Titel:
Keine Schadensersatzpflicht der Wohnungseigentümer wegen der Verweigerung von Instandsetzungsmaßnahmen bei fehlender Information über den Instandsetzungsbedarf
Normenketten:
WEG § 27 Abs. 1 Nr. 2, § 44 Abs. 1 S. 2
BGB § 195
ZPO § 540
Leitsätze:
1. Ein Schadensersatzanspruch gegen die Wohnungseigentümer wegen der Verweigerung von Instandsetzungsmaßnahmen kommt nicht in Betracht, wenn diese nicht über den Instandsetzungsbedarf in Kenntnis gesetzt worden sind; eine Zurechnung des Verwalterhandelns findet ihnen gegenüber nicht statt. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Beschlussersetzungsklage, mit dem die Naturalrestitution verlangt wird, ist nicht begründet, soweit den Wohnungseigentümern ein Ermessen zusteht, ob sie den Schadensersatzanspruch durch Leistung in Geld oder Naturalrestitution befriedigen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Anspruch aus § 14 Nr. 4 WEG aF verjährt nach § 195 BGB. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohnungseigentümer, Verweigerung der Instandsetzung, Schadensersatz, Naturalrestitution, Geldentschädigung, Verjährung
Vorinstanz:
AG München, Urteil vom 26.04.2023 – 1292 C 8067/21 WEG
Fundstellen:
BeckRS 2024, 19673
LSK 2024, 19673
ZMR 2024, 692
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 26.04.2023, Az. 1292 C 8067/21 WEG, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer der WEG … hat beschlossen, die folgenden Mängel am Gemeinschaftseigentum des Hauses …, festgestellt im Sachverständigengutachten vom 31.05.2019 des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) …, im Beweissicherungsverfahren des Amtsgerichts München mit dem Az. 462 H 10844/18 WEG, fachgerecht zu beseitigen:
a) Wärmebrücken der Nordwestgiebelwand durch Anbringung einer Außendämmung an der Giebelseite … einschließlich der Anschlussarbeiten zu den angrenzenden Dächern und Attika (vgl. Gutachten …, S. 69, S. 67 an der nordwestlichen Außenfassade im Bereich des Bades der Wohnung Nummer 13 im 4. Obergeschoss des Anwesens).
b) Nachbesserung/Verschließen der horizontalen Fuge der Fassade (Attika) oben der Wohnung Nummer 13 im 4. Obergeschoss des Anwesens … in ….
c) Ertüchtigung der Fensterbleche des Fensters des Wohnzimmers der Wohnung Nummer 13 im 4. Obergeschoss des Anwesens … in … auf der Westseite.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Gerichtskosten einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens hat die Klägerin 60 % zu tragen, die Beklagte zu 2) 40 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin hat die Beklagte zu 2) 40 % zu tragen. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) zu tragen. Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin ist als Sondereigentümerin Mitglied der Beklagten zu 2) und nimmt diese auf Beschlussersetzung betreffend Instandsetzungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum und an ihrem Sondereigentum sowie die Beklagten zu 1) auf Ersatz von Schäden, welche ihr aufgrund von der Gemeinschaft zu behebender Mängel entstanden seien, in Anspruch.
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Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen und des streitigen Vorbringens der Parteien wird zunächst Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts München, § 540 l S. 1 Nr. 1 ZPO.
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Das Amtsgericht hat die Klage mit Endurteil vom 26.04.2023 abgewiesen.
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Gegen das ihr am 01.06.2023 zugestellte Urteil legte die Klagepartei mit anwaltlichem Schriftsatz vom 29.06.2023, eingegangen am 30.06.2023, Berufung ein, welche sie nach gewährter Fristverlängerung mit am 29.09.2023 eingegangenen Schriftsatz begründete. Sie verfolgt im Berufungsverfahren ihren erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch weiter.
