Titel:
Rundfunkbeitrag, Barzahlung, Säumniszuschläge, Vollstreckungskosten
Normenketten:
RBStV § 2
RBStV § 10
RBStV § 9
Rundfunkbeitragssatzung § 13
ZPO § 788
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag, Barzahlung, Säumniszuschläge, Vollstreckungskosten
Fundstelle:
BeckRS 2024, 19192
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich im Wesentlichen gegen die konkrete Form der Heranziehung zum Rundfunkbeitrag und die dadurch im weiteren entstandenen Säumnis- und Vollstreckungskosten.
2
Der Kläger ist Inhaber einer Wohnung in M* … und unstreitig rundfunkbeitragspflichtig.
3
Mit Schreiben vom … August 2020 und … Januar 2021 kündigte der Kläger unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.03.2019, Az. 6 C 6.18, sowie § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG dem Beklagten an, seine Beitragszahlungen für 2021 aufgrund fehlender Barzahlungsmöglichkeit einzustellen.
4
Der Beklagte lehnte eine Barzahlung mit Schreiben vom 18. Januar 2021 und 5. Februar 2021 ab und bestand auf bargeldlose Bezahlung.
5
Mit Festsetzungsbescheid vom 3. Mai 2021 setzte der Beklagte Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 1/2021 bis 3/2021 sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von 8 EUR, insgesamt 60,50 EUR, fest.
6
Mit Schreiben vom … Mai 2021 wies der Kläger den Beklagten darauf hin, dass er zahlungswillig und zahlungsfähig sei und dieser ihm eine Bank zur Bareinzahlungen nennen soll, damit er zahle.
7
Mit Festsetzungsbescheid vom 2. Juli 2021 setzte der Beklagte Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 4/2021 bis 6/2021 sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von 8 EUR, insgesamt 60,50 EUR, fest.
8
Mit Festsetzungsbescheid vom 1. Oktober 2021 setzte der Beklagte Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 7/2021 sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von 8 EUR, insgesamt 25,50 EUR, fest.
9
Mit Festsetzungsbescheid vom 3. Januar 2022 setzte der Beklagte Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 8/2021 bis 12/2021 sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von 8 EUR, insgesamt 99,80 EUR, fest.
10
Mit Schreiben vom … Januar 2022 forderte der Kläger erneut eine Barzahlungsmöglichkeit.
11
Mit Schreiben vom 2. Februar 2022 lehnte dies der Beklagte erneut ab.
12
Mit Schreiben vom 17. Februar 2022 mahnte der Beklagte den Kläger zur Zahlung der Festsetzungsbescheide vom 3. Mai 2021, 2. Juli 2021, 1. Oktober 2021 und 3. Januar 2022 in Höhe von insgesamt 246,30 EUR und kündigte die Zwangsvollstreckung an.
13
Mit Festsetzungsbescheid vom 1. April 2022 setzte der Beklagte Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 1/2022 bis 3/2022 sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von 8 EUR, insgesamt 63,08 EUR, fest.
14
Mit Schreiben vom 17. Mai 2022 mahnte der Beklagte den Kläger zur Zahlung des Festsetzungsbescheids vom 1. April 2022 in Höhe von 63,08 EUR und kündigte die Zwangsvollstreckung an.
15
Mit Festsetzungsbescheid vom 1. Juli 2022 setzte der Beklagte Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 4/2022 bis 6/2022 sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von 8 EUR, insgesamt 63,08 EUR, fest.
16
Mit Schreiben vom … August 2022 forderte der Kläger erneut eine Barzahlungsmöglichkeit.
17
Mit Schreiben vom 15. September 2022 mahnte der Beklagte den Kläger zur Zahlung des Festsetzungsbescheids vom 1. Juli 2022 in Höhe von 63,08 EUR und kündigte die Zwangsvollstreckung an.
18
Mit Festsetzungsbescheid vom 4. Oktober 2022 setzte der Beklagte Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 7/2022 bis 9/2022 sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von 8 EUR, insgesamt 63,08 EUR, fest.
19
Mit Schreiben vom 17. November 2022 mahnte der Beklagte den Kläger zur Zahlung des Festsetzungsbescheids vom 4. Oktober 2022 in Höhe von 63,08 EUR und kündigte die Zwangsvollstreckung an.
