Titel:
Dublin-Verfahren (Zielstaat, Slowenien, Herkunftsstaat Türkei), Abschiebungsanordnung, Beachtliche Wahrscheinlichkeit von Kettenabschiebungen von Slowenien nach Kroatien nach dem bilateralen Rückübernahmeabkommen vom 7. März 2006 (verneint), Keine rechtserhebliche Vollzugspraxis des Rückübernahmeabkommens (mehr) erkennbar, Systemische Mängel (verneint), Umgehung des Dublin-Verfahrens durch Slowenien im Verhältnis zu Kroatien (verneint), Verlassen des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate (keine hinreichenden Indizien vorgetragen)
Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
AsylG § 34a Abs. 1 S. 1
AsylG § 74 Abs. 2 S. 2
AsylG § 77 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1
VwGO § 87b
VO (EU) 604/2013 (Dublin III-VO) Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2
Dublin III-VO Art. 18 Abs. 1 Buchst. b
Dublin III-VO Art. 19 Abs. 2
Dublin III-VO Art. 22 Abs. 3 bis Abs. 5
GRCh Art. 4
EMRK Art. 3
Schlagworte:
Dublin-Verfahren (Zielstaat, Slowenien, Herkunftsstaat Türkei), Abschiebungsanordnung, Beachtliche Wahrscheinlichkeit von Kettenabschiebungen von Slowenien nach Kroatien nach dem bilateralen Rückübernahmeabkommen vom 7. März 2006 (verneint), Keine rechtserhebliche Vollzugspraxis des Rückübernahmeabkommens (mehr) erkennbar, Systemische Mängel (verneint), Umgehung des Dublin-Verfahrens durch Slowenien im Verhältnis zu Kroatien (verneint), Verlassen des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate (keine hinreichenden Indizien vorgetragen)
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 01.02.2023 – M 10 S 22.50541, M 10 K 22.50538
Fundstelle:
BeckRS 2024, 19202
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die angeordnete Überstellung nach Slowenien im Rahmen des sogenannten „Dublin-Verfahrens“.
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Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit, reiste am 15. Juni 2022 in das Bundesgebiet ein und äußerte ein Asylgesuch, von dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) durch behördliche Mitteilung vom 1. Juli 2022 schriftlich Kenntnis erlangte. Der förmliche Asylantrag datiert vom 4. August 2022.
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Nach einem Abgleich der Fingerabdrücke des Klägers mit der EURODAC-Datenbank lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates nach der Verordnung (EU) 604/2013 (Dublin III-VO) vor (EURODAC-Kennnummer Sl1[…] vom 1.12.2021). Am 5. August 2022 richtete das Bundesamt ein Wiederaufnahmegesuch an Slowenien. Mit Schreiben vom 11. August 2022 erklärten die slowenischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO.
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Im Erstgespräch vom 4. August 2022 gab der Kläger an, sein Heimatland erstmalig vor einem Jahr verlassen zu haben. Er sei von der Türkei durch unbekannte Länder nach Deutschland gereist. In Deutschland sei er am 15. Juni 2022 angekommen. Er habe in keinem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz beantragt, in Slowenien seien ihm Fingerabdrücke genommen worden. Im Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats am 18. August 2022 gab der Kläger an, dass ihm 2021 in Slowenien Fingerabdrücke genommen worden seien. Er glaube, damals dort einen Asylantrag gestellt zu haben. Er sei dort 1 Woche im Gefängnis gewesen und 9 Tage in Isolation, danach sei er in ein Camp verlegt worden. Aus diesem sei er nach einem Tag geflohen. In seiner Anhörung gemäß Art. 5 Dublin III-VO am gleichen Tag gab der Kläger an, dass er am 9. Juni 2022 in Istanbul in einen LKW gestiegen sei, der ihn bis nach Dresden gebracht habe (Ankunft 15.6.2022). Welche Länder der LKW durchquert habe, könne er nicht sagen. Im Jahr 2021 sei er bereits in Slowenien gewesen. Da der Schleuser ihm gesagt habe, dass es wegen der slowenischen Polizei nicht möglich sei, weiterzureisen, sei er zunächst zurück in die Türkei gereist. Als er zurück in die Türkei gekommen sei, habe Schnee gelegen. Das zweite Mal sei er am 9. Juni 2022 aus der Türkei ausgereist.
