Titel:
Umwandlung einer Außenbereichsstraße in eine Anbaustraße
Normenketten:
KAG Art. 5a Abs. 1, Abs. 7 S. 2, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b
BauGB § 127, § 128 Abs. 1 S. 1, S. 2, § 129 Abs. 1 S. 1, § 134 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
Kosten, die für die Herstellung einer Außenbereichsstraße entstehen, können nach deren Bereitstellung für die Herstellung einer Erschließungsanlage und Umwandlung in eine Anbaustraße nicht als Erschließungsaufwand nach Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB berücksichtigt werden, sondern nach Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 128 Abs. 1 Satz 2 BauGB. Durch die Bereitstellung und Umwandlung erleidet die Gemeinde jedoch keinen Vermögensverlust und hat dadurch auch keinen beitragsfähigen Aufwand im Sinne des Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 128 Abs. 1 Satz 2 BauGB, da die bisherige Außenbereichsstraße für die Gemeinde keinen wirtschaftlichen Wert hat. (Rn. 81 – 86)
1. Wie weit eine einzelne Anbaustraße reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, bestimmt sich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Straße als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die verkehrliche Erschließung eines Grundstücks erfordert im Grundsatz eine Erreichbarkeit dergestalt, dass an ein Grundstück herangefahren werden kann, soweit nicht das Bebauungsrecht ausnahmsweise weniger, nämlich eine Erreichbarkeit lediglich für Fußgänger (Zugang), genügen lässt oder mehr verlangt, nämlich eine Erreichbarkeit in Form der Möglichkeit, mit Kraftfahrzeugen auf das Grundstück herauffahren zu können. (Rn. 97) (redaktioneller Leitsatz)
3. In Wohngebieten genügt das Heranfahrenkönnen, unter Umständen bereits die bloße Zugänglichkeit. Grundstücke in Gewerbegebieten und Industriegebieten sind demgegenüber in der Regel nur erschlossen, wenn die Anbaustraße auch die Möglichkeit bietet, mit Lastkraftwagen auf das Grundstück heraufzufahren. (Rn. 98) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bauprogramm, Bebauungsplan, Gemeindeverbindungsstraße, Umwandlung in Anbaustraße, Kosten für Gemeindeverbindungsstraße sind kein Erschließungsaufwand, Erschlossensein eines Grundstücks, fußläufige Erreichbarkeit über Grünstreifen, persönliche Beitragspflicht, Eintritt der Vorteilslage, 20-Jahres-Frist, Beginn der erstmaligen technischen Herstellung der Anlage, 25-Jahres-Frist, Bestimmtheit des Beitragsbescheides, Erschließungsbeitrag, Erschließungsbeitragssatzung, natürliche Betrachtungsweise, Verlängerung einer bestehenden Anbaustraße
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 18.11.2024 – 6 ZB 24.1272
Fundstelle:
BeckRS 2024, 19194
Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom 6. September 2021 wird insoweit aufgehoben, als ein höherer Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage H* … Straße (Ost) als 24.651,20 EUR festgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu neun Zehnteln und die Beklagte zu einem Zehntel zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.570 EUR. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist die Eigentümerin des unbebauten Grundstücks Fl.Nr. …78/2 der Gemarkung H* …, welches an der H* … Straße im Gemeindeteil Ho* … der Beklagten gelegen ist. Die Beklagte hat Baumaßnahmen an der H* … Straße vorgenommen. Die Parteien streiten um einen diesbezüglichen Erschließungsbeitragsbescheid.
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Im Ortsteil Ho* … führt ein Straßenzug von West-Nordwesten kommend annähernd gerade Richtung Ost-Südosten. Er trägt – von West-Nordwesten kommend – zunächst den Namen F* …straße. Nach etwa 175 m kreuzt er die von Südwesten nach Nordosten führende S* …straße. Ab dieser Kreuzung trägt der Straßenzug über eine Strecke von 400 m den Namen H* … Straße, dies bis zur östlichen Grenze der Bebauung. Südwestlich der Kreuzung des Straßenzuges F* …straße/H* … Straße mit der S* …straße beginnt – ausgehend von der S* …straße – die …B* …-Straße, die zunächst nach Südosten führt, dann in einem Bogen nach Osten und sodann nach Ost-Nordosten schwenkt, wo sie nach insgesamt etwa 350 m auf die H* … Straße trifft. Die H* … Straße weist von der S* …straße aus bis zur Verknüpfung mit der …B* …-Straße eine Länge von etwa 290 m auf, ab der Verknüpfung mit der …B* …-Straße bis zum östlichen Rand der Bebauung etwa 110 m. Etwa 70 m nach der Verknüpfung der H* … Straße mit der …-B* …-Straße zweigt von der H* … Straße die Straße … … Z* … nach Südwesten ab, die nach etwa 110 m in einem rechten Winkel nach Nordwesten schwenkt und dort nach weiteren 50 m in einem Wendehammer endet.
3
Das klägerische Grundstück Fl.Nr. …78/2 ist nördlich der H* … Straße in dem Bereich gelegen, in welchem diese mit der …B* …-Straße verknüpft ist.
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Die …B* …-Straße ist im am 30. August 1967 bekannt gemachten Teilbebauungsplan Ho* … EF, AE01 der ehemaligen Gemeinde H* … festgesetzt.
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Der am 6. Mai 1993 bekannt gemachte Bebauungsplan H* … Weg EF setzt die H* … Straße vom Verknüpfungsbereich mit der …B* …-Straße bis zum östlichen Rand der Bebauung von Ho* … fest. Zugleich ist in diesem Bereich eine Wohnbebauung – insgesamt sechs Wohnhäuser mit Garagen – nördlich der H* … Straße festgesetzt. Sie umfasst auch das klägerische Grundstück. Zwischen der Fahrbahn und der Wohnbebauung sind ein Gehweg sowie eine öffentliche Grünfläche festgesetzt, die durch insgesamt drei öffentliche Verkehrsflächen jeweils als Zufahrt zu je zwei Baugrundstücken durchbrochen ist. Südlich der H* … Straße ist zwischen der Fahrbahn und den an der Straße … … Z* … gelegenen Baugrundstücken ebenfalls eine öffentliche Grünfläche festgesetzt, allerdings ohne Zufahrten zu den dortigen Baugrundstücken, sowie ein Gehweg bis zur Einmündung der Straße … … Z* … Zudem setzt dieser Bebauungsplan ein Baugebiet einschließlich der dieses zum Teil erschließenden Straße … … Z* … fest.
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Im Jahr 2020 stellte die Beklagte nördlich der bereits bestehenden Fahrbahn der H* … Straße die Grünanlage, die drei Zufahrten zu den sechs Baugrundstücken und den zwischen der Grünanlage und den Baugrundstücken verlaufenden Gehweg her.
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Mit Bescheid vom 6. September 2021 erhob die Beklagte von der Klägerin einen „Erschließungsbeitrag Baugebiet H* … Weg Nord“ in Höhe von 27.714,31 EUR für die Erschließungsanlage H* … Straße mit den neu geschaffenen Wegen und Grünflächen als Erschließungsanlage für die Baugrundstücke H* … Straße … bis … zulasten des Grundstücks Fl.Nr. …78/2 der Gemarkung H* … Dem Bescheid wurde eine Grundstücksfläche von 713 m² und ein Beitragssatz von 38,87 EUR/m² (umlagefähige Kosten: 163.772,82 EUR; beitragspflichtige Fläche: 4.213 m²) zugrunde gelegt.
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Am 5. Oktober 2021 ließ die Klägerin gegen den Bescheid vom 6. September 2021 im vorliegenden Verfahren Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben und beantragen,
Der Bescheid der Beklagten vom 6. September 2021 wird aufgehoben.
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Zur Begründung wurde vorgetragen, es bestünden bereits Zweifel gegen die Erschließungsbeitragssatzung vom 1. August 2019. Deren § 7 Nr. 1 sei nicht bestimmt genug; dies führe zur Nichtigkeit der gesamten Satzung.
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Zwar bestehe für die Anlage bereits seit dem Jahr 1992 ein Bebauungsplan; es sei jedoch nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte ohne entsprechenden Gemeinderatsbeschluss zur Abschnittsbildung die Anlage als „Abschnitt“ abgerechnet habe. Nach der natürlichen Betrachtungsweise beschränke sich die Erschließungsanlage nicht auf denjenigen Bereich, in welchem die von der Abrechnung betroffenen Grundstücke lägen.
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Die Erschließungsanlage sei bereits in den 1990iger Jahren errichtet worden und nun erst ab dem Jahr 2018 weitergebaut worden. Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG könne keine Abrechnung mehr erfolgen, denn die Festsetzung eines Beitrages sei ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eingetreten sei, nicht mehr zulässig. Im vorliegenden Fall sei die Vorteilslage bereits damals eingetreten. Zwar sei für die endgültige Herstellung der Erschließungsanlage auf deren Fertigstellung in ihrer Gesamtlänge abzustellen; werde eine Erschließungsanlage jedoch über längere Zeit nicht weitergebaut, könne eine durchgehende Herstellung endgültig aufgegeben worden sein. In diesen Fällen sei die Vorteilslage eingetreten, die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen also zeitlich begrenzt.
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Unabhängig hiervon scheitere die Beitragsabrechnung an Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG, da seit dem Beginn der erstmaligen Herstellung der Anlage bereits mehr als 25 Jahre vergangen seien.
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Für die Frist des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG sei der Beginn der erstmaligen Herstellung irgendeiner Teileinrichtung maßgeblich. Wenn mit der Fahrbahn bereits vor über 25 Jahren begonnen worden sei, könne man die restlichen Arbeiten nicht mehr nach dem Erschließungsbeitragsrecht abrechnen.
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Darüber hinaus seien Leitungsgräben und Kanalbauarbeiten in die Abrechnung aufgenommen worden, die aber mit Erschließungsbeiträgen nichts zu tun hätten.
15
Die Beklagte ließ beantragen,
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Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der Erschließung des Baugebietes „H* … Weg“ in den 1990iger Jahren seien die Grundstücke nördlich der H* … Straße nicht einbezogen worden. Erst am 9. Mai 2017 habe der Gemeinderat für ein Umlegungsverfahren für die dortigen Grundstücke gestimmt. Gegenstand der streitgegenständlichen Erschließungsmaßnahme sei nicht die erstmalige endgültige Herstellung der H* … Straße, sondern die Herstellung von asphaltierten Zufahrten, Gehwegen, Grünflächen, Entwässerungsgräben usw.
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Es seien keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Erschließungsbeitragssatzung vom 1. August 2019 erkennbar. Die von der Klägerseite benannte Eckgrundstücksvergünstigung in § 7 Nr. 1 der Erschließungsbeitragssatzung sei hinreichend bestimmt.
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Das Bauprogramm für die vorliegende Erschließungsanlage ergebe sich aus dem Bebauungsplan und der Erschließungsbeitragssatzung. Bei der Herstellung der Erschließungsanlage habe eine zeitliche Unterbrechung stattgefunden, dies deshalb, weil zunächst ein Umlegungsverfahren habe durchgeführt werden müssen. Dies sei ein sachdienlicher Grund für die Unterbrechung. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte die ursprüngliche aus dem Bebauungsplan resultierende bauliche Planung wirksam aufgegeben hätte und den bereits in den 1990iger Jahren erreichten technischen Ausbauzustand als endgültig mit der Folge angesehen hätte, dass mit Aufgabe der ursprünglichen Planung die Vorteilslage eingetreten sei. Im Übrigen sei für das klägerische Grundstück die Vorteilslage erst mit dem Abschluss des Bauprogramms eingetreten.