20
Mit Schreiben vom 2. Januar 2023 ersuchte der Beklagte das Amtsgericht München um Vollstreckung. Dem Vollstreckungsersuchen war ein Ausstandsverzeichnis beigefügt, welches die gemahnten Festsetzungsbescheide vom 3. Mai 2021, 2. Juli 2021, 1. Oktober 2021, 3. Januar 2022, 1 April 2022, 1. Juli 2022 und 4. Oktober 2022 beinhaltete und einen beizutreibenden Betrag in Höhe von insgesamt 435,54 EUR auswies. Keiner der Bescheide war mit Widerspruch oder Anfechtungsklage angegriffen worden.
21
Mit Festsetzungsbescheid vom 2. Januar 2023 setzte der Beklagte Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 10/2022 bis 12/2022 sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von 8 EUR, insgesamt 63,08 EUR, fest.
22
Mit Schreiben vom … Januar 2023 forderte der Kläger erneut eine Barzahlungsmöglichkeit.
23
Mit Schreiben vom 12. Januar 2023 wurde der Kläger vom Gerichtsvollzieher zur Abgabe einer Vermögensauskunft am 14. Februar 2023 geladen. Als zu zahlender Betrag waren neben der Forderung in Höhe von 435,54 Kosten für die Zwangsvollstreckung in Höhe von EUR 52,09 EUR ausgewiesen.
24
Die vom Kläger angestrengte zivilrechtliche Vollstreckungserinnerung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 8. Februar 2023 zurückgewiesen.
25
Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde vom 13. Februar 2023 wurde mit Beschluss des Landgerichts München vom 23. März 2023 verworfen. Verwaltungsgerichtlich wurde gegen die Vollstreckung nicht vorgegangen.
26
Mit Schreiben vom 14. Februar 2023 teilte der Gerichtsvollzieher dem Beklagten mit, dass der Kläger 380 EUR bezahlt habe und hiervon, nach Abzug der Vollstreckungskosten in Höhe von 69,39 EUR, dem Beklagten 310,61 EUR auf die beizutreibende Forderung überwiesen werden. Hinsichtlich der Restforderung in Höhe von 124,93 EUR sei die Vermögensauskunft verweigert worden.
27
Mit Schreiben vom … Februar 2023 teilte der Kläger mit, er habe am … Februar 2023 152,52 EUR an den Beklagten überwiesen. Die Zahlung umfasse Rundfunkbeiträge für die Monate 9/2022 bis 3/2023 sowie 24 EUR Säumniszuschläge. Nach dem ihm nun bekannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.4.22, Az. 6 C 2.21, sei er zur Zahlung per Überweisung bereit und werde auch alle zukünftigen Beitragsschulden überweisen. Hätte man ihn vorher auf das Urteil hingewiesen, hätte er sofort bezahlt. Die Zahlung der Säumniszuschläge für Zeiten vor dem Urteil sowie die Zahlung der Vollstreckungskosten lehne er ab.
28
Die gegen den Beschluss des Landgerichts München vom 23. März 2023 erhobene Anhörungsrüge vom 3. April 2023 wurde mit Beschluss vom 17. April 2023 ebenfalls verworfen. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass weiteres Vorbringen, soweit es keinen rechtserheblichen Inhalt aufweise, nicht mehr verbeschieden werde.
29
Ab Mai 2023 leistete der Kläger eine Vielzahl an Zahlungen an den Beklagten in Höhe von jeweils 3,68 EUR.
30
Mit Festsetzungsbescheid vom 1. Juni 2023 setzte der Beklagte Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 1/2023 bis 3/2023 abzüglich einer dem betreffenden Zeitraum zugeordneten Zahlung in Höhe von 1,27 EUR, insgesamt 53,81 EUR, fest. Als offener Gesamtbetrag wurden 116,89 EUR genannt.