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Mit Bescheid vom 15. September 2022, dem Kläger zugestellt am 27. September 2022, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1) und verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Nr. 2). Die Abschiebung nach Slowenien wurde angeordnet (Nr. 3). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 13 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
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Der Kläger hat am 29. September 2022 Klage gegen den Bescheid vom 15. September 2022 erhoben und beantragt,
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den Bescheid vom 15. September 2022 aufzuheben.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass es an der slowenisch-kroatischen Grenze seit Langem und in erheblichem Umfang zu „Pushbacks“ komme. Auch Kettenabschiebungen von Italien und Österreich über Slowenien nach Kroatien und von dort wiederum nach Bosnien und Herzegowina seien belegt. Jedenfalls sei ohne individuelle Zusicherung nicht sichergestellt, dass im Wege des Dublin-Verfahrens rücküberstellte Asylsuchende nach Slowenien nicht ebenfalls Opfer von Kettenabschiebungen nach Kroatien würden. Zudem versuche die slowenische Regierung seit Längerem, das Recht auf Asylantragstellung massiv einzuschränken. Das slowenische Verfassungsgericht habe festgestellt, dass die jüngsten verschärfenden Gesetzesänderungen gegen Art. 18 der slowenischen Verfassung verstoßen würden. Dennoch sei es im März 2021 zu einer erneuten Gesetzesänderung gekommen, aufgrund derer unter anderem die Polizei von Fall zu Fall befugt sei, zu entscheiden, ob eine Person internationalen Schutz beantragen oder in ein anderes Land zurückgeschickt werden könne. Fünfzehn slowenische Zivilgesellschaften hätten ernsthafte Bedenken über die neuen Vorschriften, die es ermöglichten, Geflüchtete daran zu hindern, internationalen Schutz zu beantragen, geäußert. Sloweniens Vorgehen, schon seit Jahren Migranten durch informelle und verkürzte Verfahren ohne Rückführungsentscheidung und ohne Zugang zu rechtlichem Beistand oder die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, in Nachbarländer, vor allem Kroatien, zurückzuführen, basiere zudem auf bilateralen Rückübernahmeabkommen. Überdies gebe es zahlreiche Berichte von gewaltsamen Übergriffen durch slowenische Grenzbeamte. Auch wenn keine spezifischen Erkenntnismittel zum Verbleib von Dublin-Rückkehrern aus Deutschland vorlägen, sei davon auszugehen, dass diese angesichts der niedrigen Zahlen von den im Grenzgebiet tätigen Nichtregierungsorganisationen nicht separat erfasst würden. So seien im ersten Halbjahr 2021 gerade einmal 19 Personen von Deutschland nach Slowenien abgeschoben worden, während die slowenischen Behörden im gleichen Zeitraum mehr als 10.000 Menschen mehrheitlich nach Kroatien zurückgeschoben hätten. Im Übrigen wird auf die Begründung der Klage Bezug genommen.
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Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2022 hat der Kläger sein Vorbringen teilweise vertieft. Nach Medienberichten sowie der Erkenntnismittellage sei belegt, dass Kettenabschiebungen ausgehend von Italien über Slowenien, Kroatien und Bosnien und Herzegowina teils weiter bis nach Griechenland stattgefunden hätten. Dass es sich nicht nur um eine theoretische Gefahr handele, gehe auch aus der Rechtsprechung des slowenischen Verwaltungsgerichts hervor. Das slowenische Asylsystem sei insoweit von systemischen Mängeln im Sinn von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO betroffen.