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Aufgrund von gerichtlichen Nachfragen ließ die Beklagte Folgendes mitteilen:
20
Für den Bereich der …B* …-Straße von der Abzweigung S* …straße bis zum Zusammentreffen mit der H* … Straße seien in den Jahren 1969/70 und 1977 Erschließungsbeiträge erhoben worden, für den Bereich der H* … Straße von der Kreuzung mit der S* …straße bis zum Zusammentreffen mit der …-B* …-Straße im Jahr 1974. Für die erstmalige Herstellung der Straße … … Z* … seien im Jahr 1998 Erschließungsbeiträge erhoben worden.
21
Im Zuge der Erschließung des Baugebiets … … Z* … sei ein Grünstreifen, die Zufahrt zum Baugebiet sowie parallel zur H* … Straße ein Fußweg mit zwei Straßenlaternen errichtet worden. Die Kosten für diese Einrichtungen seien im Wesentlichen in die Abrechnung des Baugebiets … … Z* … eingeflossen.
22
Im Rahmen der nunmehr ausgeführten Bauarbeiten zur Erschließung der nördlich der H* … Straße gelegenen Grundstücke seien an der H* … Straße selbst keine Veränderungen vorgenommen worden.
23
Der Bau der …B* …-Straße einschließlich Gehwegen und Beleuchtung samt der Einmündung Ho* … Straße (gemeint wohl: H* … Straße) sei 1968 auf der Grundlage des Teilbebauungsplans Ho* … EF, AE01 erfolgt. Der Einmündungsbereich sei dabei abweichend von diesem Teilbebauungsplan ausgestaltet worden.
24
Alle im Erschließungsplan … … Z* … enthaltenen Einrichtungen ohne die H* … Straße selbst seien in die Abrechnung dieses Baugebiets eingeflossen. Hierbei seien nur die Grundstücke südlich der H* … Straße herangezogen worden, seither sei dessen Gestaltung unverändert geblieben.
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Im Rahmen des Baues der …B* …-Straße im Jahr 1968 sei auch die weiterführende, damals bereits bestehende H* … Straße ausgebaut worden. Die Kosten für die Herstellung der …-B* …-Straße seien auf die Anlieger umgelegt worden. Die Kosten der weiterführenden (damals außerörtlichen) H* … Straße seien mit dem Landratsamt Schweinfurt abgerechnet und als Ausbau der Gemeindeverbindungsstraße vom Freistaat Bayern gefördert worden.
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Die H* … Straße sei als historische Straße bereits auf den Urkatasterblättern aus dem 19. Jahrhundert verzeichnet. Der Ausbau der Ortsstraßen im Gemeindeteil Ho* … Mitte der 1960iger Jahre habe westlich der westlichen Grundstücksgrenze Fl.Nr. …77/4 (H* … Straße Hausnummer **) geendet. Der Bereich zwischen der westlichen Grundstücksgrenze Fl.Nr. …77/4 und der östlichen Grundstücksgrenze Fl.Nr. …79/2 (H* … Straße Hausnummer **) sei hiervon nicht betroffen gewesen. Der damals letzte Kanalschacht in der H* … Straße liege in Höhe des Anwesens H* … Straße … Im Rahmen des Ausbaus der …-B* …-Straße als Ortsstraße und der H* … Straße als Gemeindeverbindungsstraße im Jahr 1968 habe der Einmündungsbereich …-B* …-Straße/H* … Straße seine heutige Gestalt erhalten. Zur Entwässerung der Gräben entlang der damaligen Gemeindeverbindungsstraße H* … Straße seien jeweils nördlich und südlich Einlaufschächte erstellt und an den Kanal in der …-B* …-Straße angebunden worden. Im Jahr 1996 sei im Zuge der Erschließung des Baugebiets … … Z* … der Gehweg südlich der H* … Straße entlang des Grundstücks Fl.Nr. …85/1 (** … Z* … Hausnummer **) bis zur neuen Straße … … Z* … fortgeführt worden, am Gehweg seien zwei Straßenlaternen aufgestellt worden. An der neuen Einmündung der Straße … … Z* … in die H* … Straße sei ein Sinkkasten erstellt worden, um das Wasser der H* … Straße über den neuen Kanal … … Z* … abzuleiten. Im Jahr 2020 seien die nunmehrigen Erschließungsarbeiten nördlich der H* … Straße von der westlichen Grundstücksgrenze Fl.Nr. …77/4 bis zur östlichen Grundstücksgrenze Fl.Nr. …75/6 vorgenommen worden. Änderungen an der H* … Straße selbst seien nicht erforderlich gewesen. Es seien keine neuen Straßeneinläufe erstellt worden.
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Die Anlieger der H* … Straße im genannten Bereich selbst seien bislang niemals zu Erschließungsbeiträgen herangezogen worden.
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Auf der Grundlage des Beweisbeschlusses des Gerichts vom 14. Dezember 2023 erhob das Gericht am 20. Februar 2024 Beweis durch Einnahme eines Augenscheins über die örtlichen Verhältnisse im Bereich der H* … Straße und der …B* …-Straße.
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Auf der Grundlage der infolge des Augenscheinstermins durch das Gericht aufgeworfenen Fragen nahm die Beklagte zu verschiedenen technischen Details Stellung.
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Im Übrigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2024, auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten der Beklagten, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 6. September 2021, mit welchem die Beklagte gegenüber der Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. …78/2 der Gemarkung H* … einen „Erschließungsbeitrag Baugebiet H* … Weg Nord“ für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage H* … Straße in Höhe von 27.714,31 EUR festsetzt und einen Zahlungsbefehl in selber Höhe ausspricht.
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Die zulässige Klage ist zum Teil begründet. Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich insoweit als rechtmäßig, als er einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 24.651,20 EUR festsetzt und einen Zahlungsbefehl in derselben Höhe ausspricht. Insoweit verletzt er die Klägerin nicht in ihren Rechten. Soweit der Bescheid jedoch einen höheren Erschließungsbeitrag als 24.651,20 EUR festsetzt und einen entsprechenden Zahlungsbefehl ausspricht, ist er rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insoweit ist der Bescheid aufzuheben. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
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Dies ergibt sich aus Folgendem:
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Nach Art. 5a des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl. S. 264), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Februar 2021 (GVBl. S.40), § 127 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) in der am 8. September 2015 geltenden Fassung (BGBl. I S. 2414) (vgl. Art. 5a Abs. 2 KAG), erheben die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag. Erschließungsanlagen in diesem Sinne sind u.a. die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen (Art. 5a KAG i.V.m. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB). Beitragspflichtiger ist nach Art. 5a KAG i.V.m. § 134 Abs. 1 BauGB derjenige, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstückes ist.
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Gemäß Art. 5a KAG i.V.m. § 132 BauGB regeln die Gemeinden durch Satzung die Art und den Umfang der Erschließungsanlagen im Sinne des § 129 BauGB, die Art der Ermittlung und der Verteilung des Aufwandes sowie die Höhe des Einheitssatzes, die Kostenspaltung und die Merkmale der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage.
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Mit ihrer Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen (Erschließungsbeitragssatzung – EBS) vom 1. August 2019 hat die Beklagte eine Beitragssatzung in diesem Sinne geschaffen. Diese Satzung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Fehler, die zur Gesamtnichtigkeit der Satzung oder zur Unwirksamkeit streitrelevanter Satzungsbestimmungen führen würden, liegen weder auf der Hand noch wurden solche von der Klägerseite nachvollziehbar vorgetragen. Insbesondere kann das Gericht dem Klägerbevollmächtigten nicht darin folgen, § 7 Satz 2 Nr. 1 EBS sei zu unbestimmt. Nach § 7 Satz 1 EBS ist für Grundstücke, die von mehr als einer Erschließungsanlage erschlossen werden, die Grundstücksfläche bei der Abrechnung jeder Erschließungsanlage nur mit zwei Dritteln anzusetzen. Dies gilt unter anderem nach § 7 Satz 2 Nr. 1 EBS nicht, wenn ein Erschließungsbeitrag nur für eine Erschließungsanlage erhoben wird und Beiträge für weitere Anlagen zu deren erstmaliger Herstellung weder nach dem geltenden Recht noch nach vergleichbaren früheren Rechtsvorschriften erhoben worden sind oder erhoben werden. Nicht nachvollziehbar ist das Argument der Klägerseite, es sei unklar, ob unter diese Regelung Anlagen fielen, für die nach früherem Recht ein Beitrag hätte erhoben werden können, man davon aber abgesehen habe. Denn die Vorschrift stellt für diese Fallkonstellation nach ihrem Wortlaut eindeutig allein darauf ab, ob tatsächlich in der Vergangenheit Erschließungsbeiträge für eine andere Erschließungsanlage erhoben worden sind. Zudem ist die Klägerseite der Meinung, es sei unklar, ob (Zweit-) Anlagen für die nach jetziger Rechtslage ein Erschließungsbeitrag erhoben werden dürfe, dies aber in Zukunft unterbleibe, unter diese Vorschrift subsumiert werden könnten. Auch dem kann das Gericht nicht folgen, dies aufgrund des auch insoweit eindeutigen Wortlautes der Vorschrift. Darüber hinaus wiederspricht § 7 EBS nicht dem Gleichbehandlungsgebot (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 14 Rn. 37 m.w.N.).
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Auf der Grundlage dieser Satzung hat die Beklagte von der Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. …78/2 der Gemarkung H* … mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 24.651,20 EUR für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage H* … Straße beginnend an der Grenze des Teilbebauungsplans Ho* … EF, AE01 bis zur östlichen Grenze des Bebauungsplans H* … Weg EF erhoben. Lediglich soweit der angefochtene Bescheid diesen Betrag übersteigt, erfolgt die Beitragserhebung zu Unrecht.
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1. Erschließungsanlage im Sinne des Art. 5a KAG i.V.m. § 127 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BauGB, für deren erstmalige Herstellung die Beklagte zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwandes einen Erschließungsbeitrag erhebt, ist im vorliegenden Fall die H* … Straße beginnend in dem Bereich, in welchem sie mit der …B* …-Straße verknüpft ist, bis zur östlichen Grenze der Ortsbebauung. Im Einzelnen gestaltet sich die Abgrenzung wie folgt:
„Die westliche Grenze der Erschließungsanlage bildet die gemeinsame Grenze des Teilbebauungsplans Ho* … EF, AE01 und des Bebauungsplans H* … Weg EF, die von West-Nordwesten nach Ost-Südosten verläuft und die die streitgegenständliche Erschließungsanlage von der Erschließungsanlage …B* …-Straße abgrenzt. Zudem wird die westliche Grenze der streitgegenständlichen Erschließungsanlage durch eine gedachte Linie bestimmt, die durch eine Verlängerung der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken Fl.Nrn. …77 und …78 nach Süden definiert wird und die die Erschließungsanlage zur eigenständigen Erschließungsanlage H* … Straße westlich dieser Linie abgrenzt. Die östliche Grenze der streitgegenständlichen Erschließungsanlage wird durch die östliche Grenze des Bebauungsplans H* … Weg EF gebildet. Damit weist die streitgegenständliche Erschließungsanlage eine Länge von insgesamt etwa 104 m auf.“
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Im Einzelnen ergibt sich die dargestellte Abgrenzung der Anlage aus folgenden Erwägungen:
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Wie weit eine einzelne Anbaustraße reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, bestimmt sich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Straße als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Deshalb hat sich der ausschlaggebende Gesamteindruck nicht an Straßennamen, Grundstücksgrenzen oder dem zeitlichen Ablauf von Planung und Bauausführung auszurichten, sondern, ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise, an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Straßenausstattung (st. Rspr.; vgl. etwa BayVGH, U.v. 30.6.2011 – 6 B 08.369 – juris Rn. 18; B.v. 23.2.2015 – 6 ZB 13.978 – juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 25.8.2016 – 6 ZB 16.410 – juris Rn. 5; Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 6 Rn. 4).
