Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 04.07.2024 – AN 4 E 24.1196
Titel:

Geltung des Gebots parteipolitischer Neutralität für kommunale Amtsträger

Normenketten:
GG Art. 21 Abs. 1
BGB § 1004
VwGO § 40 Abs. 1
Leitsätze:
1. Fallen rechtswegzuständigkeits- und anspruchsbegründende Tatsachen zusammen (doppelrelevante Tatsachen), genügt es, dass sich die behauptete Rechtswegzuständigkeit schlüssig aus dem Antragsvorbringen ergibt; Beweise brauchen insoweit nicht erhoben zu werden. Vielmehr ist insoweit die Richtigkeit des Antragsvortrags zu unterstellen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Durch § 3 PartG soll die in den Bestimmungen besonderer Verfahrensordnungen - wie in § 61 Nr. 2 VwGO - gesicherte Beteiligungsfähigkeit niederer Gebietsverbände politischer Parteien nicht ausgeschlossen werden. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Mitglied eines Stadt- bzw. Gemeinderats, das zugleich ein Referentenamt ausübt, unterliegt grundsätzlich bei in amtlicher Eigenschaft getätigten Äußerungen dem Gebot parteipolitischer Neutralität. (Rn. 51 – 52) (redaktioneller Leitsatz)
4. Äußerungen in sozialen Medien wie Facebook erfolgen im Rahmen eines allgemeinen politischen Diskurses, sodass es für die Einordnung als private oder amtliche Äußerung einer differenzierenden Betrachtung bedarf. Wird durch die äußernde Person aber selbst ein ausdrücklicher Bezug zu dem von ihr ausgeübten Amt hergestellt, liegt eine am Neutralitätsgebot zu messende Äußerung in amtlicher Eigenschaft vor. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gebot der parteipolitischen Neutralität, Gebot der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb, Öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch, Unterscheidung zwischen Äußerungen durch Inhaber eines öffentlichen Amts in amtlicher Funktion und in privater bzw. parteipolitischer Funktion, Keine Befugnis einer ehrenamtlichen gemeindlichen Kultur- und Tourismusreferentin zur Beteiligung am allgemeinen kommunalpoltischen Diskurs in amtlicher Funktion, parteipolitische Neutralität, kommunale Referenten, Chancengleichheit der Parteien, kommunalpolitischer Diskurs, Äußerungen in sozialen Medien, Ortsverbände politischer Parteien, Unterlassungsanspruch, doppelrelevante Tatsachen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 19007

Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, bei Vermeidung eines auf Antrag des Antragstellers vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgelds in Höhe von bis zu 10.000,00 EUR zu unterlassen, durch ihre Kultur- und Tourismusreferentin in Bezug auf den Antragsteller öffentlich erklären zu lassen:
„Auch als Kulturreferentin der Stadt … kann ich es nicht zulassen,
dass unsere …Halle, in der großartige internationale KünstlerInnen auftreten, von einer Partei benutzt wird, die als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft ist!“
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller 2/3 und die Antragsgegnerin 1/3.
3. Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren der einstweiligen Anordnung gegen – von ihm dem ersten Bürgermeister sowie der Kultur- und Tourismusreferentin der Antragsgegnerin zugeschriebene – öffentliche Äußerungen.
2
Der Antragsteller ist der im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin tätige Kreisverband … der Partei Alternative für Deutschland (AfD).
3
Er mietete bei der Antragsgegnerin für …, den …2024, …, die städtische …Halle zur Durchführung einer Wahlkampfveranstaltung anlässlich der Europawahl am 9. Juni 2024 an.
4
Als Reaktion hierauf wurde unter anderem in dem sozialen Medium Facebook für den …2024 in der Zeit von …Uhr bis …Uhr zur Abhaltung einer Gegendemonstration mit dem Motto „… für Vielfalt und Demokratie. Gegen Hass und Hetze. Wir zeigen Haltung, weil jeder Mensch einzigartig ist“ vor der …Halle aufgerufen.
5
Am 14. Mai 2024 wurde auf der unter dem bürgerlichen Namen … geführten Facebook-Seite der Kultur- und Tourismusreferentin der Antragsgegnerin folgende Äußerung veröffentlicht:
„Auch als Kulturreferentin der Stadt … kann ich es nicht zulassen, dass unsere …Halle, in der großartige nationale und internationale KünstlerInnen auftreten, von einer Partei benutzt wird, die als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft ist!“
6
Ebenfalls am 14. Mai 2024 wurde auf der Facebook-Seite des Ortsverbands … der Partei Bündnis 90/Die Grünen in Computerschrift folgender Appell veröffentlicht:
„Gemeinsam für Demokratie!
