Titel:
Beitragsfestsetzung, Säumniszuschlag, Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern, Beitragsrückstand im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Festsetzungsbescheids
Normenketten:
VwGO § 84
RBStV
BayVwVfG Art. 46
Schlagworte:
Beitragsfestsetzung, Säumniszuschlag, Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern, Beitragsrückstand im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Festsetzungsbescheids
Fundstelle:
BeckRS 2024, 19236
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Rundfunkgebühren.
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Der Kläger ist unter der Beitragsnummer ... mit seiner Wohnung in E. als privater Rundfunkbeitragspflichtiger beim Beklagten erfasst.
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Mit Bescheid vom 2. März 2020 setzte der Beklagte zu Lasten des Klägers für den Zeitraum Februar 2017 bis Januar 2018 Rundfunkbeiträge (210,00 EUR) einschließlich eines Säumniszuschlags (8,00 EUR) in Höhe von insgesamt 218,00 EUR fest. Dem Bescheid war informatorisch ein Kontoauszug über das Beitragskonto des Klägers angefügt, wonach seit … Januar 2018 ein Zahlungsrückstand für den Zeitraum Februar 2017 bis Januar 2018 bestand. Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2020 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
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Mit Schriftsatz vom … Oktober 2020, bei Gericht eingegangen am 9. Oktober 2020, erhob der Kläger unter Vorlage des Bescheids Klage zum Verwaltungsgericht.
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den Bescheid vom 2. März 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. September 2020 aufzuheben.
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Der Kläger ist der Auffassung, die Begründung des Widerspruchsbescheids sei rechtswidrig, wenn dort ausgeführt werde, dass eine Gewährung von Akteneinsicht im Widerspruchsverfahren unter Bezugnahme auf § 29 VwVfG (Verwaltungsverfahrensgesetz) zu versagen sei, da es sich bei der Erhebung von Rundfunkbeiträgen um ein Massenverfahren handle. Dies sei unzutreffend, da nur der Kläger in seinem Widerspruchsverfahren Akteneinsicht beantragt habe. Außerdem sei die Akteneinsichtnahme im Widerspruchsverfahren nicht nach den Vorschriften des VwVfG, sondern nach § 100 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) zu beurteilen. Die vorgelegten Akten des Beklagten seien unvollständig und er habe im Widerspruchsverfahren keine umfassende Akteneinsicht erhalten. Außerdem berücksichtige der streitgegenständliche Festsetzungsbescheid nicht das bestehende Guthaben des Klägers beim Beklagten.
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Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 17. November 2020
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Die vorgelegte Akte sei vollständig. Die vielen Akteneinsichtsgesuche des Klägers seien rechtsmissbräuchlich, da er in seinen zahlreichen anderen Verfahren bereits umfassende Akteneinsicht erhalten habe. Zudem sei die Akteneinsicht für die Begründung des klägerischen Begehrens nicht notwendig, da sich die Beitragspflicht aus dem Gesetz ergebe.
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Mit Beschluss vom 11. März 2024 wurde der Rechtsstreit auf die Einzelrichterin übertragen.
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Auf Aufforderung des Gerichts legte der Beklagte legte am 12. März 2024 eine ergänzte elektronische Verwaltungsakte vor. Das Gericht informierte den Kläger mit Schreiben vom 12. März 2024 über die erneute Möglichkeit, Akteneinsicht zu nehmen, und hörte gleichzeitig zur Entscheidung im Wege des Gerichtsbescheids an.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung gemäß § 84 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Einer Einwilligung der Beteiligten bedarf es nicht.
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2. Die als Anfechtungsklage zulässige Klage ist unbegründet und bleibt daher ohne Erfolg. Der Festsetzungsbescheid vom 2. März 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.September 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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2.1. Rechtsgrundlage für die Erhebung von Rundfunkbeiträgen ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) vom 7. Juni 2011 (GVBl. 2011 S. 258) in der für den Beitragszeitraum gültigen Fassung. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist nach Zustimmung der Landesparlamente und Hinterlegung der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten (Art. 7 Abs. 2 des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags; BayVerfGH, E. v. 14.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – juris Rn. 57). Mit dem Zustimmungsbeschluss des Bayerischen Landtags vom 17. Mai 2011 in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 (GVBl 2011 S. 258) kommt ihm die Wirkung eines bayerischen Landesgesetzes zu.
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Die Verfassungsmäßigkeit des seit 1. Januar 2013 geltenden Beitragsmodels ist höchstrichterlich durch Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris) des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 6/15 – juris) sowie des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – juris) geklärt. Demnach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die Erhebung des Rundfunkbeitrages an die potentielle Möglichkeit zu knüpfen, das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot zu nutzen. Der Beitrag dient dabei dem Ausgleich des Vorteils, der in der Möglichkeit der Nutzung des Rundfunkangebots besteht (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris Rn. 87, 89; BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 6/15 – juris Rn. 34; BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12 u.a. – juris Rn. 98).