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Abweichend vom Grundsatz der natürlichen Betrachtungsweise kann sich die Selbständigkeit einer Erschließungsanlage aus bestimmen Rechtsgründen ergeben. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn eine endgültig hergestellte Anbaustraße, für die bereits sachliche Beitragspflichten entstanden sind, nachträglich verlängert oder fortgeführt wird (BayVGH, B.v. 29.6.2016 – 6 ZB 15.2786 – juris Rn. 10). In einem solchen Fall ist die Verlängerungsstrecke unabhängig von ihrer optischen Zugehörigkeit zum weiteren Straßenzug auf der Grundlage der natürlichen Betrachtungsweise erschließungsbeitragsrechtlich als eigene selbständige Anbaustraße zu qualifizieren (BayVGH, U.v. 22.7.2011 – 6 B 08.1935 – juris Rn. 16). Auch soweit ein optisch einheitlich erscheinender Straßenzug lediglich in Teilen zum Anbau bestimmt ist, muss vom Grundsatz der natürlichen Betrachtungsweise abgewichen werden (vgl. zur gesamten Problematik: Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 6 Rn. 18 m.w.N.; BayVGH, B.v. 20.10.2022 – 6 CS 22.1804 – juris Rn. 15; Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand 1.5.2024, 75. AL, 19. Update, Rn. 701 m.w.N.).
43
In Anwendung dieser Grundsätze und unter Berücksichtigung allein der natürlichen Betrachtungsweise ergibt sich nach der Ortseinsicht der Kammer eine Erschließungsanlage, die unter dem Namen …B* …-Straße an der Abzweigung von der S* …straße beginnt, zunächst nach Südosten führt, dann in einem Bogen nach Osten und sodann nach Osten-Nordosten schwenkt, sodann im Bereich der Verknüpfung mit der von West-Nordwesten kommenden H* … Straße unter dem Namen H* … Straße nach Süd-Südosten führt und am östlichen Rand der Bebauung endet. Zudem ist eine weitere eigenständige Erschließungsanlage erkennbar, die unter dem Namen H* … Straße an der Kreuzung F* …straße/S* …straße/H* … Straße beginnt und in Richtung Ost-Südosten führt, wo sie auf die …B* …-Straße trifft. Diese Verknüpfung ist in einer Art und Weise gestaltet, die nach der natürlichen Betrachtungsweise ein Ende dieser Erschließungsanlage nahelegt. Dies ergibt sich daraus, dass die H* … Straße in diesem Bereich annähernd nach Süden schwenkt und damit in den oben dargestellten Straßenzug …B* …-Straße/H* … Straße in einem sich öffnenden Trichter einmündet (vgl. auch die im Rahmen der Ortseinsicht gefertigten in der Gerichtsakte enthaltenen Lichtbilder 21, 22, 24, 26 und 27).
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Die nördlich der Fahrbahn dieser beiden Erschließungsanlagen gelegenen Teileinrichtungen, nämlich die Grünanlage, der Gehweg und die Grundstückszufahrten, werden – wie die Ortseinsicht der Kammer ergeben hat – durch eine Linie abgegrenzt, die durch die Grenze zwischen den Grundstücken Fl.Nrn. …77 und …78 definiert und die nach Süden verlängert wird. Die westlich dieser Linie gelegenen Teile der Grünanlage und des Gehwegs sowie die westlich gelegene Grundstückszufahrt sind der Anlage H* … Straße zuzuordnen, die östlich gelegenen Teile dem Straßenzug …B* …-Straße/H* … Straße.
45
Zudem stellt nach der natürlichen Betrachtungsweise die Stichstraße … … Z* …, die in die H* … Straße einmündet, aufgrund ihrer Länge von etwa 160 m und ihres abknickenden Verlaufs eine eigenständige Straße und nicht etwa ein unselbständiges Anhängsel und damit ein Bestandteil der H* … Straße dar (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 6 Rn. 17).
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Allerdings ist die natürliche Betrachtungsweise, nach der der Straßenzug …B* …-Straße/H* … Straße eine eigenständige Erschließungsanlage bildet, durch die Erforderlichkeit einer rechtlichen Betrachtungsweise überlagert. Denn ab der Verknüpfung dieses Straßenzuges mit der von West-Nordwesten kommenden H* … Straße handelt es sich um die Verlängerung der schon in der Vergangenheit erstmals endgültig hergestellten Erschließungsanlage …B* …-Straße. Damit bildet diese Verlängerungsstrecke unabhängig von ihrer optischen Zugehörigkeit zum weiteren Straßenzug erschließungsbeitragsrechtlich eine eigene selbständige Anlage. Dies ergibt sich daraus, dass die …B* …-Straße von der Abzweigung S* …straße bis zur Verknüpfung mit der H* … Straße auf der Grundlage des Teilbebauungsplans Ho* … EF, AE01 vom 30. August 1967 bereits im Jahr 1968 tatsächlich hergestellt worden ist. In diesem Zusammenhang ist die oben beschriebene Verknüpfung der H* … Straße mit der …B* …-Straße in der bis heute existierenden Form gestaltet worden. In den Jahren 1969/1970 und 1977 sind – wie die Auskunft der Beklagten ergeben hat – diesbezüglich Erschließungsbeiträge erhoben worden. Ab der Verknüpfung H* … Straße* …B* …-Straße verlief der Straßenzug Richtung Ost-Südosten durch den Außenbereich, da zu diesem Zeitpunkt der Bebauungsplan H* … Weg EF noch nicht existent war. Dieser wurde erst am 12. Januar 1993 beschlossen. Zudem befand sich zu diesem Zeitpunkt keine Bebauung in diesem Bereich. Damit grenzt das nordwestliche Ende des Teilbebauungsplans Ho* … EF, AE01 rechtlich gesehen die eigenständige bereits in der Vergangenheit erstmals endgültig hergestellte Erschließungsanlage …B* …-Straße ab und der im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans H* … Weg EF gelegene Teil des optisch einheitlichen Straßenzuges bildet eine rechtlich eigenständige Erschließungsanlage, die nach West-Nordwesten durch die bereits oben beschriebene nach Süden zu verlängernde Grenze zwischen den Grundstücken Fl.Nrn. …77 und …78 abgegrenzt wird.
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2. Zu Recht hat die Beklagte für die erstmalige Herstellung dieser Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag erhoben. Denn bei den abzurechnenden Bauarbeiten handelt es sich um eine Ersterschließung im Sinn des Art. 5a KAG i.V.m. §§ 127 ff. BauGB und nicht um Verbesserungs- und Erneuerungsmaßnahmen. Dies ergibt sich daraus, dass die streitgegenständliche Erschließungsanlage nicht zuvor erstmals endgültig im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts hergestellt worden ist.
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Bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans H* … Weg EF im Jahr 1993 führte die Straße, die nun die streitgegenständliche Erschließungsanlage bildet, durch den Außenbereich; eine Bebauung war in diesem Bereich nicht vorhanden. Damit wies die Anlage bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Erschließungsfunktion auf, so dass bis dahin die Herstellung einer Erschließungsanlage rechtlich unmöglich war. Damit sind die in dieser Hinsicht an der Straße im Jahr 1968 durchgeführten Bauarbeiten ohne Belang für die Frage nach dem Zeitpunkt der erstmaligen endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage.
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Aber auch seit dem Inkrafttreten des Bebauungsplans H* … Weg EF im Jahr 1993 ist die Straße vor Abschluss der im Jahr 2020 durchgeführten und nunmehr abgerechneten Bauarbeiten niemals erstmals endgültig hergestellt worden. Zwar wurde im Jahr 1998 im Zusammenhang mit der Erschließung des Baugebiets … … Z* … auf der Grundlage des Bebauungsplans H* … Weg EF südlich der Fahrbahn der streitgegenständlichen Erschließungsanlage ein Gehweg bis zur Einmündung der Straße … … Z* …, eine Entwässerungsanlage in Form eines offenen Grabens mit Anschluss an den Abwasserkanal der Beklagten sowie eine Straßenbeleuchtung in Form von zwei Straßenlaternen erstellt; allerdings war mit diesen Bauarbeiten die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlage nicht abgeschlossen, da das diesbezügliche Bauprogramm nicht umfassend erfüllt worden ist.
50
Denn eine Erschließungsanlage ist erst dann erstmals endgültig hergestellt, wenn das Bauprogramm vollumfänglich umgesetzt worden ist. Dieses ist zunächst gemäß Art. 5a KAG, § 132 Nr. 4 BauGB in § 9 EBS festgelegt. Nach dessen Abs. 1 ist eine zum Anbau bestimmte Straße dann endgültig hergestellt, wenn sie eine Pflasterung, eine Asphalt-, Beton- oder ähnliche Decke neuzeitlicher Bauweise mit dem technisch notwendigen Unterbau, eine Straßenentwässerung und Beleuchtung sowie einen Anschluss an eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße aufweist. Ergänzend ist ein auf die konkrete Einzelanlage bezogenes Bauprogramm erforderlich, welches bestimmt, welche flächenmäßigen Teileinrichtungen in welchem Umfang die Gesamtfläche der jeweiligen Straße in Anspruch nehmen sollen (Driehaus, ZMR 2015, 659 ff.). Ein solches Bauprogramm kann gegebenenfalls formlos erstellt werden, es kann sich aber auch dem Bebauungsplan entnehmen lassen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Bebauungsplan Flächenunterteilungen enthält (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 5 Rn. 20 m.w.N.).
51
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Bebauungsplan H* … Weg EF neben der Fahrbahn, einer hiervon südlich gelegenen Grünanlage und einem Gehweg ein Programm, das nördlich der Fahrbahn der streitgegenständlichen Anlage eine Grünanlage vorsieht. Zudem ist eine Bebauung geplant, für die der Bebauungsplan konkrete Zufahrten als öffentliche Verkehrsflächen festsetzt. Auch die Festsetzung eines öffentlichen Gehwegs nördlich der Fahrbahn im Zusammenhang mit der dort festgesetzten Grünanlage ist dem Bebauungsplan zu entnehmen.
52
Dieses Bauprogramm ist jedoch erstmals mittels der im Jahr 2020 vorgenommenen und nunmehr abgerechneten Bauarbeiten umgesetzt worden, so dass nicht davon die Rede sein kann, dass die streitgegenständliche Erschließungsanlage bereits in der Vergangenheit mit dem Abschluss der Bauarbeiten im Jahr 1998 erstmals endgültig hergestellt worden sein könnte.
53
Demgegenüber kann das Gericht der Argumentation der Klägerseite nicht folgen, das im Bebauungsplan festgelegte Bauprogramm sei von der Beklagten in der Vergangenheit aufgegeben worden.
54
Will eine Gemeinde die ursprüngliche Planung nicht mehr umsetzen, gleichwohl aber erreichen, dass die Anlage als erstmals endgültig hergestellt gilt, so muss sie das Bauprogramm entsprechend reduzieren. Hat der Bebauungsplan hinsichtlich des bisherigen Bauprogramms Rechtssatzcharakter, muss zur Anpassung der Bebauungsplan förmlich geändert werden. Kommt ihm lediglich nachrichtliche Bedeutung zu, reicht eine formlose Änderung aus (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 7 Rn. 31 und § 5, Rn. 20).
