Inhalt

VG München, Urteil v. 02.07.2024 – M 3 K 21.6299
Titel:

Unzulässige Fortsetzungsfeststellungsklage zum verweigerten Übertritt auf das Gymnasium unter Überspringen der 4. Jahrgangsstufe

Normenketten:
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2, Art. 7 Abs. 1
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
BV Art. 128
Leitsätze:
1. Zur Anerkennung eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses muss der zumindest ernsthaft beabsichtigen, einen solchen Prozess zu führen, wofür die Darlegung erforderlich ist, was konkret angestrebt wird, wozu auch die hinreichend konkrete Angabe der Schadenshöhe gehört. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Amtshaftungsprozess ist mangels Verschulden von vornherein aussichtslos, wenn ein mit mehreren Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht das Verwaltungshandeln in einem Haupt- oder Eilverfahren gebilligt hat. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Abwehrdimension des Rechts auf schulische Bildung reicht nur so weit, wie das vom Staat als Ganzes ausgestaltete Schulsystem in jeder einzelnen Schule eine nach Art, Inhalt und Umfang bestimmte schulische Bildung eröffnet; es schützt nicht vor systemimmanenten Regelungen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Elternrecht verleiht einem Schüler keinen quasi voraussetzungslosen Anspruch auf Übertritt auf das Gymnasium nach dem alleinigen Willen der Eltern. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fortsetzungsfeststellunginteresse bzgl. Recht auf Aufnahme am Gymnasium durch Überspringen aus 3. Jahrgangsstufe, Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses (verneint), Rehabilitationsinteresse (verneint), Qualifizierter (tiefgreifender, gewichtiger, schwerwiegender), sich typischerweise kurzfristig erledigender Grundrechtseingriff (verneint), Grundrecht auf schulische Bildung, Elterliches Erziehungsrecht, Voraussetzungen beim Überspringen einer Jahrgangsstufe, Fortsetzungsfeststellungsklage, Fortsetzungsfeststellungsinteresse, Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses, qualifizierter Grundrechtseingriff, elterliches Erziehungsrecht, Überspringen einer Jahrgangsstufe
Fundstelle:
BeckRS 2024, 19239

Tenor

  I.    Die Klage wird abgewiesen.
 II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet war, dem Kläger aufgrund bestandenen Probeunterrichts unter gleichzeitigem Überspringen der 4. Jahrgangsstufe den Übertritt auf das Gymnasium zum Schuljahr 2021/2022 zu gestatten.
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Der damals 9 Jahre alte Kläger besuchte im Schuljahr 2020/2021 die 3. Klasse in der Grundschule in E.. In diesem Schuljahr war er vom Präsenzunterricht befreit und wurde ausschließlich in Distanz unterrichtet. Leistungsnachweise erbrachte er nicht.
3
Am 27. April 2021 wurde per E-Mail durch den Vater des Klägers der Anmeldewunsch am Gymnasium K. gestellt (vgl. Bl. 33 GA M 3 E 21.6375). Dabei wurde der bereits online ausgefüllte Antrag entsprechend geändert, da dieser keine Möglichkeit eines Übertritts aus der 3. Jahrgangsstufe vorgesehen hatte. Der Schulleiter der Grundschule erklärte gegenüber der Mutter des Klägers mit E-Mail vom 5. Mai 2021 wörtlich: „normalerweise bekommen SchülerInnen für diese Vorbereitungen [zum Probeunterricht] keine Befreiung bzw. keinen Erlass. Aber wir wollen diesem spannenden Vorhaben, über das wir per Zufall vom Gymnasium erfahren haben nicht im Wege stehen. […] Der Besuch unserer Schule außerhalb des Unterrichts zur Feststellung schriftlicher Leistungen ist ja aus Risikogründen nicht machbar. Das wirft die große Frage auf, auf welcher Basis wir das Jahreszeugnis und das Vorrücken in die 4. Klasse gestalten können? Aber wenn Ihr Sohn den Übertritt aus der 3. Klasse heraus schafft, stellt sich zumindest diese Frage nicht. Die LehrerInnen und ich wünschen M. [dem Kläger] für die Vorbereitung und den Probeunterricht viel Erfolg. Setzen Sie uns bitte über eine mögliche Abmeldung von unserer Schule wegen der Klassenplanung rechtzeitig in Kenntnis.“ (Bl. 58 GA 7 CE 22.499)
4
Vom 26. Juli 2021 bis zum 28. Juli 2021 nahm der Kläger am Probeunterricht – auf Anweisung der MB Dienstelle ... – am Gymnasiums R. teil. Dort erzielte er im Fach Mathematik die Note 3 und im Fach Deutsch die Note 5. Der Probeunterricht wurde mit Schreiben vom 29. Juli 2021 als nicht bestanden bewertet.
