Titel:
Unzulässiger Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft über die Installation einer Feuerschutztreppe auf einer Sondernutzungsfläche
Normenkette:
WEG § 10, § 43 Nr. 4
Leitsätze:
1. Der faktische teilweise Entzug des Sondernutzungsrechts in räumlicher Hinsicht kann nicht durch Beschluss, sondern nur durch Vereinbarung erfolgen kann, die zur Bindung von Rechtsnachfolgern der Eintragung iSd § 10 Abs. 3 WEG bedarf. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Führt die beabsichtigte Errichtung eines zweiten Rettungsweges zu einer Änderung bzw. teilweisen Aufhebung des Sondernutzungsrechts eines Wohnungseigentümers, weil die Maßnahme einen faktischen teilweisen Entzug des Sondernutzungsrechts in räumlicher Hinsicht darstellen würde, so ist dies nur durch eine Vereinbarung möglich, jedoch nicht durch (mehrheitlichen) Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Selbst wenn sich ein Anspruch der übrigen Wohnungseigentümer gegen den betreffenden Sondernutzungsrechtsberechtigten auf Aufhebung des Rechtes ergeben sollte, etwa weil die Fläche zwingend benötigt wird, um unabwendbare behördliche Auflagen zu erfüllen, wäre ein derartiger Anspruch jedenfalls nicht im Rahmen einer Beschlussanfechtungsklage zu prüfen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohnungseigentümergemeinschaft, Beschlussanfechtung, Rettungsweg, Sanierungsmaßnahmen, Sondernutzungsrecht, Feuerschutztreppe, Beschlusskompetenz
Fundstellen:
ZMR 2024, 707
LSK 2024, 19679
BeckRS 2024, 19679
Tenor
1. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 20.05.2022 zu Top 5 Abänderung des Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 7 der Eigentümerversammlung vom 24.09.2021 mit Ziffern 1 – 4 wird für ungültig erklärt.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist in Ziff. 2. vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 72.376,60 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Gegenstand der Klage ist die Anfechtung des zu TOP 5 der Eigentümerversammlung vom 20.05.2022 gefassten Beschlusses der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft.
2
Der Kläger ist als Inhaber von Miteigentumsanteilen von 15,62/1000 und 9,34/1000 verbunden mit dem Sondereigentum an den 1992 aus einer einheitlichen Wohnung geschaffenen, im 1.OG gelegenen Räumen samt Dachterrassen mit den Nrn. 20 und 21 Mitglied der Beklagten. Die Einheit Nr. 20 verfügt über eine Dachterrasse mit einer Größe von 4,64 qm, die Einheit Nr. 21 über eine Dachterrasse mit 4,4 qm. Den jeweiligen Eigentümern der Einheiten Nr. 20 und 21 sind ferner Sondernutzungsrechte an den an die jeweilige Dachterrasse angrenzenden Flächen, im geänderten Aufteilungsplan vom 16.07.2010 mit SNR 10,79 qm bzw. SNR 3,14 qm gekennzeichnet, zugewiesen.
3
Die Rechtsbeziehungen der Mitglieder der Beklagten sind im wesentlichen geregelt durch die Teilungserklärung nebst Gemeinschaftsordnung vom 24.08.2009 (auszugsweise vorgelegt als Anlage K 02) nebst Nachträgen vom 28.07.2010 (Anlagen K 02, K 03 und K 11) und 02.09.2010 (Anlage K 12). Gemäß Ziff. 2.5 der Gemeinschaftsordnung sind Feuerleitern gemäß eventuellen Auflagen zu dulden. Soweit erforderlich, haben die Eigentümer von Dachgeschosswohnungen die Begehung durch den Kaminkehrer zu dulden. Gem. Ziff. 2.6 der Gemeinschaftsordnung darf der teilende Eigentümer Sondernutzungsbereiche bepflanzen, soweit dies zur Erfüllung von Auflagen oder Verpflichtungen erforderlich ist. Ferner darf er Ver- und Entsorgungsanlagen und feuerpolizeiliche Anlagen (z.B. Feuerleitern) errichten oder erweitern sowie Zuwegungen, Stellplätze, Mülltonnenanlagen und Feuerwehrzufahrt neu anlegen, soweit dies erforderlich wird. Gem. Ziff. 6 der Gemeinschaftsordnung werden auf den Sondernutzungsflächen vorhandene oder im Zuge der geplanten Baumaßnahme erstellte Ver- und Entsorgungsanlagen und Luft-/Lichtschächte geduldet, ebenso überstehende Bauteile. Sie sind bei Anpflanzungen, Bodenarbeiten oder sonstigen Veränderungen zu beachten. Erforderliche Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten werden gestattet.
