Titel:
versammlungsrechtliche Beschränkung, Parole „Vom, Fluss bis zum Meer“ bzw. „From the river to the sea“, Gefahrenprognose, Umstände des Einzelfalls
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 146 Abs. 1
BayVersG Art. 15 Abs. 1
GG Art. 5 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1
VereinsG § 20
StGB §§ 86a, 86
Schlagworte:
versammlungsrechtliche Beschränkung, Parole „Vom, Fluss bis zum Meer“ bzw. „From the river to the sea“, Gefahrenprognose, Umstände des Einzelfalls
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 08.08.2024 – M 10 S 24.4736
Fundstelle:
BeckRS 2024, 19939
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. In Abänderung von Nr.
III. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 8. August 2024 wird der Streitwert für beide Instanzen auf jeweils 5.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller verfolgt mit seiner Beschwerde seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine ihm gegenüber ausgesprochene Versammlungsbeschränkung weiter.
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Der Antragsteller zeigte am 28. Juli 2024 eine sich fortbewegende Versammlung mit dem Thema „Freiheit für Palästina – Stopp den Genozid in Gaza“ für den 10. August 2024 von 16:00 bis 18:45 Uhr an. Erwartet werde eine Teilnehmerzahl von 300 Personen. Als Kundgebungsmittel wurden Plakate mit den Aufschriften „From the river to the sea, Palestine will be free“, „From the river te the sea, we want justice and equality“ und „From the river to the sea, we demand equality“ angekündigt.
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Mit Bescheid vom 6. August 2024 bestätigte die Antragsgegnerin die Versammlungsanzeige und verfügte unter anderem unter Ziffer 5.1 folgende Beschränkung:
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„Das öffentliche Zeigen von Emblemen, Kennzeichen oder Fahnen von verbotenen und/oder terroristischen Organisationen ist untersagt. Darunter fallen insbesondere (nicht abschließend) die in der Anlage 2 aufgeführten Organisationen, Kennzeichen und Symbole (strafbar gem. § 20 VereinsG bzw. §§ 86a, 86 StGB).
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Darunter fällt auch die Parole „Vom Fluss bis zum Meer…“ in Deutsch oder in anderen Sprachen; als Schriftzug, Ausruf, Musikstück und anderen Kundgabeformen.“
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Die Versammlungen des Antragstellers seien in der Vergangenheit von „…“ beworben worden und „…“ habe auch vor Ort die Organisation dieser Versammlungen übernommen. Zudem bestünden Überschneidungen beim zu erwartenden Teilnehmerkreis. Der Bezug von „…“ zur HAMAS sei belegt und auch für den objektiven Beobachter z. B. über den Fachbeitrag der Fachinformationsstelle Rechtsextremismus (firm) und dem Artikel darüber in der Abendzeitung nachvollziehbar. Eine Distanzierung von den Terrortaten bzw. der Terrororganisation HAMAS sei nicht erfolgt. Bei der Verwendung der streitbefangenen Parolen drohten nach den Umständen des Einzelfalls und dem Kontext der Äußerung Verstöße gegen den objektiven Tatbestand aus § 86a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 86 Abs. 2 StGB, mithin Gefahren für die öffentliche Sicherheit.
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Den hiergegen gerichteten Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 8. August 2024 ab. Soweit sich eine Beschränkung der Versammlung auf den Inhalt von Aussagen beziehe, sei dies am Maßstab des Grundrechts auf Meinungsäußerungsfreiheit zu beurteilen. Ob die Verwendung der streitgegenständlichen Parolen einen Straftatbestand nach § 20 VereinsG bzw. §§ 86a, 86 StGB erfülle, hänge von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere von einem erkennbaren Bezug der Parole zur HAMAS, ab. Bei lebensnaher Betrachtung sei im Rahmen der Versammlung des Antragstellers die streitige Parole der verbotenen HAMAS zuzuordnen. Die Antragsgegnerin habe in ihrer Gefahrenprognose den Bezug des Antragstellers zu der Vereinigung „…“ umfassend dargelegt. Aufgrund der Positionierung dieser Gruppierung in der Vergangenheit zur HAMAS und zu den Geschehnissen am 7. Oktober 2023 sei die Antragsgegnerin aller Voraussicht nach rechtsfehlerfrei zu der Auffassung gelangt, dass bei der Versammlung die konkrete Gefahr bestehe, dass die Parole jedenfalls auch in einer vom Tatbestand des § 86a StGB erfassten Weise Verwendung finden werde.