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Die Klägerin beantragte im Berufungsverfahren
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1. Unter Abänderung des am 26.04.2023 verkündeten Urteils des Amtsgerichts München, Az. 1292 C 8067/21 WEG, zugestellt am 01.06.2023, werden die Beklagten verurteilt wie folgt:
„I. Die Beklagte zu 2) hat beschlossen, die folgenden Mängel am Gemeinschaftseigentum des Hauses …, und die Beschädigung des Sondereigentums, festgestellt im Sachverständigengutachten des gerichtlichen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) … fachgerecht zu beseitigen:
- a)
-
Wärmebrücken der Nordwestgiebelwand durch Anbringung einer Außendämmung an der Giebelseite … einschließlich der Anschlussarbeiten zu den angrenzenden Dächern und Attika
- b)
-
Nachbesserung/Verschließen der horizontalen Fuge der Fassade (Attika) oben um die Wohnung der Klägerin, Nummer 13, im 4. Obergeschoss nach Herstellerangaben (WD VS)
- c)
-
Ertüchtigung der Fensterbleche des Fensters des Wohnzimmers der Wohnung Nummer 13, im 4. Obergeschoss, auf der Westseite und
- d)
-
Erneuerung des gesamten Plattenbelags auf der umlaufenden Dachterrasse der Wohnung der Klägerin mit Nummer 13, 4. Obergeschoss, nach mittlerer Art und Güte analog dem vorhandenen Plattenbelag (Sondereigentum der Klägerin).“
2. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, 26.447,63 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 07.11.2020 an die Klägerin zu bezahlen.
3. Die Beklagten tragen die Kosten des Verfahrens beider Instanzen einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens beim Amtsgericht München, Az. 482 H 10844/18 WEG.
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Die Beklagten beantragten jeweils
die Zurückweisung der Berufung.
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Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung Hinweise erteilt. Insoweit wird auf das Protokoll der Verhandlung Bezug genommen.
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Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die von den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie den gesamten sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
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Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts … ist statthaft, sie wurde auch in zulässiger Weise form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung erweist sich auch wie aus dem Tenor ersichtlich teilweise als begründet.
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In der nach § 540 Abs. 1 Nummer 2 ZPO gebotenen Kürze ist hierzu Folgendes auszuführen:
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1. Der gegen die Beklagten zu 1) geltend gemachte Schadensersatzanspruch steht der Klägerin nicht zu.
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Bei den Beklagten zu 1) handelt es sich um sämtliche im Zeitpunkt der Klageerhebung in das Grundbuch eingetragene Eigentümer der Beklagten zu 2) mit Ausnahme der Klägerin selbst. Eine Eigentümerliste war nicht vorgelegt worden; dass die Eigentümer zum Zeitpunkt der Klageerhebung gänzlich identisch mit jenen Eigentümern sind, welche seit der begonnenen Sanierung im Jahr 2013 Gelegenheit zur Teilnahme an der Eigentümerversammlungen hatten, wurde durch die Beklagten bestritten. Ein Verschulden der Beklagten zu 1) hinsichtlich der Nichtbehebung der Mängel welche zu dem von der Klage geltend gemachten teilweisen Mietausfallschaden, außergerichtlichen Sachverständigenkosten und sonstigen Kosten wegen neue Vermietungen führen konnten, legt die Klage aber ohnehin nicht dar.
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Für Schäden, welche aufgrund der Verweigerung notwendiger Instandsetzungsmaßnahmen durch die Gemeinschaft eingetreten sind, haften nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur diejenigen Wohnungseigentümer, die im Rahmen der Abstimmung über die Durchführung einer erforderlichen Instandsetzungsmaßnahme nicht für die erforderliche Maßnahme gestimmt haben, sich enthalten haben oder an der Eigentümerversammlung gar nicht teilgenommen haben (BGH Urt. v. 17.10.2014 – V ZR 9/14, ZWE 2015, 88). Allerdings haben die Wohnungseigentümer ein pflichtwidriges Abstimmungsverhalten grundsätzlich auch nur dann zu vertreten, wenn sie mit der Einberufung der Eigentümerversammlung in hinreichend deutlicher Weise über den Instandsetzungsbedarf des Gemeinschaftseigentums und den von seinem bestehenden Zustand ausgehenden Auswirkungen auf das Sondereigentum betroffener Wohnungseigentümer in Kenntnis gesetzt worden sind. Der Verwalter ist nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG verpflichtet, die für die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Ihm obliegt eine Kontrollpflicht hinsichtlich des Zustandes des Gemeinschaftseigentums und eine Pflicht zur Unterrichtung der Wohnungseigentümer sowie zur Herbeiführung einer sachgerechten Beschlussfassung (Heinemann in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 27 Rn. 20; Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl., § 27 Rn. 7). Von dem vermuteten Verschulden können sich die Wohnungseigentümer daher dadurch entlasten, dass sie auf eine diese Anforderungen nicht genügende Unterrichtung in der Einberufung einer Eigentümerversammlung verweisen. Etwas anderes gilt dann, wenn ihnen die Umstände, die die Stimmpflicht begründen, bereits bekannt waren oder sie während der Teilnahme an der Eigentümerversammlung über diese unterrichtet wurden (BGH, Urteil vom 23. Februar 2018 – V ZR 101/16 –, Rn. 77, juris).
