Titel:
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Rundfunkbeitragsrecht
Normenketten:
BayVwVfG Art. 2 Abs. 1 S. 2, Art. 32
RBeitrStV § 2 Abs. 1, § 7 Abs. 2 S. 1, § 8 Abs. 2, § 9 Abs. 2 S. 1, § 10 Abs. 5
Rundfunkbeitragssatzung BR § 10 Abs. 3
Leitsätze:
1. Die in Art. 32 BayVwVfG enthaltenen Grundsätze zu Geltung und Ausschluss der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommen auch im Rundfunkbeitragsrecht zur Anwendung, obwohl in Art. 2 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG die Anwendbarkeit der Verwaltungsverfahrensgesetze insofern grundsätzlich ausgeschlossen ist. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Eingangszeitpunkt der Abmeldung bei der zuständigen Landesrundfunkanstalt ist in § 7 Abs. 2 S. 1 und § 8 Abs. 2 RBeitrStV nicht als Ausschlussfrist ausgestaltet. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Regelung in § 10 Abs. 3 Rundfunkbeitragssatzung BR, nach der die Kosten der Zahlungsübermittlung einschließlich eventueller Rücklastschriften der Beitragsschuldner zu tragen hat, ist rechtmäßig. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag, Rücklastschriftkosten, Festsetzungsbescheid, Rückständige Rundfunkbeiträge, Erfüllung der Beitragsschuld, Risikoverteilung beim Lastschriftverfahren, Gesamtschuldner, Wiedereinsetzung bei der Abmeldung vom Rundfunkbeitrag, Abmeldung, Beitragsrückstand, Einzugsermächtigung, Rücklastschrift, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Fundstelle:
BeckRS 2024, 19171
Tenor
I.Der Bescheid des Beklagten vom 2. März 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2021 und des Teilaufhebungsbescheids vom 3. August 2021 wird aufgehoben, soweit darin für den Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Januar 2017 Rundfunkbeiträge von 227,50 EUR festgesetzt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu 7/10, der Beklagte zu 3/10 zu tragen.
III.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen für die Zeiträume 1. Januar 2016 bis 31. Januar 2018 und 1. März 2018 bis 31. Oktober 2019 sowie gegen die Erhebung von Rücklastschriftkosten.
2
Die Klägerin wohnt in der Wohnung W* …gasse … in … K* … Dort lebte sie seit dem 1. Juli 2005 mit ihrem Ehemann, bis dieser in einer Pflegeeinrichtung untergebracht wurde. Er verstarb am 12. September 2017. Am 5. Februar 2018 zog der Sohn der Klägerin zu ihr in die vorgenannte Wohnung.
3
Der Beklagte führt für diese Wohnung ein Beitragskonto unter der Beitragsnummer 704 643 … auf den Namen der Klägerin. Das Beitragskonto wurde im Januar 2019 rückwirkend ab 1. Januar 2016 angemeldet, nachdem der Beklagte durch Erhalt eines Meldedatensatzes der Gemeinde K* … am 12. Juli 2018 Kenntnis davon erhalten hatte, dass die Klägerin seit dem 1. Juli 2005 in der vorgenannten Wohnung polizeilich gemeldet ist. Für das Anmeldedatum hat der Beklagte nach seinen Angaben das vorausgegangene Klärungsverfahren zur Ermittlung der Rundfunkbeitragspflicht, welches bis zum 31. Dezember 2015 abgeschlossen war, berücksichtigt.
4
Nachdem die Klägerin dem Beklagten unter dem 14. Januar 2019 ein SEPA-Lastschriftmandat erteilt hatte, kündigte ihr dieser mit Schreiben vom 7. März 2019 an, in Kürze den offenen Betrag von 735,00 EUR von ihrem Konto einzuziehen.
5
Über einen Lastschrifteinzug vom 16. März 2019 wurde am 17. April 2019 eine Rücklastschrift veranlasst. Hierdurch entstanden dem Beklagten Rücklastschriftkosten von 4,40 EUR.
6
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 20. März 2019 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, mit der beabsichtigten Abbuchung von 735,00 EUR bestehe kein Einverständnis. Die von der Klägerin erteilte Einzugsermächtigung beschränke sich auf die laufenden Beiträge. Sollten höhere Beträge abgebucht werden, gingen diese zwangsläufig in Rücklauf.
7
Daraufhin teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 2. Juli 2019 mit, die Bankverbindung aufgrund der Rücklastschrift bereits gelöscht zu haben.
8
Beim Beklagten sind auch in der Folgezeit keine Zahlungen der Klägerin eingegangen.
9
Mit Bescheid vom 2. März 2020 setzte der Beklagte für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2019 Rundfunkbeiträge, einen Säumniszuschlag und Rücklastschriftkosten in Höhe von insgesamt 852,80 EUR fest. Hiergegen ließ die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte Widerspruch erheben. Zur Begründung führte sie aus, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin die Rundfunkbeiträge bis zu seinem Todestag geleistet habe. Danach seien die Zahlungen durch den Sohn der Klägerin erfolgt, welcher in die Wohnung eingezogen sei. Für diesen werde ein Beitragskonto unter der Beitragsnummer 693 450 … geführt.
10
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2021, laut Empfangsbekenntnis zugestellt am 26. Mai 2021, hob der Beklagte den Festsetzungsbescheid vom 2. März 2020 auf, soweit darin Rundfunkbeiträge für den Monat Februar 2018 und ein Säumniszuschlag von insgesamt 25,90 EUR festgesetzt wurden. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Sohn der Klägerin habe die Rundfunkbeiträge für die gemeinsame Wohnung nur für den Monat Februar 2018 entrichtet. In dem Zeitraum von März 2018 bis Oktober 2019 sei er von der Rundfunkbeitragspflicht befreit gewesen. Diese Befreiung erstrecke sich nicht nach § 4 Abs. 3 RBStV auf die Klägerin, da nicht ersichtlich sei, dass deren Einkommen und Vermögen bei der dem Sohn gewährten Sozialleistungsbewilligung berücksichtigt worden seien.
11
Am 23. Juni 2021 hat die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 2. März 2020 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 19. Mai 2021 erheben lassen.
12
Mit Bescheid vom 3. August 2021 hat der Beklagte den Festsetzungsbescheid vom 2. März 2020 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 19. Mai 2021 aufgehoben, soweit darin für den Zeitraum November 2019 bis Dezember 2019 Beiträge festgesetzt wurden. Für diesen Zeitraum ist der Sohn der Klägerin zu Rundfunkbeiträgen herangezogen worden.
