Titel:
Umgangsregelung bei übermäßigem Medienkonsum
Normenkette:
BGB § 1684
Leitsätze:
1. Umgang soll der Entfremdung vorbeugen, dem Liebesbedürfnis beider Seiten Rechnung tragen und dem Umgangsberechtigten die Möglichkeit geben, sich laufend von der Entwicklung und dem Wohlergehen des Kindes zu überzeugen und die persönlichen Beziehungen zum Kind zu erhalten und durch Begegnungen und gegenseitige Aussprache zu pflegen. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für einen erweiterten Umgang auch unter der Woche ist es erforderlich, dass die Eltern in der Lage sind, kommunikativ und kooperativ zusammenzuarbeiten, um die Belange und Bedürfnisse der Kinder, insbesondere auch im Hinblick auf die schulischen Belange, sicherzustellen und sachliche Absprachen zu treffen; dies setzt auch ein Mindestmaß an Übereinstimmung der Erziehungsziele voraus. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein trotz Hinweises der Jugendamts fortgesetzter erhöhter Medienkonsum der Kinder, die insbesondere auch für ihr Alter noch nicht freigegebene Filme, Videos und Spiele anschauen und mit und ohne ihren Vater zocken, zeigt das fehlende Problembewusstsein des Vaters, die Umstände während des Umgangs zu verbessern. (Rn. 53 – 56) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Umgang, erweiterter Umgang, Medienkonsum, zocken, Problembewusstsein, Videospiele, Playstation
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg, Beschluss vom 07.08.2024 – 7 UF 80/24 e
Fundstelle:
BeckRS 2024, 19745
Tenor
1. Die Vereinbarung der Beteiligten, Az.: 2F 887/16, vom 12.04.2018 wird wie folgt abgeändert:
Der Umgang mit den Kindern K, geboren am 2015, und K, geboren am .2014, wird wie folgt geregelt:
a) Der persönliche Umgang zwischen dem Antragsteller und der gemeinsamen Tochter K wird für die Dauer von 2 Monaten ausgeschlossen.
Dem Kindesvater wird aufgegeben, während dieser Zeit sich schriftlich bei K für die Beschimpfungen im Januar 2024 zu entschuldigen.
Ihm ist gestattet, während des persönlichen Umgangsausschluss Briefe an K zu schreiben.
b) Zwischen dem Antragsteller und dem Kind B findet Wochenendumgang im 14-tägigen Rhythmus von freitags nach Schulende bis Sonntags 17:30 Uhr in jeder ungeraden Kalenderwoche statt.
Ab dem Wochenende vom 22.06.2024 (25. KW 2024) findet auch mit der Tochter K Wochenendumgang im 14-tägigen Rhythmus von freitags nach Schulende bis Sonntags 17:30 Uhr in jeder ungeraden Kalenderwoche statt, sofern K ausdrücklich damit einverstanden ist.
Der Kindsvater ist verpflichtet, die Kinder pünktlich zum Schulende vor der jeweiligen Schule abzuholen und pünktlich nach Umgangsende zur Mutter zurückzubringen.
c) Während der schulfreien Zeit beginnt der turnusmäßige Wochenendumgang freitags spätestens 14:00 Uhr. Der Antragsteller holt hierzu die Kinder bei der Antragsgegnerin ab.
d) In den bayerischen Sommerferien findet Umgang für die Dauer von einer Woche in der 1. Sommerferienwoche vom Sonntag, der 1. Ferienwoche vorausgeht, 17:30 Uhr, bis den darauf folgenden Sonntag 17:30 Uhr statt.
e) Am 2. Weihnachtsfeiertag von 10:00 Uhr bis 17:30 Uhr befinden sich die Kinder beim Antragsteller.
2. Der Antragsteller hat es zu unterlassen, im Beisein der Kinder die Kindesmutter zu beschimpfen oder zu bedrohen.
Er hat Beschimpfungen der Kinder zu unterlassen.
Ihm wird aufgegeben, während der Umgangszeiten im Beisein der Kinder nicht in den Wohnräumen zu rauchen. Die Wohnräume sind vor Umgangsbeginn ausreichend zu lüften.