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Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2022,
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Zur Begründung wird auf den streitgegenständlichen Bescheid verwiesen. Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2023 trug das Bundesamt vor, dass der Vortrag des Klägers zu seinem zwischenzeitlichen Aufenthalt in der Türkei zwischen Dezember 2021 und Juni 2022 als Schutzbehauptung zu werten sei. Der Kläger habe keine Belege für seinen zwischenzeitlichen Aufenthalt vorgelegt. Dem diesbezüglichen Vortrag des Klägers käme allenfalls Indizwirkung im Sinn von Art. 22 Abs. 5 Dublin III-VO zu. Die Beweiskraft des EURODAC-Treffers sei hierdurch aber nicht erschüttert (unter Verweis auf VG Cottbus, B.v. 19.9.2017 – 5 L 208.17.A. – juris Rn. 12 ff.).
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Mit Schriftsatz vom 27. Januar 2023 hat der Kläger auf den Schriftsatz des Bundesamts vom 12. Januar 2023 erwidert. Entgegen der Auffassung des Bundesamts ergäben sich aus Art. 22 Abs. 3 Dublin III-VO keine Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Fluchtweges eines Asylantragstellers. Diese Vorschrift regele das zwischenstaatliche Verfahren innerhalb des Dublin-Verfahrens.
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Auf Antrag des Klägers nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO hat die Kammer mit Beschluss vom 1. Februar 2023 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet und ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten bewilligt. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.
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Mit Verfügung vom 25. März 2024, zugestellt am 26. März 2024, wurde der Kläger unter Fristsetzung zum 23. April 2024 gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 AsylG i.V.m. § 87b Abs. 2, Abs. 3 VwGO aufgefordert, Tatsachen und Beweismittel bezüglich seines von ihm im Anhörungsgespräch bei der Beklagten vorgetragenen, zwischenzeitlichen Aufenthalts in der Türkei nach der erstmaligen Einreise nach Slowenien anzugeben.
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Mit Beschluss vom 30. April 2024 wurde der Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylG auf den Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen. Mit Schriftsatz vom 15. Mai 2024 beantragte die Bevollmächtigte des Klägers nach vorheriger gerichtlicher Anhörung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 AsylG die Durchführung der mündlichen Verhandlung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, auch im Verfahren M 10 S 22.50541, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2024 sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage kann trotz Ausbleibens beider Beteiligter zur mündlichen Verhandlung entschieden werden, weil diese auf die entsprechenden Folgen in den Ladungsschreiben ordnungsgemäß hingewiesen wurden (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
19
Der im vorläufigen Rechtsschutz ergangene Kammerbeschluss vom 1. Februar 2023 (M 10 S 22.50541) steht einer Entscheidung durch den Einzelrichter gemäß § 76 Abs. 1 AsylG nicht entgegen, weil das vorliegende Urteil nicht von der im Kammerbeschluss vertretenen Rechtsauffassung abweicht (vgl. allg. dazu rechtsgedanklich § 76 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 AsylG). Der Begriff des „Abweichens“ in § 76 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 AsylG ist systematisch im Einklang mit demjenigen in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG zu verstehen und meint das Bestehen eines prinzipiellen Auffassungsunterschieds zu einem bestimmten Rechts- oder Tatsachensatz bei (im Wesentlichen) unveränderter Sach- und Rechtslage. Ein derartiger prinzipieller Auffassungsunterschied in Bezug auf die tragenden Gründe des Kammerbeschlusses vom 1. Februar 2023, die zum damaligen Entscheidungszeitpunkt und unter Zugrundlegung der damaligen Erkenntnismittellage von (lediglich) „aufklärungsbedürftigen Anhaltspunkten“ hinsichtlich der Frage systemischer Mängel im slowenischen Asylsystem ausgegangen sind, liegt unter Berücksichtigung der nunmehr berücksichtigten (veränderten) Erkenntnismittellage und den nachfolgenden Ausführungen nicht vor.
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts vom 15. September 2022 erweist sich im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die im Bescheid vom 15. September 2022 getroffenen Entscheidungen halten einer rechtlichen Nachprüfung insgesamt stand.
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1. Das Bundesamt hat den Asylantrag im Ergebnis zurecht gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG als unzulässig abgelehnt.