13
Mit Beschluss vom 8. Dezember 2021 hat das Gericht vom vorliegenden Verfahren das Begehren, den Festsetzungsbescheid vom 2. März 2020 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 19. Mai 2021 aufzuheben, abgetrennt und unter dem neuen Aktenzeichen W 3 K 21.1600 fortgeführt, soweit er sich auf die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen für den Zeitraum 1. November 2019 bis 31. Dezember 2019 bezog. Das Verfahren W 3 K 21.1600 wurde mit Beschluss vom 9. Dezember 2021 aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen der Beteiligten eingestellt.
14
Zur Begründung ihrer Klage im vorliegenden Verfahren wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, dass die Rundfunkbeiträge ihres Wissens bis zum Tod ihres Ehemanns von dessen Konto bei der Citibank abgebucht worden seien. Die Beitragsnummer, unter der die Zahlungen erfolgt seien, kenne sie nicht. Sie verfüge hierzu über keinerlei Unterlagen. Die einschlägigen Kontounterlagen befänden sich allesamt bei der ehemaligen Betreuerin des verstorbenen Ehemanns. Diese gebe ohne Vorlage eines Erbscheins keine Unterlagen und Informationen heraus. Für den Zeitraum ab Januar 2019 habe die Klägerin dem Beitragsservice Einzugsermächtigung erteilt. Von dieser habe der Beklagte für die seit Januar 2019 zu entrichtenden Beiträge keinen Gebrauch gemacht. Jedenfalls seien bei Erlass des Festsetzungsbescheids die Beiträge aus dem Jahr 2016 verjährt gewesen. Schließlich sei es auch nicht gerechtfertigt, das Beitragskonto der Klägerin mit Kosten in Höhe von 4,40 EUR für eine Rücklastschrift zu belasten. Zu der Rücklastschrift sei es allein deswegen gekommen, weil der Beklagte alle behaupteten Rückstände habe einzuziehen versucht statt nur die Beiträge ab Januar 2019. Die Klägerin habe sich nicht auf § 2 Abs. 3 Satz 2 RBStV berufen können, da sie im maßgeblichen Zeitraum über ein Einkommen in Höhe der maßgeblichen Sozialhilfesätze verfügt und deshalb keine entsprechenden Leistungen beantragt habe. Ob bei der Leistungsbewilligung der ALG II-Leistungen für ihren Sohn ihr Einkommen berücksichtigt worden sei, wisse sie nicht. Sie habe keinen Einblick in die Unterlagen ihres Sohnes. Die entsprechenden Bescheide müssten beim Beklagten unter der Beitragsnummer 693 450 … vorliegen.
15
Die Klägerin beantragt sinngemäß zuletzt:
Der Festsetzungsbescheid der Beklagten vom 2. März 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2021 und des Teilaufhebungsbescheids vom 3. August 2021 wird aufgehoben.
16
Der Beklagte beantragt,
17
Er meint, die Klage sei unbegründet, soweit ihr nicht mit Bescheid vom 3. August 2021 abgeholfen worden sei. Er führt aus, dass das Beitragskonto der Klägerin für die Monate November und Dezember 2019 abzumelden gewesen sei, da in diesem Zeitraum der Sohn und Mitbewohner der Klägerin zur Zahlung der Rundfunkbeiträge herangezogen worden sei. Eine darüber hinausgehende Abmeldung sei nicht möglich, da der Sohn der Klägerin seitdem infolge entsprechenden Sozialleistungsempfangs von der Rundfunkbeitragspflicht befreit sei und damit nicht schuldbefreiend für die Klägerin (§ 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV) Rundfunkbeiträge für die gemeinsam bewohnte Wohnung leiste. Die Klägerin werde in den dem Beklagten vorliegenden Sozialleistungsbescheiden ihres Sohnes auch nicht als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft genannt. Soweit sich die Klägerin auf Zahlungen ihres verstorbenen Ehemanns berufe, habe die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin keinen Zahlungsnachweis erbracht. Der Beklagte habe ein Beitragskonto des verstorbenen Ehemannes der Klägerin im Bestand nicht finden können.
18
In der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2024 hat das Gericht Beweis erhoben zu der Frage der Entrichtung von Rundfunkbeiträgen durch den Ehemann der Klägerin für die Wohnung W* …gasse …, … K* … im streitgegenständlichen Zeitraum und zum Zeitpunkt des Auszugs des Ehemanns der Klägerin aus der vorgenannten Wohnung in eine Pflegeeinrichtung durch Einvernahme der ehemaligen Betreuerin des verstorbenen Ehemanns der Klägerin als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2024 verwiesen.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2024 und die Gerichts- und Behördenakten, welche Gegenstand des Verfahrens waren, einschließlich der Akten des Verfahrens W 3 K 21.1600 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
20
Über die Klage konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden werden; die Beteiligten sind hierauf bei der Ladung hingewiesen worden. Ferner sind die Beteiligten mit der Ladung vom 5. Juni 2024 und mit Übermittlung einer rein vorläufigen Sachverhaltszusammenfassung des Gerichts am 26. Juni 2024 über die Absicht des Gerichts unterrichtet worden, die ehemalige Betreuerin des Ehemanns der Klägerin in der mündlichen Verhandlung als Zeugin insbesondere zur Frage von Beitragsleistungen des Ehemanns der Klägerin zu vernehmen. Ihnen war mithin bekannt, dass es in der mündlichen Verhandlung zu einer Zeugeneinvernahme kommen kann, deren Ergebnis Auswirkungen auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids haben kann. Nachdem sie dennoch von einer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung abgesehen haben, ohne dies genügend zu entschuldigen, hielt es das Gericht in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens nicht für geboten, die mündliche Verhandlung zu vertagen, um den Beteiligten eine gesonderte, zusätzliche Gelegenheit zu geben, sich zu der Beweisaufnahme, ihrem Ergebnis und den sich hieraus für das Verfahren ergebenden (Rechts-) Folgen zu äußern.