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Zur Begründung seiner Beschwerde führt der Antragsteller aus, er gehöre nicht zur Gruppe „…“ und habe keinen Einfluss, ob diese Gruppierung für seine Versammlung mobilisiere. Die Versammlungen des Antragstellers seien störungsfrei und ohne Bezug zu HAMAS verlaufen. Ein Schild mit einer entsprechenden Aufschrift sei nach Rücksprache mit der Polizei abgeklebt worden. Selbst die Antragsgegnerin trage nicht vor, die Gruppierung sei ein Ableger oder eine Teilorganisation der HAMAS. Die Argumentation der Antragsgegnerin zur Frage des milderen Mittels sei in sich widersprüchlich. Die Antragsgegnerin verkenne, dass ein Kennzeichen einer verbotenen Organisation auch zur öffentlichen Meinungsbildung verwendet werden könne und damit die Sozialadäquanzklausel greife. Die Behauptungen der sog. „Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München“ würden mit Nichtwissen bestritten und angesichts der Förderung durch die Antragsgegnerin werde davon ausgegangen, dass es sich bei der Broschüre um eine Auftragsarbeit der Antragsgegnerin handle, und der Verwertung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren werde widersprochen. Eine Rechtsgrundlage für das Beobachten von Versammlungen durch die Fachinformationsstelle sei nicht ersichtlich. Aus den Ausführungen in der Broschüre ergebe sich, dass die Fachinformationsstelle offenbar gar keine Kenntnisse darüber habe, wer Mitglied von „…“ sei. Die Aussagen dieser „Mitglieder“ würden dann der Gruppierung zugerechnet und Kontakte zu diesen Personen als Kontakte zur Organisation gewertet.
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Die Antragsgegnerin trat der Beschwerde entgegen und beantragt, diese zurückzuweisen. Sie habe ausführlich die positive Positionierung der Gruppierung zur HAMAS und Samidoun dargelegt. Für die Gefahrenprognose habe sie im Wesentlichen auf die Social-Media-Aktivität der Gruppierung und deren Auftreten bei einschlägigen Versammlungen abgestellt. Der vom Antragsteller kritisierte Beitrag der „Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München“ diene insoweit nur der weiteren Einordnung.
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Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich am Verfahren beteiligt, aber keinen eigenen Antrag gestellt. Er hält die Zurückweisung der Beschwerde für gerechtfertigt. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass die Prognose der Versammlungsbehörde das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die Begehung von Straftaten nach § 86a StGB hinreichend begründet habe. Auf das Urteil des Amtsgerichts BerlinTiergarten vom 6. August 2024 (Az. 261b Cs 1037/24), mit dem wegen der Billigung von Straftaten wegen der Verwendung der streitgegenständlichen Parole eine Geldstrafe verhängt worden sei, und auf den Beschluss des OVG Bautzen vom 27. Juli 2024 (1 B 116/24) werde hingewiesen. Die streitgegenständliche Beschränkung sei auch zutreffend auf eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch Anstachelung zum Hass gegen Bevölkerungsteile und Erzeugung einer Atmosphäre der Bedrohung, die durch die Wirkung dieser Parole erzeugt würde, gestützt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten.
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Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen nicht die beantragte Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
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Die Beschwerdebegründung zeigt weder durchgreifende Mängel der behördlichen und der erstgerichtlichen Gefahrenprognose noch eine unzureichende Abwägung der betroffenen Rechtspositionen auf. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich nach summarischer Prüfung die Versammlungsbeschränkung durch Untersagen der Verwendung der streitgegenständlichen Parolen voraussichtlich als rechtmäßig erweist und den Antragsteller nicht im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzt.