22
a) Vorliegend ist nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO Slowenien der zuständige Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers, da er dort einen Asylantrag gestellt hat. Die Asylantragstellung in Slowenien wird durch den EURODAC-Treffer der Kategorie 1 („Sl1[…]“ vom 1.12.2021) belegt. Demnach ist Slowenien nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO zur Wiederaufnahme des Klägers verpflichtet, was die dortigen Behörden mit ihrem Schreiben vom 11. August 2022 auch bestätigt haben. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurden die jeweiligen Fristen im Wiederaufnahmeverfahren (vgl. Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 und Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO) eingehalten.
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Die Zuständigkeit Sloweniens ist vorliegend auch nicht durch Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO entfallen. Das Gericht teilt zwar in rechtlicher Hinsicht nicht die Bewertung der vom Bundesamt herangezogenen Rechtsprechung (VG Cottbus, B.v. 19.9.2017 – 5 L 208/17.A – juris Rn. 12 ff.), wonach die mindestens 3-monatige Abwesenheit vom Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auch im gerichtlichen Verfahren nur durch ein förmliches Beweismittel (vgl. Art. 22 Abs. 3 Buchst. a Dublin III-VO i.V.m. DVO (EU) Nr. 118/2014, Verzeichnis A Nr. 9) belegt werden könne. Weder lässt sich der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ein derartiger abstrakter Rechtssatz entnehmen, noch gebieten das Erfordernis der zuständigen Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ein derartiges Beweiserfordernis. Insbesondere für das gerichtliche Verfahren kann die Dublin III-VO keine unumstößlichen beweisrechtlichen Vorgaben an die richterliche Überzeugungsbildung stellen (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO), ob ein Asylsuchender das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mehr als drei Monate seit der Antragstellung verlassen hat, oder nicht. Nach zutreffender Auffassung können grundsätzlich auch Indizien (vgl. Art. 22 Abs. 3 Buchst. b Dublin III-VO) eine einem Beweismittel gleichwertige Beweiskraft begründen, wobei dies gerade bei der in der DVO (EU) Nr. 118/2014 Verzeichnis B Nr. 9 genannten Aufzählung auf deren Wertigkeit und Gesamteindruck im konkreten Einzelfall ankommt und herbei der richterlichen Überzeugungsbildung die maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. auch VG Berlin, B.v. 31.5.2017 – 36 L 342/17 A – juris Rn. 11 f.). Vorliegend hat aber der Kläger – auch auf richterliche Aufforderung gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 AsylG i.V.m. § 87b Abs. 2, Abs. 3 VwGO – keine hinreichenden Indizien vorgetragen oder vorgelegt, die einen Aufenthalt in der Türkei in der ersten Jahreshälfte 2022 belegen könnten. Die bloße Angabe, im Dezember 2021 wieder von Slowenien in die Türkei zurückgereist zu sein, ist in keiner Weise nachprüfbar. Gerade nach der Aufforderung gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 AsylG i.V.m. § 87b VwGO hätte sich dem Kläger bzw. seiner Bevollmächtigten aufdrängen müssen, dem Gericht objektiv nachprüfbare Unterlagen (oder ähnliches) zu dem (angeblichen) Aufenthalt des Klägers in der Türkei in der ersten Jahreshälfte 2022 vorzulegen, damit ihm geglaubt werden kann. Auch die (letzte) Möglichkeit, sich hierzu in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2024 Gehör zu verschaffen, hat er (trotz ausdrücklichen Antrags nach § 77 Abs. 2 Satz 2 AsylG) durch sein Nichterscheinen ungenutzt gelassen. Der nach Aktenlage einzig zu Tage tretende objektive Umstand, dass zwischen der Einreise des Klägers in das Bundesgebiet und dem Datum der Asylantragstellung in Slowenien ein längerer Zeitraum von etwa sechs Monaten liegt (der im Vergleich zu anderen Fällen der regelhaften „Nutzung“ Sloweniens als Transitland etwas ungewöhnlich erscheint), reicht nicht aus, einen tatsächlichen Aufenthalt in der Türkei von Dezember 2021 bis Juni 2022 zu belegen. Da die Ausführungen des Klägers in seinen Anhörungen beim Bundesamt jedenfalls nicht ausführlich und nachprüfbar sind (vgl. DVO (EU) Nr. 118/2014, Verzeichnis B, Nr. 9 Erster Spiegelstrich), ist daher nicht davon auszugehen, dass vorliegend die Zuständigkeit Sloweniens gemäß Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO entfallen ist.