21
Nach teilweiser Erledigung des Rechtsstreits infolge des Erlasses des Bescheids vom 3. August 2021 durch den Beklagten ist Klagegegenstand der Bescheid vom 2. März 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2021 in der Fassung, die er durch den Bescheid des Beklagten vom 3. August 2021 erhalten hat. Zwar hat die Klagepartei ihren ursprünglichen, in der Klageschrift vom 23. Juni 2021 enthaltenen Klageantrag auf Aufhebung des Bescheids vom 2. März 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2021 nach der Teilerledigung nicht ausdrücklich umgestellt. Unter Berücksichtigung der wohlverstandenen Interessenlage (st.Rspr., z.B. BGH, U.v. 21.12.2023 – IX ZR 238/22 – GRUR 2024, 404 Rn. 12) und unter entsprechender Heranziehung der für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) ergibt sich jedoch aus dem klägerischen Vorbringen, insbesondere der Erledigterklärung des Rechtsstreits im Umfang der mit Bescheid vom 3. August 2021 erfolgten Abhilfe, hinreichend deutlich, dass der Bescheid vom 3. August 2021 dergestalt in das vorliegende Verfahren einbezogen werden soll, dass nunmehr die Aufhebung des Festsetzungsbescheids des Beklagten vom 2. März 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2021 und des Teilaufhebungsbescheids vom 3. August 2021 begehrt wird.
22
In dieser seiner jüngsten Fassung regelt der Bescheid inhaltlich Folgendes: Nachdem mit dem Ausgangsbescheid vom 2. März 2020 zunächst Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2019, ein Säumniszuschlag von 8,40 EUR und Rücklastschriftkosten von 4,40 EUR, mithin ein Gesamtbetrag von 852,80 EUR festgesetzt wurden, setzt der Bescheid in seiner aktuellen Fassung nur noch Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Januar 2018 und 1. März 2018 bis 31. Oktober 2019 von 787,50 EUR sowie Rücklastschriftkosten von 4,40 EUR, mithin einen Gesamtbetrag von 791,90 EUR fest. Die Erhebung eines Säumniszuschlags wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2021 vollständig aufgehoben, die festgesetzten Rundfunkbeiträge mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2021 und Bescheid vom 3. August 2021 um die Rundfunkbeiträge für die Monate Februar 2018, November 2019 und Dezember 2019 auf den vorgenannten Betrag von 787,50 EUR gekürzt.
23
Streitgegenstand ist somit allein noch die Erhebung von Rundfunkbeiträgen für den Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Januar 2018 und 1. März 2018 bis 31. Oktober 2019 sowie von Rücklastschriftkosten von insgesamt 791,90 EUR.
24
Die so verstandene zulässige Klage ist begründet, soweit in dem streitgegenständlichen Bescheid für den Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Januar 2017 Rundfunkbeiträge von 227,50 EUR festgesetzt werden. Insoweit ist der Bescheid des Beklagten vom 2. März 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2021 und des Teilaufhebungsbescheids vom 3. August 2021 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Übrigen ist die Klage unbegründet, da sich der streitgegenständliche Bescheid im Übrigen als rechtmäßig darstellt und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt.
25
Rechtsgrundlage für die Erhebung der streitgegenständlichen Rundfunkbeiträge von der Klägerin ist § 2 Abs. 1 RBStV, § 7 Abs. 3 Satz 1 und 2, § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV.
26
Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Die Klägerin ist unstreitig Inhaberin der privaten Wohnung in der W* …gasse …, … K* … Jedenfalls wird dies aufgrund der polizeilichen Meldung der Klägerin in dieser Wohnung im streitgegenständlichen Zeitraum nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV vermutet, ohne dass Umstände ersichtlich wären, die diese Vermutung widerlegen könnten.
27
Eine Beitragspflicht der Klägerin würde daher nur dann ausscheiden, wenn sie im streitgegenständlichen Zeitraum von der Beitragspflicht nach § 4 RBStV befreit gewesen wäre. Dies ist weder von der Klägerin hinreichend substantiiert dargelegt worden noch sonst ersichtlich.
28
Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der streitgegenständlichen Überprüfung eines Festsetzungsbescheids die materiellen Befreiungsvoraussetzungen nicht, auch nicht inzident geprüft werden. Vielmehr prüft das Gericht nur, ob eine Befreiung ausgesprochen worden ist oder nicht (BVerwG, U.v. 9.12.2019 – 6 C 20/18 – juris Rn. 19 m.w.N.). Dies ist nicht der Fall. Eine Befreiung der Klägerin selbst nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 6 Satz 1 RBStV liegt nicht vor. Die Klägerin geht im Übrigen selbst davon aus, dass die Befreiungsvoraussetzungen nach § 4 Abs. 1 oder § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV in ihrer Person nicht vorlagen, da sie – so die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 23. November 2021, S. 3 – im maßgeblichen Zeitraum über ein Einkommen in Höhe der maßgeblichen Sozialhilfesätze verfügt und deshalb keine entsprechenden Leistungen beantragt habe.
29
Soweit der Sohn der Klägerin von der Rundfunkbeitragspflicht befreit ist, erstreckt sich diese Befreiung nicht nach § 4 Abs. 3 Nr. 4 RBStV auf die Klägerin. Nach dieser Vorschrift erstreckt sich die Befreiung einer Person auf die Wohnungsinhaber, deren Einkommen und Vermögen bei der Gewährung einer Sozialleistung nach § 4 Abs. 1 RBStV berücksichtigt worden sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der seit dem 5. Februar 2018 mit der Klägerin in einer Wohnung lebende Sohn der Klägerin ist mit Bescheid des Beklagten vom 14. Juni 2018 für die Zeit vom 1. Mai 2018 bis 31. Oktober 2019 gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 RBStV von der Rundfunkbeitragspflicht befreit worden. Es ist indes weder hinreichend substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich, dass das Einkommen und Vermögen der Klägerin im Rahmen der Gewährung der Sozialleistungen berücksichtigt worden wäre. Die Klägerin selbst hat lediglich pauschal behauptet, sie wisse nicht, ob ihr Einkommen – Vermögen habe sie keines – bei der Leistungsbewilligung berücksichtigt worden sei, weil sie keinen Einblick in die Unterlagen ihres Sohnes habe (Schriftsatz der Klägerin vom 23.11.2021, S. 3). Die Bescheinigungen des jeweils zuständigen Sozialleistungsträgers, die der Sohn der Klägerin zum Erhalt seiner Befreiung beim Beklagten vorgelegt hat, sprechen gegen eine Berücksichtigung des klägerischen Einkommens und Vermögens im Rahmen der Leistungsgewährung an den Sohn. Denn die Klägerin wird in den Bescheinigungen überhaupt nicht erwähnt. Es spricht auch nichts dafür, dass ihre Nennung trotz Berücksichtigung ihres Einkommens und Vermögens bei der Leistungsgewährung bloß versehentlich unterblieb. Mit Blick auf die von der im Jahr 1947 geborenen Klägerin bereits überschrittene Altersgrenze für Leistungsberechtigte (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 7a SGB II) und das von ihr selbst behauptete Einkommen der Klägerin nur „in Höhe der maßgeblichen Sozialhilfesätze“ (Schriftsatz der Klägerin vom 23.11.2021, S. 3) erscheint es unter Zugrundelegung der gesetzlichen Regelungen über den hier in Rede stehenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vielmehr naheliegend, dass das Einkommen und Vermögen der Klägerin im Rahmen des Sozialleistungsbezugs ihres Sohnes tatsächlich nicht wegen Bestehens einer Bedarfs- (§ 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 i.V.m. § 7 Abs. 3 SGB II) oder Haushaltsgemeinschaft (§ 9 Abs. 5 SGB II, § 39 Satz 1 SGB XII) berücksichtigt worden ist.