Wir treten für ein gesellschaftlich konstruktives Miteinander ein. Wir haben zum Teil unterschiedliche Positionen im Blick auf manche politischen Entscheidungen. Vereint sind wir in unserer Haltung und dem Menschenbild. Wir distanzieren uns grundsätzlich von Hass und Hetze. Wir stellen uns gegen Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Religion.
Wir stehen zu unserem Grundgesetz (Artikel 3) und stellen uns allen entgegen, die unsere Demokratie und unsere gemeinsamen Werte missachten und bedrohen.
Hiermit stellen wir uns als Mandatsträgerinnen und Mandatsträger der Stadt … klar gegen den Missbrauch der …Halle für Veranstaltungen, die unsere demokratischen Werte missachten und zu einer Spaltung unserer Gesellschaft beitragen.
...“
7
Am … 2024 wurde während der Durchführung der Wahlkampfveranstaltung des Antragstellers in der …Halle vor derselben die oben genannte Gegendemonstration abgehalten. Hieran nahmen auch der erste Bürgermeister und die Kultur- und Tourismusreferentin der Antragsgegnerin mit Redebeiträgen teil, die jeweils vor einem Transparent mit der Aufschrift „… BÜNDNIS GEGEN RECHTS. Kein Platz für Nazis“ gehalten wurden.
8
Mit anwaltlichem Schreiben vom 3. Juni 2024 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin dazu auf, bei Meidung einer entsprechenden, im Streitfall gerichtlich festzusetzenden Vertragsstrafe die vorstehend wörtlich wiedergegebenen Behauptungen nicht mehr zu wiederholen. Eine Reaktion der Antragsgegnerin hierauf erfolgte nicht.
9
Daraufhin hat der anwaltlich vertretene Antragsteller am 4. Juni 2024 um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht.
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Er macht geltend, die inkriminierten Äußerungen (jeweils Anlage ASt. 1) des ersten Bürgermeisters und der Kultur- und Tourismusreferentin der Antragsgegnerin seien jeweils als Verstoß gegen die staatliche Neutralitätspflicht zu werten. Ein Amtsträger habe sich immer dann, wenn er von einem Publikum auch nur als solcher wahrgenommen werden könnte, parteipolitisch strikt neutral zu verhalten. Mit Blick auf die oben genannten Äußerungen seien die Mandatsträger der Antragsgegnerin ganz offensichtlich in amtlicher Eigenschaft aufgetreten, weil sie in dieser Eigenschaft öffentlich gesprochen und gepostet hätten.
11
Ungeachtet der Veröffentlichung des mit „Gemeinsam für Demokratie!“ überschriebenen Appells auf der Facebook-Seite der Grünen sei davon auszugehen, dass der erste Bürgermeister der Antragsgegnerin diese Aussage selbst getroffen habe, zumal die Personen, von denen die Aussage herrühre, unter dem Aufruf namentlich aufgeführt seien. Bereits die elektronische Ausgabe der … Nachrichten vom 15. Mai 2024 (Anlage ASt. 3a) habe berichtet, die Impulse für die Gegendemonstration vom … 2024 seien auch aus dem … Stadtrat gekommen und der erste Bürgermeister habe hierzu mit 20 Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern einen Appell unterzeichnet. Hierfür spreche ferner ein Artikel der … Nachrichten vom 18. Mai 2024 (Anlage ASt. 4), in welchem ausgeführt werde, dass der erste Bürgermeister mit 20 … Stadträten unter dem Motto „Gemeinsam für Demokratie!“ einen Appell unterzeichnet habe, in welchem sie sich auch gegen jene stellen würden, „die unsere Demokratie und unsere gemeinsamen Werte missachten und bedrohen“. Weiter werde der erste Bürgermeister der Antragsgegnerin darin mit den Worten zitiert, man hätte „den Feinden Europas und der Demokratie“ die …Halle nicht überlassen, wenn hierzu eine Möglichkeit bestanden hätte. Hinzuweisen sei ferner auf einen Facebook-Post des Stadtrats … zur Gegendemonstration vom … 2024 (Anlage ASt. 5), wonach sogar der erste Bürgermeister ein Statement abgegeben habe.