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b) Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO auf die Beklagte übergegangen.
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Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Der Begriff des Vertrauens meint im konkreten Rechtskontext in einer Situation des Nichtwissens das Bestehen von Normkonformitätserwartungen des überstellenden Staates an den Zielstaat, was im Grundsatz mit Kontrollverzichten und Unbeachtlichkeitsregeln einhergeht (vgl. Lübbe, NVwZ 2017, 674/676). In diesem Sinn reicht Vertrauen so weit, bis es von entgegenstehenden Realitäten erschüttert wird (vgl. Lübbe, a.a.O.). Den nationalen Gerichten obliegt insoweit die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. Regelverstöße, die Betroffene schicksalhaft treffen, sind nicht vorhersehbar und lassen sich – anders als bei regelhaft vorkommenden Rechtsverstößen – nicht verlässlich prognostizieren (vgl. Lübbe, ʹ‘Systemic Flaws’ and Dublin Transfers: Incompatible Tests before the CJEU and the ECtHR?ʹ in International Journal of Refugee Law 2015, 135/137 f.). An die Feststellung systemischer Mängel sind daher hohe Anforderungen zu stellen. Systemische Schwachstellen bzw. Mängel, die eine Überstellung im Sinn von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO unmöglich machen, liegen nur dann vor, wenn Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhafte Defizite aufweisen und als Folge davon (auch) im konkreten Fall dem Asylbewerber im Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss daraus die Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung droht (vgl. EuGH, U.v. 29.2.2024 – C-392/22 – juris Rn. 57 ff. = ZAR 2024, 171 ff. m. Anm. Pfersich; BVerwG, B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris Rn. 18 ff.; BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 9; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris Rn. 41; grundlegend EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10, „Abdullahi“ – NVwZ 2012, 417, Rn. 80 ff.). Hiermit geht grundsätzlich ein zweistufiges Prüfprogramm einher: Die Frage des Vorliegens systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat einerseits (1. Stufe) sowie die beachtlich wahrscheinliche Gefahr einer Verletzung des Rechts aus Art. 4 GRCh andererseits (2. Stufe), die jeweils (grundsätzlich) kumulativ vorliegen müssen (vgl. EuGH, U.v. 29.2.2024 – C-392/22 – juris Rn. 59-62). Daher machen selbst schwerwiegende Schwachstellen oder Mängel im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen, die nicht nur vereinzelt vorkommen (und damit „systemisch“ sind), eine Überstellung im Sinn von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO nicht unmöglich, wenn sich daraus im konkret zu entscheidenden Einzelfall keine Gefahr einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung entgegen Art. 4 GRCh ableiten lässt (vgl. NdsOVG, U.v. 11.10.2023 – 10 LB 18/23 – juris Rn. 28; vgl. für den Fall des Vorliegens einer konkreten Garantieerklärung durch den Dublin-Zielstaat bei ansonsten vorliegenden systemischem Mangel: BayVGH, B.v. 27.2.2023 – 24 ZB 22.50056 – juris Rn. 13). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist zu berücksichtigen, dass der Begriff der systemischen Schwachstellen nicht notwendigerweise gesamtbezogen auf das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im Überstellungsstaat zu verstehen ist, sondern auch Teilbereiche hiervon erfasst sein können, die lediglich bestimmte Personengruppen betreffen (vgl. EuGH, U.v. 16.2.2017 – C-578/16 PPU – juris Rn. 70 ff. = NVwZ 2017, 691 ff. m. Anm. Hruschka; BVerwG, B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris Rn. 18). Andererseits kann auch die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung von Art. 4 GRCh eine Überstellung im Sinn von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO unmöglich machen, wenn diese Rechtsverletzung nicht die Konsequenz aus der Existenz systemischer Schwachstellen im Überstellungsstaat ist (vgl. EuGH, U.v. 16.2.2017 – C-578/16 PPU – juris Rn. 91-95 = NVwZ 2017, 691/695 m. Anm. Hruschka). Der rechtliche Bezug zu Art. 4 GRCh setzt dabei in jedem Fall das Erreichen einer besonders hohen Erheblichkeitsschwelle voraus. Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit ist (auch) erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass sich eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Bedürfnissen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen (vgl. EuGH, U.v. 29.2.2024 – C-392/22 – juris Rn. 62 f.; BVerwG, B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris Rn. 18; EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 „Ibrahim“ u.a. – juris Rn. 89 ff. und C-163/17, „Jawo“ – juris Rn. 91 ff.).