30
Aufgrund der somit zu bejahenden Beitragspflicht der Klägerin ist der Beklagte nach § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV zur Festsetzung rückständiger Rundfunkbeiträge befugt. Rückständig in diesem Sinne waren zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 2. März 2020 indes von den festgesetzten Rundfunkbeiträgen nur die Beiträge für den Zeitraum 1. Februar 2017 bis 31. Januar 2018 und 1. März 2018 bis 31. Oktober 2019 von insgesamt 560,00 EUR, nicht aber die Beiträge für den Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Januar 2017 von insgesamt 227,50 EUR.
31
Für den Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Januar 2017 hat der in diesem Zeitraum ebenfalls beitragspflichtige Ehemann der Klägerin Rundfunkbeiträge für die ab 1. Juli 2005 gemeinsam bewohnte Wohnung W* …gasse …, … K* … entrichtet. Die Beitragsleistungen des Ehemanns der Klägerin wirken nach § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV i.V.m. § 44 Abs. 2 Satz 1 AO schuldbefreiend auch für die Klägerin. Auf die klägerische Verjährungseinrede (§ 7 Abs. 4 RBStV i.V.m. §§ 194 ff. BGB) hinsichtlich der Rundfunkbeiträge für das Jahr 2016 kommt es daher nicht streiterheblich an.
32
Dass der Ehemann der Klägerin im vorgenannten Zeitraum nach § 2 Abs. 1 RBStV als Inhaber der Wohnung W* …gasse …, … K* … beitragspflichtig war und seiner Beitragspflicht auch nachkam, hat die in der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2024 durchgeführte Beweisaufnahme ergeben. Die Zeugin A* … Wä* … hat im Rahmen ihrer Einvernahme glaubhaft erklärt, dass der Beklagte für den Ehemann der Klägerin ein Beitragskonto unter der Beitragskontonummer 445 122 … für die vorgenannte Wohnung führte, welches mit Ablauf des Monats Januar 2017 geschlossen wurde. Zu diesem Zeitpunkt habe das Beitragskonto ein Guthaben von 17,50 EUR aufgewiesen.
33
Diese Angaben der Zeugin sind glaubhaft. Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugin falsche Angaben gemacht haben könnte, sind nicht ersichtlich. Die Äußerungen der Zeugin sind in sich schlüssig. Sie erweckte bei ihrer Einvernahme in der mündlichen Verhandlung den Eindruck, geradlinig und offen Auskunft zu geben. Dass sie motiviert sein könnte, falsche Angaben zu machen, ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat sie von dem Ausgang des vorliegenden Verfahrens keinen unmittelbaren Vor- oder Nachteil und sie steht mit keinem der Beteiligten in persönlicher Beziehung. Zudem bestätigen die von ihr in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Dokumente (eine Abmeldung vom Rundfunkbeitrag für den Ehemann der Klägerin, eine Abmeldebestätigung der Landesrundfunkanstalt und eine Aufenthaltsbestätigung einer Senioreneinrichtung über die dortige Unterbringung des Ehemanns der Klägerin ab 1. Februar 2017) ihre Angaben. Ausweislich der schriftlichen Abmeldung des Ehemanns der Klägerin vom Rundfunkbeitrag durch die Zeugin erfolgte dessen vollständige Wohnungsaufgabe zum 31. Januar 2017, weshalb der Beklagte das Beitragskonto des Ehemanns mit Ablauf des Monats Januar 2017 abmeldete. Dass das Konto zu diesem Zeitpunkt ein Guthaben aufwies, belegt zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) hinreichend, dass der Ehemann seine Beitragspflicht bis zum 31. Januar 2017 auch tatsächlich erfüllte.
34
Demgegenüber kann das Guthaben von 17,50 EUR nicht zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden. Nach Einzug in eine Pflegeeinrichtung ab 1. Februar 2017 galt der Ehemann der Klägerin gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 3 RBStV nicht mehr als Inhaber einer Wohnung im Sinne von § 2 Abs. 1 RBStV und er wurde rückwirkend zum Umzugstermin abgemeldet. Dieser rückwirkenden Abmeldung steht nicht entgegen, dass die Betreuerin des Ehemanns der Klägerin diesen erst im Februar 2017 abmeldete (vgl. Lent in BeckOK InfoMedienR, 44. Ed. Stand 1.5.2024, § 3 RBeitrStV Rn. 5.3). Zwar endet die Beitragspflicht nach § 7 Abs. 2 Satz 1 nicht vor dem Ablauf des Monats, in dem das Ende des Innehabens einer Wohnung der zuständigen Landesrundfunkanstalt angezeigt worden ist. Jedoch hat der Beklagte dem Ehemann der Klägerin mit Schreiben vom 22. Februar 2017 mitgeteilt, sein Beitragskonto mit Ablauf des Monats Januar 2017 abgemeldet zu haben und ihm damit in der Sache eine konkludente Wiedereinsetzung entsprechend Art. 32 BayVwVfG gewährt. Die in dieser Vorschrift enthaltenen Grundsätze zu Geltung und Ausschluss der Wiedereinsetzung kommen auch in denjenigen Fällen zur Anwendung, in denen – wie hier durch Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG – die Anwendbarkeit der Verwaltungsverfahrensgesetze ausgeschlossen ist, denn Art. 32 BayVwVfG ist – wie Art. 31 BayVwVfG und § 60 VwGO – Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens (Kallerhoff/Stamm in Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg), VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 32 Rn. 8; Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer (Hrsg.), HK-VerwR, 5. Aufl. 2021, § 32 VwVfG Rn. 6; zur Anwendung anderer Regelungen des BayVwVfG im Rundfunkbeitragsrecht: BayVGH, U.v. 30.10.2002 – 7 B 01.3087 – juris Rn. 13).