3. Für jeden Fall der zu vertretenden Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Regelung des Umgangsrechts kann das Gericht gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld in Höhe von jeweils bis zu 25.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft für eine Dauer von bis zu 6 Monaten anordnen. Verspricht die Anordnung von Ordnungsgeld keinen Erfolg, so kann das Gericht sofort Ordnungshaft für eine Dauer von bis zu 6 Monaten anordnen. Weiterhin kann das Gericht zur Vollstreckung unmittelbaren Zwang anordnen, wenn die Festsetzung von Ordnungsmitteln erfolglos geblieben ist, die Festsetzung von Ordnungsmitteln keinen Erfolg verspricht oder eine alsbaldige Vollstreckung unbedingt geboten erscheint.
4. Der Verfahrenswert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.
5. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
1
Die Beteiligten sind die Eltern der Kinder K, geb. am 2014, und B, geb. am.2015. Diese leben im Haushalt der Antragsgegnerin, der auch das alleinige Sorgerecht zusteht. Die Eltern trennten sich endgültig im Mai 2017.
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Beide Elternteile stehen wegen psychischer Erkrankungen unter gerichtlich angeordneter Betreuung.
3
Zwischen Eltern läuft aktuell ein Gewaltschutzverfahren auf Antrag der Kindesmutter, Aktenzeichen 4 F 249/24, da der Kindesvater sie bedroht haben soll. Ein entsprechender Gewaltschutzbeschluss wurde durch das Amtsgericht Hof erlassen. Der Kindesvater hat hiergegen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
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Bereits im Jahr 2018 beantragte der Antragsteller das gemeinsame Sorgerecht, Az.: 002 F 886/16. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 18.04.2018 insbesondere wegen der fehlenden Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft der Eltern, der fehlenden Übereinstimmung der Eltern und der massiven Streitigkeiten zwischen den Eltern zurückgewiesen.
5
Der im Verfahren 4 F 1200/23 parallel gestellte Antrag auf Herstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge wurde nach mündlicher Verhandlung vom 03.04.2024 zurückgenommen.
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Zunächst wurden zum Umgang vorläufige Regelungen am 10.11.2016 und am 19. 9. 2017 getroffen. Am 12.04.2018 schlossen die Eltern vor dem Amtsgericht Hof in dem Verfahren Az.: 002 F 887/16, eine Umgangsvereinbarung, wonach mittwochs, 8:00 Uhr bis donnerstags, 8:00 Uhr, und im 14-tägigen Rhythmus freitags 14:30 Uhr bis Montag 8:00 Uhr Umgang stattfand.
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Im Verfahren 002 F 761/18 beantragte die Kindesmutter die gerichtliche Umgangsvereinbarung dahingehend abzuändern, dass Umgang 14-tägig in der Zeit von freitags 14:30 Uhr bis montags 8:00 Uhr stattfindet. Hierzu führte sie aus, dass der Kindsvater sich nicht ausreichend um die Kinder kümmere, es gäbe keine angemessene Ernährung und die Kinder seien verhaltensauffällig, wenn sie vom Vater zurückkehrten.
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Der Antrag der Kindesmutter wurde mit Beschluss vom 13.11.2018 zurückgewiesen.
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Zwischenzeitlich vereinbarten die Eltern, dass der Umgang unter der Woche von donnerstags auf freitags stattfand. Dies wurde bis September 2022 praktiziert. Aktuell ist die Kindesmutter mit der Übernachtung der Kinder unter der Woche nicht mehr einverstanden und der Donnerstagsumgang soll von 16:00 bis 17:30 Uhr stattfinden.
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Der Wochenendumgang endet ohne Zustimmung des Antragsstellers derzeit am Sonntag 17:30 Uhr.
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Die Tochter K hat aktuell seit 11. Januar 2024 keinen Umgang mit dem Vater mehr gepflegt. An diesem Tag kam es zu einem Streit zwischen Tochter und Vater vor der Schule. K lief von dort weg. Später kam es zu einem Telefonat zwischen den Eltern, in dessen Verlauf der Kindsvater Beschimpfungen in Richtung K tätigte.
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Seither lehnt K den persönlichen Umgang mit dem Vater ab.