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Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 11. Oktober 2021 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2021 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger an einer Ersatzprüfung seiner Grundschule hätte teilnehmen und so ein reguläres Jahreszeugnis für die Jahrgangsstufe 3 erhalten hätte können, auf dessen Grundlage dann über ein Überspringen hätte entschieden werden können. Die Erziehungsberechtigten hätten dies trotz entsprechender Beratung abgelehnt.
6
Der Kläger hat am 6. Dezember 2021 durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben lassen. Der mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2021 gestellte Antrag auf einstweilige Anordnung ist mit Beschluss vom 7. Februar 2022 abgelehnt worden. Die dagegen eingelegte Beschwerde ist mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 16. Mai 2022 zurückgewiesen worden. Im Klageverfahren beantragt der Kläger zuletzt sinngemäß,
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festzustellen, dass der Bescheid vom 29. Juli 2021 des Gymnasiums R. in Form des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2021 über das Nichtbestehen des Probeunterrichts rechtswidrig war und der Beklagte verpflichtet war, den Probeunterricht als bestanden zu bewerten und dem Kläger die Aufnahme am Gymnasium zu gestatten.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, das ursprüngliche Klagebegehren habe sich durch Zeitablauf nach Klageerhebung erledigt. Ein Feststellungsinteresse bestehe, da noch Amtshaftungsansprüche geltend gemacht würden, denn für das Widerspruchsverfahren, die Hauptsacheklage und den Eilrechtsschutz seien erhebliche Kosten aufgewandt worden. Es liege ferner ein tiefgreifender Grundrechtseingriff vor. Das verwehrte Überspringen verstoße gegen Art. 128 BV. Zudem sei das elterliche Erziehungsrecht nach Art. 126 BV und Art. 7 Abs. 1 GG [sic] verletzt worden.
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Hinsichtlich der materiellen Rechtslage werde auf die Ausführungen im Eilverfahren verwiesen. Die Rechtslage sei bislang lediglich kursorisch geprüft worden. Die Gestattung zum Überspringen sei mündlich durch den Schulleiter der Grundschule erteilt worden. Der Schulleiter habe das schließlich durchgeführte Vorgehen hinsichtlich des Probeunterrichts vorgeschlagen. Insofern gehe es „den Klägern“ auch um Rehabilitation.
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Der Beklagte beantragt,
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Klageabweisung.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, ein Feststellungsinteresse in Form des tiefgreifenden Grundrechtseingriffs ergebe sich nicht schon aus dem Erlass eines in Art. 2 Abs. 1 GG eingreifenden belastenden Verwaltungsakts. § 113 Absatz 1 Satz 4 VwGO differenziere nicht nach Intensität des erledigten Eingriffs und dem Rang der betroffenen Rechte. Es liege bereits kein belastender Verwaltungsakt vor, da es sich um eine Verpflichtungssituation handele. Die Aufnahme in die 5. Jahrgangsstufe erledige sich zudem typischerweise nicht so kurzfristig, dass keine gerichtliche Überprüfung möglich sei. Vielmehr habe der Kläger erfolglos Eilrechtsschutz in Anspruch genommen. Es liege jedenfalls kein tiefgreifender Grundrechtseingriff vor. Art. 128 BV stelle kein Grundrecht dar. Sofern ein Grundrecht auf schulische Bildung überhaupt anzuerkennen sei, so unterliege dieses weder einem Richtervorbehalt noch stelle es ein besonders sensibles Rechtsgut wie die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit der Person dar.
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Ein Feststellungsinteresse in Form der Fallgruppe der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses liege nicht vor. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe die Auffassung des Beklagten im Eilrechtsschutz für vertretbar gehalten, weshalb es an einem Verschulden des Amtsträgers fehle.
14
Auch fehle es an einem Rehabilitierungsinteresse, da die Ergebnisse des Probeunterrichts nicht öffentlich seien und die Nichtgewährung des Überspringens keine Stigmatisierung darstelle, sondern dem Kläger schlicht nicht die begehrte Begünstigung gewähre. Sofern der Klägerbevollmächtigte sich auf Rechte der Eltern beziehe, überzeuge dies nicht, da die Eltern nicht Beteiligte des Verfahrens seien.