31
Mit Schriftsatz vom … Juni 2023, beim Amtsgericht München eingegangen am 13. Juni 2023, erhob der Kläger Klage gegen den ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice und begehrte die Niederschlagung des als offen ausgewiesenen Betrags von 116,89 EUR sowie hilfsweise, die Feststellung, dass die GEZ die Bundesverwaltungsgerichtsrechtsprechung gebrochen habe sowie, dass die Eintragung aus dem Schuldnerregister gelöscht werde. Nach Anhörung der Beteiligten wurde der Rechtsstreit durch Beschluss des Amtsgerichts München vom 31. August 2023 an das Bayerische Verwaltungsgericht München verwiesen. Hier beantragte der Kläger zuletzt zu erkennen,
32
„zu 1. Leistungsklage, dass die – vermeintlich – offene Beitragsrechnung konkret mit Forderungsposten (Behauptung wahrscheinlich Vollstreckungsgebühren und Mahnkosten bis Mai 2022) vollständig niedergeschlagen und das Beitragskonto als ausgeglichen geführt wird – 116,89 EUR.
33
zu 2. Hilfsantrag als Feststellungsklage, dass der Beitragsservice die Bundesverwaltungsgerichtsrechtsprechung gebrochen hat.
34
zu 4. Das Verwaltungsgericht verpflichtet die volle Rechts- und Geschäftsfähigkeit vom öffentlichen Rundfunk über den Beitragsservice bis hin zum Gerichtsvollzieher aller drei „Institutionen“ aufzuzeigen und die rechtskonformen Bescheide mit nötigen Unterschriften und zu haftenden Personen schriftlich detailliert darzulegen?“
35
Zur Begründung führte der Kläger im Wesentlichen sinngemäß aus, er habe die Rundfunkbeiträge mittlerweile gezahlt. Diese seien auch nicht streitig. Lediglich die Säumnis- und Vollstreckungskosten, die aufgrund fehlender Barzahlungsmöglichkeit entstanden seien, werde er nicht tragen.
36
Der Beklagte legte die Akte vor und beantragte mit Schriftsatz vom 8. November 2024,
38
Zur Begründung wurde vorgetragen, das Klageziel sei bereits nicht klar. Die Zahlungen des Klägers seien gemäß § 9 Abs. 2 Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) i.V.m. § 13 S. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Rundfunkbeitragssatzung) jeweils mit der ältesten offenen Beitragsschuld sowie etwaiger Vollstreckungskosten und Säumniszuschlägen verrechnet worden, sodass die Zahlungen des Klägers zu keinem Zeitpunkt ausreichend gewesen seien, dessen Beitragskonto auszugleichen.
39
Das Gericht wies mit Schreiben vom 19. Oktober 2023 darauf hin, dass die Klage wohl gegen den Bayerischen Rundfunk zu richten sei. Aufgrund eines Versehens der Geschäftsstelle wurde entgegen der richterlichen Verfügung vom 18. Oktober 2023 von Beginn an der Bayerische Rundfunk als Beklagter geführt.
40
Mit Schreiben vom … Oktober 2023 forderte der Kläger das Gericht auf, ihm beglaubigte Unterlagen zu senden und stellte seine Rechtsauffassung sowie die aus seiner Sicht zu klärenden Fragen dar. Das Gericht solle zudem eine Legitimationskette aufzeigen.
41
Mit Schreiben vom … November 2023 attestierte der Kläger der Klageerwiderung des Beklagten einen „Schrottcharakter“. Zudem erneuerte er seine Forderungen an das Gericht und den Beklagten.
42
Mit Hinweis des Gerichts vom 28. November 2023 wurde dem Kläger nochmals erläutert, dass der Beklagte Ausgangspunkt der gegen den Kläger im Rundfunkbeitragsbeitreibungsverfahren ergangenen Maßnahmen ist und der Kläger sein Klageziel sowie den Beklagten benennen soll.
43
Mit Schreiben vom … Dezember 2023 widerholte der Kläger sein Vorbringen und stellte klar, dass seine Klage gegen „Haupt: GEZ“ und „Hilfs: BR (neu)“ gerichtet sei. Zudem ließ er wissen, dass „wenn noch so ein Pamphlet“ komme er die „(-große-) mündliche Verhandlung“ beantrage.
44
Mit Schreiben des Gerichts vom 14. Dezember 2023 hörte das Gericht zur Verweisung an das Verwaltungsgericht Köln an.
45
Mit Schreiben vom … Dezember 2023 beantragte der Kläger mündliche Verhandlung in M* … und äußerte die Auffassung, dass M* … zuständig sei.