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2.2. Der streitgegenständliche Bescheid ist nicht aus formellen Gründen aufzuheben.
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Soweit der Kläger rügt, es sei ihm mit unrichtiger Begründung im Widerspruchsverfahren Akteneinsicht verweigert worden, kann offenbleiben, ob der Vorwurf zutrifft, da weder ein Fehler in der Begründung des Widerspruchsbescheids noch eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts zur Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids führen würden.
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Nach Art. 46 BayVwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nichtig ist, nicht allein deswegen beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Art. 46 BayVwVfG ist für das Verwaltungsverfahren des Beklagten auch unter Berücksichtigung von Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG jedenfalls entsprechend anwendbar (st. Rspr. vgl. BayVGH, U.v. 12.12.2022 – 7 ZB 20.1120 – juris Rn. 28 m.w.N.). Für eine Nichtigkeit des Bescheids bestehen keine Anhaltspunkte. Es bestand auch keine konkrete Möglichkeit einer inhaltlich anderen Entscheidung, weil die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen einschließlich eines Säumniszuschlags aus Gründen der Beitragsgerechtigkeit zwingend vorgeschrieben und der Höhe nach verbindlich festgelegt ist. Eine eventuelle Verletzung der formellen Begründungspflicht oder des Akteneinsichtsverfahrens sind demnach unbeachtlich.
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2.3. Der Bescheid ist materiell rechtmäßig.
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2.3.1. Die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen für den Zeitraum Februar 2017 bis Januar 2018 in der festgesetzten Höhe ist nicht zu beanstanden.
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Rückständige Rundfunkbeiträge werden festgesetzt (§ 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV). Der Rundfunkbeitrag ist monatlich geschuldet und in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten (§ 7 Abs. 3 RBStV). Der Rundfunkbeitrag ist für jede Wohnung durch deren Inhaber (Beitragsschuldner) zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede Person, die die Wohnung selbst bewohnt (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV). Die Rundfunkbeitragspflicht besteht kraft Gesetzes. Für den streitgegenständlichen Zeitraum betrug der monatliche Beitrag 17,50 Euro (§ 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag in der Fassung des 16. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 9.7.2014).
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Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, Inhaber einer Wohnung und als solcher beitragspflichtig zu sein. Die Beitragsfestsetzung durfte erfolgen, weil der Kläger im Zeitpunkt des Erlasses des Festsetzungsbescheids (2. März 2020) mit der Beitragszahlung für den streitgegenständlichen Zeitraum Februar 2017 bis Januar 2018 im Rückstand war. Dies ergibt sich aus dem Kontoauszug, der dem Festsetzungsbescheid beigefügt war und folgt auch aus der Kontoübersicht der elektronischen Behördenakte (Bl. 6-8), aus der ersichtlich beim Kläger ein Beitragsrückstand entstanden war.
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Soweit der Kläger – ohne dies näher zu begründen – zuletzt behauptet hat, es sei ein bestehendes Guthaben nicht berücksichtigt worden, dringt er mit dem Einwand nicht durch. Zunächst fehlt es an einem substantiierten Sachvortrag, der geeignet wäre, die Richtigkeit Kontenübersicht in Frage zu stellen.
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Soweit der Kläger mit dem Einwand darauf abzielt, dass er seinen Zahlungsrückstand zum 8. September 2020, d.h. einen Tag vor Erlass des Widerspruchsbescheids ausgeglichen hat (Kontoübersicht, elektr. Behördenakte, Bl. 6 Zeile 88), lässt dies die Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung nicht nachträglich entfallen und macht auch den Widerspruchsbescheid vom 9. September 2020 nicht rechtswidrig. Im Widerspruchsverfahren richtet sich der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach dem jeweiligen materiellen Recht. Bei der Beurteilung von Beitragsbescheiden ist wie auch sonst bei Abgabenbescheiden nach dem materiellen Recht wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung der Zeitpunkt der Ausgangsentscheidung maßgeblich (Kastner in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, VwGO § 73 Rn. 23 m.w.N.). Es kommt somit ausschließlich darauf an, dass am 2. März 2020 ein Zahlungsrückstand bestand.
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Die Festsetzung rückständiger Rundfunkbeiträge für den Zeitraum Februar 2017 bis Januar 2018 ist daher zu Recht erfolgt.
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2.3.2. Auch die Festsetzung des Säumniszuschlags ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Rechtsgrundlage für den Säumniszuschlag ist § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – Rundfunkbeitragssatzung – vom 5. Dezember 2016, in Kraft getreten am 1. Januar 2017 (StAnz Nr. 51-52/2016) i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 RBStV. Danach wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig. Der Säumniszuschlag wird zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt. Mit jedem Bescheid kann nur ein Säumniszuschlag festgesetzt werden (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Rundfunkbeitragssatzung). Dies Voraussetzungen lagen hier vor. Auch insoweit kommt es für den maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Erlass des Ausgangsbescheids an (s.o.).
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3. Die Klage war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.