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Gemäß Ziff. 2.4 der Baubeschreibung (Anlage B 1) waren zur Herstellung des zweiten Rettungswegs Rettungsbalkone und Notleitern mit Absturzschutz in verzinkter Stahlkonstruktion vorgesehen. Tatsächlich wurden an der Außenfassade Notleitern angebracht, welche jedoch auf einer Terrasse im 1. OG enden, so dass kein durchgehender Flucht- und Rettungsweg bis zur öffentlichen Straße besteht. Aufgrund der fehlenden Rettungsleiter vom Dach des Erdgeschosses bis zur ebenen Erde wurde bislang die Brandschutzgenehmigung II für das Brandschutzkonzept nicht erteilt. Insbesondere fünf Wohnungen auf der Ostseite des Gebäudes, die erst nachträglich durch Unterteilungen entstanden sind, verfügen nicht über den gemäß Art. 31 BayBO erforderlichen zweiten Rettungsweg. Für zwei der betroffenen Wohnungen bestehen behördliche Nutzungsuntersagungen (vgl. Anlagen K 12 und K 13), für die anderen drei Wohnungen, darunter die klägerische Wohnung Nr. 21, wurden Nutzungsuntersagungen angedroht (vgl. Anlage K 10).
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Das Thema zweiter Rettungsweg war bereits Gegenstand mehrerer Eigentümerversammlungen, u. a. wurde in der Eigentümerversammlung vom 24.09.2021 ein Beschluss gefasst, welcher Gegenstand eines vor dem Amtsgericht München unter dem Aktenzeichen ... geführten Beschlussanfechtungsverfahrens ist und im Hinblick auf die hier anhängige Anfechtungsklage ausgesetzt wurde.
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In der Eigentümerversammlung vom 20.05.2022 wurde unter TOP 5 der folgende, hier angegriffene Beschluss gefasst:
„Die Wohnungseigentümer beschließen, in Abänderung/Ergänzung zu dem Beschluss zu Tagesordnungspunkt 7 der Eigentümerversammlung vom 24.09.2021 die Sanierungsmaßnahmen im Zuge der Ersatzvornahme zur erforderlichen Errichtung und Herstellung des zweiten Rettungsweges für die Wohnungen an der Rückseite des Mittelgebäudes durchzuführen und die damit verbundenen Leistungen wie folgt zu beauftragen.
1. Der Verwalter wird ermächtigt, namens und auf Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft die ... auf Basis deren Angebots vom 16.03.2022 zu Kosten in Höhe von brutto € 280.197,40 zzgl. der bereits eingetretenen Kostenmehrung in Höhe von 10%, also insgesamt derzeit brutto € 308.217,14, damit zu beauftragen, die durch den Brandschutzsachverständigen ... und den Architekten ... geplanten und von der Lokalbaukommission München am 20.01.2022 genehmigten Maßnahmen zur Errichtung und Herstellung des zweiten Rettungsweges für die Einheiten mit den Nrn. 21, 29, 31, 33 und 37 laut Aufteilungsplan an der Rückseite (Ostseite) des Mittelgebäudes vorzunehmen. Die Eigentümergemeinschaft nimmt das vorliegende und preislich bereits geänderte Angebot vom 16.03.2022 unter ausdrücklicher Annahme und Akzeptanz der im Angebot enthaltenen Preisgleitklausel an. Der Bauantrag vom 12.10.2021 nach Plan Nr. 2021-19545, die Baugenehmigung vom 20.01.2022 sowie das Angebot der ... vom 16.03.2022 werden zum wesentlichen Inhalt und Gegenstand des Beschlusses gemacht und sind dem Original-Protokoll als Anlagen beizufügen. Nach Herstellung des zweiten Rettungsweges sind die bisher an der Rückseite (Ostseite) des Mittelgebäudes an der Fassade angebrachten Notleitern zu entfernen.
