Titel:
Kein formgerechter Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs bei Erlöschen des Wohnungsrechts durch Wegzug bei Vorlage der Meldebescheinigung
Normenketten:
GBO § 15, § 22, § 29
BMG § 3, § 18 Abs. 2
ZPO § 415
BGB § 7 Abs. 3, § 158 Abs. 2, § 892 Abs. 1, § 894, § 1093
Leitsätze:
1. Ein Wohnungsrecht kann unter der auflösenden Bedingung, dass der Berechtigte das Anwesen auf Dauer verlässt, bestellt werden (sog. Wegzugsklausel). (Rn. 15)
2. Der Nachweis, dass das Grundbuch infolge des Wegzugs des Berechtigten i. S. d. § 22 Abs. 1 GBO unrichtig geworden ist, kann durch die Vorlage einer Meldebescheinigung gemäß § 18 Abs. 2 BMG nicht geführt werden. (Rn. 16)
3. Es steht den Beteiligten frei, vertraglich erleichterte Löschungsvoraussetzungen zu vereinbaren. (Rn. 16)
Es können nur solche Ereignisse wirksam zur Bedingung für das Erlöschen von Grundstücksrechten gemacht werden, deren Eintritt objektiv mit der gebotenen Eindeutigkeit bestimmbar ist; die Beendigung eines schuldrechtlichen Vertragsverhältnisses, insbesondere eine Kündigung erfüllt diese Voraussetzungen. (Rn. 13 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
Es können nur solche Ereignisse wirksam zur Bedingung für das Erlöschen von Grundstücksrechten gemacht werden, deren Eintritt objektiv mit der gebotenen Eindeutigkeit bestimmbar ist; die Beendigung eines schuldrechtlichen Vertragsverhältnisses, insbesondere eine Kündigung erfüllt diese Voraussetzungen. (Leitsatz der LSBeckRS-Redaktion) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohnungsrecht, Löschung, Grundbuchverfahren, Meldebescheinigung, Berichtigungsbewilligung, Unrichtigkeitsnachweis, Urkunde, Löschungsbewilligung, Auflösende Bedingung
Fundstellen:
NotBZ 2025, 154
BWNotZ 2024, 287
ErbR 2025, 437
FGPrax 2024, 210
MDR 2024, 1245
RPfleger 2024, 655
FDMietR 2024, 019242
ZEV 2024, 835
BeckRS 2024, 19242
RNotZ 2024, 684
LSK 2024, 19242
NJW-RR 2024, 1528
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt – Grundbuchamt – vom 27.03.2024 wird zurückgewiesen.
2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 24.000,00 € festgesetzt.
Gründe
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Die Beteiligte ist Eigentümerin von Grundbesitz.
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In Abteilung II unter der laufenden Nummer 1 ist ein auflösend bedingtes Wohnungsrecht für die Mutter der Beteiligten eingetragen. Gemäß der notariellen Bewilligung vom 03.06.2011 erlischt das Wohnungsrecht für den Fall, dass die Berechtigte auf Dauer, das heißt nicht nur vorübergehend, das Anwesen verlässt, insbesondere ihren Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt verlegt. Eine Regelung, wie dieser Nachweis zu führen ist, ist in der Urkunde nicht enthalten.
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Unter dem 24.10.2023 beantragte der Urkundsnotar gemäß § 15 GBO die Löschung des Wohnungsrechts wegen Verlegung des Hauptwohnsitzes sowie Lebensmittelpunktes. Beigefügt waren ein notariell beglaubigter Antrag mit Bewilligung der Beteiligten sowie eine mit Dienstsiegel und Unterschrift versehene „Hausauskunft“ der Gemeindeverwaltung D. vom 27.09.2023. Aus dieser ergibt sich, dass in der Zeit vom 05.08.2015 bis 27.09.2023 andere Personen, nicht aber die Berechtigte des Wohnungsrechts im Anwesen der Beteiligten gemeldet waren. Die Bescheinigung genügte dem Grundbuchamt nicht, so dass es mit Zwischenverfügung vom 15.12.2023 die Vorlage einer formgerechten Löschungsbewilligung der Berechtigten forderte. Der Senat hat diese mit Beschluss vom 20.02.2024 (Az.: 34 Wx 335/23 e) deshalb aufgehoben, weil mit einer Zwischenverfügung nicht die Vorlage einer nach Auffassung des Grundbuchamts erforderlichen Berichtigungsbewilligung aufgegeben werden kann, wenn der Berichtigungsantrag darauf gestützt wird, dass der Unrichtigkeitsnachweis geführt sei. In dieser Konstellation sei der Antrag sofort zurückzuweisen. Das Grundbuchamt hatte daher erneut über den Antrag vom 24.10.2023 zu entscheiden.