12
Die Kulturreferentin habe sich hinsichtlich ihres Facebook-Posts ebenfalls in amtlicher Eigenschaft geäußert, weil sie sich darin ausdrücklich als Kulturreferentin der Stadt … bezeichnet habe, um ihrer Äußerung größeres politisches Gewicht zu verleihen. Ihre Eigenschaft als kommunale Mandatsträgerin folge dabei aus der Referentenordnung der Antragsgegnerin, in welcher festgelegt sei, dass der Stadtrat den Referenten die darin näher bezeichneten Bereiche zur Wahrnehmung repräsentativer und moderierender Aufgabe übertragen habe. Ebenfalls sei darin geregelt, dass die Referenten in ihrem Aufgabenbereich ausschließlich gemeindliche Interessen wahrzunehmen hätten und kein allgemeines politisches Mandat innehätten.
13
Auch eine Eilbedürftigkeit liege offensichtlich vor. Obschon sich der Europawahlkampf bereits dem Ende zuneige, werfe insbesondere die Bundestagswahl im Herbst 2025 ihre Schatten voraus. Im Übrigen sehe sich die AfD unabhängig von aktuellen Wahlterminen erheblichen Anfeindungen ausgesetzt. Auch von Seiten der Mandatsträger der Antragsgegnerin seien bei nächster Gelegenheit erneute öffentliche Äußerungen der verfahrensgegenständlichen Art mit dem Ziel, die Bürger gegen Veranstaltungen der AfD aufzuhetzen, zu befürchten.
14
Ein Mitglied des Vorstands des Antragstellers hat unter anderem an Eides statt versichert, es habe die vorgelegten Anlagen – mit Ausnahme der Anlagen ASt. 3, 3a und 4, die durch den anwaltlichen Vertreter gefertigt worden seien – selbst erstellt und könne daher sagen, dass diese tatsächlich öffentlich so wahrnehmbar gewesen seien. Der Tatsachenvortrag des anwaltlichen Vertreters beruhe auf seinen Informationen und weiche davon auch nicht ab.
15
Im Rahmen einer Antragserweiterung macht der Antragsteller außerdem geltend, ein grober Verstoß gegen die Neutralitätspflicht des ersten Bürgermeisters sei ferner darin zu erblicken, dass dieser bei seinem Redebeitrag im Rahmen der Gegendemonstration am … 2024 vor einem Transparent mit der Aufschrift „… Bündnis gegen rechts kein Platz für Nazis“ stehend ausweislich des Artikels der … Nachrichten vom 18. Mai 2024 geäußert habe, „Europa habe aus Gegnern Freunde gemacht. Weil dieses Europa aber auch Feinde habe, die es zumindest verändern, wenn nicht ganz abschaffen möchten, appelliere er, Flagge zu zeigen und zur Europawahl zu gehen.“ Dem habe der erste Bürgermeister nachgeschoben, „er fordere nicht dazu auf, eine bestimmte Partei – seine Partei – zu wählen, sondern demokratische Parteien.“ Dass dieser Redebeitrag gerade in amtlicher Funktion erfolgt sei, ergebe sich aus den hierbei ausweislich der Artikel der … Nachrichten vom 18. Mai und vom 20. Juni 2024 (Anlage ASt. 6) verwendeten einleitenden Worte, „er spreche hier mehr als Bürger denn als Bürgermeister“. Hierdurch habe der erste Bürgermeister unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, er handele (auch) als Bürgermeister und somit in Ausübung seines Amts. Zur Glaubhaftmachung werde auf die Artikel aus den … Nachrichten verwiesen. So handele es sich bei dem Artikel vom 18. Mai 2024 um einen Namensartikel, weshalb insoweit von einem hohen Grad an presserechtlicher Sorgfalt und damit von einer zutreffenden Zitierung der Worte des ersten Bürgermeisters auszugehen sei. Dies gelte umso mehr, als der Artikel vom 20. Juni 2024 ausdrücklich zu der inzwischen gegenüber der Rechtsaufsichtsbehörde Landratsamt erfolgten gegenteiligen Darstellung des ersten Bürgermeisters, sich tatsächlich mit den Worten, er „spreche hier als Bürger …, nicht als Bürgermeister“, geäußert zu haben, Stellung nehme. Die Redaktion habe insoweit allen Anlass zu einer kritischen Überprüfung ihrer Berichterstattung gehabt; diese habe offenbar ergeben, dass der am 18. Mai 2024 berichtete Wortlaut der Erklärung des ersten Bürgermeisters zutreffe.