2. Für unvorhersehbare und nicht kalkulierbare Arbeiten/Kosten, welche im Zusammenhang mit der Maßnahme auftreten können, wird ein zusätzliches Budget in Höhe von brutto € 60.000,00 zur Verfügung gestellt. Der Verwalter wird beauftragt und bevollmächtigt, die Aufträge namens und auf Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erteilen.
3. Der Verwalter erhält für den mit dieser Maßnahme verbundenen zusätzlichen Mehraufwand eine pauschale zusätzliche Vergütung in Höhe von 5% zzgl. MwSt. errechnet aus den Gesamtbruttobaukosten.
4. Die vorstehenden Kosten werden durch eine Entnahme aus der vorhandenen zweckgebundenen Erhaltungsrücklage finanziert.“
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Das zu beauftragende Angebot sieht die Errichtung von zwei Spindeltreppen mit einem Durchmesser von ca. 2 m vor. Die linke der beiden Spindeltreppen soll sich außerhalb der zur Wohnung Nummer 20 gehörenden Dachterrasse, aber innerhalb der dem jeweiligen Eigentümer der Einheit Nr. 20 zugewiesenen Sondernutzungsfläche befinden. In den über dem 1. OG liegenden Geschossen sollen Stege zu der Treppe geführt werden, um zwei Wohnungen an die Treppe anschließen zu können. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der geplanten und beschlossenen Ausführung wird Bezug genommen auf die Anlage K7.
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Der Kläger rügt insbesondere, der angegriffene Beschluss führe zu einem faktischen Entzug seiner Sondernutzungsrechte. Die Installation der Feuerschutztreppe führe zu einem dauerhaften Mitgebrauch der übrigen Eigentümer, der Kläger könne die Sondernutzungsflächen gar nicht mehr nutzen, da Fluchtwege nach der bayerischen Bauordnung freizuhalten seien. Die Installation der genannten Rettungstreppe würde zu einem vollständigen Erlöschen der Sondernutzungsrechte des Klägers führen. Der Gemeinschaft fehle die Beschlusskompetenz, die Sondernutzungsrechte durch Beschluss aufzuheben.
1. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 20.05.2022 zu Top 5 Abänderung des Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 7 der Eigentümerversammlung vom 24.09.2021 mit Ziffern 1 – 4 wird für ungültig erklärt, hilfsweise wird der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 20.05.2022 bezüglich des Top 5 Ziffer 1 – 4 für nichtig erklärt.
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Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
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Die Beklagte trägt vor, tatsächlich sollten die Treppen mit einer lichten Laufbreite von 60 cm (50 cm lichte Laufbreite + 2 x 5 cm = 10 cm Handlauf) ausgeführt werden, der Durchmesser der Spindel solle ca. 50 cm betragen, so dass ein Durchmesser von ca. 170 cm bestünde.
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Sie ist der Ansicht, der streitgegenständliche Beschluss führe weder zu einer dauerhaften Änderung des Inhalts des Sondernutzungsrechts, noch zu einer dauerhaften Aufhebung des Sondernutzungsrechts. Der Beschluss begründe auch kein Mitbenutzungsrecht der übrigen Eigentümer an der streitgegenständlichen Sondernutzungsfläche. Auf der zur Einheit Nr. 20 gehörenden Sondernutzungsfläche ende lediglich die Nottreppe, wie sie beispielhaft in der Anlage K 5 bildlich dargestellt sei. Nur weil eine solche Treppe auf der zur Wohnung Nr. 20 gehörenden Sondernutzungsfläche ende, führe dies nicht zu einer dauerhaften Änderung des Inhalts des Sondernutzungsrechts und erst recht nicht zu einer dauerhaften Aufhebung des Sondernutzungsrechts. Bei der streitgegenständlichen Fläche handele es sich nach wie vor um eine Sondernutzungsfläche. Nur im Brand- und Rettungsfall seien Bewohner des Gebäudes berechtigt, die Nottreppe zu nutzen und über die zur Wohnung Nr. 20 gehörende Sondernutzungsfläche zu gehen, um im Brand- und Rettungsfall das Gebäude und Grundstück verlassen zu können. Dieses Recht bestehe im Notfall aber immer, vgl. §§ 227, 228 BGB. Diese mit einem Notfall einhergehenden Beschränkungen seien einem Sondernutzungsrecht immanent. Jede Sondernutzungsfläche dürfe im Brand- und Rettungsfall betreten werden.
