Titel:
Ordnungsmittel gegen den im Rahmen der Abstammungsbegutachtung ausbleibenden Elternteil
Normenketten:
ZPO § 377, § 390
FamFG § 178 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Die Festsetzung von Ordnungsgeld nach §§ 178 Abs. 2 S. 1 FamFG, 390 ZPO kommt nur in Betracht, wenn die zu untersuchende Person zu dem fehlgeschlagenen Entnahmetermin ordnungsgemäß gerichtlich geladen worden war. Die Ladung durch ein Testinstitut reicht hierfür nicht aus. (Rn. 15)
2. Dass eine gerichtliche Ladung gem. § 377 ZPO Voraussetzung für die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach §§ 178 Abs. 2 S. 1 FamFG, 390 ZPO ist, auch wenn § 178 Abs. 2 S. 1 FamFG unmittelbar nur auf §§ 386 bis 390 ZPO verweist, ergibt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren. (Rn. 16)
3. Nach Auffassung des Senats besteht aber keine Notwendigkeit einer Änderung der bisherigen Handhabung der Familiengerichte, wonach die Mitteilung der Untersuchungstermine zunächst durch den Sachverständigen erfolgt. (Rn. 21)
Schlagworte:
Ordnungsmittel gegen den im Rahmen der Abstammungsbegutachtung ausbleibenden Elternteil, Abstammungsbegutachtung, Ordnungsmaßnahmen, Ordnungsgeld, gerichtliche Ladung, beauftragter Sachverständiger
Vorinstanz:
AG Coburg, Beschluss vom 18.06.2024 – 002 F 929/23
Fundstellen:
FamRZ 2024, 1960
MDR 2024, 1398
BeckRS 2024, 19764
LSK 2024, 19764
NJOZ 2024, 1290
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten C. wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Coburg vom 18.06.2024 aufgehoben.
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes, welches gegen ihn wegen Verweigerung an der zur Feststellung der Abstammung erforderlichen Untersuchung verhängt wurde.
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Die Antragstellerin ist Mutter des am … 2023 geborenen Kindes B. und begehrte mit Schriftsatz vom 13.12.2023 die Feststellung, dass der Beschwerdeführer der biologische Vater ihres Kindes ist. Sie erklärte, dieser sei der Einzige gewesen, der mit ihr in der Empfängniszeit nach § 1600d Abs. 3 S. 1 BGB Verkehr gehabt habe. Im Erörterungstermin am 11.04.2024 stellte der Beschwerdeführer seine Vaterschaft gleichwohl in Abrede. Mit Beschluss vom 11.04.2024 erließ das Familiengericht deswegen einen Beweisbeschluss zur Klärung der Abstammung des Kindes durch Einholung eines schriftlichen DNA-Gutachtens.
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Der beauftragte Sachverständige teilte dem Amtsgericht mit Schreiben vom 12.06.2024 mit, dass der Beschwerdeführer zu keinem der beiden Termine zur Probenentnahme beim Gesundheitsamt … erschienen sei. Er habe sich krankgemeldet und auch auf den Vorschlag, die Probenentnahme durch den behandelnden Arzt durchführen zu lassen, nicht reagiert.
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Mit Beschluss vom 18.06.2024 setzte das Familiengericht gegen den Beschwerdeführer daraufhin wegen Verweigerung der zur Feststellung der Abstammung erforderlichen Untersuchung ein Ordnungsgeld i. H. v. 500 €, ersatzweise Ordnungshaft von 5 Tagen fest und legte ihm die durch seine Weigerung verursachten Kosten des Verfahrens auf.
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Gegen diesen ihm am 18.06.2024 zugestellten Beschluss legte der Beteiligte C. mit am 25.06.2024 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde ein und begründete diese unter Vorlage ärztlicher Atteste damit, dass er an den Terminen zur Probeentnahme nicht habe erscheinen können, da er arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei.