55
Wie oben dargestellt, hat der Bebauungsplan H* … Weg EF hinsichtlich der nördlich der Fahrbahn geplanten Grünanlage, des dortigen Gehwegs und der dortigen Grundstückszufahrten aufgrund deren förmlicher Festsetzung Rechtssatzcharakter. Demgegenüber ist eine Änderung dieses Bebauungsplans nicht erfolgt, so dass schon allein deshalb nicht von einer Aufgabe der diesbezüglichen Planung durch die Beklagte ausgegangen werden darf.
56
Damit ist festzuhalten, dass es sich bei den nunmehr abgerechneten Bauarbeiten um eine Ersterschließung im Sinne des Art. 5a KAG i.V.m. § 127 ff. BauGB handelt und die Beklagte hierfür einen Erschließungsbeitrag erheben darf.
57
3. Die Beklagte hat dem angegriffenen Bescheid beitragsfähige Kosten in Höhe von 181.969,80 EUR zugrunde gelegt. Demgegenüber gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass beitragsfähige Kosten von lediglich 167.616,85 EUR für die erstmalige Herstellung der streitgegenständlichen Erschließungsanlage entstanden sind.
58
a) Nach Art. 5a KAG i.V.m. § 128 Abs. 1 Satz 1 BauGB umfasst der Aufwand für Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 1 BauGB die Kosten für den Erwerb und die Freilegung der Flächen für die Erschließungsanlagen, ihre erstmalige Herstellung einschließlich der Einrichtungen für ihre Entwässerung und ihre Beleuchtung und die Übernahme von Anlagen als gemeindliche Erschließungsanlagen. Nach Art. 5a KAG i.V.m. § 128 Abs. 1 Satz 2 BauGB umfasst der Erschließungsaufwand auch den Wert der von der Klägerin aus ihrem Vermögen bereitgestellten Flächen im Zeitpunkt der Bereitstellung.
59
Der durch diese Vorschriften definierte beitragsfähige Erschließungsaufwand wird gemäß § 3 Abs. 1 EBS nach den tatsächlichen Kosten ermittelt. Diese entstehen durch die Verwirklichung der Merkmale der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage nach § 9 Abs. 1 EBS. Hiernach ist eine Erschließungsanlage endgültig hergestellt, wenn sie eine Pflasterung, eine Asphalt-, Beton- oder ähnliche Decke neuzeitlicher Bauweise mit dem technisch notwendigen Unterbau sowie eine Straßenentwässerung und Beleuchtung aufweist und an eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße angeschlossen ist. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist ein Gehweg endgültig hergestellt, wenn er eine Abgrenzung gegen die Fahrbahn sowie eine Befestigung mit Platten, Pflaster, Asphaltbelag oder eine ähnliche Decke in neuzeitlicher Bauweise mit dem technisch notwendigen Unterbau aufweist. Nach Abs. 3 der Vorschrift ist eine Grünanlage dann endgültig hergestellt, wenn ihre Fläche gärtnerisch gestaltet ist.
60
b) Auf dieser Grundlage hat die Beklagte dem streitgegenständlichen Bescheid beitragsfähige Kosten i.H.v. 181.969,80 EUR zugrunde gelegt, die für die nördlich der Fahrbahn gelegenen Teileinrichtungen Gehweg mit Zufahrten zu den erschlossenen Grundstücken und Grünanlage entstanden sind. Diese Teileinrichtungen sind, wie sich aus den oben dargestellten Rechtsgrundlagen ergibt, dem Grunde nach beitragsfähig. Allerdings beziehen sich die angesetzten Kosten von 181.969,80 EUR nicht lediglich auf die streitgegenständliche Erschließungsanlage, sondern sie umfassen auch Kosten für Bauarbeiten an Gehweg, Zufahrt und Grünanlage, welche nicht der vorliegenden streitgegenständlichen Erschließungsanlage zugeordnet werden können, dies soweit sie west-nordwestlich der Linie gelegen sind, die eine Verlängerung der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken Fl.Nrn. …77 und …78 darstellt und die die streitgegenständliche Anlage gegen die Erschließungsanlage H* … Straße von der Kreuzung F* …straße/S* …straße/H* … Straße bis zur Verknüpfung mit der …B* …-Straße abgrenzt. Dieser Bereich ist damit nicht der streitgegenständlichen Erschließungsanlage zuzuordnen, sondern der Erschließungsanlage H* … Straße, die an der Kreuzung F* …straße/S* …straße/H* … Straße beginnt und an der Verknüpfung mit der …B* …-Straße endet.
61
Die Beklagte hat auf Anforderung des Gerichts errechnet, dass 78,6748733% der Fläche, die mit Gehweg, Grundstückszufahrten und Grünanlage bebaut ist, im Bereich der streitgegenständlichen Erschließungsanlage gelegen sind und damit 143.164,51 EUR auf die Herstellung von Gehweg, Grundstückszufahrten und Grünanlage als Bestandteil der streitgegenständlichen Erschließungsanlage entfallen. Hierbei handelt es sich um eine pauschale Berechnung, die die Klägerseite nicht beanstandet hat. Auch das Gericht hat keine durchgreifenden Bedenken gegen diese Art der Berechnung, da gravierende Unterschiede für die Herstellung unterschiedlicher Bereiche dieser Teileinrichtungen nicht erkennbar sind.
62
c) Im Rahmen der beitragsfähigen Kosten sind auch diejenigen für die Erstellung der Straßenbeleuchtung zu berücksichtigen. Die Ortseinsicht hat ergeben, dass im Bereich der streitgegenständlichen Erschließungsanlage zwei Straßenleuchten existieren, zum einen an der südlichen Fahrbahnseite im Bereich der Grenze zwischen den Grundstücken Fl.Nrn. …87/3 und …85/1 und zum anderen an der östlichen Ecke des Grundstücks Fl.Nr. …85/1. Die Klägerin hat nicht in Frage gestellt, dass diese beiden Straßenleuchten zureichend sind (BayVGH, B.v. 29.6.2016 – 6 ZB 15.2786 – juris Rn. 13). Die Beklagte hat mitgeteilt (Beiakte Bl. 19), dass die Kosten für diese Beleuchtung zum Teil im Rahmen der Abrechnung der Erschließungsanlage … … Z* … abgerechnet worden sind. Für diese Straßenbeleuchtung sind Gesamtkosten in Höhe von 16.799,65 DM entstanden und hierbei 3.142,26 DM nicht in die Abrechnung der Erschließungsanlage … … Z* … eingeflossen (2.728,50 DM für die Straßenleuchten, 413,27 DM für die Verkabelung). Damit sind diese Kosten für die Straßenbeleuchtung nicht anderweitig gedeckt (Art. 5a KAG i.V.m. § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB) und dem beitragsfähigen Aufwand für die Herstellung der streitgegenständlichen Erschließungsanlage zuzuordnen, insgesamt also 1.606,61 EUR.
63
d) Zudem sind im Rahmen der beitragsfähigen Kosten diejenigen für die Herstellung des südlich der Fahrbahn gelegenen Gehwegs zu berücksichtigen. Er beginnt an der Grenze zwischen den Grundstücken Fl.Nrn. …87/3 und …85/1 und er endet an der Einmündung der Straße … … Z* … in die streitgegenständliche Erschließungsanlage. Aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen (Beiakte Bl. 18) ergibt sich, dass die Kosten für den Gehweg zum Teil in die Abrechnung der Erschließungsanlage … … Z* … eingeflossen sind. Lediglich ein Teilbetrag in Höhe von 6.069,95 DM (3.103,52 EUR) ist hierdurch nicht gedeckt (Art. 5a KAG i.V.m. § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB), so dass diese Kosten in den beitragsfähigen Aufwand für die streitgegenständliche Erschließungsanlage einzubeziehen sind (vgl. auch Gerichtsakte, Bl. 276, Anlage B18).
64
e) Die Kosten für die Grünanlage südlich der Fahrbahn wurden bereits in vollem Umfang im Rahmen der Abrechnung der Erschießungsanlage … … Z* … berücksichtigt und gehören damit nicht zu den beitragsfähigen Kosten für die Herstellung der streitgegenständlichen Erschließungsanlage (Beiakte Bl. 18) (Art. 5a KAG i.V.m. § 129 Abs. 1 Satz 1 KAG).
65
f) Gleiches gilt für die im Jahr 1996 für die Herstellung der Straßenentwässerung entstandenen Kosten. Die Beklagte hat mitgeteilt, im Rahmen der Erschließung des Baugebiets … … Z* … sei in der Straße … … Z* … ein Kanal verlegt worden und mittels Sinkkästen sei das auf der H* … Straße anfallende Wasser diesem Kanal zugeleitet worden. Die hierfür entstandenen Kosten in Höhe von 14.455,91 DM (vgl. Beiakte Bl. 18) sind in vollem Umfang in die Abrechnung der Anlage … … Z* … eingeflossen (Beiakte Bl. 22 i.V.m. Bl. 18). Weitere Kosten können nicht als beitragsfähig berücksichtigt werden.
66
Das Gesetz räumt den Gemeinden drei verschiedene Möglichkeiten ein, auf welche Art und Weise sie die Kosten für die Straßenentwässerung abrechnen können. Die Gemeinde kann – erstens – nur die Kosten zugrunde legen, die tatsächlich für die Entwässerung in der bestimmten Erschließungsanlage entstanden sind. Dabei werden lediglich die Aufwendungen für die oberirdischen und unterirdischen Einrichtungen für die einzelne Verkehrsanlage angesetzt. Unberücksichtigt bleiben hierbei die Kosten für das übrige Entwässerungssystem. Die Gemeinde kann – zweitens – auf den Herstellungsaufwand für ein funktionsfähiges, räumlich und technisch abgegrenztes Entwässerungssystem abstellen. In diesem Fall wird der einzelnen Straße nur ein rechnerischer Anteil an den tatsächlichen Kosten für dieses Entwässerungssystem mit Hilfe eines Durchschnittssatzes zugeordnet. Die Gemeinde kann – drittens – bei der Abrechnung auf die Kosten des gesamten Entwässerungssystems abheben und diese wiederum über einen Durchschnittssatz auf die einzelnen Straßen verteilen. Die Entscheidung der Gemeinde, welche der drei Möglichkeiten sie der Erschließungsbeitragserhebung zugrunde legen will, stellt einen innerdienstlichen Ermessensakt dar. Sie fällt wegen der Auswirkungen auf die Beitragshöhe regelmäßig in die Zuständigkeit des Gemeinderats. Solange die Gemeinde keine Entscheidung trifft, ist von der – für die Beitragspflichtigen günstigeren – Abrechnung nach den tatsächlichen für die einzelne Erschließungsanlage anfallenden Entwässerungskosten als dem gesetzlichen Regelfall auszugehen (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 8 Rn. 40 bis 41 m.w.N.).
67
Im vorliegenden Fall hat die mündliche Verhandlung ergeben, dass der Gemeinderat der Beklagten keine Entscheidung zu der Frage getroffen hat, welche der drei möglichen Systeme sie ihrer Erschließungsbeitragserhebung zugrunde legen will. Vielmehr hält sich die Beklagte (ohne dass hierüber der Gemeinderat entschieden hätte) an die im Landkreis Schweinfurt allgemein geübte Gepflogenheit, die Kosten für die Entwässerungsrinnen, Bordsteine und Straßeneinläufe einschließlich der unterirdischen Leitungen bis zum Kanal konkret abzurechnen und pauschal für den Kanal eine Quadratmeterpauschale zu veranschlagen.