35
Nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Eine Wiedereinsetzung nach Art. 32 BayVwVfG ist sowohl in verfahrensrechtliche als auch in materiell-rechtliche gesetzliche Fristen möglich, denn die Vorschrift macht keinen Unterschied zwischen verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Fristen (BVerwG, U.v. 17.7.1980 – 7 C 101/78 – NJW 1981, 359/361; Mattes in NK-VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 32 Rn. 12; Michler in BeckOK VwVfG, 63. Ed. Stand 1.4.2024, § 32 Rn. 7; Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer (Hrsg.), HK-VerwR, 5. Aufl. 2021, § 32 VwVfG Rn. 4; vgl. ferner BayVGH, B.v. 2.10.2018 – 14 ZB 17.1841 – BeckRS 2018, 23701 Rn. 7 f.; grds. ablehnend Kallerhoff/Stamm in Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 10. Aufl. 2022, § 32 Rn. 6). Eine Wiedereinsetzung ist nach bzw. analog Art. 32 Abs. 5 BayVwVfG nur dann unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Ausgeschlossen ist also eine Wiedereinsetzung in eine Ausschluss- bzw. Präklusionsfrist (VGH BW, U.v. 24.2.2011 – 2 S 2782/10 – NVwZ-RR 2011, 605). Ob eine solche Ausschlussfrist vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln (NdsOVG, U.v. 14.3.2007 – 4 LC 16/05 – BeckRS 2007, 22797; VGH BW, U.v. 24.2.2011 – 2 S 2782/10 – NVwZ-RR 2011, 605; Mattes in NK-VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 31 Rn. 26).
36
Der Ausschluss der Wiedereinsetzung muss sich nicht ausdrücklich aus dem Gesetzeswortlaut ergeben. Es genügt, wenn nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ein verspäteter Antragsteller materiell-rechtlich endgültig seine materielle Rechtsposition einbüßen soll. Das Fachrecht muss jedoch einen hinreichenden Anhalt für die Annahme bieten, der Gesetzgeber habe dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Frist gegenüber dem Interesse des Einzelnen an deren nachträglicher Wiedereröffnung auch bei unverschuldeter Fristversäumnis schlechthin den Vorrang eingeräumt und deswegen die Wiedereinsetzung generell versagt (BVerwG, U.v. 28.3.1996 – 7 C 28/95 – DtZ 1996, 250/251; U.v. 18.4.1997 – 8 C 38/95 – NJW 1997, 2966/2968; U.v. 26.6.2020 – 5 C 1.20 – BeckRS 2020, 22249 Rn. 14; NdsOVG, U.v. 14.3.2007 – 4 LC 16/05 – BeckRS 2007, 22797; Kallerhoff/Stamm in Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 10. Aufl. 2022, § 32 Rn. 6). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Zweck der gesetzlichen Regelung mit der Fristbeachtung steht und fällt. Der Zweck muss ein solches Gewicht haben, dass er die Präklusionswirkungen rechtfertigen kann (VGH BW, U.v. 24.2.2011 – 2 S 2782/10 – NVwZ-RR 2011, 605). Der Umstand allein, dass eine Frist den Zweck hat, einer Stelle zu einem möglichst frühen Zeitpunkt einen Überblick über voraussichtlich zu erfüllende Forderungen zu verschaffen, rechtfertigt dagegen noch nicht die Annahme einer Ausschlussfrist (VGH BW, U.v. 24.2.2011 – 2 S 2782/10 – NVwZ-RR 2011, 605; Mattes in NK-VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 31 Rn. 26). Mit Blick auf die einschneidenden Folgen für den Betroffenen muss sich der (strikte) Ausschlusscharakter aus der Regelung hinreichend deutlich ergeben; im Zweifel ist nicht von einer Ausschlussfrist auszugehen (VGH BW, U.v. 24.2.2011 – 2 S 2782/10 – NVwZ-RR 2011, 605; Mattes in NK-VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 31 Rn. 26).
37
Ausgehend hiervon ist der Eingangszeitpunkt der Abmeldung bei der zuständigen Landesrundfunkanstalt in den § 7 Abs. 2 Satz 1, § 8 Abs. 2 RBStV nicht als Ausschlussfrist ausgestaltet (a.A. Noßwitz in Binder/Vesting (Hrsg.), Beck RundfunkR, 5. Aufl. 2024, § 7 RBStV Rn. 33, weil es sich beim Abmeldezeitpunkt nicht um eine gesetzliche Frist handele). Zwar ist die Abmeldung nach § 8 Abs. 2 RBStV materiell-rechtliche Voraussetzung und damit konstitutiv für das Ende der Beitragspflicht (vgl. BayLT-Drs. 16/7001, S. 21; Noßwitz in Binder/Vesting (Hrsg.), Beck RundfunkR, 5. Aufl. 2024, § 7 RBStV Rn. 24). Weder dem Wortlaut der Bestimmungen noch ihrem Sinn und Zweck lässt sich indes entnehmen, dass das Ende der Beitragspflicht hiermit dergestalt „stehen und fallen“ soll, dass der Betroffene bis zum Zugang der Abmeldung zwingend und endgültig an seiner Beitragspflicht festgehalten wird. Aus dem Wortlaut ergibt sich lediglich, dass die Anzeige nach § 8 Abs. 2 RBStV eine materiell-rechtliche Voraussetzung für das Ende der Beitragspflicht ist, über den Ausschluss der Wiedereinsetzungsmöglichkeit verlautbart der Wortlaut hingegen nichts. Die Vorschrift enthält insbesondere keine Hinweise darauf, dass im Fall der Versäumung einer unverzüglichen Abmeldung das allgemeine Institut bzw. der Rechtsgedanke der Wiedereinsetzung keine Geltung hat. Die Annahme einer Ausschlussfrist ist auch nicht durch den Zweck der Vorschrift gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hielt es für sachlich geboten, das Ende der Beitragspflicht von einer Anzeige des Beitragsschuldners abhängig zu machen, „um einen ordnungsgemäßen und ökonomischen Beitragseinzug sicherzustellen“ (BayLT-Drs. 16/7001, S. 20). Dass dieses Ziel bei Zulassung von Wiedereinsetzungen gefährdet würde, ist mit Blick darauf, dass die Wiedereinsetzung durch die in Art. 32 BayVwVfG genannten Voraussetzungen begrenzt wird und ihrerseits Fristen unterliegt (vgl. Art. 32 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BayVwVfG), nicht erkennbar. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass der Bayerische Rundfunk tatsächlich rückwirkende Abmeldungen zulässt und vornimmt, wie der Fall des Ehemanns der Klägerin zeigt (zu weiteren Ausnahmen vom Verbot der rückwirkenden Abmeldung vgl. Noßwitz in Binder/Vesting (Hrsg.), Beck RundfunkR, 5. Aufl. 2024, § 7 RBStV Rn. 38 ff.). Es ist daher keineswegs so, dass der dargelegte Zweck der gesetzlichen Regelung mit der Fristbeachtung steht und fällt.