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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte, auch der Verfahren M 3 E 21.6375 und 7 CE 22.499, und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen. Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 2. Juli 2024 wird auf das Protokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist bereits unzulässig.
17
Die ursprünglich als Verpflichtungsklage erhobene Klage hat sich jedenfalls dadurch erledigt, dass der Kläger zwischenzeitlich auf das Gymnasium übergetreten ist und die 5. Jahrgangsstufe besucht hat. Die Klage konnte aufgrund sachdienlicher Klageänderung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO) als Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) fortgeführt werden, ohne dass die Voraussetzungen des § 91 VwGO vorliegen müssen.
18
§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bezieht sich unmittelbar nur auf den Fall einer Anfechtungsklage, die unzulässig geworden ist, weil sich der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung erledigt hat und damit die mit der Anfechtungsklage angegriffene beschwerende Regelung weggefallen ist. Es entspricht jedoch allgemeiner Meinung (vgl. etwa BVerwG, U.v. 4.12.2014 – 4 C 33.13 – juris Rn. 13; Riese in Schoch/Schneider, Stand: 45. EL 01/2024, § 113 VwGO Rn. 98 m.w.N. zur Rspr.), dass § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bei Verpflichtungsklagen entsprechend anzuwenden ist. Ein statthaftes Fortsetzungsfeststellungsbegehren liegt im Falle einer durch Erledigung des ursprünglichen Klagebegehrens unzulässig gewordenen Verpflichtungsklage allerdings grundsätzlich nur dann vor, wenn mit der beantragten Feststellung der Streitgegenstand des Klageverfahrens nicht ausgewechselt oder erweitert wird. Der Kläger darf dann das in der Verpflichtungsklage subsidiär enthaltene Feststellungsbegehren als Hauptantrag fortführen, wenn er ein entsprechendes Feststellungsinteresse vorweisen kann. Im Hinblick auf den Streitgegenstand der als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführten Verpflichtungsklage stellt das Gericht im Fall des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO fest, ob der versagende Bescheid rechtswidrig war und dem Kläger im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses der begehrte Anspruch zustand (Riese in Schoch/Schneider, Stand: 45. EL 01/2024, § 113 VwGO Rn. 99).
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Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Fortsetzungsfeststellungsklage sind zum einen die tatsächliche Erledigung des ursprünglichen Klagebegehrens – dieses liegt im erfolgten Übertritt auf das Gymnasium vor –, zum anderen das berechtigte Interesse an der Feststellung, dass die Entscheidung des Beklagten, die Aufnahme in die 5. Klasse des Gymnasiums zum Schuljahr 2021/2022 nicht zu gestatten, rechtswidrig gewesen war.
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Das Verwaltungsgericht ist grundsätzlich nicht verpflichtet, ein gegenstandslos gewordenes Klagebegehren auf seine ursprüngliche Berechtigung hin zu überprüfen. Der Kläger kann nur bei Vorliegen eines besonderen Interesses eine Sachentscheidung trotz Eintritts der Erledigung erzwingen. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG schließt nicht die Verpflichtung des Gerichts zu einer Sachentscheidung ein, wenn der Bürger den beantragten Rechtsschutz nicht (mehr) benötigt. Maßgeblich ist stets, ob die Inanspruchnahme des Gerichts dem Kläger noch etwas „nützt“, also zur Verbesserung seiner Position geeignet ist. Für das Feststellungsinteresse genügt jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (BVerwG, U.v. 24.4.2024 – 6 C 2.22 – juris Rn. 16; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 108).
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1. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt nicht vor. Abgesehen von der hier offensichtlich nicht einschlägigen Fallgruppe der Wiederholungsgefahr, liegen weder die Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses, ein Rehabilitationsinteresse noch ein sich typischerweise kurzfristig erledigender und qualifizierter Grundrechtseingriff vor.
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a) Die Voraussetzungen der anerkannten Fallgruppe der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses sind nicht erfüllt.