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Der Antragsteller beantragt zuletzt wörtlich:
I. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines auf Antrag des Antragstellers vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 10.000,00 € untersagt, durch ihren Ersten Bürgermeister bezüglich einer Wahlkampfveranstaltung des Antragstellers zusammen mit 20 Mitgliedern des … Stadtrates öffentlich zu erklären „Gemeinsam für Demokratie! Wir treten für ein gesellschaftlich konstruktives Miteinander ein. Wir haben zum Teil unterschiedliche Positionen im Blick auf manche politischen Entscheidungen. Vereint sind wir in unserer Haltung und dem Menschenbild. Wir distanzieren uns grundsätzlich von Hass und Hetze. Wir stellen uns gegen Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Religion. Wir stehen zu unserem Grundgesetz (Art. 3) und stellen uns allen entgegen, die unsere Demokratie und unsere gemeinsamen Werte missachten und bedrohen. Hiermit stellen wir uns als Mandatsträgerinnen und Mandatsträger der Stadt … klar gegen den Missbrauch der …Halle für Veranstaltungen, die unsere demokratischen Werte missachten und zu einer Spaltung unserer Gesellschaft beitragen.“, insbesondere wenn dies geschieht wie in der Anlage Ast 1, Blatt 4 der Antragsschrift vom 3.6.2024.
II. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 10.000,00 € untersagt, durch ihren Ersten Bürgermeister bezüglich einer Wahlkampfveranstaltung des Antragstellers in der …Halle in … öffentlich zu erklären, Europa habe aus Gegnern Freunde gemacht, weil dieses Europa aber auch Feinde habe, die es zumindest verändern, wenn nicht ganz abschaffen möchten, appelliere er Flagge zu zeigen und zur (Europa-)Wahl zu gehen. Er fordere nicht dazu auf, eine bestimmte Partei – seine Partei – zu wählen, sondern demokratische Parteien, wenn dies geschieht, während er vor einem Transparent steht, auf dem der Text zu lesen ist: … Bündnis gegen rechts kein Platz für Nazis, wie auf Anlage Ast 1, Blatt 5 abgebildet, und einleitend zu seinen zitierten Äußerungen erklärt, er spreche hier mehr als Bürger, denn als Bürgermeister, weil er dann mehr sagen dürfe.
III. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 10.000,00 € untersagt, durch ihre Kulturreferentin bezüglich einer Wahlkampfveranstaltung des Antragstellers in der …Halle in … öffentlich zu erklären: „Auch als Kulturreferentin Stadt … kann ich es nicht zulassen, daß unsere …Halle, in der großartige nationale und internationale KünstlerInnen (sic! Schreibweise im Original) auftreten, von einer Partei benutzt wird, die als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft ist!“, insbesondere wenn dies geschieht wie in der Anlage Ast 1, Blatt 2 und 3 der Antragsschrift vom 3.6.2024.
17
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
18
Sie trägt vor, die Behauptung, ihr erster Bürgermeister habe im Rahmen der Gegendemonstration am …2024, bei der es sich weder um eine offizielle noch um eine politische Veranstaltung gehandelt habe, erklärt, er spreche hier mehr als Bürger denn als Bürgermeister, sei unwahr. Wie er an Eides statt versichere, habe er sich vielmehr mit den Worten: „ich spreche hier als Bürger …, nicht als Bürgermeister“ geäußert. Dies werde ferner durch eidesstattliche Versicherungen zweier ebenfalls bei der Gegendemonstration anwesender Bürger bestätigt. Auch habe der erste Bürgermeister in seiner Position als Privatperson an der Demonstration teilgenommen.
19
Es werde bestritten, dass der erste Bürgermeister die in dem Antrag zu II. wiedergegebenen Äußerungen wortwörtlich so getätigt habe. Aus dem Antrag gehe bereits nicht die genaue Wortwahl hervor, deren Unterlassung der Antragsteller begehre, weil hier offensichtlich aus Zeitungsartikel zitiert werde.
20
Der Antrag sei unzulässig. Die gestellten Anträge seien zu unbestimmt. Äußerungen aus einem Social-Media-Post und angebliche Äußerungen des ersten Bürgermeisters im Rahmen der Gegendemonstration am …2024, die in keinerlei Zusammenhang zueinander stünden, würden vermengt. Hinsichtlich des Antrags zu I. liege außerdem eine teilweise Antragsrücknahme vor, soweit in dessen zuletzt gestellter Fassung der Passus: „öffentlich erklären zu lassen, er spreche hier mehr als Bürger denn als Bürgermeister“ entfallen sei. Es mangele dem Antragsteller ferner an der notwendigen Antragsbefugnis, da in den angegriffenen Äußerungen weder dieser selbst noch dessen Mitglieder benannt würden. Es fehle dem Antragsteller als Kreisverband einer politischen Partei darüber hinaus an der Beteiligtenfähigkeit; insoweit sei § 3 PartG als Spezialvorschrift anzuwenden, wonach nur Gebietsverbände der höchsten Stufe klagen könnten. Zulässigkeitsbedenken bestünden ferner mit Blick auf die antragstellerseits beantragte Ordnungsgeldandrohung, da die insoweit die Zwangsgeldandrohung nach § 172 VwGO als verwaltungsprozessuale Spezialvorschrift dem § 890 Abs. 2 ZPO vorgehe.