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Mit Schreiben vom 13.03.2024 reichte der Urkundsnotar eine Meldebescheinigung der Gemeinde D. gemäß § 18 Abs. 2 BMG nach, aus welcher sich ergibt, dass die Berechtigte des Wohnungsrechts seit 09.07.2015 mit der Anschrift in L. und nicht mehr in D. gemeldet ist.
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Mit Beschluss vom 27.03.2024 wies das Grundbuchamt den Antrag zurück. Die Meldebescheinigung gelte zwar als öffentliche Urkunde nach den §§ 415 ff. ZPO, besitze aber nur eingeschränkte Beweiskraft. Es werde nicht nachgewiesen, dass die Angaben in der Meldebescheinigung korrekt und vollständig sind. Vielmehr werde nur bescheinigt, dass die entsprechenden Daten im Melderegister nach § 3 BMG aktuell gespeichert sind. Mit der vorgelegten Meldebescheinigung könne daher allenfalls der Nachweis geführt werden, dass seitens der Berechtigten ein Wohnungswechsel gemeldet worden ist, nicht hingegen, ob er auch tatsächlich vollzogen wurde und auf Dauer angelegt ist.
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Hiergegen legte der Urkundsnotar mit Schreiben vom 30.04.2024 Beschwerde ein, beigefügt war eine beglaubigte Abschrift der Meldebescheinigung. Er argumentiert, aus der Meldebescheinigung ergebe sich eindeutig, dass die Berechtigte ihren Hauptwohnsitz verlegt habe. Auf das tatsächliche Bewohnen komme es nicht an. Mit Beschluss vom 08.05.2024 hat das Grundbuchamt der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vorgelegt.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
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1. Die Beschwerde ist zulässig.
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Gemäß § 71 Abs. 1 GBO findet die unbeschränkte Beschwerde gegen die Entscheidungen des Grundbuchamts statt (Demharter, GBO, 33. Auflage, § 71 Rn. 12). Der Rechtsbehelf ist auch im Übrigen gemäß §§ 73, 15 Abs. 2 GBO zulässig. Der Urkundsnotar hat das Rechtsmittel ausdrücklich für die Beteiligte eingelegt.
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2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
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Die Löschung des Wohnungsrechts kann nicht im Wege der Berichtigung nach § 22 Abs. 1 GBO erfolgen. Unrichtig i. S. dieser Bestimmung ist das Grundbuch nach der Vorgabe des § 894 BGB dann, wenn sein Inhalt hinsichtlich eines Rechts an einem Grundstück, eines Rechts an einem solchen Recht oder einer Verfügungsbeschränkung der in § 892 Abs. 1 BGB bezeichneten Art mit der wahren, also materiellen Rechtslage nicht übereinstimmt (Senat, Beschluss vom 24.01.2022 – 34 Wx 437/21 = FGPrax 2022, 59, 60; BayObLG Rpfleger 1988, 254, 255; Demharter § 22 Rn. 4; Hügel/Holzer, GBO, 5. Auflage, § 22 Rn. 25). Dabei fordert der Unrichtigkeitsnachweis als Ersatz für die Berichtigungsbewilligung den vollen Nachweis der Unrichtigkeit in Form des § 29 GBO (Senat, Beschluss vom 24.11.2017 – 34 Wx 315/17 = FGPrax 2018, 64; Hügel/Holzer § 22 Rn. 17; Demharter § 22 Rn. 42).