23
aa) Das berechtigte Interesse ist gegeben, wenn die Feststellung der Rechtswidrigkeit für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Amtshaftung (Art. 34 GG, § 839 BGB) erheblich ist, der Kläger einen entsprechenden Prozess anstrebt und dieser nicht offensichtlich aussichtslos erscheint. Die Fortsetzungsfeststellungsklage muss dazu dienen, die Rechtsposition des Klägers vor dem Zivilgericht zu verbessern. Hierbei muss der Kläger hinreichend konkrete Angaben zum behaupteten Schaden bzw. zu dessen Höhe machen (BayVGH, U.v. 10.3.2022 – 22 B 19.197 – juris Rn. 62; U.v. 9.9.2020 – 15 B 19.666 – juris Rn. 32; U.v. 22.7.2015 – 22 B 15.620 – juris Rn. 43; OVG NW, U.v. 25.3.2014 – 2 A 2679/12 – juris Rn. 47; Riese in Schoch/Schneider, Stand: 45. EL 01/2024, § 113 VwGO Rn. 129). So genügt nicht die unsubstantiierte oder nur aus prozesstaktischen Gründen aufgestellte Behauptung, einen Schadensersatzprozess durchführen zu wollen (BayVGH, U.v. 10.3.2022 – 22 B 19.197 – juris Rn. 62; vgl. auch BayVGH, U.v. 22.7.2015 – 22 B 15.620 – juris Rn. 43; NdsOVG, B.v. 29.8.2007 – 10 LA 31/06 – juris Rn. 6). Andernfalls könnte bei jeder Erledigung des Verwaltungsaktes eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung durch Urteil erzwungen werden, weil ein Amtshaftungsprozess immer dann denkbar ist, wenn der erledigte Verwaltungsakt als rechtswidrig festgestellt wird (NdsOVG, B.v. 29.08.2007 – 10 LA 31/06 – BeckRS 2007, 26710; Decker in BeckOK VwGO, Stand: 1.4.2024, § 113 Rn. 87.3). Nötig ist daher, dass eine Klage auf Schadensersatz anhängig ist oder ihre alsbaldige Erhebung mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (BVerwG, B.v. 3.3.2005 – 2 B 19.04 – juris Rn. 7 m.w.N.). In letzterem Fall muss der Kläger ernsthaft beabsichtigen, einen solchen Prozess zu führen (BVerwG, U.v. 9.3.1989 – 2 C 4.87 – juris Rn. 22). Dazu muss der Vortrag des Klägers darlegen, was konkret angestrebt wird (BayVGH, U.v. 10.3.2022 – 22 B 19.197 – juris Rn. 62; B.v. 24.10.2011 – 8 ZB 10.957 – juris Rn. 13; SächsOVG, U.v. 22.9.2015 – 4 A 577/13 – juris Rn. 40; NdsOVG, B.v. 12.11.2007 – 2 LA 423/07 – juris Rn. 7), wozu auch hinreichend konkrete Angaben zur Schadenshöhe gehören.
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bb) Da ein Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung ein Verschulden voraussetzt, ist ein Amtshaftungsprozess dann offensichtlich aussichtslos, wenn ein dem Dienstherrn zurechenbares Verschulden des handelnden Bediensteten ausscheidet. Am Verschulden fehlt es grundsätzlich, wenn ein mit mehreren Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht in einem Hauptsacheverfahren das Verwaltungshandeln gebilligt hat (Riese in Schoch/Schneider, Stand: 45. EL 01/2024, § 113 VwGO Rn. 134). Dies gilt auch für die vorliegende Konstellation einer Entscheidung im Eilrechtsschutz (vgl. BVerwG, U.v. 17.8.2005 – 2 C 37/04 – juris Rn. 29 zum beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit). Der Antrag auf Eilrechtsschutz im Verfahren M 3 E 21.6375 wurde sowohl durch die Kammer als auch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (7 CE 22.499) abgelehnt. Die vorliegend zentralen Fragen von Zuständigkeit, Form und Zeitpunkt der Gestattung der Überspringensentscheidung aus der 3. Klasse heraus sind Rechtsfragen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Rechtslage vor Erlass der Beschwerdeentscheidung umfassend geprüft und dabei nicht nur die Auffassung der Kammer bestätigt, sondern weitere rechtliche Argumente vorgebracht, sodass nicht von einer lediglich kursorischen Prüfung die Rede sein kann. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass beim Anordnungsanspruchs im Rahmen des § 123 VwGO eine strikt rechtliche Prüfung und nicht lediglich eine summarische oder kursorische Prüfung zu erfolgen hat. Der Maßstab ist lediglich in tatsächlicher Hinsicht auf Glaubhaftmachung herabgesetzt (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 48).
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Gemessen daran ist der Amtshafthaftungsprozess schon mangels Verschulden offensichtlich aussichtlos.
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cc) Jedenfalls aber hat der Kläger keine Angaben zum behaupteten Schaden und dessen Höhe gemacht.