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Die Klage legt aber nicht dar, welche Eigentümer auf welcher Eigentümerversammlung pflichtwidrig eine positive Beschlussfassung unterlassen haben sollen und in welcher Weise die einzelnen Eigentümer überhaupt über den Instandhaltungsbedarf informiert gewesen wären. Vielmehr ist nach dem Vortrag der Klage im Jahr 2016 zunächst die Beauftragung eines Sachverständigen beschlossen worden, es kam aber nicht zur Durchführung dieses Beschlusses. Hierfür verantwortlich wäre aber ebenso wie für die fehlende Einberufung einer Eigentümerversammlung der Verwalter und nicht die übrigen Eigentümer. So führt die Klägerin in der Replik vom 05.10.2021 auch gerade aus, dass die Hausverwaltung der Eigentümergemeinschaft bis heute nicht über das selbständige Beweisverfahren und dessen Ergebnis informiert habe (Schriftsatz vom 05.10.2021, Seite
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2). Diesen Vortrag bestätigte Klägerin auch noch im Berufungsverfahren, so zuletzt mit Schriftsatz vom 04.03.2024, in welchen sie ausführt dass es „selbst nach Klageerhebung […] keiner der Verwalter für nötig befunden [hat], die Eigentümer über das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens auf einer außerordentlichen oder ordentlichen Eigentümerversammlung zu informieren und auch nicht über sämtliche hier streitgegenständliche Klageanträge.“ Mit dem Vortrag, dass die Hausverwaltung die Eigentümer nicht über bestehende Mängel am Gemeinschaftseigentum und auch nicht über das Beweissicherungsverfahren informiert habe, auch nicht in der Eigentümerversammlung im Jahr 2019, legt die Berufung aber gerade keine Pflichtverletzung der übrigen Eigentümer zum Tätigwerden dar. Sind die Eigentümer nämlich nach der oben genannten Rechtsprechung nicht über den Instandsetzungsbedarf in Kenntnis gesetzt, so können Sie sich auch nicht pflichtwidrig durch Nichtteilnahme an Eigentümerversammlungen, Enthaltung oder Gegenstimme notwendiger Instandsetzungsmaßnahmen verweigern. Eine etwaige Zurechnung des Verwalterhandelns findet ihnen gegenüber auch nicht statt.
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Nachdem der Schadensersatzanspruch bereits nicht besteht, kommt es damit nicht darauf an, dass entgegen der Auffassung des Amtsgerichts eine Vorbefassung der Gemeinschaft mit einem gegen sie gerichteten Anspruch keine Zulässigkeitsvoraussetzung der Forderungsklage eines Eigentümers ist.
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2. Hinsichtlich der Beschlussersetzung liegt jedenfalls nunmehr eine Vorbefassung der Gemeinschaft in der Eigentümerversammlung vom 26.06.2023 vor. In der dortigen Eigentümerversammlung wurde über die auch hier streitgegenständlichen Anträge beraten und abgestimmt.
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Der Vortrag hierzu ist auch nicht verspätet. Zum einen ist die Frage der Vorbefassung als Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschlussersetzungsklage ohnehin von Amts wegen zu prüfen. Zum anderen beruht die Nichtgeltendmachung in erster Instanz nicht auf einer Nachlässigkeit der Klägerin. Eine Nachlässigkeit ist stets zu verneinen, soweit das in Frage stehende neue Angriffs- und Verteidigungsmittel erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung entstanden ist (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2018 – VIII ZR 212/17 –, BGHZ 220, 77-90, Rn. 34). Schließlich ist neues unstreitiges Vorbringen in der Berufungsinstanz immer zu berücksichtigen, selbst wenn dadurch eine neue Beweisaufnahme notwendig wird (Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 531 ZPO, Rn. 20).