68
Unabhängig von der Tatsache, dass diese Kombination aus zwei verschiedenen Abrechnungssystemen rechtlich nicht zulässig ist, ergibt sich hieraus, dass keine wirksame Entscheidung des Gemeindesrats der Beklagten zu der Frage vorliegt, welches der drei möglichen Abrechnungssysteme sie der Erschließungsbeitragserhebung zugrunde legen will, so dass es vorliegend bei der Erstmöglichkeit verbleibt, nach der nur die Kosten zugrunde zu legen sind, die tatsächlich für die Entwässerung in der bestimmten Erschließungsanlage entstanden sind.
69
Diese Kosten sind allerdings – wie oben dargestellt – bereits zur Gänze im Rahmen der Abrechnung der Erschließungsanlage … … Z* … gedeckt worden, so dass sie nicht mehr bei der Abrechnung der streitgegenständlichen Erschließungsanlage berücksichtigt werden können.
70
g) In die beitragsfähigen Kosten kann im vorliegenden Fall kein Aufwand für die Herstellung der vormaligen Gemeindeverbindungsstraße einbezogen werden. Die Fahrbahn der streitgegenständlichen Erschließungsanlage war vor dem Inkrafttreten des Bebauungsplans H* … Weg EF Teil der Gemeindeverbindungsstraße zwischen Ho* … und H* … Die Beklagte hat im Jahr 1968 im Zusammenhang mit der erstmaligen Herstellung der Erschließungsanlage …B* …-Straße auch Bauarbeiten an dieser Gemeindeverbindungsstraße vorgenommen, nämlich eine Fahrbahn mit 5 m Breite, einem frostsicheren Unterbau, einer Asphaltschicht und Banketten hergestellt (Gerichtsakte Bl. 141). Hierfür sind – für den streitgegenständlichen Bereich der vormaligen Gemeindeverbindungsstraße – ungedeckte Kosten in Höhe von 11.319,06 DM (5.659,53 EUR) entstanden (Gerichtsakte Bl. 42, 276, 277). Diese Straße ist nunmehr mit einigen kleineren Veränderungen Teil der streitgegenständlichen Erschließungsanlage. Insbesondere ihre Breite und ihr frostsicherer Unterbau sind nicht verändert worden.
71
Die für die Herstellung der Fahrbahn entstandenen ungedeckten Kosten sind jedoch im vorliegenden Fall nicht berücksichtigungsfähig.
72
Wird eine Außenbereichsstraße in eine Anbaustraße umgewandelt, so ist strittig, ob diejenigen Kosten, die bereits vor der Umwandlung angefallen sind, in den Erschließungsaufwand einbezogen werden können (Schmitz, Erschließungsbeiträge 2018, § 8 Rn. 28).
73
Das Bundesverwaltungsgericht vertritt in seinem Urteil vom 10. Oktober 1995 (8 C 13/94 – juris Rn. 21) die Auffassung, sei die vormalige Gemeindeverbindungsstraße bereits vor ihrer Umwandlung in eine Anbaustraße im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts erstmals endgültig hergestellt gewesen, so seien die für diese Herstellung entstandenen Kosten als beitragsfähig zu qualifizieren. Sei die Straße demgegenüber vor ihrer Umwandlung noch nicht erstmals endgültig hergestellt gewesen, seien sowohl die vor der Umwandlung als auch die hernach für die Herstellung entstandenen Kosten beitragsfähig. Eine Begründung für diese Rechtsmeinung findet sich im genannten Urteil jedoch nicht.
74
Diese Rechtsprechung führt das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 5. Mai 2015 (9 C 14/14 – juris Leitsatz 2 und Rn. 28) fort, wiederum ohne dass sich hierfür eine Begründung in dem Urteil finden lässt.
75
Demgegenüber vertritt das OVG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 16. Dezember 1988 (6 A 19/88 – juris (nur Leitsatz), ansonsten n.v.) die Auffassung, dass zum beitragsfähigen Erschließungsaufwand grundsätzlich nicht die Herstellungskosten gehören, die der Gemeinde vor der Bestimmung einer Anlage zum Anbau entstanden sind. Dies begründet das OVG Rheinland-Pfalz damit, bei diesen Kosten handele es sich nicht um Kosten der erstmaligen Herstellung der Erschließungsanlage im Sinne des § 128 Abs. 1 Nr. 1 BBauG, zu denen nur derjenige Aufwand gehöre, den eine Gemeinde in Erfüllung ihrer Aufgabe als Erschließungsträger gemäß § 123 Abs. 1 BBauG erbracht habe. Die vor dem Zeitpunkt der Umwandlung der Gemeindeverbindungsstraße in eine Anbaustraße an der Verkehrsanlage vorgenommenen Straßenbauarbeiten hätten noch nicht der erstmaligen Herstellung der Erschließungsanlage gedient und die entsprechenden Aufwendungen seien der Gemeinde somit nicht in Erfüllung ihrer Aufgabe als Erschließungsträgerin im Sinne des § 123 Abs. 1 BBauG entstanden. Zudem sei dem Begriff der „erstmaligen Herstellung“ grundsätzlich eine neuwertige Erschließungsanlage mit einer entsprechenden Lebensdauer immanent. Die zum Erschließungsbeitrag herangezogenen Eigentümer der erschlossenen Grundstücke dürften nach der Errichtung der Erschließungsanlage in der Regel damit rechnen, bis zum Ablauf der normalen Lebensdauer von weiteren Anliegerbeiträgen verschont zu bleiben. Werde dagegen eine zehn oder mehr Jahre alte Gemeindeverbindungsstraße zu einer Erschließungsanlage umgestuft, so sei sie in absehbarer Zeit erneuerungsbedürftig. Allerdings wäre es mit dem Wesen des den Beitrag erst rechtfertigenden Sondervorteils schwerlich vereinbar, wenn die Anlieger in vergleichsweise kurzer Zeit zweimal für die betreffende Anlage zu Beiträgen herangezogen werden würden, obwohl diese während eines erheblichen Zeitraums nicht der Erschließung ihrer Grundstücke gedient habe.
76
Das OVG des Saarlandes hat in seinem Beschluss vom 23. November 1992 (1 W 46/92 – juris (nur Leitsatz) ansonsten n.v.) hinsichtlich einer gemeindlichen Verbindungsstraße im Außenbereich, die sich aufgrund eines Bebauungsplanes in eine Anbaustraße gewandelt hat und bei der im Zeitpunkt der Umwandlung das Bauprogramm noch nicht erfüllt und die Straße als Anbaustraße noch nicht endgültig hergestellt war, entschieden, dass die Kosten, die der Gemeinde für die vor der Umwandlung durchgeführten Baumaßnahmen an dieser Straße entstanden sind, „wahrscheinlich“ keine Berücksichtigung finden dürfen. Dies wird damit begründet, dass diese Kosten nicht für die Herstellung einer Erschließungsanlage entstanden seien, sondern aufgewendet worden seien, um eine erschließungsbeitragsfreie Gemeindeverbindungsstraße herzustellen. Zwar sei diese Verbindungsstraße nach der Funktionsänderung im Wesentlichen als Anbaustraße übernommen worden und dadurch seien Aufwendungen erspart worden, die entstanden wären, hätte eine völlig neue Anbaustraße angelegt werden müssen; das, was eine Gemeinde erspare, weil sie im Zusammenhang mit der Herstellung einer Erschließungsanlage einen vorhandenen Bestand nutzen könne, sei jedoch grundsätzlich nicht erschließungsbeitragsfähig. Es sei anerkannt, dass der Wert einer gemeindlichen Fläche, die für die Anlegung einer Anbaustraße Verwendung finde, dann nicht zum erschließungsbeitragsfähigen Aufwand gehöre, wenn sich an derselben Stelle bereits zuvor eine öffentliche Straße befunden habe. Nichts anderes dürfe für Herstellungskosten gelten. Was insoweit aufgewandt worden sei, bevor eine Straße eine Erschließungsfunktion erhalten habe, erscheine selbst dann nicht erschließungsbeitragspflichtig, wenn das mit dem entsprechenden Geld Geschaffene später für die Herstellung einer Anbaustraße Verwendung finde.
77
Die Frage nach der Berücksichtigung von Kosten für die Herstellung einer Gemeindeverbindungsstraße bei ihrer Umwandlung in eine Anbaustraße im Rahmen der Beitragsabrechnung sieht Driehaus (Umwandlung einer Verkehrsanlage in eine beitragsfähige Erschließungsanlage, KStZ 2016, 61 ff) unter Bezugnahme auf die dargestellte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des OVG Rheinland-Pfalz und des OVG des Saarlandes differenzierend:
78
Weise die Straße in ihrer Eigenschaft als Außenbereichsstraße nach Abschluss der Bauarbeiten bereits alle technischen Merkmale einer Erschließungsanlage auf, könnten die diesbezüglichen Kosten nach der rechtlichen Umwandlung in eine Anbaustraße nicht im Rahmen der Erschließungsbeitragserhebung berücksichtigt werden. Dies wird mit der Formulierung in § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB begründet, wonach der Erschließungsaufwand nach § 127 die Kosten für i h r e (Hervorhebung durch das Gericht) erstmalige Herstellung umfasse. Diese Vorschrift umfasse mithin nicht die Kosten für die Anlegung einer Außenbereichsstraße. Für Kosten für die Herstellung einer Straße dürften jedoch Erschließungsbeiträge nur erhoben werden, wenn die Gemeinde die Herstellung i n E r f ü l l u n g (Hervorhebung durch das Gericht) einer ihr auferlegten Erschließungspflicht durchgeführt habe (unter Verweis auf § 123 Abs. 1 und § 127 Abs. 1 BauGB). Mit der Herstellung einer Außenbereichsstraße erfülle die Gemeinde jedoch keine Erschließungslast im Sinne des § 123 Abs. 1 BauGB. Sei aber die Außenbereichsstraße im straßenbeitragsrechtlichen Sinne endgültig erstellt, habe die Gemeinde einen sowohl tatsächlich als auch abgabenrechtlich abgeschlossenen Tatbestand geschaffen. Die Anlieger dieser Verkehrsanlagen könnten schutzwürdig darauf vertrauen, dass nicht zu ihren Lasten dadurch in diesen abgeschlossenen Tatbestand eingegriffen werde, dass allein durch den Erlass eines Bebauungsplans die erschießungsbeitragsfreie Außenbereichsstraße nachträglich in eine erschließungsbeitragsfähige Anbaustraße umgewandelt werde.
79
Weise demgegenüber die Straße in ihrer Eigenschaft als Außenbereichsstraße nicht alle technischen Merkmale einer Erschließungsanlage auf, auch wenn sie den Anforderungen an eine Außenbereichsstraße genüge, sei sie nach der Umwandlung in eine Anbaustraße unter dem Blickwinkel einer erschließungsbeitragsrechtlich erstmaligen endgültigen Herstellung (§ 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB) neu zu beurteilen. Denn in dieser Konstellation fehle es an einem tatsächlich und abgabenrechtlich abgeschlossenen Tatbestand. Die Gemeinde habe bei den nach der Umwandlung in eine Anbaustraße anstehenden Ausbauarbeiten das Ziel im Blick, eine beitragsfähige Erschließungsanlage erstmals endgültig herzustellen. Sie knüpfe dabei an den bestehenden Zustand der bisherigen Außenbereichsstraße an. Dadurch beziehe sie die Herstellungsarbeiten, die zu dem bisherigen Zustand der vormaligen Außenbereichsstraße geführt hätten, erstmalig zu Herstellungsarbeiten ein und setze sie fort. Damit mache sie die seinerzeitigen Herstellungsarbeiten im Rahmen ihrer Erschließungsaufgabe zu Arbeiten zur erstmaligen Herstellung der beitragsfähigen Anbaustraße mit der Folge, dass der entsprechende Aufwand als Kosten der erstmaligen Herstellung einer beitragsfähigen Erschließungsanlage zurechenbar werde.