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a) Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 26. Juni 2024 (BayVGH, B.v. 26.6.2024 – 10 CS 24.1062 – juris) ausgeführt:
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Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (hierzu und zum Folgenden zuletzt BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – juris Rn. 14 m.w.N.). Nach Art. 8 Abs. 2 GG kann dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Derartige Beschränkungen sind im Lichte der grundlegenden Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG auszulegen. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig (vgl. zuletzt BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – juris Rn. 14 m.w.N.). Rechtsgüterkollisionen ist im Rahmen versammlungsrechtlicher Verfügungen durch Beschränkungen oder Modifikationen der Durchführung der Versammlung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001- 1 BvR 1190/90 – BVerfGE 104, 92 – juris Rn. 54, 63).
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Gem. Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
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Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit dürfen beim Erlass von versammlungsrechtlichen Beschränkungen oder eines Versammlungsverbots keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose gestellt werden. Sie ist auf konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte zu stützen, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben (vgl. BVerfG, B. v. 6.6.2007 – 1 BvR 1423/07 – juris Rn. 17). Bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen für sich allein nicht aus (vgl. BVerfG, B. v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 24.3.2023 – 10 CS 23.575 – juris Rn. 19; B.v. 6.6.2015 – 10 CS 15.1210 – juris Rn. 22; U.v. 10.7.2018 – 10 B 17.1996 – juris Rn. 26; BVerwG, B.v. 24.8.2020 – 6 B 18.20 – juris Rn. 6). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Beschränkung liegt grundsätzlich bei der Behörde (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 17; B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 19 jeweils m.w.N.; BayVGH, B.v. 24.3.2023 – 10 CS 23.575 – juris Rn. 19; B.v. 19.12.2017 – 10 C 17.2156 – juris Rn. 16 m.w.N.).
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Soweit sich das Verbot oder eine Beschränkung der Versammlung auf den Inhalt von Aussagen bezieht – dies ist bei der Anknüpfung an das Motto der Versammlung und die zu erwartenden Äußerungen der Versammlungsteilnehmer der Fall –, ist es auch am Maßstab des Art. 5 Abs. 1, 2 GG zu beurteilen. Der Inhalt einer Meinungsäußerung, der im Rahmen des Art. 5 GG nicht unterbunden werden darf, kann daher auch nicht zur Begründung von Maßnahmen herangezogen werden, die das Grundrecht des Art. 8 GG beschränken (BVerfG, B.v. 1.12.2007 – 1 BvR 3041/07 – BVerfGK 13, 1 – juris Rn. 13 m.w.N.). Eine inhaltliche Begrenzung von Meinungsäußerungen kommt im Rahmen der allgemeinen Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG in Betracht (hierzu und zum Folgenden BVerwG, U.v. 26.4.2023 – 6 C 8/21 – juris Rn. 28 ff. m.w.N. zur entsprechenden ständigen Rechtsprechung des BVerfG). Zur Beurteilung der Frage, ob eine Meinungsäußerung als Straftat zu verstehen ist, ist zuvor ihr objektiver Sinngehalt unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums zu ermitteln. Dabei darf ihr im Lichte der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit keine Bedeutung beigelegt werden, die sie objektiv nicht hat, und im Fall der Mehrdeutigkeit darf – wie oben ausgeführt – nur dann von der zur Verurteilung führenden Deutung ausgegangen werden, wenn andere, straflose Deutungsmöglichkeiten mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen werden können (vgl. BVerfG, B.v. 28.3.2017 – 1 BvR 1384/16 – juris Rn. 17 – stRspr).
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b) Das Verwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung zutreffend festgestellt, dass die Gefahrenprognose der Antragsgegnerin, wonach die streitigen Parolen im Rahmen der Versammlung des Antragstellers der verbotenen Vereinigung HAMAS zuzuordnen seien, – anders als in dem mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juni 2024 entschiedenen Verfahren – im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden sei. Dabei ist es davon ausgegangen, dass der Bezug des Antragstellers zur Vereinigung „…“ umfassend dargelegt worden sei und aufgrund der Positionierung dieser Gruppierung in der Vergangenheit zur HAMAS und den Geschehnissen am 7. Oktober 2023 die konkrete Gefahr bestehe, dass die Parolen in der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung in eine vom Tatbestand des § 86a StGB erfassten Weise Verwendung finden würden.