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Die Beschlussersetzungsanträge erweisen sich auch teilweise als begründet.
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2.1. Kein Anspruch auf Beschlussersetzung besteht allerdings hinsichtlich des Plattenbelages auf der umlaufenden Dachterrasse der Wohnung der Klägerin.
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Geltend gemacht wurde mit der Klage hier zunächst ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Beschädigung ihres Eigentums durch die Arbeiten der Gemeinschaft an der Fassadendämmung, nachdem die Verlegung nach der Baumaßnahme nicht mehr ordnungsgemäß erfolgt wäre. Ob die Eigentümer über diesen Anspruch einen Beschluss fassen wollen, liegt aber in ihrem Ermessen, weswegen eine gerichtliche Ersetzung nicht erfolgen kann.
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Eine Beschlussersetzungsklage nach § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG ist nämlich nur dann begründet, wenn eine notwendige Beschlussfassung unterbleibt. Dies ist dann der Fall, wenn die Eigentümergemeinschaft jedenfalls hinsichtlich des „Ob“ der Maßnahme kein Ermessen mehr besitzt.
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Mit dem begehrten Beschluss soll der Schadensersatzanspruch der Klägerin durch Naturalrestitution befriedigt werden. Ob sich die Eigentümer hierzu entscheiden, liegt aber in ihrem Ermessen. Tritt ein Eigentümer an die Gemeinschaft mit einem Schadensersatzanspruch heran, so kann sich diese zumindest dahingehend entscheiden, ob sie diesen durch Leistung in Geld oder durch Naturalrestitution erfüllen möchte. Sie kann zudem auch, jedenfalls in den Fällen, in denen der Anspruch nicht unbestreitbar und offensichtlich ist, eine gerichtliche Klärung über die Frage des Vorliegens des Anspruches herbeiführen wollen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2015 – V ZR 5/15 –, Rn. 13, juris).
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Denkbar wäre zwar ein Schadensersatzanspruch der Eigentümerin nach § 14 Nr. 4 WEG a.F., welcher nach der alten Rechtslage auch nach Wahl der Eigentümerin auch durch Naturalrestitution erfolgen konnte. Die Vorschrift findet für den vor Inkrafttreten des WEMoG abgeschlossenen Sachverhalt Anwendung.
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Ein solcher Anspruch wäre aber verjährt. Die Arbeiten an der Fassade, nach welchen die Verlegung nicht mehr ordnungsgemäß erfolgt sein soll, fanden im Jahr 2013 statt. Die Beklagte erhob mit Schriftsatz vom 02.09.2021 die Einrede der Verjährung (Seite 7 des Schriftsatzes vom 02.09.2021). Der Schadensersatzanspruch unterlag der 3-jährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB, nachdem sich im Verhältnis zwischen Sondereigentümerin und Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht um einen Gewährleistungsanspruch in einem Bauwerk nach § 634 a BGB handelt. Zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestanden keine werkvertraglichen Beziehungen, geltend gemacht wird vielmehr ein gesetzlicher Anspruch. Die Voraussetzungen verjährungshemmender Verhandlungen im Zeitraum bis zum Verjährungseintritt konnte die Klägerin nicht darlegen.
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2.2. Im Übrigen war betreffend der im Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) … vom 31.05.2019 im Beweissicherungsverfahren 482 H 10844/18 WEG festgestellten Mängel aber eine Beschlussfassung der Gemeinschaft geboten, welche daher hier gerichtlich zu ersetzen war. Ein Ermessen der Gemeinschaft hinsichtlich des „Ob“ der Maßnahme bestand nicht mehr.