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Der Antragsteller meint, dass dieser Umgang nicht zum Wohle der Kinder hinreichend sei und ausgeweitet werden solle. Die Kinder sollten viel mehr Zeit mit ihm und bei ihm verbringen, weil die Antragsgegnerin zunehmend Probleme mit der Versorgung und der Bewältigung der Bedürfnisse der Kinder hätte. Er wäre bereit, die Kinder jede Woche von donnerstags bis montags zu sich zu nehmen oder auf die Kinder für längere Zeiten am Stück wechselweise bis hin zu einem echten paritätischen Wechselmodell zu betreuen.
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Insbesondere habe die Kindesmutter mit der Betreuung der Tochter K Probleme, da diese bis vor ca. einem Jahr sich in 1. Linie im Haushalt des Onkels der Antragsgegnerin aufgehalten habe und dort betreut worden sei.
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Die Antragsgegnerin selbst leide unter zunehmenden psychischen Problemen, die es sogar fraglich machen würden, ob die Kinder dauerhaft bei ihr leben könnten, da sie selbst gegen ihre psychischen Probleme nach seiner Kenntnis nichts unternehme, keine psychiatrische und keine psychotherapeutische Behandlung zulasse.
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Die Kinder würden bezüglich ihres geäußerten Willens manipuliert werden. Die Äußerungen von K seien wohl auf Hormonschwankungen zurückzuführen. Seine Wohnung sei zum Umgang mit den Kindern aufgeräumt und kindeswohlgerecht, im Übrigen sei es seine Sache, wie seine Wohnung außerhalb der Umgangszeiten aussehe.
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Der Antragsteller beantragt,
den Umgang der Kinder K, geb. am.2014 und B, geb. am.2015, mit dem Antragsteller zum Wohle der Kinder zu regeln.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
den bisherigen Umgang zu reduzieren.
19
Unter der Woche solle kein Umgang mehr stattfinden, da die Kinder zur Ruhe kommen müssten. Der Umgang sollte von freitags nach der Schule bis Sonntagabend stattfinden.
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Aufgrund des Vorfalls vom 11. 1. 2024 habe der Kindesvater sie in 2 Telefonaten beschuldigt, etwas damit zu tun gehabt zu haben. Auch sei hier die Bedrohungen, „ich bringe dich um, ich tue dir weh, ich mache dir das Leben zur Hölle“, gefallen. Diese hätten die Kinder mitgehört. Bereits im November 2023 habe der Kindesvater sie im Beisein der Kinder massiv beleidigt. Im Dezember 2023 habe sich der Vater dann nicht mehr an die Vereinbarung aus September 2022 gehalten und habe zur Vereinbarung aus dem Jahr 2019 zurückkehren wollen. Zum damaligen Zeitpunkt habe er Umgang von Donnerstag 8:00 Uhr bis Freitag 8:00 Uhr und 14-tägig von Donnerstag nach dem Kindergarten bis Montag 8:00 Uhr mit den Kindern gehabt.
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Hiermit sei sie jedoch nicht einverstanden gewesen, weil den Kindern so ein fester Rhythmus und eine Stabilität für die Schule nicht gewährleistet sei. Die von den Eltern in Anspruch genommene Mediation habe schließlich der Kindesvater nicht mehr wahrnehmen wollen.
22
K sei kein unbelastetes Kind. Seit 2018 habe sie eine Therapie absolviert. Nachdem ihre Ausbrüche, ihr Kratzen und ihr Schlagen sowie ihre beleidigende Wortwahl immer schlimmer geworden seien, sei sie dann 2022 in der Tagesklinik gewesen. K sei bei Frau Dr. C wegen einer sonstigen emotionalen Störung im Kindesalter angebunden.
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Immer wieder sei der Kindesvater extrem verbal aggressiv ihr, der Kindesmutter, gegenüber. Die Kinder hätten dies miterleben müssen. B gefalle es beim Papa, da er bei ihm grenzenlosen Medienkonsum über YouTube und Playstation haben dürfe. Auch würden die Kinder dort unregelmäßig und teilweise sehr spät ins Bett gehen.
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Zwischen ihr und dem Kindesvater gebe es unerträgliche Streitigkeiten und Spannungen.
25
Das Gericht hat den Kindern einen Verfahrensbeistand bestellt. Die Verfahrensbeiständin hat schriftlichen Bericht und mündlichen Bericht am 03.04.2024 erstattet.
