Titel:
Erforderlicher Sachvortrag eines Fortsetzungsfeststellungsantrags nach § 115 Abs. 3 StVollzG
Normenkette:
StVollzG § 115 Abs. 3
Leitsätze:
Zum erforderlichen Sachvortrag bei einem Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 115 Abs. 3 StVollzG, wenn der Strafgefangene die Erhebung einer Amtshaftungs- oder Schadensersatzklage beabsichtigt. (Rn. 17 – 19)
Für die Bejahung eines Feststellungsinteresse bei einem Fortsetzungsfeststellungsantrag wegen beabsichtigter Erhebung einer Amtshaftungs- oder Schadensersatzklage ist ein substantiierter Vortrag von Tatsachen erforderlich, aus denen sich ein Amtshaftungs- oder Schadensersatzanspruch ergeben könnte (Ergänzung zu OLG Nürnberg BeckRS 2012, 24585). (Rn. 17 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fortsetzungsfeststellungsantrag, Feststellungsinteresse, Amtshaftungsklage, Schadensersatzklage, Vortrag
Vorinstanz:
LG Regensburg, Beschluss vom 14.05.2024 – SR StVK 1785/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 19218
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen K. gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 14.05.2024 wird als unzulässig verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 100,00 € festgesetzt.
Gründe
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Mit Schreiben vom 20.12.2023, eingegangen bei der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing am 21.12.2023, beantragte der Strafgefangene – nach Gewährung von Prozesskostenhilfe –, die Justizvollzugsanstalt S. zu verpflichten, ihm Einsicht in seine Gefangenenpersonalakte zu gewähren. Zusätzlich beantragte er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung seines bei der Justizvollzugsanstalt gestellten Einsichtsgesuchs in seine Gefangenenpersonalakte, da Wiederholungsgefahr bestehen würde. Der Strafgefangene trug hierzu vor, dass er zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs wegen der Ablehnung der Verlegung in den Entlassvollzug Einsicht in seine Gefangenenpersonalakte beantragt hätte, die ihm mit Entscheidung des Herrn B. seitens der Justizvollzugsanstalt S. verwehrt worden wäre.
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Mit Schreiben vom 30.01.2024 nahm die Justizvollzugsanstalt Straubing hierzu Stellung und wies darauf hin, dass sich der Antrag erledigt habe, da dem Strafgefangenen inzwischen Einsicht in seine Gefangenenpersonalakte gewährt worden sei.
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Mit Schreiben vom 02.02.2024 erklärte der Strafgefangene seinen Verpflichtungsantrag für erledigt, hielt an dem Feststellungsantrag jedoch fest und verwies darauf, dass dieser zur Vorbereitung eines Amtshaftungsanspruchs gegen Herrn B. erforderlich sei.
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Mit Schreiben vom 26.04.2024 nahm die Justizvollzugsanstalt S. nochmals Stellung und beantragte den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zu verwerfen, da ein Feststellungsinteresse nicht vorliege, da nichts dazu vorgetragen sei, dass der beabsichtigte Prozess nicht von vornherein offenbar aussichtslos erscheine.
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Hierzu nahm der Strafgefangene mit Schreiben vom 09.05.2024 nochmals Stellung und verwies darauf, dass er das Feststellungsinteresse ausreichend begründet hätte.
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Mit Beschluss vom 14.05.2024 wies die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zurück. Zur Begründung stellte die Strafvollstreckungskammer darauf ab, dass ein Feststellungsinteresse nicht gegeben sei.
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Gegen diesen Beschluss, dem Strafgefangenen zugestellt am 15.05.2024, legte dieser zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Straubing am 11.06.2024 Rechtsbeschwerde ein und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Entscheidung gemäß seinem Antrag, hilfsweise Zurückverweisung der Sache an die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing.
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Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragte mit Schreiben vom 14.06.2024, die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen kostenfällig als unbegründet zu verwerfen.
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Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 14.05.2024 war als unzulässig zu verwerfen, da es an einem zulässigen Antrag fehlt. Für den geltend gemachten Feststellungsantrag mangelt es nämlich an einem Feststellungsinteresse, insbesondere sind Umstände dafür, dass es zur Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Schadensersatzprozesses einer gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit bedürfte, nicht ausreichend vorgetragen.
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1. Ein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung gehört zu den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen, die nach überwiegender Auffassung im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen sind und deren Fehlen zur Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde führt [st. Rspr. des Senats, Beschlüsse vom 19.03.2020 – 204 StObWs 2688/19, vom 24.01.2022 – 204 StObWs 9/22, vom 29.06.2022 – 204 StObWs 263/22, vom 01.12.2022 – 204 StObWs 198/22, jeweils nicht veröffentlicht, vom 23.01.2024 – 204 StObWs 578/23 –, juris Rn. 17; KG, Beschlüsse vom 18.05.2009 – 2 Ws 8/09 Vollz, juris Rn. 6, vom 01.02.2017 – 2 Ws 253/16 Vollz, juris Rn. 8, vom 25.09.2017 – 2 Ws 145/17 Vollz, juris Rn. 5; OLG Koblenz, Beschluss vom 23.06.2010 – 2 Ws 184/10 (Vollz) –, juris Rn. 11; Laubenthal in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 7. Auflage 2020, 12. Kap., Abschn. J, Rn. 3].