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In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dabei geklärt, dass es ungeachtet des europarechtlichen Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten sowohl verfassungsrechtlich als auch europa- und konventionsrechtlich geboten sein kann, dass sich die zuständigen Behörden und Gerichte vor der Rückführung eines Asylsuchenden in einen anderen Staat über die dortigen Verhältnisse informieren und gegebenenfalls Zusicherungen der zuständigen Behörden einholen müssen (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2019 – 2 BvR 1380/19 – juris Rn. 16 m.w.N.). Insoweit kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV, Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh im Dublin-Rechtskontext zu berücksichtigen ist, der Grundsatz des „mutual trust“ nicht im Sinn eines „blinden Vertrauens“ zur Rechtfertigung von Überstellungen zwischen EU-Mitgliedstaaten verstanden und auch nicht „schematisch“ bzw. „mechanisch“ angewandt werden (stRspr, vgl. EGMR, U.v. 21.9.2019 (GK) – Ilias und Ahmed/Ungarn, Nr. 47287/15 – HUDOC Rn. 141 m.w.N. = NVwZ 2020, 937/940; U.v. 23.5.2016 – Avotiņš/Litauen, Nr. 17502/07 = HUDOC Rn. 114-116 = NJOZ 2018, 1515/1519; U.v. 3.7.2014 – Mohammadi/Österreich, Nr. 71932/12 – HUDOC Rn. 60 = BeckRS 2014, 127908; U.v. 21.1.2011 (GK) – M.S.S./Belgien u. Griechenland, Nr. 30696/09 – HUDOC Rn. 342 ff. = NVwZ 2011, 413 ff.). Dass gegenseitiges Vertrauen nicht mit „blindem Vertrauen“ verwechselt werden darf, hat zuletzt auch die Generalanwältin im Verfahren C-753/22 vor dem Gerichtshof der Europäischen Union dargelegt (vgl. Schlussanträge vom 25.1.2024 – C-753/22 – BeckRS 2024, 688, Rn. 41). In der zitierten Entscheidung Ilias und Ahmed/Ungarn hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte unter Verweis auf das M.S.S.-Urteil nachdrücklich bekräftigt, dass der abschiebende Staat nicht einfach unterstellen könne, der Asylbewerber werde im Drittstaat unter Einhaltung von Konventionsgarantien behandelt, er müsse vielmehr zunächst selbst prüfen, wie die dortigen Behörden ihr Asylrecht in der Praxis anwenden (vgl. EGMR, U.v. 21.9.2019 (GK) – Ilias und Ahmed/Ungarn, Nr. 47287/15 – HUDOC Rn. 141 m.w.N. = NVwZ 2020, 937/940). Bei einer zutreffenden Handhabung der mit dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens einhergehenden Vermutungsregel ergeben sich insofern auch keine praktischen Unterschiede zwischen den Maßstäben des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. Lübbe, ʹ‘Systemic Flaws’ and Dublin Transfers: Incompatible Tests before the CJEU and the ECtHR?ʹ in International Journal of Refugee Law 2015, 135/139).