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Sofern der Kläger vorgetragen hat, es seien Kosten für das Klage- und Widerspruchsverfahren entstanden, so wird darüber grundsätzlich im Rahmen des Beschlusses nach § 161 Abs. 2 VwGO entschieden. Sofern der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragen hat, es gehe auch um einen Schaden bzgl. des Kostenaufwands durch die Einholung von Stellungnahmen zu den Ergebnissen des Probeunterrichts, handelt es sich dabei um eine bloße Behauptung ohne Substanz hinsichtlich einer tatsächlichen Geldzahlung, zumal die Höhe gänzlich offen bleibt.
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b) Ferner hat der Kläger kein Rehabilitationsinteresse.
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aa) Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme bei vernünftiger Würdigung und objektiver Betrachtung der Verhältnisse eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (BVerwG, U.v. 24.4.2024 – 6 C 2.22 – juris Rn. 18; U.v. 16.5.2013 – 8 C 14.12 – juris). Das Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit wurde etwa angenommen bei einer schulrechtlichen Nichtversetzung, wenn sich die Entscheidung der Schule auf die weitere schulische oder berufliche Laufbahn des Schülers nachteilig auswirken kann. Dieser Nachteil, der weder unmittelbar bevorstehen noch sich konkret abzeichnen muss, kann bereits in der zeitlichen Verzögerung des Schulabschlusses liegen. Ebenso ist die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses hinsichtlich einer Ordnungsmaße denkbar (vgl. Riese in Schoch/Schneider, Stand: 45. EL 01/2024, § 113 VwGO Rn. 139 m.w.N. zur Rspr.; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 121).
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bb) Vorliegend fehlt es bereits an der Außenwirkung der Maßnahme. Sofern der Kläger die Vorgänge nicht selbst publik gemacht hat (vgl. zur fehlenden Außenwirkung bei eigener „Veröffentlichung“ durch den Kläger: BVerwG, U.v. 24.4.2024 – 6 C 2.22 – juris Rn. 18), sind diese nicht nach Außen bekannt geworden. Nachdem der Kläger in der 3. Klasse zudem gar nicht beim Präsenzunterricht anwesend war, ist seine Teilnahme am Probeunterricht wohl schon nicht aufgefallen, zumal dieser zudem keine Unterrichtsbefreiung erforderlich gemacht hat. Eine andauernde Beeinträchtigung für die schulische Laufbahn besteht, anders als bei einer Nichtversetzung, nicht. Erstens wird ein Nichtüberspringen anders als eine Nichtversetzung nicht negativ im Lebenslauf angesehen. Zweitens zeigt sich ein verweigertes Nichtüberspringen gerade nicht in einer im Vergleich zu den Mitschülern längeren Schulzeit. Demgegenüber hat die Nichtversetzung in der Zukunft im Fall einer weiteren Nichtversetzung möglicherweise die Beendigung der Schullaufbahn zur Folge. Auch wird durch die Nichtgewährung des Überspringens einer Jahrgangsstufe nach Außen auch nicht eine etwaige Hochbegabung in Frage gestellt, da häufig auch bei Vorliegen einer Solchen etwa aus Gründen des Verbleibs in der bekannten Klassengemeinschaft auf ein Überspringen verzichtet wird.
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Ein Rehabilitationsinteresse resultiert – anders als der Klägerbevollmächtigte vorträgt – auch nicht schon aus dem Umstand, dass in einer solchen Konstellation regelmäßig kein Rechtsschutz in der Hauptsache zu erlangen ist. Diese vom Kläger als Rechtsschutzlücke empfundene Folge wird in Einzelfällen von Gesetzgeber und Rechtsprechung hingenommen. Abgesehen von der Popularklage nach Art. 98 Satz 4 BV ist der Rechtsordnung ein objektives Beanstandungsverfahren fremd. Vielmehr ist im Fall der Erledigung die Fortsetzungsfeststellungsklage die Ausnahme gegenüber einer Entscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO (BVerwG, U.v. 24.4.2024 – 6 C 2.22 – juris Rn. 26, 29). Auch die folgende Fallgruppe zeigt, dass eine sich typischerweise kurzfristig erledigende Maßnahme und infolgedessen die fehlende Möglichkeit von Rechtsschutz in der Hauptsache nicht alleiniges Kriterium für die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses ist.
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c) Es fehlt an einem sich typischerweise kurzfristig erledigenden und qualifizierten Grundrechtseingriff. Zwar liegt ein sich typischerweise kurzfristig erledigender Verwaltungsakt vor. Es fehlt aber an der für diese Fallgruppe kumulativ nötigen Voraussetzung eines qualifizierten Grundrechtseingriffs.