80
Das Gericht kann sich keiner dieser Rechtsmeinungen in vollem Umfang anschließen.
81
In dem Fall, in dem eine nach dem Willen der Gemeinde endgültig hergestellte Außenbereichsstraße zu einer Anbaustraße wird, ist ihr Zustand unter dem Blickwinkel einer erschließungsbeitragsrechtlichen erstmaligen endgültigen Herstellung erneut zu beurteilen (BayVGH, B.v. 18.8.2017 – 6 ZB 17.845 – juris Leitsatz 1 und Rn. 7).
82
Nach Art. 5a KAG, § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB umfasst der Erschließungsaufwand für Erschließungsanlagen die Kosten für i h r e (Hervorhebung durch das Gericht) erstmalige Herstellung einschließlich der Einrichtungen für ihre Entwässerung und Beleuchtung.
83
Die Verwendung des Wortes „ihre“ in dieser Bestimmung macht deutlich, dass die Kosten zweckgerichtet zur Herstellung einer Erschließungsanlage aufgewendet worden sein müssen, um hernach gemäß Art. 5a KAG i.V.m. § 127 Abs. 1 BauGB einen Erschließungsbeitrag erheben zu können. Wendet die Gemeinde jedoch zielgerichtet finanzielle Mittel auf, um eine Außenbereichsstraße herzustellen, hat sie gerade nicht das Ziel, eine Erschließungsanlage zu errichten. Es entstehen damit gerade keine Kosten für die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage. Entgegen der dargestellten Argumentation von Driehaus können die zielgerichtet für die Herstellung einer Außenbereichsstraße aufgewendeten Kosten auch nicht nach der rechtlichen Umwandlung dieser Außenbereichsstraße in eine Anbaustraße zu Kosten von deren erstmaliger Herstellung „umgewidmet“ werden. Denn die Zielbestimmung bei der Aufwendung dieser Kosten, eine Außenbereichsstraße herzustellen, ist endgültig und nach Abschluss der Arbeiten nicht mehr veränderbar. Ist aufgrund der Aufwendung von Kosten das Ziel erreicht, kann dieser Aufwendung von Kosten nicht im Nachhinein ein anderes Ziel „untergeschoben“ werden bzw. das Ziel ausgetauscht werden. Denn ist die Entscheidung eines kommunalen Gremiums vollständig umgesetzt worden, so kann die Entscheidung nicht rückwirkend durch eine andere ersetzt werden. Wollte man dies anders sehen, entstünde die Gefahr willkürlichen Handelns, auf das kein Verlass wäre. Dies bedeutet konkret, dass der Anlieger an einer Außenbereichsstraße sich bei für ihn kostenfreien Arbeiten an dieser Straße darauf verlassen können muss, dass er nicht im Nachhinein für diese Arbeiten finanziell belastet wird.
84
Deshalb ist nach Auffassung des Gerichts eine nachträgliche Zweckänderung einer abgeschlossenen Investition für die Herstellung einer Außenbereichs straße nicht zulässig und derartige Kosten sind – auch im Nachhinein – nicht Kosten für die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage.
85
Ist jedoch Art. 5a KAG i.V.m. § 128 Abs. 1 Satz 1 BauGB auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, so erfüllt er den Tatbestand des Art. 5a KAG i.V.m. § 128 Abs. 1 Satz 2 BauGB. Nach dieser Vorschrift umfasst der Erschließungsaufwand auch den Wert der von der Gemeinde aus ihrem Vermögen bereitgestellten Flächen im Zeitpunkt der Bereitstellung. Denn die Beklagte hatte zum Zweck der Herstellung der streitgegenständlichen Erschließungsanlage auf der Grundlage des Bebauungsplans H* … Weg EF diejenige Fläche bereitgestellt, auf der sich bereits eine Gemeindeverbindungsstraße befand. Damit erfolgte die Bereitstellung dieser Fläche einschließlich der darauf befindlichen Gemeindeverbindungsstraße, die fest mit dem Grund und Bodenverbunden war (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB). Demzufolge muss auf der Grundlage von Art. 5a KAG i.V.m. § 128 Abs. 1 Satz 2 BauGB der Wert dieser Fläche einschließlich der darauf befindlichen Straße im Rahmen der beitragsfähigen Kosten berücksichtigt werden.
86
Wird allerdings eine solche Fläche vor ihrer Bereitstellung für die Herstellung einer Erschließungsanlage bereits z.B. als Außenbereichsstraße für Verkehrszwecke genutzt, so ist regelmäßig kein Wert anzusetzen. Wird nämlich eine Außenbereichsstraße in eine Anbaustraße umgewandelt, so erleidet die Gemeinde hinsichtlich der bereits zuvor als Straße verwandten Flächen keinen Vermögensverlust und hat daher auch keinen beitragsfähigen Aufwand (BayVGH, B.v. 22.7.2015 – 6 ZB 13.3286 – juris Rn. 10; VG München, U.v. 2.7.2013 – M 2 K 13.965 – juris Rn. 29; Schmitz, Erschließungsbeiträge 2018, § 8 Rn. 19 m.w.N.; Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand: 1.5.2024, 75. AL, 19. Update, Rn. 160). Damit kann es dahinstehen, ob Flächen im Eigentum der Beklagten, die für eine Außenbereichsstraße verwendet werden, trotz ihrer öffentlichen Zweckbestimmung überhaupt zum allgemeinen Liegenschaftsvermögen zählen und deshalb für eine Erschließungsanlage bereitgestellt werden können oder nicht (BayVGH, a.a.O., Rn. 10 m.w.N.).
87
Hat aber die im Sinne des Art. 5a KAG i.V.m. § 128 Abs. 1 Satz 2 BauGB bereitgestellte Grundstücksfläche als Verkehrsfläche an sich keinen zu berücksichtigenden Wert, so gilt dies auch für das Bauwerk, das fest mit dieser Fläche verbunden ist, nämlich für die darauf befindliche Gemeindeverbindungsstraße. Diese hat somit ebenfalls keinerlei Verkehrswert, der im Rahmen des Art. 5 KAG i.V.m. § 127 Abs. 1 BauGB als Aufwand für die Herstellung einer Erschließungsanlage im Rahmen eines Erschließungsbeitrags berücksichtigt werden könnte. Damit sind die im Jahr 1968 für die Errichtung des Straßenkörpers der vormaligen Gemeindeverbindungsstraße aufgewendeten Kosten im vorliegenden Fall nicht in die beitragsfähigen Kosten einzubeziehen.
88
h) Demgegenüber sind die im Jahr 2020 entstandenen Kosten für die Erneuerung der Fahrbahndecke einschließlich der Setzung von Randsteinen und des Baus einer Entwässerungsrinne auf der nördlichen Fahrbahnseite im Rahmen der beitragsfähigen Kosten berücksichtigungsfähig.
89
Im Rahmen der im Jahr 2020 durchgeführten Bauarbeiten hat die Beklagte die Fahrbahndecke im gesamten Straßenzug der vormaligen Gemeindeverbindungsstraße von Ho* … bis H* … mit Gesamtkosten von 190.000,75 EUR erneuert. Die Beklagte hat – von der Klägerseite unwidersprochen und für das Gericht nachvollziehbar – errechnet, dass hiervon 7,228311% auf die streitgegenständliche Erschließungsanlage fallen, demzufolge also 13.739,21 EUR. Hierbei handelt es sich um Kosten der erstmaligen endgültigen Herstellung der Fahrbahn der streitgegenständlichen Erschließungsanlage auf der Grundlage des von der Beklagten gemäß Art. 5a KAG i.V.m. § 128 Abs. 1 Satz 2 BauGB eingebrachten Fahrbahnunterbaus.
90
In diesem Zusammenhang erfolgte auch die Setzung von Randsteinen mit Entwässerungsrinne auf der nördlichen Fahrbahnseite mit Kosten in Höhe von 17.107,00 EUR (Gerichtsakte Bl. 275 und Bl. 276/279). Diese Kosten sind in den von der Beklagten veranschlagten Gesamtkosten von 181.969,80 EUR (vgl. oben a)) enthalten.
91
i) Hieraus ergeben sich insgesamt folgende beitragsfähigen Kosten:
Kosten für Bauarbeiten nördlich der Fahrbahn: 143.164,51 EUR
Deckenerneuerung im Jahr 2020: 13.739,21 EUR
Gehweg südlich der Fahrbahn: 3.103,52 EUR
Straßenbeleuchtung: 1.606,61 EUR
92
4. Vom beitragsfähigen Aufwand ist gemäß Art. 5a KAG i.V.m. § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB, § 5 EBS ein Eigenanteil von 10%, also von 16.161,39 EUR abzuziehen, so dass die Beklagte der Beitragserhebung insoweit zu Recht einen umlagefähigen Aufwand in Höhe von 145.452,46 EUR zugrunde gelegt hat. Lediglich soweit die Beklagte diesen Betrag überschritten und stattdessen einen umlagefähigen Aufwand von 163.772,82 EUR angesetzt, ist dies fehlerhaft.
93
5. Zu Recht hat die Beklagte im Rahmen der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes die Grundstücke Fl.Nrn. …77/5, …78/2, …78/3, …78/4 und …79/2 berücksichtigt. Zu Unrecht hat sie jedoch auch das Grundstück Fl.Nr. …77/4 berücksichtigt, demgegenüber zu Unrecht nicht die Grundstücke Fl.Nrn …85/1 und …84/13.
94
Nach Art. 5a KAG i.V.m. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Damit umschreibt der Gesetzgeber typisierend und pauschalierend eine bestimmte Beziehung zwischen der jeweiligen Erschließungsanlage und einer bestimmten Grundstücksfläche, welche die Möglichkeit einer qualifizierten Inanspruchnahme eröffnet und damit einen besonderen Vorteil begründet, der die Beteiligung an den Herstellungskosten rechtfertigt. Ob von dem Sondervorteil Gebrauch gemacht wird, die jeweilige Anlage also vom Grundstück aus tatsächlich genutzt wird, ist dabei unerheblich (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 13 Rn. 4). Dabei ist grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen Begriff des Grundstücks im Sinne des Grundbuchrechts, also vom sogenannten formellen Grundstücksbegriffs auszugehen. Zum Kreis der durch die Erschließungsanlage erschlossenen Grundstücke gehören ausschließlich solche, die baulich, gewerblich oder in vergleichbarer Weise nutzbar sind oder zumindest die Aussicht darauf haben, es zu werden.
95
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat die Beklagte zu Recht die Grundstücke Fl.Nrn. …77/5, …78/2, …78/3, …78/4 und …79/2 bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes berücksichtigt, da diese Grundstücke bebaubar sind und unmittelbar an der streitgegenständlichen Erschließungsanlage gelegen sind, also von ihr erschlossen werden. Demgegenüber ist Grundstück Fl.Nr. …77/4 nicht mehr an der streitgegenständlichen Erschließungsanlage gelegen, sondern vielmehr an der Erschließungsanlage H* … Straße, die sich von der Kreuzung F* …straße/S* …straße/H* … Straße bis zur Verknüpfung H* … Straße/ …B* …-Straße erstreckt.
96
Demgegenüber sind die Grundstücke Fl.Nrn. …85/1 und …84/13 entgegen der bisherigen Abrechnung der Beklagten in den Kreis der zu berücksichtigenden Grundstücke einzubeziehen, auch wenn diese durch einen Grünstreifen von der Fahrbahn der Erschließungsanlage getrennt sind.