21
Der Antrag sei ferner unbegründet. Es liege bereits kein Anordnungsanspruch vor, da es bereits an einer öffentlich-rechtlichen Äußerung des Bürgermeisters mangele. So sei die im Antrag zu I. angegriffene Äußerung auf der Facebook-Seite der … Grünen und nicht etwa auf einer offiziellen Seite der Stadt oder ihres ersten Bürgermeisters veröffentlicht worden. Letzterer sei im Übrigen nicht Mitglied der Grünen, sondern der SPD. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass sich der erste Bürgermeister diese Äußerungen gleichwohl zurechnen lassen müsste, hielten sich diese im Rahmen seiner Äußerungskompetenz zu örtlichen Angelegenheiten nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Der Antragsteller verkenne darüber hinaus, dass vorliegend der Anwendungsbereich des Neutralitätsgebots nicht eröffnet sei. Dieses sei primär zur Wahrung der in Art. 21 Abs. 1 GG verbürgten Chancengleichheit politischer Parteien entwickelt worden, so dass der erste Bürgermeister nur insoweit daran gebunden sei, als seine Äußerung die Rechtsposition politischer Parteien betreffe. Selbst wenn man das Neutralitätsgebot im vorliegenden Fall für anwendbar erachte, entspreche der Facebook-Post dessen Anforderungen.
22
Die Äußerungen der Kulturreferentin seien auf deren privatem Facebook-Profil erfolgt und stellten damit keine dem Neutralitätsgebot unterliegenden amtlichen Äußerungen dar. Auf dem betreffenden Profil würden hauptsächlich private Lebensereignisse sowie private Gedanken der Kulturreferentin zum Weltgeschehen und zu deren politischer Meinung veröffentlicht. Ihr, der Antragsgegnerin, seien die Äußerungen der Kulturreferentin daher nicht zuzurechnen, zumal diese das Amt ehrenamtlich ausübe. Selbst wenn eine solche Zurechnung möglich wäre, entsprächen die Äußerungen der Neutralitätspflicht, da auch in amtlicher Funktion Äußerungen getroffen werden dürften, wenn ein Bezug zu zutreffenden Tatsachen vorliege und dieser angemessen und sachlich innerhalb der Grenzen der Meinungsfreiheit gewürdigt werde.
23
Darüber hinaus sei keine konkrete Wiederholungsgefahr gegeben. Voraussetzung hierfür sei, dass die hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit bestehe, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine vergleichbare Äußerung ergehen werde. Die antragstellerseits angegriffenen Äußerungen seien in Bezug auf die Anmietung der …Halle aufgrund der Europawahl als einzelnes, in der Vergangenheit liegendes, punktuelles Ereignis ergangen.
24
Schließlich fehle es an einem Anordnungsgrund. Der Antragsteller habe nicht dargelegt, dass ihm wesentliche Nachteile entstünden, wenn er die hier verfahrensgegenständlichen Ansprüche in einem Hauptsacheverfahren durchsetzen müsste, zumal die nächste mögliche Wahl erst für den Herbst 2025 angesetzt sei. Gegen eine Dringlichkeit spreche zudem, dass es der Antragsteller bislang versäumt habe, bei den … Nachrichten die Löschung des Beitrags mit den beanstandeten Ausführungen zu betreiben.
25
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
26
Die im Verwaltungsrechtsweg zu verfolgenden Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben teilweise Erfolg. Der zuletzt als Ziffer III. gestellte Antrag erweist sich als zulässig und begründet. Die zuletzt gestellten Anträge zu den Ziffern I. und II. sind dagegen zulässig, aber unbegründet.
27
1. Für die vorliegenden Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.
28
Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Maßgeblich für die Rechtswegfrage ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird, also die Natur des Streitgegenstands (vgl. GmSOBG, B.v. 29.10.1987 – GmS-OGB 1/86 – juris Rn. 10 f.). Nach dem herrschenden sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Streitgegenstand durch Klageanspruch und Klagegrund bestimmt, also durch den geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruch und durch den ihm zugrundeliegenden, d.h. zu seiner Begründung vorgetragenen, Sachverhalt (BVerwG, U.v. 26.10.2006 – 10 C 12.05 – juris Rn. 19; B.v. 24.10.2011 – 9 B 12.11 – juris Rn. 17).