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2. Vorliegend ist Gegenstand des Verfahrens noch der Antrag des Strafgefangenen auf Feststellung, dass die Verweigerung der Einsicht in die Gefangenenpersonalakte durch die Justizvollzugsanstalt S. ihn in seinen Rechten verletzt hätte. Insoweit handelt es sich, da das erledigende Ereignis erst während des gerichtlichen Verfahrens eingetreten ist, um einen Fortsetzungsfeststellungsantrag.
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a) Gemäß § 115 Abs. 3 StVollzG ist bei der Fortsetzungsfeststellungsklage ein besonderes Rechtsschutzinteresse notwendig. Dieses kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein. Ein solches kommt nicht nur bei Wiederholungsgefahr, einem Rehabilitierungsinteresse aufgrund des diskriminierenden Charakters der Maßnahme oder bei beabsichtigter Geltendmachung von Amtshaftungs-, Schadensersatz- und Folgenbeseitigungsansprüchen in Betracht (vgl. hierzu OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.11.2012 – 2 Ws 633/12 –, juris Rn. 9; Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 115 Rn. 8; Laubenthal/ Nestler/Neubacher/Verrel/Baier/Bachmann, Strafvollzugsgesetze, 13. Auflage 2024, Kap. P II. Gerichtlicher Rechtsschutz Rn. 81; Laubenthal, in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, 7. Aufl. 2020, 12. Kap. Abschn. I, Rn. 18), sondern insbesondere auch dann, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann.
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b) Gemessen hieran ist ein besonderes Rechtsschutzinteresse des Strafgefangenen nicht zu bejahen.
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(1) Eine Wiederholungsgefahr liegt nicht vor, da die Justizvollzugsanstalt durch ihr weiteres Handeln, die Gewährung der Einsicht in die Gefangenenpersonalakte, deutlich gemacht hat, dass sie in zukünftigen vergleichbaren Fällen sich vorschriftsgemäß verhalten will.
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(2) Auch unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitierungsinteresses besteht kein Feststellungsinteresse des Beschwerdeführers. Die Beseitigung einer fortbestehenden Diskriminierung steht nicht in Frage.
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(3) Ein besonderes Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung eines gewichtigen Grundrechtseingriffs von solcher Art, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann. Ein entsprechender Grundrechtseingriff wird nicht vorgetragen, ist aber auch nicht ersichtlich.
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(4) Der Strafgefangene kann aber auch aus dem Gesichtspunkt der Vorbereitung einer Amtshaftungsklage kein Feststellungsinteresse ableiten. Ein Feststellungsinteresse zur Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Schadensersatzprozesses ist nur dann zu bejahen, wenn der beabsichtigte Prozess nicht von vornherein offenbar aussichtslos erscheint (Arloth/Krä/Arloth StVollzG § 115 Rn. 8; Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/ Baier/Bachmann, a.a.O., Kap. P Rechtsbehelfe II. Gerichtlicher Rechtsschutz Rn. 81). Insoweit hat der Strafgefangene bei der Antragstellung im Rahmen einer aus sich heraus verständlichen Darstellung die Tatsachen vorzutragen, die, wenn sie gegeben wären, eine Rechtsverletzung als möglich erscheinen lassen. Dem Gericht muss es möglich sein, einen solchen Sachverhalt ohne Zuhilfenahme weiterer Erklärungen und Unterlagen zu erkennen, der Sachvortrag muss hinreichend substantiiert und aus sich heraus verständlich sein (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier/Bachmann, a.a.O., Kap. P Rechtsbehelfe II. Gerichtlicher Rechtsschutz Rn. 32; Arloth/Krä/Arloth, a.a.O., § 109 Rn. 13). Diese Verpflichtung umfasst auch einen Vortrag zu solchen Tatsachen, die ein etwaiges Feststellungsinteresse begründen können.
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Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Strafgefangenen nicht gerecht. Der Strafgefangene hat nichts dazu vorgetragen, inwieweit ein entsprechender Anspruch gegeben sein könnte. Insoweit wäre ein substantiierter Vortrag von Tatsachen, aus denen sich ein Amtshaftungs- oder Schadensersatzanspruch ergeben könnte, vonnöten gewesen. Insbesondere angesichts des Umstands, dass die ursprünglich begehrte Einsicht in die Gefangenenpersonalakte bereits drei Monate nach Antragstellung erfolgte, ist nicht ersichtlich, inwieweit dem Strafgefangenen aus dieser kurzfristigen Verzögerung ein bezifferbarer Schadensersatzanspruch entstanden sein könnte. Auch Auswirkungen dieser Verzögerung auf den von ihm ursprünglich in Betracht gezogenen Schadensersatzanspruch wegen der Ablehnung der Verlegung in den Entlassvollzug sind nicht denkbar.
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Das Bestehen eines Feststellungsinteresses zur Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Schadensersatzprozesses war daher nicht festzustellen.
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1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 121 Abs. 2 S. 1 StVollzG.
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2. Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 1 Abs. 1 Nr. 8, §§ 60, 65, 52 Abs. 1 GKG.