97
Ein Grundstück wird durch eine Anbaustraße erschlossen, wenn ihm durch diese Straße eine Bebaubarkeit oder eine erschließungsbeitragsrechtlich gleichstehende Nutzbarkeit vermittelt wird; und es ist erschlossen nur, soweit diese Voraussetzung vorliegt (BVerwG, U.v. 4.10.1990 – 8 C 1.89 – KStZ 1991, 31, 32). Die verkehrliche Erschließung eines Grundstücks erfordert im Grundsatz eine Erreichbarkeit dergestalt, dass an ein Grundstück herangefahren werden kann, soweit nicht das Bebauungsrecht ausnahmsweise weniger, nämlich eine Erreichbarkeit lediglich für Fußgänger (Zugang), genügen lässt oder mehr verlangt, nämlich eine Erreichbarkeit in Form der Möglichkeit, mit Kraftfahrzeugen auf das Grundstück herauffahren zu können (Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 17 Rn. 73 ff.; Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 13 Rn. 53 ff.). Herangefahren werden kann an ein Anliegergrundstück mit Kraftwagen regelmäßig dann, wenn auf der Fahrbahn einer öffentlichen Straße bis zur Höhe des Grundstücks mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen gefahren, dort gehalten und von da ab gegebenenfalls über einen Gehweg oder einen Radweg das Grundstück ohne Weiteres betreten werden kann (BVerwG, U.v. 1.3.1991 – 8 C 59.89 – BVerwGE 88, 70; BayVGH, U.v. 14.11.2013 – 6 B 12.704 – juris Rn. 25).
98
Die Frage des Erschlossenseins eines Grundstücks hängt dabei in erster Linie davon ab, welche Anforderungen an die Form der Erreichbarkeit zu stellen sind. Dies wird wesentlich vom Bebauungsrecht bestimmt. Hierbei ist auf den festgesetzten oder faktischen Gebietscharakter abzustellen. In Wohngebieten genügt das Heranfahrenkönnen, unter Umständen bereits die bloße Zugänglichkeit. Grundstücke in Gewerbegebieten und Industriegebieten sind demgegenüber in der Regel nur erschlossen, wenn die Anbaustraße auch die Möglichkeit bietet, mit Lastkraftwagen auf das Grundstück heraufzufahren (BVerwG, B.v. 9.1.2013 – 9 B 33.12 – juris Rn. 5 m.w.N., U.v. 27.9.2006 – 9 C 4.05 – BVerwGE 126, 378; BayVGH, U.v. 6.6.2019 – 6 B 19.246 – juris Rn. 19; B.v. 9.2.2010 – 6 ZB 08.393 – juris Rn. 5; Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 13 Rn. 56 m.w.N.; Driehaus, Hindernisse im Erschließungs- und im Straßenbaubeitragsrecht, KStZ 2024, 61 ff.).
99
Ist zwischen der Fahrbahn und dem betreffenden Grundstück ein unbefestigter Grünstreifen gelegen, so wird, soweit er eine ortsübliche Breite aufweist, regelmäßig das fußläufige Überqueren dieses Grünstreifens vom Umfang der Widmung zur allgemeinen öffentlichen Nutzung gedeckt sein (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 13 Rn. 63).
100
Bezüglich Grundstück Fl.Nr. …85/1 ergibt sich die fußläufige Erreichbarkeit schon daraus, dass dieses Grundstück unmittelbar an den zur streitgegenständlichen Erschließungsanlage gehörigen Gehweg angrenzt. Konsequenterweise hat die Beklagte das Grundstück Fl.Nr. …85/1 im Rahmen der Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Straße … … Z* … lediglich mit zwei Dritteln berücksichtigt, dies mit der Erwartung, dass im Rahmen der Abrechnung der streitgegenständlichen Erschließungsanlage ebenfalls ein Erschließungsbeitrag zu Lasten dieses Grundstücks erhoben wird.
101
Die fußläufige Erreichbarkeit des in einem allgemeinen Wohngebiet gelegenen Grundstücks Fl.Nr. …84/13 ergibt sich daraus, dass auf der streitgegenständlichen Erschließungsanlage an dieses Grundstück herangefahren werden kann und ein Betreten über den zwischen der Fahrbahn und dem Grundstück gelegenen Grünstreifen möglich ist. Aus der Widmung der streitgegenständlichen Anlage (vgl. Bl. 170 der Gerichtsakte) sind keine entsprechenden rechtlichen Hindernisse für das fußläufige Überqueren dieses Grünstreifens erkennbar, ebenso nicht aus dem Bebauungsplan H* … Weg EF, wonach dieser Grünstreifen als öffentliche Grünfläche festgesetzt ist. Die im Zusammenhang mit dieser öffentlichen Grünfläche mit Pflanzgebot festgesetzten Einzelbäume hindern ein fußläufiges Überqueren dieses Grünstreifens nicht. Darüber hinaus hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung keine Einwendungen gegen das fußläufige Überqueren dieser öffentlichen Grünfläche vorgebracht. Auch der flache Straßengraben (Entwässerungsrinne) hindert ein fußläufiges Überqueren nicht; darüber hinaus ist nichts erkennbar, was einer Überbrückung des Straßengrabens entgegenstehen könnte.
102
Demgegenüber ist Grundstück Fl.Nr. …87/3 bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes nicht zu berücksichtigen, da dieses Grundstück lediglich punktförmig an die streitgegenständliche Erschließungsanlage angrenzt. Denn um von der betreffenden Erschließungsanlage erschlossen zu sein, muss das Grundstück in ausreichender Breite hieran angrenzen (BayVGH, B.v. 27.11.2014 – 6 ZB 12.2446 – juris Rn. 10). Die Abgrenzung der streitgegenständlichen Erschließungsanlage von der Erschließungsanlage …B* …-Straße ergibt sich – wie bereits oben ausgeführt – auch aus der Abgrenzung zwischen dem Teilbebauungsplan Ho* … EF, AE01 und dem Bebauungsplan H* … Weg EF. Hieraus ergibt sich, dass das Grundstück Fl.Nr. …87/3 lediglich an die Erschließungsanlage …B* …-Straße angrenzt und mit seiner östlichen Grundstücksecke die streitgegenständliche Erschließungsanlage lediglich punktförmig berührt.
103
6. Die Beklagte hat den umlagefähigen Aufwand der Grundstücke Fl.Nrn. …77/4, …77/5, …78/2, …78/3, …78/4 und …79/2 und der in der Erschließungsbeitragssatzung vorgegebenen Verteilungsregelung auf insgesamt 4.213 m² verteilt. Demgegenüber gelangt das Gericht unter Berücksichtigung des oben dargestellten Kreises der beitragspflichtigen Grundstücke und der in der Erschließungsbeitragssatzung vorgegebenen Verteilungsregelung zu dem Ergebnis, dass sich die Gesamtverteilungsfläche auf 4.207 m² beläuft.
104
Die Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes ist in § 6 EBS wie folgt geregelt:
105
Bei zulässiger gleicher Nutzung des Grundstückes wird der umlagefähige Aufwand auf die Grundstücke des Abrechnungsgebietes nach den Grundstücksflächen verteilt (§ 6 Abs. 1 EBS). Ist in einem Abrechnungsgebiet eine unterschiedliche bauliche oder sonstige Nutzung zulässig, wird der umlagefähige Aufwand auf die Grundstücke des Abrechnungsgebietes unter Berücksichtigung von im Einzelnen benannter Nutzungsfaktoren verteilt (§ 6 Abs. 2 EBS). Für Grundstücke, die von mehr als einer Erschließungsanlage im Sinne des Art. 5a KAG i.V.m. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB erschlossen werden, ist die Grundstücksfläche bei der Abrechnung jeder Erschließungsanlage nur mit zwei Dritteln anzusetzen (§ 7 Satz 1 EBS). Hier nicht einschlägige Ausnahmen sind in § 7 Satz 2 EBS geregelt.
106
Auf dieser Grundlage ist im vorliegenden Fall der umlagefähige Aufwand auf die oben genannten Grundstücke des Abrechnungsgebietes allein nach den Grundstücksflächen gemäß § 6 Abs. 1 EBS zu verteilen, da alle Grundstücke im Rahmen des Bebauungsplans H* … Weg EF in gleicher Weise genutzt werden dürfen.
107
Allerdings wird Grundstück Fl.Nr. …77/5 nicht ausschließlich durch die streitgegenständliche Erschließungsanlage erschlossen, sondern zusätzlich durch die Erschließungsanlage H* … Straße, welche an der Kreuzung F* …straße/S* …straße/H* … Straße beginnt und an der Verknüpfung mit der …B* …-Straße endet. Demzufolge ist bei der Abrechnung die Fläche dieses Grundstückes lediglich mit zwei Dritteln anzusetzen. Gleiches gilt für die Grundstücke Fl.Nrn. …85/1 und …84/13, welche zusätzlich zur streitgegenständlichen Erschließungsanlage durch die Erschließungsanlage … … Z* … erschlossen sind.
108
Einzelheiten ergeben sich aus folgender Zusammenstellung:
Fl.Nr.
|
Fläche
|
Mehrfacherschließung
|
Zu berücksichtigende Fläche
|
9277/5
|
735 m²
|
ja
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490 m²
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9278/2
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713 m²
|
nein
|
713 m²
|
9278/3
|
665 m²
|
nein
|
665 m²
|
9278/4
|
680 m²
|
nein
|
680 m²
|
9279/2
|
645 m²
|
nein
|
645 m²
|
9285/1
|
724 m²
|
ja
|
482,67 m²
|
9284/13
|
797 m²
|
ja
|
531,33 m²
|
gesamt
|
|
|
4.207,00 m²
|
109
7. Aus alledem errechnet sich ein Beitragssatz in Höhe von 34,573914 EUR pro m².
110
8. Die sachliche Beitragspflicht ist am 30. November 2020 entstanden.
111
Gemäß Art. 5a KAG i.V.m. § 133 Abs. 2 Satz 1, Halbs. 1 BauGB entsteht die Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Dies bedeutet, dass sie technisch endgültig fertiggestellt und damit erstmals hergestellt ist. Sämtliche gemäß § 8 EBS vorgegebenen Teileinrichtungen müssen vorhanden sein und auch das konkrete für die Anlage (auch formlos) vorhandene Bauprogramm muss in vollem Umfang erfüllt sein. Solange die Anlage hinter dem Bauprogramm zurückbleibt, ist sie noch nicht endgültig hergestellt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Gemeinde ein weitergehendes Bauprogramm aufgibt (vgl. zu allem Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 15 Rn. 5 und Rn. 6). Eine weitere Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht ist, dass die Beitragshöhe berechnet werden kann. Damit muss die Größe der erschlossenen Grundstücksflächen quadratmetergenau und die Höhe des auf diese Flächen umzulegenden Aufwands centgenau feststehen bzw. bestimmbar sein. Letzteres ist dann möglich, wenn die letzte Unternehmerrechnung bei der Gemeinde eingegangen ist (Schmitz, a.a.O., § 15 Rn. 7 bis Rn. 9). Zudem muss eine gültige Erschließungsbeitragssatzung vorhanden sein, die Anlage muss gewidmet sein und es muss eine Rechtsgrundlage für ihre Herstellung nach Maßgabe des § 125 BauGB existieren (vgl. zu allem Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 15 Rn. 5 ff. u. Rn. 15).
112
Das im Bebauungsplan H* … Weg EF enthaltene Bauprogramm ist vollständig umgesetzt worden. Die streitgegenständliche Erschließungsanlage ist technisch endgültig fertiggestellt. Dies gilt auch für sämtliche in § 9 EBS vorgegebenen Teileinrichtungen.
113
Die letzte Unternehmerrechnung ist am 30. November 2020 bei der Beklagten eingegangen.