38
Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte dem Ehemann der Klägerin zu Unrecht eine Wiedereinsetzung gewährte, liegen nicht vor. Insbesondere bedurfte es analog Art. 32 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG neben der Nachholung der zunächst versäumten Anzeige nach § 8 Abs. 2 RBStV keines Antrags auf Wiedereinsetzung. Mit den Angaben in der Abmeldung und den ihr beigefügten Anlagen sind die Wiedereinsetzungsgründe jedenfalls unter Berücksichtigung der Angaben der in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugin zum Krankenhausaufenthalt des Ehemanns der Klägerin im Januar 2017 auch hinreichend glaubhaft gemacht (Art. 32 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG).
39
Da die Glaubhaftmachung anders als die Geltendmachung der Wiedereinsetzungsgründe nicht fristgebunden ist (VGH BW, U.v. 24.2.2011 – 2 S 2782/10 – NVwZ-RR 2011, 605/606; Baer in Schoch/Schneider (Hrsg.), VwVfG, 4. EL November 2023, § 32 Rn. 76; Mattes in NK-VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 32 Rn. 64), konnte das Gericht insoweit auch die Angaben der Zeugin in der mündlichen Verhandlung berücksichtigen, welche die bei Antragstellung bzw. hier Nachholung der versäumten Handlung bereits nach dem objektiven Empfängerhorizont erkennbaren Gründe bloß ergänzen. So hat die Betreuerin des Ehemanns der Klägerin sinngemäß bereits bei Nachholung der Abmeldung gesundheitliche Gründe und die Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit des Ehemanns geltend gemacht. Dies ergibt sich daraus, dass sie der Abmeldung eine Bescheinigung der Pflegeeinrichtung beifügte, sowie aus dem Stempel neben der Unterschrift auf dem Abmeldeformular, der auf das Bestehen eines Betreuungsverhältnisses hinweist.
40
Dass der Ehemann der Klägerin aufgrund seines gesundheitlichen und geistigen Zustands (Demenz) nicht zu einer eigenständigen fristgemäßen Abmeldung oder deren Veranlassung in der Lage war, wird durch die eben erwähnte Bestellung einer Betreuerin Ende Januar 2017 während seines Krankenhausaufenthalts bestätigt. Konkrete Hinweise darauf, dass diese sich nicht unverzüglich um die Ordnung der Vermögensverhältnisse des von ihr Betreuten einschließlich der Abmeldung von der Rundfunkbeitragspflicht gekümmert hätte, sind nicht ersichtlich. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Antrags- bzw. Nachholungsfrist entsprechend Art. 32 Abs. 2 Satz 1 und 3 BayVwVfG gewahrt ist. Auch sonstige durchgreifende rechtliche Bedenken gegen die Wiedereinsetzung durch den Beklagten bestehen nicht.
41
War aber demnach der Ehemann der Klägerin im Monat Februar 2017 nicht mehr beitragspflichtig, so erstattete der Beklagte ihm zu Recht noch vorhandenes Guthaben nach § 10 Abs. 3 Satz 1 RBStV statt es auf – allein von der Klägerin und nicht mehr auch von ihrem Ehemann geschuldete – Rundfunkbeiträge für spätere Zeiträume anzurechnen. Letzteres wäre nur dann geboten gewesen, wenn die Klägerin und ihr Ehemann auch im Monat Februar 2017 noch als Gesamtschuldner für den Rundfunkbeitrag für die Wohnung Weidengasse 32, 97478 Knetzgau gehaftet hätten. Nur dann hätte sich mit Bewirkung der Beitragsforderung das dem Gläubiger entsprechend § 44 AO und § 421 BGB grundsätzlich zustehende Wahlrecht, welchen von mehreren Schuldnern er zur Leistung heranzieht, im Umfang der bewirkten Leistung auf Null reduziert gehabt mit der Folge, dass der Beklagte nicht den Ehemann der Klägerin hätte rückwirkend abmelden, ihm die geleisteten Beiträge erstatten und stattdessen die Klägerin zum Rundfunkbeitrag hätte heranziehen dürfen (vgl. VG Würzburg, U.v. 1.2.2024 – W 3 K 21.1010 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Mit Blick auf den dargestellten Wegfall der Beitragspflicht des Ehemanns der Klägerin ab 1. Februar 2017 liegt ein solcher Fall indes gerade nicht vor.
42
Nach alledem waren Beitragsleistungen des Ehemanns an den Beklagten für den Zeitraum bis einschließlich 31. Januar 2017 nach § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV i.V.m. § 44 Abs. 2 Satz 1 AO zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen mit der Folge, dass insoweit kein Beitragsrückstand der Klägerin bei Bescheiderlass bestand. Hingegen war die streitgegenständliche Beitragsschuld der Klägerin im Übrigen bei Bescheiderlass nicht erloschen. Neben den bereits dargestellten Beitragsleistungen ihres Ehemanns sind keine Gründe ersichtlich, die zum vollständigen oder teilweisen Erlöschen der übrigen Beitragsforderungen führen würden.
43
Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Sohn der Klägerin von ihm geschuldete Rundfunkbeiträge für die noch streitgegenständlichen Monate entrichtet und die Klägerin dadurch nach § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV i.V.m. § 44 Abs. 2 Satz 1 AO ganz oder teilweise von ihrer Beitragsschuld frei geworden wäre. Eine Rundfunkbeitragsschuld des Sohns der Klägerin als Gesamtschuldner im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV kommt im streitgegenständlichen Zeitraum mit Blick auf seinen Einzug in die Wohnung erst im Februar 2018 und seine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Zeit vom 1. Mai 2018 bis 31. Oktober 2019 von vornherein nur für die Monate März und April 2018 in Betracht. Ausweislich der im Verwaltungsvorgang des Beklagten zum Beitragskonto 693 450 … vorhandenen Historie sind beim Beklagten keine Rundfunkbeitragszahlungen des Sohns der Klägerin für diesen Zeitraum – und im Übrigen auch nicht für sonstige (noch) streitgegenständliche Zeiträume – eingegangen. Dem ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten.