46
Mit Schreiben vom … Januar 2024 vertiefte der Kläger im Wesentlichen sein Vorbringen und widerholte seine Forderungen an das Gericht. Zudem rügte er die fehlenden Unterschriften, Auskünfte sowie die Verzögerung durch das Gericht und den Beklagten.
47
Mit Beschluss vom 31. Januar 2024 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
48
Mit Schreiben vom … Februar 2024 widerholte der Kläger im Wesentlichen abermals sein Vorbringen und seine Forderungen an das Gericht.
49
Am 15. März 2024 fand die mündliche Verhandlung statt. In dieser rügte der Kläger unter anderem, dass kein Protokollführer hinzugezogen wurde. Im weiteren Verlauf störte und unterbrach der erregte Kläger durch permanente Zwischenrufe fortlaufend den Vorsitzenden, wohl um eine Protokollierung mittels Tonbandgeräts zu unterbinden, sodass die Sitzung erst nach einem Polizeieinsatz fortgesetzt werden konnte. Im Weiteren stellte der Kläger drei Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden, welche in der Sitzung durch Beschluss als rechtsmissbräuchlich abgelehnt wurden. Zur Sache stellte der Kläger klar, dass sich seine Klage nun doch gegen den Bayerischen Rundfunk richte und übergab seine schriftlich abgefassten Anträge.
50
Mit zahllosen weiteren Schreiben nach der mündlichen Verhandlung rügte der Kläger die Prozessführung des Gerichts und des Beklagten, drohte Strafanzeigen an und widerholte seine Tatsachen- und Rechtsauffassungen.
51
Am … Mai 2024 nahm der Kläger Einsicht in die Tonbandaufzeichnung der mündlichen Verhandlung.
52
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung sowie die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Entscheidungsgründe
53
1. Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2024 entschieden werden.
54
Ungeachtet dessen, dass ein Verstoß nicht zur „Ungültigkeit“ einer mündlichen Verhandlung führen würde, bestand – wie in der mündlichen Verhandlung bereits dargelegt – insbesondere schon keine Pflicht zur Hinzuziehung eines Urkundsbeamten zur Protokollführung. Vielmehr bestimmt § 159 Abs. 1 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 173 S. 1 VwGO, dass der Vorsitzende einen Urkundsbeamten unter bestimmten Voraussetzungen hinzuziehen kann. Über den Verzicht auf einen Urkundsbeamten entscheidet allein der Vorsitzende nach seinem Ermessen im Rahmen seiner richterlichen Tätigkeit. Seine Entscheidung bedarf keiner Begründung, auch keines Vermerks im Protokoll (vgl hierzu nur: MüKoZPO/Fritsche, 6. Aufl. 2020, ZPO § 159 Rn. 5). Ein Antrag einer Partei dahingehend ist vom Gesetz nicht vorgesehen. Allein der vom Kläger verursachte Umfang der Niederschrift, welcher insbesondere durch eine Vielzahl von Anträgen und dem Wunsch des Klägers, seine Ausführungen wörtlich zu protokollieren, entstand, kann nicht (nachträglich) zu einer Umgehung dieser Bestimmung führen.
55
Ebenso waren die Befangenheitsanträge in der mündlichen Verhandlung als rechtsmissbräuchlich abzulehnen. Der Kläger verkennt, dass Ablehnungsgesuche nicht dazu bestimmt sind, gewünschte Handlungen des Gerichts zu erzwingen. Über Prozessgrundsätze der VwGO und die Verhandlungsführung des Vorsitzenden disponiert nicht der Kläger. Dessen Vorbringen erschöpfte sich im Wesentlichen dahingehend, dass er seine Interpretationen der Sach- und Rechtslage ohne jegliche Rücksicht auf die tatsächliche rechtliche Situation durchsetzen wollte sowie andere Entscheidungen (Protokollführung, erstes Ablehnungsgesuch), die das Gericht zu seinen Ungunsten getroffen hat, nicht akzeptieren wollte, sondern als rechtswidrig bezeichnete und weitere unqualifizierte Angriffe erhob (vgl. hierzu auch Schoch/Schneider/Meissner/Schenk, 45. EL Januar 2024, VwGO § 54 Rn. 63).