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Dagegen trägt das Beschwerdevorbringen nichts an Substanz vor. Soweit der Antragsteller vorträgt, er gehöre der Vereinigung „…“ nicht an und habe keinen Einfluss darauf, ob diese Gruppierung für seine Versammlung mobilisiere, ohne den Ausführungen der Antragsgegnerin entgegenzutreten, genügt dies den Darlegungserfordernissen nicht. Die Antragsgegnerin hat im streitgegenständlichen Bescheid nachvollziehbar und von tatsächlichen Anhaltspunkten ausgehend ausgeführt, dass die Gruppierung zum einen nicht nur die Versammlungen des Antragstellers in der Vergangenheit beworben hat, sondern dass zum anderen diese Ankündigungen sogar mit dem Logo der Organisation versehen gewesen seien. Es bestünden Überschneidungen beim zu erwartenden Teilnehmerkreis, z.B. sei eine Rednerin mit Bezug zu „…“ bei diesen Versammlungen aufgetreten. In der Vergangenheit sei es bereits häufig der Fall gewesen, dass „…“ vor Ort die Organisation von Versammlungen des Antragstellers übernommen habe (z.B. Aufdrucke von „…“ auf Bannern, Mobilisierung über die Social Media Kanäle von „…“, aus der Organisation bekannte Rednerinnen, Stellen von Infrastruktur etc.). Dies wird vom Antragsteller nicht bestritten bzw. dazu verhält sich das Beschwerdevorbringen nicht. Nicht entscheidungserheblich ist es demgegenüber, ob der Antragsteller „Mitglied“ der Gruppierung ist, wovon auch die Antragsgegnerin nicht ausgegangen ist.
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Des Weiteren stellt die Antragsgegnerin darauf ab, dass sich der Antragsteller und der zu erwartende Teilnehmerkreis bisher nicht von den Terrortaten bzw. der Terrororganisation HAMAS selbst distanziert hätten, bei Versammlungen dieses Teilnehmerkreises immer wieder Kundgabemittel gezeigt würden, die zu Gewalt aufrufen oder sich solidarisch mit dem Terrorangriff der HAMAS vom 7. Oktober 2023 zeigen würden und die Organisation keinen Hehl daraus mache, dass Israel als Staat nicht anerkannt werde. „…“ habe auf Facebook den Terrorangriff der HAMAS auf Israel als revolutionären Tag zum Feiern beschrieben. Die Gruppierung habe auch einen Post der Organisation „Samidoun“ zu einer Aktion, bei der in Berlin zur Feier des Angriffs der HAMAS Süßigkeiten verteilt worden seien, gepostet. Der Terrorangriff werde als „Widerstand“ oder „Befreiung“ bezeichnet. Der Bezug von „…“ zur HAMAS sei belegt und auch für den objektiven Beobachter z. B. über den Fachbeitrag der firm und die Beleuchtung dessen in einem Artikel in der Abendzeitung vom 25. Juni 2024 nachvollziehbar. Davon ausgehend kommt die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis, dass in diesem Einzelfall der Kontext der streitgegenständlichen Parolen zu der verbotenen Organisation für die Versammlung des Antragstellers und damit der Tatbestand der Strafbarkeit der Formulierung erfüllt sei.