44
Auch dass die Klägerin dem Beklagten unter dem 14. Januar 2019 ein SEPA-Lastschriftmandat erteilt hat, führte nicht zum Erlöschen der Beitragsschuld durch Erfüllung. Denn mit der bloßen Erteilung einer Einzugsermächtigung tritt noch keine Erfüllung ein. Beim SEPA-Lastschriftverfahren tritt Erfüllung vielmehr erst mit vorbehaltloser Gutschrift des Zahlungsbetrags auf dem Gläubigerkonto und der damit einhergehenden uneingeschränkten Verfügungsbefugnis über den Zahlungsbetrag ein (Fetzer in MüKoBGB, 9. Aufl. 2022, § 362 BGB Rn. 30). Hieran fehlt es. Ein Abbuchungsversuch des Beklagten im März 2019 blieb erfolglos; es kam zu einer Rücklastschrift wegen fehlender Kontodeckung.
45
Die demnach noch offenen Beiträge der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Februar 2017 bis 31. Januar 2018 und vom 1. März 2018 bis 31. Oktober 2019 waren bei Bescheiderlass auch bereits fällig, weil der Rundfunkbeitrag nach § 7 Abs. 3 RBStV in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten ist. Da die Leistungszeit damit jedenfalls mittelbar nach dem Kalender bestimmt ist, war eine Mahnung für den Eintritt des Verzugs entbehrlich (vgl. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Der Beklagte befand sich bei Erlass der angefochtenen Bescheide auch nicht in einem – den Schuldnerverzug ausschließenden – Annahmeverzug (§ 293 BGB). Ein solcher ergibt sich nicht daraus, dass der Beklagte nach dem erfolglosen Abbuchungsversuch im März 2019 keinen weiteren Versuch unternahm, von der Einzugsermächtigung der Klägerin vom 14. Januar 2019 Gebrauch zu machen. Hierzu war der Beklagte nicht verpflichtet.
46
Zwar verwandelte sich mit der Vereinbarung des Lastschriftverfahrens die Schickschuld (§ 10 Abs. 2 Satz 1 RBStV, § 270 Abs. 1 BGB) in eine Holschuld gemäß § 269 Abs. 1 BGB (vgl. OLG Stuttgart, U.v. 2.6.2008 – 5 U 20/08 – BeckRS 2008, 14159 Rn. 41). Bei einem fehlgeschlagenen Einziehungsversuch des Gläubigers verwandelt sich die Holschuld allerdings nach Sinn und Zweck einer Lastschriftabrede – je nach den übrigen Vereinbarungen der Parteien – regelmäßig wieder zu einer Schickschuld (OLG Köln, U.v. 20.6.1985 – 5 U 242/84 – NJW-RR 1986, 390; OLG Stuttgart, U.v. 2.6.2008 – 5 U 20/08 – BeckRS 2008, 14159 Rn. 63). So liegt der Fall hier, da weder das Rundfunkbeitragsrecht eine von diesem Grundsatz abweichende Regelung trifft noch die Beteiligten eine abweichende Vereinbarung getroffen haben. Dies wird – ohne dass es hierauf rechtserheblich ankommt – durch das Schreiben des Beklagten an die Klägerin vom 2. Juli 2019 bestätigt. Darin teilt der Beklagte der Klägerin mit, die Bankverbindung aufgrund der Rücklastschrift gelöscht zu haben.
47
Ob und inwieweit etwas anderes mit Blick auf den Rechtsgedanken des § 286 Abs. 4 BGB dann zu gelten hätte, wenn der Einziehungsversuch deshalb fehlgeschlagen wäre, weil der Gläubiger in einer nicht von der Einzugsermächtigung gedeckten Weise von dieser Gebrauch gemacht hätte, kann dahinstehen. Denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Einziehungsversuch scheiterte im streitgegenständlichen Fall daran, dass das Konto der Klägerin keine ausreichende Deckung aufwies, obwohl der Beklagte sie rechtzeitig vor Durchführung des Einziehungsversuchs am 16. März 2019 mit Schreiben vom 7. März 2019 auf die bevorstehende Abbuchung und die Höhe des Abbuchungsbetrags hinwies. Die fehlende Kontodeckung ist ein von der Klägerin zu vertretender Umstand. Bei vereinbartem Lastschriftverfahren hat nämlich der Geldschuldner alle Voraussetzungen für einen Lastschrifteinzug herzustellen, d.h. insbesondere für eine ausreichende Deckung zu sorgen (Ernst in MüKoBGB, 9. Aufl. 2022, § 286 BGB Rn. 122; Fetzer in MüKoBGB, 9. Aufl. 2022, § 362 BGB Rn. 26). Etwas anderes ergibt sich auch nicht etwa daraus, dass die klägerische Einzugsermächtigung eine Beschränkung auf bestimmte Forderungen des Beklagten enthalten hätte. Eine solche lässt sich nach dem objektiven Erklärungsgehalt (analog den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB) der klägerischen Einzugsermächtigung vom 14. Januar 2019 nicht entnehmen. Ein entsprechender Wille der Klägerin ergibt sich vielmehr allenfalls und frühestens aus dem Schreiben ihrer Bevollmächtigten an den Beklagten vom 20. März 2019. Zu diesem Zeitpunkt hatte der fehlgeschlagene Einziehungsversuch indes schon stattgefunden, so dass eine etwaige nachträgliche Einschränkung der Einzugsermächtigung keine Wirkung mehr zu entfalten vermochte. Es kann daher dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Einschränkung der Einzugsermächtigung zulässig wäre.
48
Schließlich ist die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen für den streitgegenständlichen Zeitraum ab 1. Februar 2017 gegenüber der Klägerin auch nicht ermessensfehlerhaft, soweit der Beklagte diese und nicht deren Sohn zu Rundfunkbeiträgen für die Monate März und April 2018 herangezogen hat. Ermessensfehler sind weder gerügt noch ersichtlich.
49
In den Monaten März und April 2018 war neben der Klägerin auch deren Sohn nach § 2 Abs. 1 RBStV rundfunkbeitragspflichtig. Gibt es mehrere Beitragsschuldner, bestimmt § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV, dass die Beitragsschuldner als Gesamtschuldner entsprechend § 44 AO haften. Nach § 44 Abs. 1 AO sind Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften oder die zusammen zu einer Steuer zu veranlagen sind, Gesamtschuldner. Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet hiernach jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung.