56
2. Die vom nicht anwaltlich vertretenen Kläger gestellten Anträge bedürfen der Auslegung gem. § 88 VwGO i.V.m. §§ 133. 157 Bürgerliches Gesetzbuch. Das Gericht hat das im Klageantrag und im gesamten Parteivorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen (BVerwG, U. v. 23.2.1993 – 1 C 16/87). Maßgeblich kommt es auf das erkennbare Klageziel an, so wie sich dieses dem Gericht im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aufgrund des gesamten Parteivorbringens und Akteninhalts darstellt.
57
Dies zugrunde gelegt, begehrt der Kläger mit seinem Klageantrag „zu 1.“ die Aufhebung des Festsetzungsbescheids vom 1. Juni 2023. Im Rahmen dessen kann geprüft werden, ob die unstreitigen Beitragszahlungen des Klägers dem streitgegenständlichen Festsetzungszeitraum zugeordnet werden können oder – so wie der Beklagte vorbringt – zunächst mit Rückständen (Säumniszuschlägen und Vollstreckungskosten) zu verrechnen waren.
58
Die Anfechtungsklage und die Verpflichtungsklage als Verwaltungsaktsklagen sind im Verhältnis zur allgemeinen Leistungsklage speziell; bei erstgenannten Klagen ist nach der VwGO ein Vorverfahren durchzuführen, ferner sind Fristen zu beachten, bei der allgemeinen Leistungsklage nicht (vgl. Schoch/Schneider/Pietzcker/Marsch, VwGO § 42 Abs. 1 Rn. 154). Verwaltungsakte sind im Hinblick auf die speziellen Klageformen der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage vom Anwendungsbereich einer Leistungsklage ausgenommen (vgl. Schoch/Schneider/Pietzcker/Marsch, VwGO § 42 Abs. 1 Rn. 152). Im Übrigen scheidet die Zulässigkeit einer etwaigen Leistungsklage auch insofern aus, als dass dadurch die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen mit Blick auf die dem Rechtsschutzbegehren zunächst entsprechenden und aus Gründen der Prozessökonomie sachgerechten Anfechtungsklage umgangen werden würden (vgl. hierzu nur VG München, U. v. 4.5.2022 – M 9 K 18.5792 –, juris). Die Zulässigkeit einer etwaigen Leistungsklage zu bejahen würde die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Anfechtungsklage ins Leere laufen lassen, sollte man stets die Wirkung von bereits bestandskräftigen Bescheiden gesondert mit einer Leistungsklage beseitigen können.
59
Im vorliegenden Fall hätte der Kläger seine Rechte vorrangig im Wege der Gestaltungsklage in Form einer Anfechtungsklage gegen die Festsetzungsbescheide verfolgen können. Die mit dem Feststellungsantrag aufgeworfenen Fragen betreffen die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Säumniszuschlägen und sind im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Festsetzungsbescheid inzident zu prüfen.
60
Andere Bescheide als den Festsetzungsbescheid vom 1. Juni 2023 hat der Kläger aber nicht angegriffen, sodass diese bestandskräftig wurden. Die auf Niederschlagung der festgesetzten Säumniszuschläge (bis 4/2022) gerichtete Klage wäre als Anfechtungsklage hinsichtlich der Festsetzungen zu beurteilen und als solche wegen Nichteinhaltung der Klagefrist (§ 74 Abs. 1 VwGO) unzulässig. Selbst bei Zahlung und Rückforderung nach § 10 Abs. 3 RBStV wäre einer Leistungsklage erfolglos, da jedenfalls die bestandskräftigen Festsetzungsbescheide einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen darstellen würden. Ein Kläger, der es versäumt hat, zur gegebenen Zeit die einschlägigen Rechtsbehelfe zu ergreifen, gibt eine spätere Überprüfungsmöglichkeit aus der Hand.
61
Die weiter in Frage stehenden Vollstreckungskosten sind gem. § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO mit der Zwangsvollstreckung beizutreiben. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Zwangsvollstreckung erfolgt mittels einer Vollstreckungsgegenklage (analog) § 767 ZPO. Eine solche hatte der Kläger ebenfalls nicht erhoben.