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Der erforderliche volle Nachweis wird durch die vorgelegte Meldebestätigung nach § 18 Abs. 2 BMG nicht geführt.
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a) Ein Wohnungsrecht i. S. von § 1093 BGB kann unter einer auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) bestellt werden (BayObLG NJW-RR 1988, 982; Schöner/Stöber, GBR, 16. Auflage, Rn. 1261). Das der Mutter der Beteiligten eingeräumte Wohnungsrecht soll unter der auflösenden Bedingung stehen, dass sie „das Anwesen auf Dauer, d. h. nicht nur vorübergehend verlässt”. Richtig geht das Grundbuchamt davon aus, dass nicht jedes beliebige Ereignis zur auflösenden Bedingung für ein dingliches Recht an einem Grundstück bestimmt werden kann. Vielmehr ist Rücksicht zu nehmen auf den Zweck des Grundbuchs, über das Entstehen und Erlöschen dinglicher Rechte sicher und zuverlässig Auskunft zu geben; dies bedeutet, dass nur solche Ereignisse wirksam zur Bedingung für das Erlöschen von Grundstücksrechten gemacht werden können, deren Eintritt objektiv mit der gebotenen Eindeutigkeit bestimmbar ist (BayObLG MittBayNot 1990, 174 m. w. N.; OLG Frankfurt a. M. Rpfleger 1993, 331; Demharter Anh. § 13 Rdnr. 5).
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b) Der Senat, der die Eintragungsbewilligung als verfahrensrechtliche Erklärung selbständig auszulegen hat (BayObLG DNotZ 1998, 299; BayObLG NJW-RR 1993, 283), hält dieses Erfordernis hier für erfüllt. Es ist ständige Rechtsprechung, dass die Kündigung oder allgemein die Beendigung eines schuldrechtlichen Vertragsverhältnisses, insbesondere eines Miet- oder Pachtvertrags über das belastete Grundstück, zur auflösenden Bedingung für ein dingliches Recht, vor allem eine Dienstbarkeit oder ein Vorkaufsrecht gemacht werden kann (BGH NJW 1974, 2123, 2124; BayObLG NJW-RR 1993, 283; BayObLGZ 1989, 442, 446 f. m. w. N.; OLG Zweibrücken DNotZ 1990, 177; OLG Frankfurt a. M. Rpfleger 1993, 331). Die rechtserheblichen Umstände „Kündigung” oder „Beendigung eines Vertragsverhältnisses” werden als ausreichend bestimmbar angesehen. Für die Bedingung, dass jemand ein Anwesen „nicht nur vorübergehend verlässt”, kann nichts anderes gelten. Objektive Bestimmbarkeit bedeutet nicht, dass das Ereignis, welches die Bedingung auslöst, sogleich und ohne weiteres feststellbar ist, ohne dass es über seinen Eintritt Meinungsverschiedenheiten oder gar Streit geben könnte; gerade über die Berechtigung einer (außerordentlichen) Kündigung wird es nicht selten zum Streit und zur gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen den Vertragsparteien kommen. Dies steht der Eintragungsfähigkeit eines solchen Umstands als auflösende Bedingung des dinglichen Rechts nicht entgegen (BayObLG DNotZ 1998, 299; BayObLG MittBayNot 1990, 174, 175).
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c) Der Umstand, dass ein Berechtigter ein Anwesen nicht nur vorübergehend verlässt, ist demgegenüber objektiv bestimmbar. Er bedeutet das Gleiche wie das Verlassen eines Grundstücks „auf Dauer”. Für die hier gewählte Bedingung kann nichts anderes gelten als für die Kündigung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses. Das dauernde Verlassen eines Grundstücks kann im wesentlichen der Aufhebung des Wohnsitzes i. S. von § 7 Abs. 3 BGB gleichgestellt werden; dazu bedarf es der Aufgabe der tatsächlichen Niederlassung mit dem Willen, den Wohnsitz nicht mehr am bisherigen Ort zu haben (vgl. BayObLGZ 1964, 109, 111; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 83. Auflage, § 7 Rdnr. 12). Immer ist aber zu beachten, dass zur tatsächlichen Aufgabe einer Niederlassung der Wille hinzukommen muss, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht am bisherigen Wohnsitz zu belassen (Grüneberg/Ellenberger § 7 Rdnr. 12 unter Bezugnahme auf BayObLGZ 1964, 109). Alle diese Fragen sind nicht schwieriger zu beurteilen als die Frage, ob ein Vertragsverhältnis durch (außerordentliche) Kündigung beendet worden ist.