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Der Kläger als derzeitiger Sondernutzungsberechtigter der Wohnung Nr. 20 sei aufgrund der Bestimmungen in Ziffern 2.5, 2.6 und 6 der Gemeinschaftsordnung verpflichtet, die beschlossene Maßnahme zu dulden. Hieraus ergebe sich, dass das mit einem Sondernutzungsrecht einhergehende Alleingebrauchsrecht im konkreten Einzel- und Sonderfall kurzzeitig eingeschränkt sein könne durch ein kurzzeitiges Betreten der Sondernutzungsfläche in einem bestimmten Einzelfall, und der Kläger es zu dulden habe, dass die streitgegenständliche Nottreppe im Bereich der zur Wohnung Nr. 20 gehörenden Sondernutzungsfläche ende, da dies zur Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Auflage und Verpflichtung erforderlich sei.
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Zur Ergänzung des Tatbestands wird im übrigen Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 09.11.2023. Beweis wurde nicht erhoben.
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Mit Schriftsatz vom 11.03.2024 hat die Beklagte weiter vorgetragen, worauf Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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1. Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig, §§ 43 Nr. 4 WEG, 23 Nr. 2 c GVG.
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2. Der angegriffene Beschluss ist mangels Beschlusskompetenz nichtig, so dass er jedenfalls für ungültig zu erklären war, da Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage auch nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes am 1. Dezember 2020 denselben Streitgegenstand haben und einzelne Beschlussmängel nur Teile des einheitlichen Streitgegenstands sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2023 – V ZR 43/22, juris Rn. 10 ff.).
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Eine Errichtung des zweiten Rettungswegs entsprechend dem verfahrensgegenständlichen Beschluss würde ungeachtet ihrer rechtlichen Einordnung als Erhaltungsmaßnahme oder bauliche Veränderung zu einer Änderung bzw. teilweisen Aufhebung des klägerischen Sondernutzungsrechts führen, was nur durch eine Vereinbarung, nicht durch Beschluss möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20.09.2000 – V ZB 58/99, NJW 2000, 3500, beck-online).
20
a) Unter einem Sondernutzungsrecht ist das durch Vereinbarung begründete Recht eine Wohnungseigentümers zu verstehen, bestimmte Teile des Gemeinschaftseigentums unter Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer allein zu nutzen; es kann aufgrund der Privatautonomie – unter Einhaltung der Gesetze im Übrigen – frei ausgestaltet werden. Das dem Sondernutzungsrecht unterliegende Gemeinschaftseigentum bleibt Gemeinschaftseigentum. Sondernutzungsrechte haben nach allgemeiner Ansicht eine Doppelnatur und lassen sich in zwei Komponenten untergliedern: Zum einen schließt das Sondernutzungsrecht die anderen Wohnungseigentümer von der Nutzung des betroffenen Gemeinschaftseigentums aus (sog. negative Komponente). Zum anderen weist das Sondernutzungsrecht dem Berechtigen die Befugnis zu, das betroffene Gemeinschaftseigentum zu nutzen (sog. positive Komponente), vgl. MüKoBGB/Burgmair, 9. Aufl. 2023, WEG § 10 Rn. 18).
21
Zutreffend weist die Beklagte insoweit darauf hin, dass es sich bei der streitgegenständlichen Sondernutzungsfläche nicht um eine Dachterrassenfläche handelt, sondern – da dem Aufteilungsplan, in dem die Sondernutzungsfläche mit „extensive Dachbegrünung“ beschrieben ist, kein Vereinbarungscharakter zukommt – um eine Fläche ohne Zweckbestimmung. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich damit aber nicht „lediglich“ um eine Fläche ohne Zweckbestimmung, vielmehr kann diese vom Sondernutzungsberechtigten auf jegliche gesetzlich zulässige Weise und damit ohne Beschränkung, etwa auf eine Nutzung als Dachterrasse oder zur extensiven Dachbegrünung, genutzt werden.
22
b) Die beschlossene Errichtung der Spindeltreppe, welche auf der Sondernutzungsfläche des Klägers enden soll, führt zwar nicht zu einer inhaltlichen Änderung des Sondernutzungsrechts, da die Nutzungsbefugnisse des Berechtigten nicht neu gestaltet, also verändert werden (z. B. Garten statt Parkplatz).