62
Im wohlverstandenen Interesse des Klägers geht das Gericht davon aus, dass der völlig unbestimmte und subsidiäre und damit unzulässige, hilfsweise gestellte Feststellungsantrag „zu 2.“ keinen eigenen, wohl mit dem Auffangstreitwert von 5000 EUR anzusetzenden, weiteren Streitgegenstand bildet, sondern dieser sich vielmehr auf die konkret bezifferte Leistung unter „zu 1.“ bezieht. Der angegriffene noch offene Gesamtbetrag ist nach klägerischer Betrachtungsweise gerade dadurch verursacht, dass der „Beitragsservice die Bundesverwaltungsgerichtsrechtsprechung gebrochen hat“. Im Übrigen wäre eine Klage, die die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verwaltungspraxis begehrt, gemäß § 43 Abs. 2 VwGO wegen des Vorrangs der Anfechtungsklage grundsätzlich unzulässig. Danach kommt eine Feststellungsklage nicht in Betracht, wenn der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Die Feststellungsklage ist gegenüber der Gestaltungs- und Leistungsklage subsidiär. Die Subsidiaritätsklausel verfolgt im Interesse der Prozessökonomie den Zweck, den erforderlichen Rechtsschutz auf dasjenige gerichtliche Verfahren zu beschränken, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird (vgl. BVerwGE 149, 194 Rn. 13; NVwZ 2017, 56 Rn. 28).
63
Der Antrag „zu 4.“ richtet sich seinem Wortlaut nach schon nicht gegen den Beklagten und stellt keinen tauglichen Streitgegenstand dar. Vielmehr formuliert der Kläger einen Wunsch bzw. die Bitte an das Gericht, dass dieses in seiner Begründung hierauf eingehen möge.
64
3. Nach oben Gesagtem ist die Klage damit nur hinsichtlich des mit Festsetzungsbescheid vom 1. Juni 2023 festgesetzten Betrages zulässig, aber unbegründet.
65
Der Festsetzungsbescheid vom 1. Juni 2023 ist rechtmäßig.
66
Obschon der Kläger Rundfunkbeiträge im streitgegenständlichen Zeitraum bezahlt hat, konnten diese nicht dem festgesetzten Zeitraum zugeordnet werden.
67
Die Zahlungen des Klägers konnten zurecht gemäß § 9 Abs. 2 Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) i.V.m. § 13 S. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Rundfunkbeitragssatzung) jeweils mit der ältesten offenen Beitragsschuld sowie etwaiger Vollstreckungskosten und Säumniszuschlägen verrechnet werden, sodass die Zahlungen des Klägers nicht ausreichend waren, dessen Beitragskonto auszugleichen.
68
Dies ergibt sich bereits dadurch, dass die Säumniszuschläge (bis April 2022) mit Festsetzungsbescheiden vom 3. Mai 2021, 2. Juli 2021, 1. Oktober 2021, 3. Januar 2022 bestandskräftig festgesetzt wurden. Der Kläger ist nicht gegen diese Bescheide vorgegangen, sodass auch die Säumniszuschläge bestandskräftig festgesetzt wurden. Die Möglichkeit der Überprüfung der Säumniszuschläge hat der Kläger damals nicht genutzt.
69
Die Vollstreckungskosten sind stets gemäß § 788 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben und wurden direkt vom Gerichtsvollzieher verrechnet. Gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung hat der Kläger erfolglos ein Vollstreckungserinnerungsverfahren bei den Zivilgerichten geführt. Gegen die Zwangsvollstreckung als solche ist der Kläger nicht (verwaltungsgerichtlich) vorgegangen. Die Kosten der Zwangsvollstreckung in Höhe von 69,39 EUR, nicht 52,09 EUR, da der Gesamtbetrag nicht mit einer Zahlung erledigt wurde, schmälerten damit den vom Kläger an den Gerichtsvollzieher bezahlten Betrag, sodass nur 310,61 EUR auf die Beitragsschulden des Klägers angerechnet wurden.
70
Zwar hat der Kläger die Rundfunkbeiträge mittlerweile wohl alle korrekt bezahlt, doch durften seine Zahlungen zulässigerweise zunächst auch zur Begleichung der vom Kläger ausdrücklich ausgenommenen Säumnis- und Vollstreckungskosten herangezogen werden, vgl. § 13 S. 1 Rundfunkbeitragssatzung.
71
4. Das Gericht sieht sich aus Gründen des Rechtsfriedens und zur Vorbeugung weiterer Verfahren dennoch veranlasst, auch zur Berechtigung der Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten auszuführen.