26
Hierin spricht sich insbesondere dafür aus, dass der Kindesvater nach wie vor Umgang mit möglichst beiden Kindern pflegen solle. Ihm werde jedoch dringend empfohlen, die Zeit mit den Kindern zu verbringen und sich mit diesen zu beschäftigen. Die Kinder hätten unabhängig voneinander geschildert, einen eigenen sehr hohen Medienkonsum und dabei wenig gemeinsame Unternehmungen und auch mangelnde Fürsorge (Mahlzeiten etc.) durch den Vater, sowie gleichzeitig einen extrem hohen PC-Konsum durch den Vater während der Umgänge zu haben.
27
Sofern B einen größeren Anteil an Umgangszeiten beim Vater ins Spiel bringe, begründe er diesen damit, dass er dann mehr YouTube schauen könne und am PC/der Playstation/dem Tablett sitzen könnte. Dies sei dem Wohl von B nicht zuträglich.
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Darüber hinaus werde die Meinung des Jugendamtes geteilt, dass die unterschiedlichen Erziehungsstile und ein mit einem erweiterten Umgangsrecht einhergehender, häufigeren Wechsel zwischen den Elternteilen dem Kindeswohl beider Kinder abträglich sein würde.
29
Auf die fachärztliche Empfehlung, für K einen stabilen Lebensmittelpunkt zu schaffen und beiden Kindern eine altersgerechte Alltagsstruktur zu geben, wurde verwiesen.
30
Abschließend sei es aus Sicht der Verfahrensbeiständin sehr wünschenswert, wenn der Vater eine wohnlichere und sauberere Atmosphäre in seiner Wohnung für die Kinder schaffen könnte.
31
Das Stadtjugendamt Hof hat in seiner Stellungnahme vom 24.01.2024 erklärt, dass die Eltern über Jahre hinweg eine hochstrittige Kommunikation miteinander zu pflegen scheinen. Gegenseitig würden sie sich vorwerfen, psychische Probleme zu haben und insbesondere die Tochter K zu beeinflussen. Unterschiedliche Ansichten in der Erziehung seien in der Vergangenheit zwar angesprochen worden, ein annähernder Konsens habe bisher nicht erzielt werden können. Eine im Herbst 2023 nochmals begonnene Mediation sei nicht fortgeführt worden. Durch die Streitigkeiten der Eltern, die von den Kindern mitbekommen werden, scheinen diese belastet zu sein. Insbesondere bei K komme es vermehrt zu auffälligem Verhalten, möglicherweise als Ausdruck eines Loyalitätskonflikten gegenüber beiden Elternteilen.
32
Die Kindesmutter habe erkannt, dass sie Unterstützung benötige und Hilfe zur Erziehung beim Stadtjugendamt beantragt. Sie nehme die Beratung an und versuche Empfehlungen von Ärzten und Fachkräften umzusetzen.
33
Das Jugendamt spricht sich im Ergebnis für die Reduzierung des bisherigen Umgangs aus. Ein ständiger Wechsel vom unterschiedlichen Erziehungsstil und Lebensmodell der Eltern, würde die Kinder nur weiter destabilisieren. Zumindest für K gebe es die fachärztliche Empfehlung, einen stabilen Lebensmittelpunkt zu schaffen und den Kindern Halt durch eine altersgerechte Alltagsstruktur zu geben.
34
Der ständigen Konkurrenzsituation um die Kinder, insbesondere um K, wäre ein klar strukturiertes Residenzmodell entgegenzusetzen. Dem Kindsvater wurde überdies dringend empfohlen, seine Wohnsituation zu verbessern.
35
Das Gericht hat die Kinder am 26.03.2024 angehört. K erklärte klar und deutlich, dass aufgrund der verschwindenden Äußerungen des Kindesvaters ihr gegenüber derzeit keinen Umgang mit dem Vater wolle. Er müsse sich erst bei ihr entschuldigen und dann haben sie noch eine Zeit lang, bis sie wieder Umgang haben wolle.
36
B hingegen erklärt, dass er auch unter der Woche von mittwochs bis donnerstags beim Papa sein möchte. Er möchte seinen Papa häufiger sehen.
37
Die Beteiligten hörte das Gericht am 03.04.2024 an. Eine gütliche Einigung zwischen den Eltern bezüglich des Umgangs kam nicht zustande.