23
Allerdings wäre der Bereich der Sondernutzungsfläche, auf dem die Treppe enden und die nach dem beauftragten Angebot einen Durchmesser von 2 m, nach Angaben der Beklagten jedenfalls einen Durchmesser von 1,7 m und damit mit 2,27 bzw. 3,14 qm jedenfalls fast die Hälfte, nach dem beauftragten Angebot sogar fast dreiviertel der Sondernutzungsfläche umfassen soll, im Falle einer Beschlussumsetzung einer künftigen Nutzung durch den Sondernutzungsberechtigten vollständig entzogen, da jedenfalls der Bereich der Treppe nach § 22 Abs. 1 VVB i. V. m. Art. 12 BayBO freizuhalten ist. Dies stellt einen faktischen teilweisen Entzug des Sondernutzungsrechts in räumlicher Hinsicht dar, welcher nicht durch Beschluss, sondern nur durch Vereinbarung erfolgen kann, die zur Bindung von Rechtsnachfolgern der Eintragung im Sinne des § 10 Abs. 3 WEG bedarf (vgl. BeckOK WEG/Dötsch, 25. Edition, Stand: 1.10.2015, § 15 Rn. 295).
24
c) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Kläger auch nicht aufgrund der Bestimmungen in der Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung zur Duldung der Treppe verpflichtet.
25
Soweit die Beklagte insoweit einwendet, die Bewohner des Gebäudes seien nur im Brand- und Rettungsfall berechtigt, die Nottreppe zu nutzen und über die zur Wohnung Nr. 20 gehörende Sondernutzungsfläche zu gehen, um im Brand- und Rettungsfall das Gebäude und Grundstück verlassen zu können, jede Sondernutzungsfläche dürfe im Brand- und Rettungsfall betreten werden, gilt dies lediglich für ein Betretungsrecht im Notfall, nicht für die Errichtung der Treppe selbst, welche nicht nur zu einer kurzzeitigen Einschränkung, sondern zu einem dauerhaften partiellen Entzug des Sondernutzungsrechts führt.
26
Soweit gemäß Ziff. 2.5 der Gemeinschaftsordnung Feuerleitern gemäß eventuellen Auflagen zu dulden sind, umfasst dies nicht die hier beschlossene Treppe, welche bereits aufgrund ihrer räumlichen Ausdehnung auf die Sondernutzungsfläche des Klägers nicht mit einer dünnen, an einer Wand verlaufenden Feuerleiter vergleichbar ist.
27
Die in Ziff. 2.6 der Gemeinschaftsordnung aufgeführten Befugnisse, feuerpolizeiliche Anlagen (z.B. Feuerleitern) zu errichten oder zu erweitern, soweit dies erforderlich wird, betreffen nur den teilenden Eigentümer, nicht ggü. die Gemeinschaft, selbst wenn diese anstelle des insolventen Bauträgers die Erstherstellung übernommen hat. I. ü. beinhaltet die Vereinbarung in Ziff. 2.6 Satz 2 im Gegensatz zu der in Satz 1 keine Befugnis zur Vornahme von Veränderungen in Sondernutzungsbereichen.
28
Die in Ziff. 6 der Gemeinschaftsordnung normierten Duldungspflichten schließlich beziehen sich auf auf den Sondernutzungsflächen vorhandene oder im Zuge der geplanten Baumaßnahme erstellte Ver- und Entsorgungsanlagen und Luft-/Lichtschächte sowie überstehende Bauteile. Auch dies beinhaltet nicht die beschlussgegenständlichen Treppen, welche nach der Baubeschreibung und damit nach der geplanten Baumaßnahme gerade nicht vorgesehen waren.
29
Es mag sein, dass sich am Ende des Tages als ultima ratio gem. § 10 Abs. 2 WEG ein Anspruch der Beklagten gegen den Sondernutzungsrechtsberechtigten auf Aufhebung des Rechtes ergibt, etwa wenn die Fläche zwingend benötigt wird, um unabwendbare behördliche Auflagen zu erfüllen (vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 10 Rn. 163, unter Verweis auf BGH NZM 2018, 568 Rn. 16). Ob vorliegend ein solcher Anspruch besteht, kann vorliegend jedoch dahingestellt bleiben, da ein derartiger Anspruch jedenfalls nicht im Rahmen der vorliegenden Beschlussanfechtungsklage zu prüfen wäre.
30
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 49 GKG unter Zugrundelegung der nach Ansicht des Gerichts zutreffenden klägerischen Berechnungen in der Klageschrift vom 14.06.2022.