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d) Die vorgelegte Meldebescheinigung nach § 18 Abs. 2 BMG gilt zwar als öffentliche Urkunde nach den §§ 415 ff. ZPO, besitzt allerdings nur eingeschränkte Beweiskraft. Es wird nicht nachgewiesen, dass die Angaben in der Meldebescheinigung korrekt und vollständig sind. Vielmehr wird nur bescheinigt, dass die entsprechenden Daten im Melderegister nach § 3 BMG aktuell gespeichert sind. Keine Aussage wird dazu getroffen, ob die unter der Anschrift angegebene Wohnung von der in der Auskunft Genannten tatsächlich genutzt wird (Engelbrecht/Schwabenbauer/Polenz, BMG, 1. Auflage, §§ 18, 18_nF Rn. 8; Süßmuth/Laier, BMG, Ed. Okt. 2020, § 18 Rn. 5). Anders als der Urkundsnotar in seiner Beschwerdebegründung vom 30.04.2024 argumentiert, kommt es nach der Bestellungsurkunde nicht auf das formale Kriterium der bei der Meldebehörde angegebenen Wohnung, sondern vielmehr auf das tatsächliche Bewohnen der verfahrensgegenständlichen Wohnung an. Darüber gibt die Meldebescheinigung nach § 18 Abs. 2 BMG jedoch keine Auskunft. Mit ihr kann daher der Unrichtigkeitsnachweis nach § 22 Abs. 1 GBO nicht geführt werden. Es besteht auch kein Anlass, insoweit Beweiserleichterungen zu gewähren. An den Unrichtigkeitsnachweis sind strenge Anforderungen zu stellen, weil er eine Grundbucheintragung ohne Bewilligung des Betroffenen ermöglicht und das Grundbuchverfahren zur Klärung von streitigen Tatsachen weder geeignet noch bestimmt ist (BayObLG Rpfleger 1982, 468; Schöner/Stöber Rn. 370; Hügel/Holzer § 22 Rn. 59). Es sind alle Möglichkeiten, bis auf ganz entfernte, auszuräumen, die der Richtigkeit der begehrten berichtigenden Eintragung entgegenstehen können. Der Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit ist nach § 29 Abs. 1 GBO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden zu führen (BGH FGPrax 2016, 99; BGH FGPrax 2014, 98). Dabei verkennt der Senat nicht, dass dies in der vorliegenden Konstellation praktisch kaum möglich sein wird. Um Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, wäre es der Beteiligten und ihrer Mutter allerdings frei gestanden, bei der Bestellung des Wohnungsrechts Löschungserleichterungen wie z. B. die Vorlage einer Eigenurkunde oder eben einer Meldebescheinigung zu vereinbaren (vgl. Herrler DNotZ 2019, 493, 497; Beck'sches Notar-Handbuch/Herrler, 8. Auflage Rn. 370a). Von dieser Gestaltungsmöglichkeit haben sie keinen Gebrauch gemacht. Es verbleibt aber die Möglichkeit, eine Berichtigungsbewilligung nach § 19 GBO einzureichen, die sich erforderlichenfalls auch im Klagewege auf der Grundlage von § 894 BGB beschaffen ließe.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Pflicht zur Kostentragung ergibt sich bereits aus dem Gesetz (§ 22 Abs. 1 GNotKG).
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Den Geschäftswert bemisst der Senat nach dem zehnjährigen Wert des Wohnungsrechts (§ 52 Abs. 4 GNotKG). Da bei der Bestellung des Rechts der 15-jährige Wert mit 36.000,00 € zugrunde gelegt wurde, ist der zehnjährige Wert nun mit 24.000,00 € anzusetzen.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 78 Abs. 2 GBO).