38
Zum Ende der Anhörung der Beteiligten äußerte der Kindesvater, dass er auch eine Ferienregelung wünsche, da er mit seinen Kindern habe noch nicht für längere Zeit wegfahren können.
39
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Jugendamtsbericht, den Bericht der Verfahrensbeiständin, den Vermerk über die Kindesanhörung vom 26.03.2024 und den Vermerk über die Anhörung der Beteiligten vom 03.04.2024 Bezug genommen.
40
Gemäß § 1696 Abs. 1 BGB können gerichtlich gebilligte Vereinbarungen zum Umgang abgeändert werden, wenn dies aus triftigen, das Wohl der Kinder nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist.
41
Die Gründe müssen kindeswohlbezogen sein. Maßgeblich sind dabei die Grundsätze der Kontinuität und Stabilität für das Kind, das Förderprinzip und die Bindungstoleranz und der Kindeswille, soweit er dem Kindeswohl entspricht, da er Ausdruck der Bindungen und mit zunehmendem Alter auch ein Akt der Selbstbestimmung ist (vgl BVerfG 27.6.2008 – 1 BvR 311/08, FamRZ 2008, 1737f; Düsseldorf FamRZ 1989, 204; Hamm FamRZ 2005, 746; Brandenburg FamRZ 2008, 1471; 2010, 911f). Jedoch ist die Änderungsschwelle in Fragen des Umgangs niedriger anzusetzen als bei Sorgerechtsregelungen, da Umgangsregelungen in besonderem Maße der Anpassung an veränderte Lebensverhältnisse bedürfen und gegenüber einem Platzierungswechsel weniger intensiv in die Lebensverhältnisse des Kindes eingreifen (OLG Frankfurt 26.10.2021 – 6 UF 147/21, FamRZ 2022, 362; aA OLG Hamburg 25.9.2020 – 12 WF 106/20, FamRZ 2021, 201 m abl Anm Dürbeck, 203). Damit die für die Änderung sprechenden Gründe triftig sind und das Kindeswohl nachhaltig berühren, müssen sie die mit der Änderung verbundenen Nachteile deutlich überwiegen, so dass ein strenger Maßstab gilt.
42
Der Umgang soll der Entfremdung vorbeugen, dem Liebesbedürfnis beider Seiten Rechnung tragen und dem Umgangsberechtigten die Möglichkeit geben, sich laufend von der Entwicklung und dem Wohlergehen des Kindes zu überzeugen und die persönlichen Beziehungen zum Kind zu erhalten und durch Begegnungen und gegenseitige Aussprache zu pflegen (s Rn 2). Dies erfordert einen kontinuierlichen, periodischen Kontakt, dessen konkreter Umfang sich nach dem Kindeswohl bestimmt (VerfGH Brandenburg 16.12.2016 – 55/16; KG FamRZ 2006, 878ff; MüKo/Hennemann Rn 29), und der dem Kind Stabilität hinsichtlich des Lebensmittelpunktes sowie die regelmäßige Erfahrung vermittelt, dass sich auch der andere Elternteil gleichermaßen um das Kind sorgt (OLG Brandenburg 29.12.2009 – 10 UF 150/09, FamRZ 2010, 1352f; OLG Brandenburg 20.5.2010 – 10 UF 46/09, 2010, 1923; Köln FamRZ 2010, 998 LS). In Betracht kommen Besuche an Werktagen und Wochenenden sowie Ferien- und Feiertagsaufenthalte.
43
Bei Entscheidungen zum Umgang ist der Kindeswille zu berücksichtigen, soweit er mit dem Kindeswohl vereinbar ist (BVerfG 5.9.2007 – 1 BvR 1426/07, FamRZ 2007, 1797f; BVerfG 26.9.2006 – 1 BvR 1827/06, NJW 2007, 1266f). Danach ist der Kindeswille beachtlich, wenn das Kind aufgrund seiner verstandesmäßigen Reife die Bedeutung des Umgangs versteht und es einen stabilen, intensiven, zielorientierten und autonomen Willen gebildet hat (vgl KG FamRZ 2013, 709, Koblenz FamRZ 2014, 2010, Bremen FF 2018, 165; OLG Frankfurt 16.10.2018 – 1 UF 74/18, FamRZ 2019, 206). Dies wird in der Regel ab dem 11. bis 13. Lebensjahr der Fall sein, wobei es aber keine feste Altersgrenze gibt.