114
Die streitgegenständliche Anlage ist am 26. November 1991 als Gemeindeverbindungsstraße gewidmet worden (Gerichtsakte Bl. 170). Dies ist hinreichend für die Begründung ihrer Eigenschaft als „öffentliche“ Verkehrsanlage. Einer nochmaligen Widmung als Ortsstraße bedarf es nicht, um die Erschließungsbeitragspflichten entstehen zu lassen (BayVGH, B.v. 28.4.2022 – 6 ZB 21.760 – juris Rn. 10; Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 6 Rn. 22).
115
9. Die Klägerin ist als Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. …87/2 persönlich beitragspflichtig. Denn gemäß Art. 5a KAG i.V.m. § 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist derjenige, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheids Eigentümer des Grundstücks ist, beitragspflichtig.
116
Zwar hat die Beklagte den Zugang des Erschließungsbeitragsbescheides vom 6. September 2021 bei der Klägerin weder dokumentiert noch dessen Aufgabe zur Post festgehalten; allerdings hat die Klägerin mit Mail vom 28. September 2021 an die Beklagte bestätigt, diesen Bescheid erhalten zu haben. Zu dieser Zeit war die Klägerin (noch) Eigentümerin des Grundstücks. Zwar hat sie das Grundstück Fl.Nr. …78/2 mit notariellem Kaufvertrag vom 23. September 2021 verkauft, allerdings ist erst am 25. November 2021 der neue Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden (vgl. Gerichtsakte Blatt 294 ff.), so dass die Klägerin im Zeitpunkt der Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheides noch Grundstückseigentümerin und damit Beitragspflichtige war.
117
10. Die Geltendmachung des Erschließungsbeitrages ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist § 169 AO mit der Maßgabe anzuwenden, dass über Abs. 1 Satz 1 hinaus die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist. Bei dieser Frist handelt es sich nicht um eine Verjährungshöchst-, sondern um eine Ausschlussfrist im Sinne einer absoluten zeitlichen Obergrenze (BayVGH, U.v. 16.11.2018 – 6 BV 18.445 – juris Leitsatz 1 und Rn. 28 ff.). Mit dieser Vorschrift ist der bayerische Gesetzgeber dem Regelungsauftrag des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen (B.v. 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08 – BVerfGE 133, 143 ff.), wonach das Rechtsstaatsprinzip Regelungen erfordert, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich – wie der hier in Streit stehende Erschließungsbeitrag – nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Vorschrift gewährleistet eine bestimmbare zeitliche Obergrenze in Gestalt einer Ausschlussfrist, die durch den Eintritt der Vorteilslage ausgelöst wird und nach deren Ablauf eine Beitragserhebung zwingend und ausnahmslos ausscheidet, auch dann, wenn die Beitragsschuld noch nicht entstanden ist und deshalb auch noch nicht hätte festgesetzt werden dürfen und verjähren können (BayVGH, U.v. 24.2.2017 – 6 BV 15.1000 – juris Rn. 29 m.w.N.).
118
Der Begriff der Vorteilslage knüpft an rein tatsächliche, für den möglichen Beitragsschuldner erkennbare Gegebenheiten an und lässt rechtliche Entstehungsvoraussetzungen für die Beitragsschuld außen vor (LT-Drs. 17/370 S. 13). Es kommt dabei auf die tatsächliche – bautechnische – Durchführung der Erschließungsmaßnahme an. Beurteilungsmaßstab ist dabei die konkrete Planung der Gemeinde für die jeweilige Anlage. Damit tritt die Vorteilslage bei einer Anbaustraße dann ein, wenn sie endgültig technisch fertiggestellt ist, d.h. dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm vollständig entspricht (BayVGH, U.v. 24.2.2017 – 6 BV 15.1000 – juris Rn. 31 m.w.N.). Bleibt der Ausbau hinter der Planung zurück, ist zu prüfen, ob die Gemeinde ihre weitergehende Planung – wirksam – aufgegeben hat und den erreichten technischen Ausbauzustand nunmehr als endgültig mit der Folge ansieht, dass mit Aufgabe der Planung die Vorteilslage eingetreten ist.
119
Im vorliegenden Fall ergibt sich das gemeindliche Bauprogramm aus dem Bebauungsplan H* … Weg EF, der vom Gemeinderat am 14. Januar 1993 beschlossen und am 6. Mai 1993 bekannt gemacht worden ist (BayVGH, B.v. 28.3.2023 – 6 CS 23.272 – juris Rn. 17). Hierin sind die Fahrbahn, die Gehwege, die Zufahrten zu den nördlich der Straße gelegenen Grundstücken sowie das Straßenbegleitgrün festgesetzt worden. Zwar hat die Beklagte – wie oben ausgeführt – den Gehweg und die Grünanlage südlich der Fahrbahn bereits im Rahmen der Errichtung der Erschließungsanlage … … Z* … im Jahr 1998 hergestellt; allerdings wurde die nördlich der Fahrbahn gelegene Grünanlage, der dort festgesetzte Gehweg und die Grundstückszufahrten erst im Jahr 2020 technisch fertiggestellt. Gleiches gilt für die Fahrbahn selbst. Entgegen der Behauptung der Klägerseite, allein die Tatsache, dass die Erschließungsanlage über einen längeren Zeitraum nicht weiter gebaut worden sei, führe zur Aufgabe der weiterführenden Planung, geht aus der unveränderten Rechtsgültigkeit des Bebauungsplanes H* … Weg EF die Absicht der Beklagten hervor, die Anlage im ursprünglich vorgesehenen Umfang endgültig herzustellen. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte hierauf verzichtet hätte. Bei unverändert gültigem Bebauungsplan reicht hierfür ein längeres Untätigbleiben der Beklagten nicht aus. Damit kann sich die Klägerin nicht auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG berufen.
120
11. Der Beitragserhebung steht auch nicht Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG entgegen. Nach dieser Vorschrift kann kein Erschließungsbeitrag erhoben werden, sofern seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung einer Erschließungsanlage mindestens 25 Jahre vergangen sind. Dabei stellt der Gesetzgeber auf den Beginn der erstmaligen technischen Herstellung gerade einer Erschließungsanlage und nicht irgendeiner Verkehrsanlage ab. Demnach wird der fristauslösende Beginn nicht durch irgendwelche sichtbaren Bauarbeiten markiert, sondern nur durch solche, die objektiv auf die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage gerichtet sind. Dabei geht es um den Beginn des sichtbaren technischen Ausbaus („erster Spatenstich“), an dessen Ende die jeweilige Erschließungsanlage in der gesamten vorgesehenen Ausdehnung mit sämtlichen vorgesehenen Teileinrichtungen erstmals hergestellt ist. Die Frage nach dem Beginn kann ebenso wie diejenige nach dem Ende der erstmaligen technischen Herstellung allein danach beurteilt werden, welche Planung die Gemeinde als Trägerin der Erschließungsaufgabe verfolgt. Maßgeblich ist also das auf die konkrete Anlage bezogene Bauprogramm (BayVGH, U.v. 27.11.2023 – 6 BV 22.306 – juris Rn. 29; B.v. 5.2.2024 – 6 ZB 23.1545 – juris Rn. 13 bis 14, jeweils m.w.N.).
121
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte an der Fahrbahn der streitgegenständlichen Erschließungsanlage zwar bereits im Jahr 1968 im Rahmen der erstmaligen endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage …B* …-Straße Baumaßnahmen vorgenommen; allerdings handelte es sich zu diesem Zeitpunkt noch um eine reine Außenbereichsstraße, ohne dass bereits eine Planung für die Herstellung einer Erschließungsanlage existiert hätte. Insbesondere der Bebauungsplan H* … Weg EF vom 12. Januar 1993 war zu diesem Zeitpunkt noch nicht existent. Bauarbeiten an einer beidseitig durch den Außenbereich verlaufenden Gemeindeverbindungsstraße können jedoch nicht den Beginn der 25-Jahresfrist des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG auslösen (BayVGH, U.v. 27.11.2023 – 6 BV 22.306 – juris Rn. 29). Nach der Aufstellung des Bauprogramms mittels des Bebauungsplans H* … Weg EF wurden die ersten Baumaßnahmen im Rahmen der Herstellung der Erschließungsanlage … … Z* … vorgenommen, nämlich die Herstellung des südlich der Fahrbahn der streitgegenständlichen Erschließungsanlage gelegenen Gehwegs und der dortigen Grünanlage. Sind diese Arbeiten aber erst im Jahr 1998 erfolgt, ist die 25-Jahresfrist im Zeitpunkt des Erlasses des Erschließungsbeitragsbescheides vom 6. September 2021 noch nicht abgelaufen.
122
12. Damit ist das klägerische Grundstück dem Grunde nach beitragspflichtig und es ist eine Beitragspflicht in Höhe von 24.651,20 EUR (713 m² x 34,573914 EUR pro m²) entstanden, die auch noch im für die Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Zeitpunkt des letzten Behördenentscheidung geltend gemacht werden kann.
123
13. Der angegriffene Erschließungsbeitragsbescheid vom 6. September 2021 ist inhaltlich hinreichend bestimmt.
124
Ein derartiger Beitragsbescheid muss in seinem verfügenden Teil erkennen lassen, von wem was für welche Maßnahme und für welches Grundstück gefordert wird. Den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes ist genügt, wenn der Betroffene aus dem gesamten Inhalt des Bescheides Klarheit über diese Fragen gewinnen kann (Schmitz, Erschießungsbeiträge, 2018, § 17 Rn. 11 bis Rn. 12).
125
Der Erschließungsbeitragsbescheid vom 6. September 2021 erfüllt diese Voraussetzungen, insbesondere benennt er hinreichend die beitragspflichtige Erschließungsanlage. Er enthält den Betreff „Erschließungsbeitrag Baugebiet H* … Weg Nord“ und führt in seiner Begründung aus, die H* … Straße mit den neu geschaffenen Wegen und Grünflächen diene als Erschließungsanlage der Erschließung der Baugrundstücke H* … Straße … bis … Auch wenn die Beklagte hierbei zu Unrecht das Grundstück Fl.Nr. …77/4 (Hausnr. **) erwähnt und die Anlage damit im Detail nicht zur Gänze korrekt abgegrenzt hat, wird aus dem gesamten Zusammenhang deutlich, für welche Erschließungsanlage der Erschließungsbeitrag erhoben werden soll. Demgegenüber ist die im Bescheid nicht zum Ausdruck kommende von der Beklagten in Erwägung gezogene Möglichkeit, Erschließungsanlage sei allein der neu geschaffene Gehweg einschließlich der Grundstückszufahrten und der Grünanlage ohne die Fahrbahn, ohne Belang.
126
Allerdings hat die Beklagte mit dem angegriffenen Bescheid vom 6. September 2021 einen Erschließungsbeitrag i.H.v. 27.714,31 EUR festgesetzt und zur Zahlung einen Monat nach Bekanntgabe des Beitragsbescheides fällig gestellt. Demgegenüber ist – wie oben ausgeführt – ein Erschließungsbeitrag von lediglich 24.651,20 EUR entstanden. Soweit also der Bescheid vom 6. September 2021 einen höheren Beitrag als 24.651,20 EUR festsetzt und einen Zahlungsbefehl in selber Höhe ausspricht, ist er rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). In Höhe von 24.651,20 EUR erweist sich der angegriffene Bescheid jedoch als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit war der Klage stattzugeben, soweit ein höherer Beitrag als 24.651,20 EUR festgesetzt und ein entsprechender Zahlungsbefehl ausgesprochen worden ist. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
127
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO bzw. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils bezieht sich gemäß § 167 Abs. 2 VwGO allein auf die Kosten.