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Das Verwaltungsgericht führt deshalb zu Recht aus, dass die Antragsgegnerin in ihrer Gefahrenprognose sehr umfassend dargelegt habe, dass die Teilnehmenden die Parole mit einem konkreten Bezug zu HAMAS oder anderen verbotenen Vereinigungen verwenden würden und deshalb eine strafbare Verwendung zu erwarten sei. Substantiierte Einwendungen dagegen finden sich im Beschwerdeschriftsatz nicht. Soweit der Antragsteller rügt, dass die Posts in den sozialen Medien bereits ein Dreivierteljahr zurückliegen würden, weist die Antragsgegnerin zurecht darauf hin, dass eine Distanzierung davon nicht erkennbar ist. Nicht entscheidungserheblich ist insoweit, dass die Organisation „…“ kein Ableger von HAMAS, sondern eine säkulare Bewegung sei, die auch Kundgebungen für die Rechte von LGBTQI+ beworben habe, denn dies ist nicht Voraussetzung für die strafbare Verwendung der Parolen. Ausreichend ist insoweit ein Organisationsbezug, der zwar nicht schon dann vorliegt, wenn jemand die gleiche Meinung vertritt wie die verbotene Organisation, wohl aber dann, wenn sich für einen unbefangenen Betrachter der Eindruck ergibt, es handle sich um eine Aktion unmittelbar zugunsten der verbotenen Organisation selbst (BVerfG, B.v. 15.11.2001 – 1 BvR 98/97- juris Rn. 24; VGH BW, B.v. 21.6.2024 – juris Rn. 26; SächsOVG, B.v.27.7.2024 – 1 B 116/24 – juris Rn. 18ff.). Ausgehend von den von der Antragsgegnerin angeführten Äußerungen der Gruppierung ist demnach die Gefahrenprognose der Antragsgegnerin, dass die Parolen auf der Versammlung mit Bezug zur HAMAS in strafrechtlich relevanter Weise geäußert werden, nachvollziehbar. Dem wurde im Beschwerdevorbringen nicht substantiiert entgegengetreten. Ob die Kritik des Antragstellers an dem Bericht der Fachinformationsstelle Rechtsextremismus berechtigt ist, kann dahingestellt bleiben, da zum einen die Antragsgegnerin darauf nicht maßgeblich abgestellt hat und sie zum anderen keine rechtliche Bewertung dieser Stelle übernommen hat.
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Keine Rolle spielt es dabei auch, dass die Versammlungen des Antragstellers bisher (weitestgehend) störungsfrei verliefen, kein Bezug zu HAMAS zu erkennen war und kritische Passagen auf Plakaten nach Rücksprache mit der Polizei abgeklebt wurden, da bisher die Parole als Kundgabemittel des Antragstellers gerade nicht verwendet wurde.
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Soweit das Beschwerdevorbringen ausführt, die Frage, dass schon keineswegs sicher sei, ob es sich überhaupt um ein Kennzeichen der HAMAS handle, habe für das Verwaltungsgericht bei seiner Abwägung keine Rolle gespielt, legt es dies bereits nicht im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO dar.
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Indem der Antragsteller darauf abstellt, dass sowohl das Gericht als auch die Antragsgegnerin verkennen würden, dass eine sozialadäquate Verwendung auch zur öffentlichen Meinungsbildung erfolgen könne, wird nicht dargelegt, inwieweit er die Parole nur zur öffentlichen Meinungsbildung (ohne Bezug zu HAMAS) verwenden will. Die Antragsgegnerin führt dazu aus, dass nach den Erfahrungen bei gleichgelagerten vergangenen Versammlungen davon auszugehen sei, dass die streitgegenständlichen Parolen ohne weitere Erläuterungen verwendet würden. Aufgrund der Verbindung des Antragstellers zur Organisation „…“ und dieser zur HAMAS wäre in diesem Fall aufgrund der Umstände des Einzelfalles eine Erläuterung erforderlich. In diesem Sinne sind auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, auf die das Beschwerdevorbringen hinweist, zu verstehen, wonach es laut Polizeiberichten vereinzelt durchaus zu einer Verwendung der Parole gekommen sei, bei der der sozialadäquate Zweck gerade nicht zu erkennen gewesen sei.
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Davon ausgehend sind auch die Ausführungen der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden, dass mildere Mittel nicht ersichtlich seien, da eine Verfügung, die Parolen nur ohne Bezug zur HAMAS zu verwenden, nicht gleich zur Gefahrenabwehr wirksam wäre. Nicht vorgetragen wurde vom Antragsteller, dass sein Anliegen ohne die streitgegenständlichen Parolen inhaltlich nicht ausreichend zu verwirklichen sei.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert war nach §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG zu bestimmen. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Senats, in versammlungsrechtlichen Eilverfahren, die ein Versammlungsverbot zum Gegenstand haben, den vollen Auffangwert anzusetzen (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 26.6.2024 – 10 CS 24.1062 – juris).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).