte sich das Amtsgericht nicht damit begnügen, lediglich die Ergebnisse der sachverständigen Begutachtung mitzuteilen, weil dem Rechtsbeschwerdegericht allein mit diesen Angaben ohne zusätzliche Ausführungen wenigstens zu den wesentlichen Anknüpfungstatsachen des Gutachtens eine Beurteilung seiner Schlüssigkeit und damit die rechtliche Nachprüfung des Urteils als Ergebnis einer gegenüber der sachverständigen Wertung selbständigen Urteilsfindung schon im Ansatz verwehrt ist.
8
c) Schließt sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung den Ausführungen einer bzw. eines Sachverständigen an, müssen im Urteil deshalb die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und fachbezogenen Ausführungen des Sachverständigen – wenigstens in zusammenfassender, im Einzelfall auch nur ‚gedrängter‘ Form – derart wiedergegeben werden, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit unabdingbar ist, um dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung zu ermöglichen, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die gezogenen Schlussfolgerungen (Befundtatsachen) nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind. Der jeweils gebotene Umfang der Darlegungspflicht hängt im Einzelfall von der Beweislage und der Bedeutung der Beweisfrage, die dieser für die Entscheidung zukommt, ab (st.Rspr.; vgl. neben BGHSt 39, 291/297 u.a. BGH, Beschluss vom 02.04.2015 – 3 StR 103/15 bei juris; 06.05.2014 – 5 StR 168/14 = NStZ-RR 2014, 244 u. 17.06.2014 – 4 StR 171/14 = NStZ-RR 2014, 305 OLG Bamberg, Beschluss vom 20.10.2015 – 3 Ss OWi 1220/15 bei juris = BeckRS 2015, 127596 OLG Frankfurt, Beschluss vom 23.11.2015 – 1 Ss 386/15 = BA 53 [2016], 53 = BeckRS 2015, 125875; OLG Brandenburg, Beschluss vom 28.07.2015 – 53 Ss-OWi 278/15 bei juris; OLG Celle, Beschluss vom 24.8.2016 – 2 Ss 98/16 = OLGSt StPO § 267 Nr 30 = BeckRS 2016, 17861; KG, Beschluss vom 09.07.2014 – 122 Ss 97/14 = VRS 127 [2014] = BeckRS 2014, 22723; 09.10.2015 – 162 Ss 77/15 = VRS 129 [2015] = BeckRS 2016, 1595, 137; Göhler/Bauer OWiG a.a.O. § 71 Rn. 43d; KK-OWiG/Senge a.a.O. § 71 Rn. 119; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 66. Aufl. § 267 Rn. 13 f.; KK/Bartel StPO 9. Aufl. § 267 Rn. 34; LR/Stuckenberg StPO 27. Aufl. § 267 Rn. 67; Gieg, in Buck/Gieg [Hrsg.] a.a.O. § 8 Rn. 53 f. [= S. 532 f.], jeweils m.w.N.). Diesen hier schon aufgrund der vom Betroffenen angezweifelten Korrektheit der Messung gebotenen Mindestanforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Ein Beruhen des Urteils i.S.v. § 337 Abs. 1 StPO auf dem Darstellungsmangel ist nicht auszuschließen.
9
4. Ein weiterer durchgreifender sachlich-rechtlicher Mangel haftet dem Urteil an, als das Amtsgericht „wegen der Einzelheiten ausdrücklich gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO“ auf die in Augenschein genommene „Videoaufzeichnung“ Bezug nimmt. Denn die in den Urteilsgründen enthaltene Verweisung auf die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommene Videoaufzeichnung der Messung, namentlich auf eine bei den Akten etwa in Form einer Daten-CD enthaltene (bewegte) digitale Videoaufzeichnungen, ist von § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO nicht gedeckt, weshalb sie keine wirksame Bezugnahme darstellt. Bezugnahmen auf ein elektronisches Speichermedium als solches sind unwirksam, weil § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO als Ausnahmevorschrift nur die Bezugnahme auf bei den Akten befindliche „Abbildungen“ erlaubt, als Abbildung aber nur eine unmittelbar durch Gesichts- oder Tastsinn wahrnehmbare Wiedergabe der Außenwelt gelten kann. Hieran fehlt es jedoch bei einer auf einem Speichermedium gespeicherten Aufnahme, da diese nur über den Umweg der Nutzung eines Abspielgerätes wahrnehmbar ist (BGH, Urt. v. 02.11.2011 – 2 StR 332/11 bei juris = BGHSt 57, 53 = NJW 2012, 244 = NStZ 2012, 228 = NZV 2012, 143 = BGHR StPO § 267 Abs. 1 S. 3 Verweisung 4; 14.03.2019 – 4 StR 444/18, juris [„keine Bewegungsbilder“, nur „Standbilder“] bei juris = BGHR StGB § 66 Abs. 1 Erheblichkeit 9; Beschluss vom 02.12.2020 – 2 StR 203/20 bei juris = BeckRS 2020, 43187 u. 14.11.2023 – 3 StR 221/23 bei juris = BeckRs 2023, 38568; OLG Hamm, Beschluss vom 17.06.2021 – 4 RBs 141/21 = BeckRS 2021, 17698; OLG Bamberg, Beschluss vom 19.07.2017 – 3 Ss OWi 836/17 = OLGSt StPO § 267 Nr 35 = BeckRS 2017, 127422; KK-OWiG/Senge a.a.O. § 71 Rn. 116; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 267 Rn. 9; KK/Bartel a.a.O. § 267 Rn. 46; Gieg, in Buck/Gieg [Hrsg.] a.a.O. § 6 Rn. 15 ff. [= S. 395 ff.], jeweils m.w.N.).
10
Aufgrund der aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mängel ist das angefochtene Urteil mitsamt den Feststellungen aufzuheben (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 Abs. 1 StPO).
11
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).
12
Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.
13
Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.