29
Vorliegend macht der Antragsteller einen Unterlassungsanspruch geltend. Dieser teilt als Abwehranspruch die Rechtsnatur des Handelns, gegen das er sich richtet (BVerwG, B.v. 29.4.1985 – 1 B 149.84 – juris Rn. 8; Eyermann/Wöckel, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 40 Rn. 80), so dass es auf die Rechtsnatur der Äußerung, deren Unterlassung der Antragsteller begehrt, und mithin darauf ankommt, ob die angegriffenen, vom Antragsteller dem ersten Bürgermeister und der Kultur- und Tourismusreferentin der Antragsgegnerin zugeschriebenen Äußerungen in amtlicher oder nicht amtlicher Funktion getätigt wurden. Dabei besteht vorliegend die Besonderheit, dass diesen rechtswegzuständigkeitsbegründenden Tatsachen zugleich eine anspruchsbegründende Bedeutung zukommt (sog. doppelrelevante Tatsachen). Der antragstellerseits geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen das staatliche Neutralitätsgebot kommt nur dann in Betracht, wenn der erste Bürgermeister und die Kultur- und Tourismusreferentin bei der durch den Antragsteller behaupteten Abgabe der angegriffenen öffentlichen Äußerungen in spezifischer Weise auf die Autorität ihres jeweiligen Amts oder auf die damit verbundenen Ressourcen zurückgegriffen hätten. Wären die antragstellerseits behaupteten Äußerungen dagegen durch die betreffenden Personen in deren Eigenschaft als Privatpersonen oder als Parteipolitiker im Rahmen der Teilnahme am politischen Meinungskampf erfolgt, käme ein den geltend gemachten Unterlassungsanspruch begründender Verstoß gegen die staatliche Neutralitätspflicht von vorneherein nicht in Betracht (vgl. BVerfG, U.v. 9.6.2020 – 2 BvE 1/19 – juris Rn. 79).
30
Fallen wie vorliegend rechtswegzuständigkeits- und anspruchsbegründende Tatsachen zusammen, genügt es, dass sich die behauptete Rechtswegzuständigkeit schlüssig aus dem Antragsvorbringen ergibt; Beweise brauchen insoweit nicht erhoben zu werden (BGH, B.v. 11.7.1996 – V ZB 6/96 – juris Rn. 15; B.v. 27.10.2009 – VIII ZB 45/08 – juris Rn. 14). Vielmehr ist insoweit die Richtigkeit des Antragsvortrags zu unterstellen (BGH, U.v. 24.9.1952 – II ZR 19/51 – juris Rn. 5; B.v. 27.10.2009 – VIII ZB 45/08 – juris Rn. 14). Damit wird eine Vereinfachung und beschleunigte endgültige Erledigung des Rechtsstreits bezweckt (BGH, B.v. 27.10.2009 – VIII ZB 45/08 – juris Rn. 14).
31
In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs die Behauptung des Antragstellers, die von ihm dem ersten Bürgermeister und der Kultur- und Tourismusreferentin zugeschriebenen öffentlichen Äußerungen seien gerade in deren jeweiliger Funktion als Inhaber eines öffentlichen Amts und nicht nur im Rahmen einer privaten oder parteipolitischen Äußerung erfolgt, als wahr zu unterstellen, ohne dass es an dieser Stelle auf eine den Anforderungen der § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO entsprechenden Glaubhaftmachung – diese tritt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes an die Stelle des Vollbeweises – ankommt.
32
2. Der Antrag Ziffer III. erweist sich als zulässig und auch in der Sache begründet.
33
a) Der Antrag Ziffer III. ist zulässig. Er ist statthaft, und auch die übrigen Sachentscheidungsvoraussetzungen liegen vor.
34
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist insbesondere statthaft. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Ein in diesem Sinne streitiges Rechtsverhältnis besteht zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens. Die Beteiligten streiten darum, ob in der antragstellerseits beanstandeten Äußerung der Kultur- und Tourismusreferentin der Antragsgegnerin eine Verletzung des staatlichen Neutralitätsgebots zulasten des Antragstellers als Kreisverband einer politischen Partei i.S.d. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG zu erblicken ist.