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Das Amtsgericht half mit Beschluss vom 26.06.2024 der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Beschlüsse und Schriftsätze Bezug genommen.
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Mit Schriftsatz vom 18.07.2024 legte der Beschwerdeführer schließlich eine amtsärztliche Bescheinigung des Gesundheitsamtes … vor, aus welcher sich ergibt, dass er dort am 18.07.2024 zur DNA-Entnahme erschienen war.
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Mit Beschluss vom 19.07.2024 wurde die Sache dem Senat übertragen.
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1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 178 Abs. 2 S. 1 FamFG, 390, 567 ff ZPO zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt.
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2. In der Sache ist die Beschwerde auch begründet und führt zur Aufhebung der getroffenen Entscheidung.
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a. Nach § 178 Abs. 1 FamFG hat in einem Abstammungsverfahren jede Untersuchungsperson auf der Grundlage eines gerichtlichen Beweisbeschlusses die Entnahme von Blutproben bzw. einer genetischen Probe sowie deren genetische Analyse zu dulden, soweit dies zur Feststellung der Abstammung erforderlich ist, es sei denn, dass der Person die Untersuchung nicht zugemutet werden kann. Nur wenn eine Untersuchungsperson Gründe für die Unzumutbarkeit der Mitwirkung oder fehlende Erforderlichkeit der konkreten Beweiserhebung darlegt, ist sie berechtigt, die Mitwirkung zu verweigern.
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Gründe für die Unzumutbarkeit der Mitwirkung oder die fehlende Erforderlichkeit der konkreten Beweiserhebung hat der Beschwerdeführer vorliegend nicht dargelegt. Soweit er sich darauf beruft, dass er arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, lässt dies keinen ausreichenden Schluss auf die Unzumutbarkeit der Mitwirkung zu, da eine Arbeitsunfähigkeit an andere Voraussetzungen (u. a. Erfordernisse der konkreten Tätigkeit) geknüpft ist als die Probenentnahme.
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b. Gleichwohl lagen die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Beschwerdeführer nicht vor, weil der Beschwerdeführer nicht ordnungsgemäß zum Termin für die Entnahme des für die Begutachtung erforderlichen DNA-Materials geladen wurde.
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(1) Die Festsetzung von Ordnungsgeld nach §§ 178 Abs. 2 S. 1 FamFG, 390 ZPO kommt aber nur in Betracht, wenn die zu untersuchende Person zu dem fehlgeschlagenen Entnahmetermin ordnungsgemäß gerichtlich geladen worden war. Die Ladung durch ein Testinstitut reicht nicht aus (vgl. Ahrens in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 2024, § 390 ZPO, Rn. 27 m. w. N).
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(2) Dass eine gerichtliche Ladung gem. § 377 ZPO Voraussetzung für die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach §§ 178 Abs. 2 S. 1 FamFG, 390 ZPO ist, auch wenn § 178 Abs. 2 S. 1 FamFG unmittelbar nur auf §§ 386 bis 390 ZPO verweist, ergibt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren.
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Im Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG)“ vom 07.09.2007, Drs. 16/6308, findet sich in Art. 1 der § 178 FamFG in der jetzt gültigen Form (vgl. Bl. 43). In der Begründung wird insoweit (vgl. Bl. 246) in Bezug auf Abs. 2 angeführt, dass dieser § 372a Abs. 2 S. 1 und 2 ZPO entspreche.