72
Der Kläger war zu keinem Zeitpunkt berechtigt die Beiträge zurückzuhalten und eine Barzahlung zu verlangen.
73
Entgegen der Auffassung des Klägers bestand durch den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.03.2019, Az. 6 C 6.18 für den Kläger keine Berechtigung die Beiträge mit Bargeld zu entrichten. Offenbar hat der Kläger den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts missverstanden. Eine Pflicht zur Bargeldannahme wurde nicht festgeschrieben, vielmehr wurde das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. Nach dessen Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 27.4.22, Az. 6 C 2.21 eine grundsätzliche Barzahlungsmöglichkeit schließlich verneint. Mit der fehlgehenden Auffassung, aufgrund des Vorlagebeschlusses auf einer Barzahlung bestehen zu können, befand sich der Kläger offensichtlich in einem folgenschweren Irrtum.
74
Die mehrfachen Erläuterungen des Beklagten – auch wenn diese aus Textbausteinen bestanden und für ein Massenverfahren geeignet recht allgemein gehaltene waren – drangen erkennbar nicht zum Kläger durch. Entgegen dessen Auffassung bestand auch keine weitergehende Hinweispflicht des Beklagten. Es trifft einzig den Verantwortungsbereich und das Risiko des Klägers, dass dieser ausschließlich seine irrige Rechtsmeinung gelten lasse wollte und diese für sein weiteres Handeln an die Stelle der tatsächlichen Rechtslage gesetzt hat. Es ist darüber hinaus schon keine Hinweispflicht ersichtlich, nach der der Beklagte hier weiter den Kläger hätte aufklären sollen, jedenfalls konnte der Kläger selbst keine nennen. Im Übrigen ist für den Beklagten überhaupt nicht absehbar, welche konkrete Fehlvorstellung sich der Kläger macht und wie dieser begegnet werden kann.
75
Selbst wenn man also von der Zulässigkeit einer Leistungs- oder Feststellungsklage (wie hier nicht) ausgehen würde sowie darüber hinwegsieht, dass die Säumniszuschläge bestandskräftig festgesetzt wurden und die Vollstreckung nicht zu beanstanden war und zudem weder ersichtlich noch vorgetragen ist, worauf sich ein Anspruch auf Niederschlagung stützen sollte, wäre eine solche Klage allein aus diesen Gründen erfolglos.
76
Hinsichtlich der „Legitimationskette“ der Zwangsvollstreckung, die im Vollstreckungsverfahren zu klären gewesen wäre, übersieht der Kläger wohl den Hinweis des Gerichts vom 28. November 2023.
77
Es ist unschädlich, dass das Vollstreckungsersuchen vom 2. Januar 2023 vom Beitragsservice des ARD ZDF Deutschlandradio übermittelt wurden, da der Beklagte ohne weiteres als Urheber erkennbar ist (vgl. hierzu auch BGH, B. v. 8.10.2015 – VII ZB 11/15 – beckonline Rn. 17 f.; VG München, U. v. 11.3.2016 – M 6 K 15.1027 – beckonline). Dies ergibt sich etwa aus der Angabe des Beklagten in der Kopfzeile links sowie aus der das Schreiben abschließenden Formel, die mit „Bayerischer Rundfunk“ endet. Für einen verständigen Betrachter ist somit bereits aufgrund des Umstandes, dass der Vollstreckungsgläubiger – als Landesrundfunkanstalt steht dem Bayerischen Rundfunk der Rundfunkbeitrag nach § 10 Abs. 1 RBStV zu – die Zwangsvollstreckung ersucht, ersichtlich, dass der nicht rechtsfähige Beitragsservice lediglich für den Bayerischen Rundfunk tätig wird. Hierzu ist dieser nach § 10 Abs. 7 RBStV eingerichtet und befugt. Ebenso ist unschädlich, dass Schriftstücke nicht unterschrieben wurden. Gemäß Art. 37 Abs. 5 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), der jedenfalls sinngemäße Anwendung findet, kann sogar bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen (vgl. hierzu § 10a RBStV) erlassen wurde, die Unterschrift fehlen (vgl. auch VG Cottbus, U. v. 8.6.2023 – 6 K 1603/20 –, juris).
78
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
79
6. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.