35
Der Antragsteller ist auch in analoger Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Es erscheint zumindest möglich, dass die angegriffene Äußerung der Kultur- und Tourismusreferentin der Antragsgegnerin gegen das staatliche Neutralitätsgebot verstoßen hat und dem Antragsteller in der Folge ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch zusteht. Anders als die Antragsgegnerin meint, scheitert eine mögliche eigene Rechtsverletzung insbesondere nicht daran, dass in dem betreffenden Facebook-Post nicht expressis verbis auf den Antragsteller als Kreisverband … der AfD oder auf dessen Mitglieder Bezug genommen wird. Auch ohne eine derartige ausdrückliche Bezugnahme wird aus den Begleitumständen unzweifelhaft deutlich, dass die betreffende Äußerung auf den Antragsteller bezogen ist. So datiert der verfahrensgegenständliche Facebook-Post der Kultur- und Tourismusreferentin auf den 14. Mai 2024 und nimmt ausdrücklich auf die Nutzung der …Halle durch eine Partei Bezug. Damit ist ein hinreichender zeitlicher, örtlicher sowie inhaltlicher Zusammenhang mit der durch den Antragsteller am …2024 in ebendieser Örtlichkeit abgehaltenen Wahlkampfveranstaltung hergestellt. Dies gilt umso mehr, als weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die …Halle in zeitlicher Nähe zu der Äußerung der Kultur- und Tourismusreferentin noch durch weitere politische Parteien genutzt worden wäre.
36
Der Antragsteller verfügt ferner über das als allgemeine Verfahrensvoraussetzung notwendige Rechtsschutzbedürfnis. So hat er sein Unterlassungsbegehren vor der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes mit anwaltlichem Schreiben vom 3. Juni 2024 erfolglos an die Antragsgegnerin herangetragen.
37
Der Antragsteller ist als Kreisverband einer politischen Partei nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig. Dem steht – anders als die Antragsgegnerin meint – auch die Bestimmung des § 3 PartG nicht entgegen. § 3 PartG soll den politischen Parteien und – vorbehaltlich einer abweichenden Bestimmung in der Satzung der Gesamtpartei – ihren Gebietsverbänden der jeweils höchsten Stufe für sämtliche gerichtlichen Verfahren die Parteifähigkeit einräumen und dadurch insbesondere die unbefriedigende zivilprozessuale Stellung der Parteien beseitigen. Nicht hingegen soll die in den Bestimmungen besonderer Verfahrensordnungen – wie in § 61 Nr. 2 VwGO – schon gesicherte Beteiligungsfähigkeit niederer Gebietsverbände ausgeschlossen werden (BVerwG, U.v. 18.7.1969 – VII C 56.58 – juris Rn. 31; B.v. 10.8.2010 – 6 B 16.10 – juris Rn. 6).
38
Der Antrag Ziffer III. ist schließlich hinreichend bestimmt. Die Aussage, deren Äußerung durch ihre Kultur- und Tourismusreferentin der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt werden soll, wird darin ausdrücklich bezeichnet.
39
b) Der Antrag Ziffer III. erweist sich ferner als begründet. Hierzu ist es erforderlich, dass der Antragsteller das Bestehen sowohl eines Anordnungsanspruchs, d.h. des in Streit stehenden materiellen Anspruchs, als auch das Bestehen eines Anordnungsgrundes, d.h. einer besonderen Dringlichkeit, glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO.
40
Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des Antrags zu Ziffer III. erfüllt. Der Antragsteller hat zum einen das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, nämlich eines gegenüber der Antragsgegnerin bestehenden öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs wegen einer rechtswidrigen hoheitlichen Verletzung des zu seinen Gunsten wirkenden staatlichen Neutralitätsgebots, und eine konkret drohende Widerholungsgefahr glaubhaft gemacht. Ebenfalls glaubhaft gemacht wurde ein Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Dringlichkeit, weil das Zuwarten bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller mit einem wesentlichen Nachteil i.S.d. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO verbunden wäre.
41
aa) Ein Anordnungsanspruch ist gegeben. Der Antragsteller hat das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs gegenüber der Antragsgegnerin wegen einer rechtswidrigen hoheitlichen Verletzung des zu seinen Gunsten wirkenden staatlichen Neutralitätsgebots und eine konkret drohende Widerholungsgefahr glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 2 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO).
42
(1) Der allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Anspruch auf zukünftiges Unterlassen einer getätigten Äußerung beruht auf einer analogen Anwendung des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB. Er setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Betroffenen erfolgt ist und die konkrete Gefahr der Wiederholung droht. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass amtliche Äußerungen sich an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren haben (BayVGH, B.v. 6.7.2012 – 4 B 12.952 – juris Rn. 18 f.).
43
Als geschützte Rechtsposition steht hier konkret das Gebot der staatlichen Neutralität im Raum, das sowohl auf dem Mitwirkungsrecht politischer Parteien an der öffentlichen Willensbildung nach Art. 21 Abs. 1 GG als auch auf dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG bzw. der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb fußt. Eine Verletzung des Neutralitätsgebots kommt insbesondere dann in Betracht, wenn staatliche Organe negative Werturteile über Ziele und Betätigung einer Partei äußern (BVerfG, U.v. 10.6.2014 – 2 BvE 4/13 – juris Rn. 25).