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In der Stellungnahme des Bundesrates (vgl. Bl. 380) findet sich eine Anregung dahingehend, dem geplanten § 178 Abs. 2 folgenden Satz anzufügen: „Eine wiederholte unberechtigte Weigerung der Untersuchung im Sinne von Satz 2 liegt auch dann vor, wenn wiederholt Ladungen des beauftragten Sachverständigen unbeachtet geblieben sind.“ Zur Begründung wird insoweit angeführt, dass die Regelung des § 178 Abs. 2 Satz 1 FamFG-E im Wesentlichen dem geltenden § 372a ZPO entspreche. Gleichwohl bestünde Änderungsbedarf, da es in der Praxis regelmäßig so sei, dass die Beteiligten zunächst durch den beauftragten Sachverständigen zur Abgabe der Blutprobe oder des DNA-Materials wiederholt geladen würden, unmittelbarer Zwang oder zwangsweise Vorführung aber nach dem bisherigen § 372a ZPO erst dann angeordnet werden, könnte, wenn eine wiederholte Ladung durch das Gericht nicht beachtet worden sei. Da dies zu erheblichen Verzögerungen führe, solle dem Gericht die Anordnung unmittelbaren Zwangs schon dann ermöglicht werden, wenn wiederholt Ladungen des Sachverständigen unbeachtet geblieben seien. Diesem Umstand trage der neu anzufügende Satz 3 des § 178 Abs. 2 FamFG-E Rechnung.
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Diesem Vorschlag des Bundesrates hat allerdings die Bundesregierung nicht zugestimmt. Zur Begründung wurde ausgeführt (vgl. Bl. 380), dass ein Sachverständiger die Beteiligten nicht förmlich zum Untersuchungstermin lade. Daher lasse sich mangels eines Zustellungsnachweises an ein Nichterscheinen keine Rechtsfolge anknüpfen. Eine zwangsweise Vorführung eines Beteiligten komme nur in Betracht, wenn dessen Ladung förmlich durch das Gericht erfolge.
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(3) Damit ist ersichtlich, dass die Verhängung von Ordnungsmaßnahmen nach §§ 178 Abs. 2 FamFG, 390 ZPO unter den gleichen Voraussetzungen wie die Verhängung von Ordnungsmaßnahmen nach §§ § 372 a, 390 ZPO erfolgen muss. Ordnungsmaßnahmen nach §§ 178 Abs. 2 FamFG, 390 ZPO dürfen daher nur dann angeordnet werden, wenn eine gerichtliche Ladung zur Untersuchung gegeben ist (vgl. zu der Untersuchung nach § 372a ZPO insoweit Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 13. Oktober 2000 – 9 WF 198/00 –, juris, m. w. n.).
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Nach Auffassung des Senats besteht aber keine Notwendigkeit einer Änderung der bisherigen Handhabung der Familiengerichte, wonach die Mitteilung der Untersuchungstermine zunächst durch den Sachverständigen erfolgt. Eine gerichtliche Ladung zum Untersuchungstermin mit der Folge der möglichen Verhängung von Ordnungsmaßnahmen nach §§ 178 Abs. 2 FamFG, 390 ZPO ist vielmehr nur dann veranlasst, wenn der Terminmitteilung durch den Sachverständigen keine Folge geleistet wird.
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c. Vorliegend ist eine gerichtliche Ladung zum Untersuchungstermin nicht erfolgt, weshalb für die Verhängung eines Ordnungsgeldes und die im Beschluss vom 18.06.2024 ausgesprochene Kostenfolge kein Raum ist.
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d. Ob das Ordnungsgeld auch deshalb aufzuheben wäre, weil der Beschwerdeführer die Untersuchung inzwischen hat durchführen lassen oder ob dies wegen des auch repressiven Charakters von Ordnungsmitteln nicht in Betracht kommt, bedarf daher keiner Klärung.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Kosten einer erfolgreichen Beschwerde sind solche des Rechtsstreits (vgl. Thomas/Putzo – Seiler, ZPO, 44. Aufl., §§ 390 Rn. 5, 380 Rn. 12, BGH, Beschluss vom 22. Juni 2011 – I ZB 77/10 –, juris). Gerichtskosten entstehen nicht (vgl. KVFamGKG Nr. 1912).
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Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da die Frage, ob die Verhängung von Ordnungsmaßnahmen nach §§ 178 Abs. 2 FamFG, 390 ZPO eine gerichtliche Ladung voraussetzt, grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 ZPO).