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Gemessen an diesen rechtlichen Maßgaben liegen zur Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO) des erkennenden Einzelrichters unter Zugrundelegung der im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Erkenntnismittel keine systemischen Mängel im slowenischen Asylsystem oder in den dortigen Aufnahmebedingungen vor, mit denen die hinreichend wahrscheinliche Gefahr einer Verletzung des Rechts aus Art. 4 GRCh einhergehen könnte. Die im Kammerbeschluss vom 1. Februar 2023 in diesem Zusammenhang angenommenen „aufklärungsbedürftigen Anhaltspunkte“ haben sich mit der zwischenzeitlichen Entwicklung der Erkenntnismittellage – die das Gericht in diesem Beschluss naturgemäß nicht berücksichtigen konnte (vgl. auch NdsOVG, B.v. 5.12.2023 – 10 LB 19/23 – juris Rn. 42 a.E.) – nicht erhärtet.
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Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln (AIDA, Country Report Slovenia, 2023 Update; BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Slowenien, Stand 14.11.2023; HRW, „Like We Were Just Animals – Pushbacks of People Seeking Protection from Croatia to Bosnia and Herzegovina“, S. 67 f.) lässt sich aktuell keine hinreichend tragfähige Gefahrenprognose darüber anstellen, dass der Kläger nach Ankunft in Slowenien auf Grundlage des slowenisch-kroatischen Rückübernahmeabkommens (abrufbar unter https://www.uradni-list.si/glasilo-uradni-list-rs/vsebina/2006-02-0040?sop=2006-02-0040 – aufgerufen 19.7.2024) weiter nach Kroatien abgeschoben würde. Bereits der im Jahr 2023 veröffentlichte Bericht der Asylinformationsdatenbank AIDA zu Slowenien führt aus, dass im Jahr 2022 die Rückführungen nach Kroatien im Weg dieses Abkommens im Vergleich zum Jahr 2021 um 41% gesunken seien. Hintergrund sei die geänderte Praxis der kroatischen Beamten, Rückübernahmen nach dem bilateralen Abkommen abzulehnen (AIDA, Country Report Slovenia, 2023 Update, S. 27; BFA, a.a.O., S. 5). Außerdem habe die slowenische Regierung gegenüber der Polizei verbindliche Leitlinien herausgegeben, um sicherzustellen, dass das Recht auf Zugang zum Asylverfahren in vollem Umfang respektiert werde (BFA, a.a.O., S. 5). Unter Berücksichtigung dieser veränderten Sachlage kann – anders als im Kammerbeschluss vom 1. Februar 2023 – nicht (mehr) von hinreichenden Anhaltspunkten dafür ausgegangen werden, dass das bilaterale Rückübernahmeabkommen zwischen Slowenien und Kroatien von Ersterem genutzt werde, in Umgehung der Vorschriften der Dublin III-VO und der VO (EU) 603/2013 (EURODAC-VO) Asylsuchende auf vereinfachtem Weg nach Kroatien abzuschieben. Grundsätzlich besteht zwar bei einem nicht eingeleiteten oder beendeten Asylverfahren (etwa auch bei einer Unzulässigkeitsentscheidung gemäß Art. 33 Abs. 2 Buchst. c RL 2013/32/EU) nach Art. 2 Abs. 1 des Abkommens die Rechtspflicht Kroatiens, Drittstaatsangehörige von Slowenien wiederaufzunehmen, sofern nachgewiesen oder vernünftigerweise angenommen werden kann, dass sie auf dem direkten Weg von Kroatien nach Slowenien eingereist sind. Dies würde verfahrensmäßig zur Durchsetzung nach Art. 13 des Abkommens indes ein entsprechendes Wiederaufnahmegesuch durch Slowenien und dessen positive Beantwortung durch Kroatien voraussetzen. Unter Berücksichtigung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel ist aber davon auszugehen, dass es nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu diesem verfahrensmäßigen Schritt kommen würde, unabhängig von rechtlichen Fragen zum Verhältnis des bilateralen Abkommens zur Dublin III-VO (vgl. Art. 17 Abs. 1 des Abkommens; s. auch den B.v. 1.2.2023 – M 10 S 22.50541 – juris Rn. 35 m.w.N.).