50
Haften mehrere Schuldner für den Rundfunkbeitrag gesamtschuldnerisch, kann die Rundfunkanstalt nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen auswählen, von welchem Gesamtschuldner sie die Leistung fordern will. Dies folgt aus dem ergänzend heranzuziehenden § 421 BGB (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.1993 – 8 C 57/91 – juris Rn. 20; SächsOVG, B.v. 6.3.2015 – 3 B 305/14 – BeckRS 2015, 124821 Rn. 9; Beck in Göhmann/Schneider/Siekmann (Hrsg.), RundfunkR, 4. Aufl. 2018, § 2 RBStV Rn. 29). Grundsätzlich kann es auch zulässig sein, gegenüber jedem von mehreren Beitragspflichtigen gleichzeitig eine Festsetzung zu treffen (vgl. SächsOVG, B.v. 6.3.2015 – 3 B 305/14 – BeckRS 2015, 124821 Rn. 8 f.; Beck in Göhmann/Schneider/Siekmann (Hrsg.), RundfunkR, 4. Aufl. 2018, § 2 RBStV Rn. 31). Allerdings ist dann auf der Ebene der Vollstreckung der Festsetzungsbescheide zu beachten, dass die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner auch für die übrigen Schuldner wirkt.
51
Die Entscheidung der Landesrundfunkanstalt, von wem sie die Leistung fordern will, ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Das Gericht ist nicht befugt, eigene Ermessenserwägungen an die Stelle der Erwägungen der Rundfunkanstalt zu setzen. Es hat sich vielmehr gemäß § 114 Satz 1 VwGO auf die Prüfung zu beschränken, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Dies bedeutet, dass das Gericht lediglich prüft, ob das Ermessen rechtmäßig, nicht auch, ob es zweckmäßig ausgeübt worden ist (BVerwG, U.v. 15.7.1964 – V C 23.63 – BeckRS 1964, 30439577; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 114 Rn. 1).
52
Im Fall der Klägerin ist die Entscheidung des Beklagten, gerade die Klägerin zu Rundfunkbeiträgen heranzuziehen, rechtlich nicht zu beanstanden. Es erscheint insbesondere nicht ermessensfehlerhaft, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung die Klägerin als diejenige Beitragsschuldnerin zur Beitragsleistung heranzuziehen, die für einen längeren Gesamtzeitraum Beiträge zu leisten hat, statt von einem weiteren Beitragsschuldner für einzelne kürzere Zeiträume Beiträge zu fordern und nur die dann noch offene Differenz beim zeitlich weitergehend verpflichteten Beitragsschuldner zu erheben.
53
Darüber hinaus begegnet auch die Höhe der von der Klägerin für Zeiten ab dem 1. Februar 2017 geforderten Rundfunkbeiträge keinen rechtlichen Bedenken. Der Festsetzung liegt eine Rundfunkbeitragshöhe von 17,50 EUR monatlich zugrunde. Diese ergibt sich zwingend aus § 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag.
54
Soweit mit dem streitgegenständlichen Bescheid Rücklastschriftkosten von 4,40 EUR festgesetzt werden, beruht dies auf § 9 Abs. 2 RBStV i.V.m. § 10 Abs. 3 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Rundfunkbeitragssatzung) vom 5. Dezember 2016, in Kraft ab 1. Januar 2017 (StAnz Nr. 51-52/2016).
55
Nach § 10 Abs. 3 Rundfunkbeitragssatzung hat die Kosten der Zahlungsübermittlung einschließlich eventueller Rücklastschriftkosten der Beitragsschuldner zu tragen. Diese Satzungsregelung ist wirksam und verstößt bei gesetzeskonformer Auslegung nicht gegen höherrangiges Recht.
56
Die Kostentragungsregelung in § 10 Abs. 3 Rundfunkbeitragssatzung ist von der Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV gedeckt. Diese Bestimmung ermächtigt die zuständige Landesrundfunkanstalt ausdrücklich dazu, u.a. Einzelheiten des Verfahrens der Erhebung von Kosten durch Satzung zu regeln. Hierzu gehört auch die Frage der Tragung der Kosten der Zahlungsübermittlung.
57
Die Kostenverteilung zulasten des Beitragsschuldners gemäß § 10 Abs. 3 Rundfunkbeitragssatzung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere den allgemeinen Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit. Davon ausgehend, dass § 10 Abs. 3 Rundfunkbeitragssatzung auch ohne ausdrückliche Satzungsregelung durch den Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt wird, gilt dies auch für die verschuldensunabhängige Ausgestaltung der Kostentragung zulasten des Beitragsschuldners. Dies bedeutet, dass der Beitragsschuldner in Fällen, in denen es – etwa aufgrund vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Handelns der Landesrundfunkanstalt – völlig unbillig erscheint, (allein) ihm die Kosten aufzuerlegen, seiner Kostentragungspflicht nach § 10 Abs. 3 Rundfunkbeitragssatzung den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben entgegenhalten kann. (Nur) gegen die so verstandene und angewandte Regelung des § 10 Abs. 3 Rundfunkbeitragssatzung bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken; sie entspricht wertungsmäßig im Wesentlichen § 270 Abs. 1 BGB (vgl. zur Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Rahmen von § 270 Abs. 1 BGB Beurskens in BeckOGK, Stand 15.5.2024, § 270 BGB Rn. 30; Krüger in MüKoBGB, 9. Aufl. 2022, § 270 Rn. 14 f.; Lorenz in BeckOK BGB, 70. Ed. Stand 1.5.2024, § 270 Rn. 14).
58
Hiervon ausgehend ist die Festsetzung der Rücklastschriften nach § 9 Abs. 2 RBStV i.V.m. § 10 Abs. 3 Rundfunkbeitragssatzung im Fall der Klägerin rechtlich nicht zu beanstanden. Gründe, die die Erhebung dieser Kosten ausnahmsweise treuwidrig erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Klägerin rechtzeitig vor dem Einziehungsversuch am 16. März 2019 mit Schreiben des Beklagten vom 7. März 2019 auf die bevorstehende Abbuchung und die Höhe des Abbuchungsbetrags hingewiesen worden, so dass dahinstehen kann, ob ein solcher Hinweis rechtlich erforderlich war oder nicht.
59
Sonstige rechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids sind nicht ersichtlich. Mit Ausnahme der Festsetzung von Rundfunkbeiträgen für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Januar 2017 erweist sich der Bescheid daher als rechtmäßig und verletzt die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten.
60
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.