44
Befindet sich das Kind aufgrund eines Loyalitätskonflikts in einer Überforderungssituation, in der es die mit der Regelung des Umgangs verbundenen Folgen nicht überblicken kann, kann nicht auf den Kindeswillen abgestellt werden (Koblenz FamRZ 2018, 507).
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Häufigkeit, Zeit und Dauer des Umgangs richten sich nach dem Kindeswohl unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (BVerfG FamRZ 1971, 421, 425; BVerfG 18.2.1993 – 1 BvR 692/92, NJW 1993, 2671f; OLG Brandenburg 12.1.2001 – 10 UF 186/00, FamRZ 2002, 974f; Schleswig FamRZ 2003, 850; MüKo/Hennemann Rn 29), wobei sich schematische Handhabungen verbieten (OLG Karlsruhe 5.11.2013 – 5 UF 27/13, FamRZ 2014, 1124, 1125; Grü/Götz Rn 14; Heilmann NJW 2012, 16, 20).
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Kriterien sind dabei das Alter, die körperliche und geistige Verfassung und die Bindungen des Kindes, das Verhältnis zwischen den Eltern, die persönliche Situation und die Betreuungsmöglichkeiten des Umgangsberechtigten sowie die räumliche Distanz (OLG Saarbrücken 4.1.2011 – 6 UF 132/10 FamRZ 2011, 824; Johannsen/Henrich/Althammer/Rake Rn 29; NK/Peschel-Gutzeit/Ebeling Rn 36; Staudinger/Dürbeck Rn 221).
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Wichtiger als die Häufigkeit ist die Verlässlichkeit und die Intensität des Kontaktes (Köln 15.3.2012 – 4 UF 18/12). Starke Einschränkungen der Eltern in ihrer Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit schließen eine Ausweitung des Umgangs aus (OLG Schleswig 30.5.2016 – 10 UF 11/16, FamRZ 2016, 1788; Koblenz FamRZ 2018, 507). Belastet der massive Elternkonflikt das Kindeswohl, kann die Häufigkeit einzuschränken sein (Brandenburg 24.1.2019 – 9 UF 143/18).
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Von einem Ferienumgang ist nur abzusehen, wenn konkrete Gründe des Kindeswohls entgegenstehen, zB wenn das Kind die Trennung von der Hauptbezugsperson noch nicht verkraftet (Naumburg FamRZ 2002, 564f). Dagegen steht dem Ferienumgang weder das Kleinkind-, Vorschul- oder Grundschulalter des Kindes noch eine generelle Beeinträchtigung der Erziehungskontinuität entgegen (OLG Frankfurt 25.9.2006 – 2 UF 361/06, FamRZ 2007, 664; OLG Saarbrücken 7.3.2018 – 6 UF 116/17, FamRZ 2018, 1159; Johannsen/Henrich/Althammer/Rake Rn 33; Staudinger/Dürbeck Rn 239a).
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Aus Sicht des Gerichts war es erforderlich, zum Wohle der Kinder den aus dem Jahr 2018 gerichtlich geregelten Umgang altersentsprechend und kindeswohlgerecht auf den turnusmäßigen Wochenendumgang zu reduzieren und für die Sommerferien eine Ferienregelung zu schaffen.
50
Für einen erweiterten Umgang der Kinder mit dem Vater auch unter der Woche ist es zunächst dringend erforderlich, dass die Eltern in der Lage sind, kommunikativ und kooperativ zusammenzuarbeiten, um die Belange und Bedürfnisse der Kinder, insbesondere auch im Hinblick auf die schulischen Belange, sicherzustellen. Es sind eine enge Zusammenarbeit der Eltern und sachliche Absprachen erforderlich. Vor allem aber setzt eine solche Regelung auch ein Mindestmaß an Übereinstimmung der Erziehungsziele voraus. All dies ist zwischen den Eltern nicht gegeben.