33
aa) Es liegt ein sich typischerweise kurzfristig erledigender Verwaltungsakt vor.
34
Dieses Kriterium liegt bei Verwaltungsakten vor, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Maßgebend ist dabei, dass sich die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (BVerwG, U.v. 24.4.2024 – 6 C 2.22 – juris Rn. 21 m.w.N. zur Rspr. des BVerwG). Anders als der Beklagte vorträgt, liegt die Voraussetzung nicht schon dann vor, wenn – wie vorliegend – Eilrechtsschutz gewährt wurde (BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – juris Rn. 29 ff.). Zwar findet die Fallgruppe vor allem auf Sachverhalte des Polizei- und Versammlungsrechts Anwendung, wo regelmäßig binnen Tagen Erledigung eintritt. Jedoch ist auch in der vorliegenden Konstellation typischerweise nicht zu erwarten, dass binnen eines Jahres eine rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache zu erlangen ist. Der Schüler wird also reglmäßig vor einer Gerichtsentscheidung ohne ein Überspringen im Gymnasium aufgenommen werden (vgl. BVerfG, B.v. 14.1.2020 – 2 BvR 1333/17- juris Rn. 75 und BVerwG, U.v. 12.11.2020 – 2 C 5.19 – juris Rn. 19f. zum Kopftuchverbot einer Referendarin während der 3-monatigen Strafstation).
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bb) Allerdings fehlt es an einem qualifizierten Grundrechtseingriff.
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Ein sich typischerweise erledigender Verwaltungsakt ist nicht hinreichende, sondern nur notwendige Voraussetzung für die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses im Sinne dieser Fallgruppe. Kumulativ muss ein qualifizierter (tiefgreifender, gewichtiger bzw. schwerwiegender) Grundrechtseingriff – so die Terminologie des Bundesverwaltungsgerichts – vorliegen. Dies ist (wieder bzw. weiterhin) die Auffassung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts (s. ausführlich: BVerwG, U.v. 24.4.2024 – 6 C 2.22 – juris Rn. 22 ff. und Anfrage des 6. Senats beim 8. Senat (BVerwG, B.v. 29.11.2023 – 6 C 2.22 – juris und BVerwG, B.v. 19.1.2024 – 8 AV 1.24 – juris); BVerwG, U.v. 15.2.2024 – 3 CN 16.22 – juris Rn. 10).
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Danach muss ein Rechtsschutzbegehren zur nachträglichen gerichtlichen Überprüfung jedenfalls immer dann zulässig sein, wenn eine Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) in Frage steht. Als schwerwiegend sind darüber hinaus solche Grundrechtseingriffe anzusehen, die das Grundgesetz selbst – wie in den Fällen der Art. 13 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 2 und 3 GG – unter Richtervorbehalt gestellt hat. Ebenso muss die Möglichkeit der nachträglichen Kontrolle eines bereits beendeten Eingriffs bestehen, wenn der Betroffene ein am Maßstab einfachen Rechts so eklatant fehlerhaftes Vorgehen eines Hoheitsträgers geltend machen kann, dass objektive Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG) naheliegt. Hinsichtlich anderer Grundrechte ist bei der Beurteilung der Eingriffsintensität nach der Art des Eingriffs zu differenzieren. Im Rahmen der Einzelfallwürdigung ist – der Ermittlung des durch Art. 19 Abs. 2 GG garantierten Wesensgehalts des jeweiligen Grundrechts vergleichbar – zum einen dessen besondere Bedeutung im Gesamtsystem der Grundrechte zu berücksichtigen und zum anderen zu bewerten, inwieweit die fragliche Maßnahme die Möglichkeit individueller Selbstbestimmung in dem durch das Grundrecht erfassten Lebensbereich beschränkt (zum Ganzen: BVerwG, U.v. 24.4.2024 – 6 C 2.22 – juris Rn. 33f. m.w.N.).
38
Ein solcher Eingriff ist vorliegend nicht gegeben:
39
(1.) Art. 128 BV stellt – entgegen der Auffassung des Klägers – trotz seines Wortlauts kein Grundrecht, sondern lediglich einen Programmsatz dar. Dieser verleiht dem Kläger kein subjektives Recht (stRspr. des BayVerfGH; jüngst: E.v. 24.8.2020 – Vf. 47-VII-20 – Rn. 28; Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, BV, 2. Aufl. 2017, Art. 128 Rn. 5 m.w.N.).