29
Nach allem kann daher von einem europarechtswidrigen Vollzug des slowenisch-kroatischen Rückübernahmeabkommens, anders als dies noch in der Vergangenheit bis zum Jahr 2021 der Fall gewesen sein dürfte, gegenwärtig nicht mehr ausgegangen werden. Insofern unterscheidet sich die vorliegende Situation zur Vollzugspraxis des slowenisch-kroatischen Rückübernahmeabkommens auch maßgeblich von derjenigen, die der Kammer hinsichtlich des bilateralen Abkommens zwischen Kroatien und Bosnien-Herzegowina vorlag (vgl. VG München, B.v. 22.2.2024 – M 10 K 22.50479 – juris; U.v. 22.2.2024 – M 10 K 23.50597 – juris; vgl. auch zuletzt U.v. 31.5.2024 – M 10 K 23.50952 – juris Rn. 25 m.w.N.; zum aktuellen Vollzug des kroatisch-bosnischen Rückübernahmeabkommens: AIDA, Country Report Croatia, Update 2023, S. 27 f.: 11.285 Rückübernahmeersuchen Kroatiens an Bosnien, Anwendung des Abkommens mit der Absicht des systematischen Unterlaufens des Rechts auf Zugangs zum Asylverfahren in Kroatien [vgl. S. 28 unten]). Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger nach Ankunft in Slowenien – gegebenenfalls auch erst nach Abschluss des dortigen Asylverfahrens – anschließend weiter nach Kroatien abgeschoben würde, erscheint daher entgegen der Klagebegründung mittlerweile insgesamt gering. Angesichts der an die slowenische Polizei herausgegebenen verbindlichen Leitlinien, Asylsuchenden den Zugang zum Asylverfahren zu gewährleisten, ist es auch unwahrscheinlich, dass nach dem im März 2021 verabschiedeten Ausländergesetz und den darin vorgesehenen polizeilichen Befugnissen, im Fall einer „komplexen Krise im Bereich der Migration“ selbst entscheiden zu können, wer internationalen Schutz beantragen dürfe oder nicht, in absehbarer Zeit Gebrauch gemacht wird (vgl. auch NdsOVG, B.v. 5.12.2023 – 10 LB 19/23 – juris Rn. 43 a.E.).
30
Sonstige Anhaltspunkte für das Vorliegen anderweitiger systemischer Mängel im slowenischen Asylsystem oder den dortigen Aufnahmebedingungen liegen nicht vor (vgl. NdsOVG, B.v. 5.12.2023 – 10 LB 19/23 – juris Rn. 44 ff.), bzw. wurden vom Kläger auch nicht vorgetragen. Das Gericht hat insofern unter dem Gesichtspunkt des gegenseitigen mitgliedstaatlichen Vertrauens keinen Anlass für Zweifel, dass der Kläger in Slowenien im Wesentlichen richtlinienkonforme Aufnahmebedingungen für Asylsuchende zu erwarten hätte (vgl. Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 RL 2013/33/EU).
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c) Individuelle in der Person des Klägers wurzelnde Umstände, welche die Beklagte zwingend zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO hätten veranlassen müssen (vgl. näher dazu BayVGH, B.v. 13.12.2023 – 24 ZB 23.50020 – juris Rn. 11 ff.; U.v. 3.12.2015 – 13a B 15.50124 – juris Rn. 22 ff.), sind vom Kläger nicht dargelegt worden bzw. liegen nach Aktenlage auch nicht vor.
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2. Die nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG erlassene Abschiebungsanordnung begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, weil die Ablehnung des Asylantrags zutreffend nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG erfolgt ist (s.o.) und die Abschiebung – vorbehaltlich des Ablaufs der Frist nach § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO – auch durchgeführt werden kann. Gründe, dass die Abschiebung nicht im Sinn von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG durchgeführt werden könnte, sind nicht ersichtlich, da im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt weder zielstaatsbezogene noch inländische Abschiebungshindernisse vorliegen (vgl. diesbezüglich zur Prüfungskonzentration beim Bundesamt: BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 11).
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Die Befristung des angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 13 Monate begegnet nach summarischer Prüfung ebenso keinen ernsthaften rechtlichen Bedenken (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.