51
Die Erweiterung des Umgangs, gar bis zu einem paritätischen Wechselmodell, kommt daher aufgrund der erheblichen Streitigkeiten zwischen den Eltern und der fehlenden sachlichen Kommunikation zwischen ihnen keinesfalls in Betracht. So ist vor allem auch zu berücksichtigen, dass noch das weitere Gewaltschutzverfahren offen ist, in dem erhebliche Anschuldigungen durch die Mutter gegen den Vater erhoben werden. Letztlich kann dahingestellt bleiben, ob diese tatsächlich zutreffen, denn bereits die Tatsache, dass die Eltern so miteinander umgehen (entweder tatsächliche Bedrohung oder zu Unrecht erhobene Beschuldigung erstattet) zeigt, wie vergiftet das Verhältnis zwischen den Eltern derzeit ist.
52
Auch die Kinder erklärten nachvollziehbar, dass die Eltern derzeit zumindest nicht in der Lage sind, miteinander Absprachen zu treffen.
53
Zum anderen war zu berücksichtigen, dass nach den Ausführungen des Jugendamtes und der Verfahrensbeiständin die derzeitigen Umgänge insbesondere so ablaufen, dass ein erhöhter Medienkonsum der Kinder stattfindet, diese insbesondere auch für ihr Alter noch nicht freigegebene Filme, Videos und Spiele anschauen. Auch nach Angaben der Kinder ist der wesentliche Inhalt der Umgänge das Zocken, teilweise das alleinige Zocken des Vaters und eine Selbstbeschäftigung der Kinder. Auch eine kindgerechte Ernährung ist nach Angaben der Kinder durch den Vater nicht immer gewährleistet.
54
Soweit der Vater einwandte, dass er mit den Kindern viele Unternehmungen durchführte und entsprechende Bilder vorlegte, hat die Tochter K deutlich geäußert, dass dies bereits einige Jahre her sei und derzeit nicht mehr so stattfinde.
55
Auch die Wohnverhältnisse werden durch das Jugendamt wie durch die Verfahrensbeiständin als grenzwertig bzw. bereits Kindeswohlgefährdung beschrieben. Eine Einsicht hierzu zeigte der Kindesvater in der Anhörung nicht. Vielmehr verwies er wieder darauf, dass wohl konservativ geprägte Menschen sich in seiner Wohnung nicht wohl fühlen würden.
56
Dies zeigt dem Gericht vor allem, dass weder ein Problembewusstsein beim Vater vorhanden ist und daraus resultierend auch nicht damit gerechnet werden kann, dass zeitnah eine Verbesserung der gesamten Umstände während des Umgangs eintritt.
57
Zum Wohle der Kinder ist es daher angezeigt, den Umgang auf den 14-tägigen Wochenendumgang zu reduzieren. Insbesondere brauchen die Kinder auch unter der Woche klare Strukturen und Regeln. Es muss sichergestellt sein, dass sie ausgeschlafen die Schule besuchen können.
58
Mit Unterstützung der bei der Mutter tätigen Familienhilfe hat diese klare Strukturen und Regeln für die Kinder aufgestellt, die bislang der Kindesvater nicht im ausreichenden Maße unterstützt und respektiert. Grundsätzlich ist es daher erforderlich, dass die Kinder auch bezüglich der Regeln und Strukturen Stabilität erfahren. Dies kann nach Ansicht des Gerichts nicht mehr erfolgen, wenn die Kinder wöchentlich auch unter der Woche beim Vater Zeit verbringen, ohne dass dieser den Erziehungsstil der Mutter und die gesetzten Regeln umsetzt.
59
Zudem hat das Gericht berücksichtigt, dass bei K bereits Verhaltensauffälligkeiten vorhanden sind, die ebenfalls einen klaren Erziehungsstil erforderlich machen und auch auf ärztlichen Rat klare Strukturen und Regeln benötigt.
60
Lehnt das Kind den Umgang ab, bedarf es der sorgfältigen Ermittlung seines Willens und einer Abwägung mit dem Kindeswohl. Ist dem Kindeswillen zu folgen, muss der Umgang ausgeschlossen werden, da ein erzwungener Umgang ohne Rücksicht auf den Willen und die Abneigung des Kindes mit dem Kindeswohl nicht vereinbar ist (vgl Hamm FamRZ 1997, 307; Jena FamRZ 1996, 359; OLG Saarbrücken 24.1.2011 – 6 UF 116/10 FamRZ 2011, 1409f).