40
(2.) Das Recht auf schulische Bildung ist nicht tiefgreifend betroffen. Dieses ist zwar vom Bundesverfassungsgericht mittlerweile anerkannt und wird auf Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 GG gestützt (BVerfG, B.v. 19.11.2021 – 1 BvR 971/21, 1 BvR 1069/21- juris). Geschützt sind danach jedoch nur Mindeststandards von Bildungsangeboten. Ein Leistungsanspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung des Schulsystems lässt sich daraus nicht ableiten. Es gewährt ein Recht auf gleiche Teilhabe, aber nur nach festgelegten Zugangsvoraussetzungen. Die Abwehrdimension des Grundrechts reicht nur so weit, wie das vom Staat als Ganzes ausgestaltete Schulsystem in jeder einzelnen Schule eine nach Art, Inhalt und Umfang bestimmte schulische Bildung eröffnet (vgl. Uhle in BeckOK GG, Stand: 15.6.2024, Art. 7 Rn. 6b f.). Es schützt gegen Maßnahmen „von Außen“, wie etwa Ordnungsmaßnahmen, nicht aber vor systemimmanenten Regelungen wie hier zum Übertritt auf das Gymnasium oder zum Überspringen einer Klasse. Die Nichtgestattung des Übertritts stellt vorliegend keinen Eingriff in bestehende Rechte dar, sondern gewährt lediglich kein „Mehr“ außerhalb der vom Gesetz- und Verordnungsgeber erlassenen Vorschriften.
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(3.) Es fehlt an einem qualifizierten Eingriff in Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 6 Abs. 2 GG bzw. Art. 126 Abs. 1 BV.
42
Inwieweit der hier klagende Schüler sich über Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 2 GG selbst auf das Elternrecht oder lediglich sein eigenes Recht auf schulische Bildung berufen kann, muss im Ergebnis nicht entschieden werden, da es schon an einem qualifizierten Eingriff in Art. 6 Abs. 2 GG fehlt.
43
In der Schule gewährt das Elternrecht nach bundesverfassungsgerichtlicher Judikatur nur einen Anspruch auf Einhaltung eines unverzichtbaren Mindeststandards bei der staatlichen Gestaltung der schulischen Strukturen. Diese Gestaltung darf daher das elterliche Bestimmungsrecht nicht obsolet werden lassen und nicht offensichtlich nachteilig für die Entwicklung der ganzen Persönlichkeit des Kindes und seines Verhältnisses zur Gemeinschaft sein (BVerfG, B.v. 19.11.2021 – 1 BvR 971/21, 1 BvR 1069/21- juris Rn. 54). Art. 6 Abs. 2 GG gewährt den Eltern nur das Recht, den Bildungsweg und die Schulform des Kindes zu wählen, jedoch kein Recht zur Mitentscheidung über die Organisation und die inhaltliche Ordnung des Schulwesens. Die organisatorische Gliederung der Schule und die strukturellen Festlegungen des Ausbildungssystems gehören vielmehr zu dem dem elterlichen Bestimmungsrecht grundsätzlich entzogenen staatlichen Geltungsbereich gemäß Art. 7 Abs. 1 GG. Aus Art. 6 Abs. 2 GG folgt kein Elternrecht auf Schaffung oder Beibehaltung einer an den Wünschen der Eltern orientierten Schulform (zum Ganzen: BVerfG, B.v. 19.8.2015 – 1 BvR 2388/11- juris Rn. 18 zur Abschaffung des G8; Uhle in BeckOK GG, Stand: 15.6.2024, Art. 6 Rn. 54a). Das Grundrecht gewährt dem Kläger daher keinen quasi voraussetzungslosen Anspruch auf Übertritt auf das Gymnasium nach dem alleinigen Willen der Eltern. Das Schulrecht knüpft in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise die Aufnahme des Gymnasiums unter anderem an den Besuch der 4. Klasse oder eine ordnungsgemäße Überspringensentscheidung (BayVGH, B.v. 25.9.2023 – 7 CE 23.1682 – juris Rn. 6, 10, 12; vgl. auch BayVerfGH, E.v. 24.8.2020 – Vf. 47-VII-20 – Rn. 30). Es ist nicht ersichtlich, dass Art. 126 Abs. 1 BV einen über Art. 6 Abs. 2 GG hinausgehenden Schutzbereich hätte.
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(4.) Ferner ist kein schwerwiegender Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit festzustellen.
