Inhalt

VG München, Beschluss v. 22.07.2024 – M 10 S 24.32024
Titel:

Asylrecht (Senegal), Asylantragsablehnung als offensichtlich unbegründet, Keine Abschiebungsandrohung erlassen wegen inländischem Abschiebungshindernis (psychische Erkrankung und Suizidgefahr), Rechtsschutzbedürfnis für Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bei fehlender vollziehbarer Ausreisepflicht (verneint)

Normenketten:
AsylG § 29a Abs. 1
AsylG § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
AsylG § 36 Abs. 3 Satz 1
AsylG § 37 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 5
Schlagworte:
Asylrecht (Senegal), Asylantragsablehnung als offensichtlich unbegründet, Keine Abschiebungsandrohung erlassen wegen inländischem Abschiebungshindernis (psychische Erkrankung und Suizidgefahr), Rechtsschutzbedürfnis für Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bei fehlender vollziehbarer Ausreisepflicht (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2024, 19214

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller, ein senegalesischer Staatsangehöriger, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Ablehnung seines Asylantrags als offensichtlich unbegründet.
2
Mit Bescheid vom 25. Juni 2024 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Asylantrag des Antragstellers als offensichtlich unbegründet ab (Nrn. 1 bis 3 des Bescheids) und verneinte das Vorliegen zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Nr. 4). Vom Erlass einer Ausreiseforderung und damit verbundener Abschiebungsandrohung sah das Bundesamt wegen Annahme eines inländischen Abschiebungshindernisses unter Verweis auf gesundheitliche Gründe des Antragstellers ab (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
3
Der Antragsteller hat am 3. Juli 2024 Klage gegen den Bescheid vom 25. Juni 2024 erhoben und beantragt zugleich,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
5
Eine Begründung der Klage erfolgte bislang nicht.
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Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 4. Juli 2024,
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den Antrag abzulehnen.
8
Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, auch im Verfahren M 10 K 24.32023, sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg, weil er wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis bereits unzulässig ist.
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1. Dem Antrag, die „aufschiebende Wirkung der Klage“ gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, fehlt in der vorliegenden Konstellation das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.
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Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes kann insbesondere dann entfallen, wenn mit dem Antrag die derzeit bestehende Rechtsstellung nicht verbessert werden kann (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, vor §§ 40-53 Rn. 16 ff.). Dies ist mit dem vorliegenden Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf „Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage“ der Fall. Im Fall der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet geht das Gesetz ausdrücklich von einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO „gegen die Abschiebungsandrohung“ aus (vgl. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG), weil eine asylrechtliche Klage nur in den Fällen des § 38 Abs. 1 und § 73b Abs. 7 Satz 1 AsylG aufschiebende Wirkung hat (vgl. § 75 Satz 1 AsylG). Sinn und Zweck der Regelung des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist es, dem Betroffenen mit einem fristgerecht gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ein vorläufiges Bleiberecht bis zur richterlichen Entscheidung über diesen Antrag zu geben (vgl. § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG), was dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 47 GRCh, Art. 19 Abs. 4 GG) sowie dem Grundsatz der Nichtzurückweisung Rechnung trägt (vgl. insbesondere zum unionsrechtlichen Hintergrund nach der RL 2008/115/EG auch EuGH, U.v. 19.6.2018 – C-181/16, Rs. „Gnandi“ – juris Rn. 56 ff.).
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Unter Berücksichtigung dieser Wertungen sowie des eindeutigen Wortlauts des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG kann deshalb im vorliegenden Fall, in welchem das Bundesamt ein inländisches Abschiebungshindernis angenommen und dementsprechend folgerichtig keine Ausreiseaufforderung und keine Abschiebungsandrohung/Rückkehrentscheidung erlassen hat (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG), die derzeit bestehende Rechtsstellung des Antragstellers mit dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht verbessert werden (vgl. ähnlich auch VG Ansbach, B.v. 29.4.2022 – AN 17 S 22.30139 – juris Rn. 12; vgl. allg. auch BVerfG, B.v. 10.6.2020 – 2 BvR 297/20 – juris Rn. 16). Der Antragsteller ist (derzeit) nicht vollziehbar ausreisepflichtig, sodass sich selbst bei unterstelltem Erfolg des Antrags an seiner (aufenthalts-)rechtlichen Situation nichts ändern, geschweige denn verbessern würde. Dies verdeutlicht nicht zuletzt auch § 37 Abs. 2 AsylG, wonach bei einer positiven verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO im Falle eines als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylantrags die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens endet. Letztendlich ist der für den Antragsteller derzeit bestehende Rechtszustand sogar besser als derjenige in Fällen des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 37 Abs. 2 AsylG.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
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3. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 80 AsylG).