61
Der Wunsch von K, derzeit keinen persönlichen Umgang mit dem Vater zu haben, war nachvollziehbar geschildert. Insoweit hat das Gericht den Wunsch der mittlerweile 9-jährigen Tochter berücksichtigt und einen teilweisen Umgangsausschluss für die Dauer von 2 Monaten festgesetzt, um den Beteiligten Gelegenheit zu geben, zur Ruhe zu kommen. Dem Vater wird angeraten, diese Zeit zu nutzen, um sich bei K zumindest schriftlich für seine Beschimpfungen zu entschuldigen und damit den Grundstein für die Fortsetzung eines persönlichen Umgangs zu setzen.
62
Erstmals wird nunmehr ergänzend eine Ferienregelung aufgenommen. Nachdem die Kinder bislang nur wenige Tage und wenige Übernachtungen beim Vater verbracht haben und diese wie oben klargestellt, reduziert werden musste, hält das Gericht es zwar für erforderlich eine Ferienregelung zu treffen, aber auch ausreichend, diese in den Sommerferien für eine Woche zunächst stattfinden zu lassen. Es bleibt abzuwarten, ob der Kindesvater überhaupt in der Lage ist, einen qualitativ hochwertigen Ferienumgang mit den Kindern zu gestalten.
63
Die Erholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens war nicht erforderlich, da das Gericht über die ausreichende eigene Sachkunde verfügt.
64
Bereits die Äußerungen des Kindsvaters in der mündlichen Anhörung vom 03.04.2024 weisen erhebliche Defizite im Umgang und Verständnis für die kindlichen Belange auf, so tat er insbesondere die Äußerungen von K als „Hormonschwankungen“ ab. Ebenfalls meinte er, dass die Kinder in ihren Äußerungen manipuliert worden seien.
65
Im Gegensatz konnte sich das Gericht davon überzeugen, dass die Kinder nachvollziehbar und ohne jeglichen Druck über die Geschehnisse und ihre Wünsche berichteten. So war auch bei B deutlich ersichtlich, dass er sich schon mehr Umgang wünschte, dies jedoch weil es beim Vater offensichtlich den erhöhten Medien- und Spielkonsum gibt und bei der Mutter Regeln und Strukturen herrschen.
66
Nachdem der durch den Vater derzeit gestaltete Umgang (Zocken und darüber die Kinder vergessen) offensichtlich nicht dem Wohle eines Kindes entspricht, war hierfür eine weitere Aufklärung durch ein Sachverständigengutachten nicht erforderlich.
67
Im Übrigen hat das Gericht den jeweils geäußerten Kindeswillen berücksichtigt. Bei B hat das Gericht vor allem aber auch berücksichtigen müssen, dass der 8-Jährige zwar den Willen hat, auch unter der Woche beim Vater Umgang zu pflegen. Dies entspricht nach Ansicht des Gerichts und der Verfahrensbeiständin wie dem Jugendamt jedoch nicht dem Kindeswohl.
68
Wie bereits ausgeführt ist es vor allem erforderlich, während des Umgangs auch Strukturen und Regeln einzuhalten, die sie bei der allein sorgeberechtigten Mutter erhalten. Es ist nicht Sinn und Zweck des Umgangs, dem Kind jegliche Vorteile zu gewähren, die beim anderen Elternteil verwehrt werden, und/oder ohne erzieherisch auf das Kind einzuwirken. Der Wunsch von B, mehr Umgang beim Vater zu haben, resultiert insbesondere darauf, dass ihm hier die Möglichkeit eingeräumt wird, seinen eigenen Medienkonsum und Spielkonsum zu erhöhen, der wohl nicht mehr altersentsprechend ist. Dem musste durch die Begrenzung des Umganges entgegen gewirkt werden.
69
Die Beteiligten haben jegliche Beeinflussung der Kinder und alle anderen Verhaltensweisen zu unterlassen, welche die Erziehung erschweren oder das Verhältnis der Kinder zu dem Sorgeberechtigten bzw. Umgangsberechtigten beeinträchtigen.
70
Das bewilligte Umgangsrecht berücksichtigt ausreichend die Interessen des umgangsberechtigten Elternteils, greift aber in die Rechte des anderen Elternteils nur in vertretbarer Weise ein und entspricht dem Wohle der Kinder (§ 1684 BGB).
71
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.
72
Der Hinweis auf die Vollstreckung durch Anordnung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft beruht auf §§ 89, 90 FamFG.
73
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 45 FamGKG.