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(a) Eingriffe in Art. 2 Abs. 1 GG sind nur ausnahmsweise als so gewichtig anzusehen, dass sie im Fall ihrer Erledigung die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses rechtfertigen. Denn nach den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätzen gewährleistet Art. 2 Abs. 1 GG die allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne. Geschützt ist damit nicht nur ein begrenzter Bereich der Persönlichkeitsentfaltung, sondern jede Form menschlichen Handelns ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht der Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt. Dieser weit gefasste Schutzbereich erfordert jedoch im vorliegenden Zusammenhang eine sachgerechte Eingrenzung, da anderenfalls das Kriterium des berechtigten Interesses in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weitgehend leerlaufen würde und ein dem gesetzgeberischen Konzept des Individualrechtsschutzes widersprechender Anspruch auf objektive Rechtskontrolle entstünde. Ein das Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei erledigten Maßnahmen rechtfertigender qualifizierter Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG setzt deshalb typischerweise voraus, dass das individuelle Verhalten, welches mangels spezieller Grundrechtsgarantien nur dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG unterfällt, eine gesteigerte, dem Schutzgut der übrigen Grundrechte vergleichbare Relevanz für die Persönlichkeitsentfaltung besitzt (vgl. zu dieser Erwägung die abweichende Meinung des Richters G. zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 1989 – 1 BvR 921/85 – juris (Reiten im Walde); zum Ganzen: BVerwG, U.v. 24.4.2024 – 6 C 2.22 – juris Rn. 35 m.w.N.).
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(b) Gemessen daran vermag das Gericht in vorliegenden Fall keinen qualifizierten Grundrechtseingriff erkennen.
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Zwar ist das damalige Ziel des Klägers und seiner Erziehungsberechtigten nach der Zeit des Distanzunterrichts rasch eine angemessene Beschulungsmöglichkeit für den wohl hochbegabten Kläger zu finden nachvollziehbar, jedoch hätte der konkrete Wunsch in der vorliegenden Situation einen von den Vorschriften der Schulordnungen entkoppelten Übertritt zur Folge gehabt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nach Art. 44 Abs. 1 Satz 2 BayEUG für die Aufnahme am Gymnasium Eignung und Leistung des Schülers maßgebend sind. Hier hat der Kläger in der 3. Klasse nicht am Präsenzunterricht teilgenommen und keine Leistungsnachweise erbracht. Auch soll die Grundschule neben grundlegender Bildung nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 BayEUG Hilfe für die persönliche Entfaltung geben. Daher kommt der Grundschule ihrerseits aufgrund des besonderen pädagogischen Fokus hohe Relevanz für die Persönlichkeitsentfaltung des Klägers zu. Gerade die Erlernung sozialer Kompetenzen war aufgrund der kompletten Abwesenheit vom Präsenzunterrricht beeinträchtigt. Ungeachtet dessen hätte die Möglichkeit bestanden, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Grundschschulordnung (GrSO) eine Gestattung für das Überspringen der 4. Klasse durch den Schulleiter der Grundschule zu erhalten. Dies ist nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Gymnasialschulordnung (GSO) aber nur zu bestimmten Zeitpunkten und auf schriftlichen Antrag beim Schulleiter der Grundschule möglich (vgl. insoweit ausführlich die Beschwerdeentscheidung in dieser Sache: BayVGH, B.v. 16.5.2022 – 7 CE 22/499 – juris). Ferner wurde ausweislich des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2021 dem Kläger die Möglichkeit einer Ersatzprüfung für die 3. Klasse angeboten, aufgrund derer er ein reguläres Jahreszeugnis erhalten hätte können, das Grundlage für eine Überspringensentscheidung hätte sein können. Die Eltern haben dies abgelehnt. Dem Kläger wurde somit eine Möglichkeit aufgezeigt, die auf Grundlage der Schulordnungen seinem Ziel im Ergebnis wohl sehr nahe gekommen wäre. Daraus, dass der vom Kläger gewählte Weg aufgrund der geltenden Regelungen nicht zum Erfolg geführt hat, lässt sich kein qualifizierter Grundrechtseingriff ableiten. Sollten auch weiterhin eine besondere Leistungsfähigkeit und Begabung vorliegen, so besteht auch während der weiteren Schullaufbahn noch die Möglichkeit im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen, das – aus Sicht des Klägers in der 4. Klasse verlorene Jahr – aufzuholen. Dass die Nichtaufnahme ins Gymnasium zum Schuljahr 2020/2021 eine gesteigerte, dem Schutzgut der übrigen Grundrechte vergleichbare Relevanz für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt, kann das Gericht somit nicht erkennen.
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2. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.