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Dabei konnte die Kammer den schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen …, welcher auch der Kammer aus einer Mehrzahl von Verfahren betreffend der Feststellung von Schäden an Gebäuden vertraut ist, und an dessen Sachkunde keine Bedenken bestehen, im Gutachten vom 31.05.2019 mit Ergänzung vom 16.10.2019 gut folgen. Das Gutachten erläutert methodisch nachvollziehbar insbesondere, weshalb hinsichtlich der bislang fehlenden Dämmung an der nach Nordwesten orientierten Außenwand des Bades in der Wohnung der Klägerin die Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems als Teilfläche erforderlich ist. Dabei erläuterte der Sachverständige ausweislich des Protokolls seiner Anhörung im selbstständigen Beweisverfahrens vom 15.07.2020 auch bereits, dass eine Belüftung des Bades zum Beispiel mit einem Außenventilator in Bezug auf Feuchtigkeit etwas bringen könne, am Vorhandensein des beschriebenen Mangels aber nichts ändern würde. Ebenso kann die Kammer nachzuvollziehen, dass nach dem technischen Merkblatt des Herstellers bei der erfolgten Verwendung des gewählten Dehnfugenprofils auch ein Dehnfugenband einzubauen ist, weswegen das Unterlassen des Einbaus einen zu behebenden Mangel darstellt, nachdem ansonsten keine schlagregensichere Fugendichtung vorhanden ist. Auch beim Anschluss des Fensterblechs am Wohnzimmer der Wohnung der Klägerin auf der Westseite besteht aufgrund des Spalts zwischen Anputzleiste und Rollladenführungsschienen die Gefahr von Nässeeindringen, weshalb eine Abdichtung zu erfolgen hat. Das Vorhandensein dieser Mängel wurde von Beklagtenseite auch nicht mehr bestritten.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Klägerin unterlag mit ihrer Klage hinsichtlich der gegen die Beklagte zu 1) geltend gemachten Forderung vollständig; hinsichtlich der Beschlussersetzung welche sie gegen die Beklagte zu 2) begehrte unterlag sie lediglich im Hinblick auf die Maßnahme betreffend der Bodenplatten, deren Kosten im Gutachten des Sachverständigen … mit etwa 1.000 € geschätzt worden waren. Demnach unterlag die Klägerin hinsichtlich Streitgegenständen, welche insgesamt mit einen Wert von 27.447,63 € anzusetzen sind, während die Beklagte 2) in ihrem Prozessrechtsverhältnis zur Klägerin hinsichtlich 18.932,50 € unterlag (= Rest von 19.932,50 €) und die Beklagte zu 1) vollumfänglich obsiegte.
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Dabei hatte das Gericht der Hauptsache auch über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu entscheiden, was klarstellend tenoriert wurde. Anteilige Kostenschuldnerin im Hinblick auf das nach altem Recht noch gegen die übrigen Eigentümer der WEG geführte Beweissicherungsverfahren ist nach neuem Recht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Streitgegenstand des Beweissicherungsverfahrens war das Vorhandensein von Mängeln, welche auch für die Frage der Beschlussersetzung Streitgegenstand waren. Dass das Beschlussersetzungsverfahren nach dem WEMoG nunmehr gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und nicht mehr gegen die übrigen Eigentümer zu führen war, ändert an der Kostenschuld schon deshalb nichts, weil vollständige Identität der Parteien hierfür keine Voraussetzung ist (MüKoZPO/Schreiber, 6. Aufl. 2020, ZPO § 485 Rn. 32). So hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass dann, wenn ein selbstständiges Beweisverfahren von einzelnen Erwerbern von Wohnungseigentum wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums betrieben wird und nach Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens die Wohnungseigentümergemeinschaft auf Grund eines Beschlusses, mit dem sie die Durchsetzung der Rechte der Erwerber auf Beseitigung der genannten Mängel wirksam an sich gezogen hat, gegen die Antragsgegner des selbstständigen Beweisverfahrens auf Kostenvorschuss zur Beseitigung der Mängel klagt, die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens von der Kostenentscheidung im Verfahren der Kostenvorschussklage mit umfasst (BGH, Beschluss vom 27.8.2014 – VII ZB 8/14, NJW 2014, 3518). Wenn bereits das Auftreten der Gemeinschaft als Prozessstandschafter für die einzelnen Eigentümer der Rechtsinhaberschaft zum Zwecke der Kostenfestsetzung gleichsteht (BGH a.a.O., Rn. 16), gilt dies ebenso für die alleine aufgrund der Gesetzesänderung eingetretene Änderung der Passivlegitimation.
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Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestanden nicht.