44
Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr, also die Prognose, dass weitere Eingriffe drohen, kann grundsätzlich angenommen werden, wenn bereits eine Beeinträchtigung stattgefunden hat. Denn im Regelfall wird die Behörde ihre Maßnahme für rechtmäßig halten und keinen Anlass sehen, von ihr Abstand zu nehmen. Sie wird sie in der Zukunft aufrechterhalten und in diesem Sinne wiederholen wollen (BVerwG, U.v. 25.1.2012 – 6 C 9.11 – juris Rn. 21; BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1609 – juris Rn. 62).
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(2) Der verfahrensgegenständliche Facebook-Post der Kultur- und Tourismusreferentin der Antragsgegnerin verletzt das von dieser bei Äußerungen in amtlicher Eigenschaft gegenüber dem Antragsteller zu wahrende Neutralitätsgebot.
46
(a) Sowohl nach dem Grundgesetz als auch nach der Bayerischen Verfassung ist durch den Staat und die Gemeinden das Gebot der parteipolitischen Neutralität zu beachten (BayVerfGH, E.v. 11.3.1994 – Vf. 22-VI-92 – juris Rn. 29). Das Bundesverfassungsgericht hat zu ihm ausgeführt, dass sich aus der chancengleichen Beteiligung an der politischen Willensbildung des Volkes ergibt, dass Staatsorgane im politischen Wettbewerb der Parteien Neutralität zu wahren haben. Das Recht, gleichberechtigt am Prozess der Meinungs- und Willensbildung teilzunehmen, wird entsprechend regelmäßig verletzt, wenn Staatsorgane als solche zugunsten oder zulasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern auf den Wahlkampf einwirken. Die Willensbildung des Volkes und die Willensbildung in den Staatsorganen vollziehen sich zwar in vielfältiger und tagtäglicher Wechselwirkung. So sehr vom Verhalten der Staatsorgane Wirkungen auf die Meinungs- und Willensbildung der Wählerinnen und Wähler ausgehen, so sehr ist es den Staatsorganen in amtlicher Funktion aber verwehrt, durch besondere Maßnahmen darüber hinaus auf die Willensbildung des Volkes bei Wahlen und in ihrem Vorfeld einzuwirken und dadurch Herrschaftsmacht in Staatsorganen zu erhalten oder zu verändern. Staatsorgane haben als solche allen zu dienen und sich neutral zu verhalten. Einseitige Parteinahmen während des Wahlkampfs verstoßen gegen die Neutralität des Staates gegenüber politischen Parteien und verletzen die Integrität der Willensbildung des Volkes durch Wahlen und Abstimmungen (BVerfG, U.v. 9.6.2020 – 2 BvE 1/19 – juris Rn. 47; U.v. 15.6.2022 – 2 BvE 4/20, 2 BvE 5/20 – juris Rn. 73). Der Antragsteller steht als Kreisverband einer Partei im politischen Wettbewerb.
47
In personeller Hinsicht verpflichtet das Neutralitätsgebot nicht nur Staatsorgane im engeren Sinn. Es gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vielmehr auch für die Gemeinden und deren Organe (BVerwG, B.v. 30.3.1992 – 7 B 29.92 – juris Rn. 3; U.v. 18.4.1997 – 8 C 5.96 – juris Rn. 17; B.v. 19.4.2001 – 8 B 33.01 – juris Rn. 4; U.v. 8.4.2003 – 8 C 14.02 – juris Rn. 24; s.a. U.v. 13.9.2017 – 10 C 6.16 – juris Rn. 24). Hauptorgane der Gemeinde sind gemäß Art. 29 GO der Gemeinderat (in seiner Gesamtheit) sowie der erste Bürgermeister. Demgegenüber soll das Neutralitätsgebot einzelne Gemeinderatsmitglieder grundsätzlich nicht erfassen, da diese zwar Teil eines Gemeindeorgans, jedoch als Einzelpersonen nicht befugt sind, für das Gesamtorgan zu sprechen (VGH BW, B.v. 30.1.1997 – 1 S 1748/96 – juris Rn. 10; VG Weimar, U.v. 10.6.2020 – 3 K 1568/19 We – juris Rn. 136).
48
Ob ein Staats- oder Gemeindeorgan sachlich in amtlicher Eigenschaft handelt und nicht nur als Privatperson oder Parteipolitiker am politischen Meinungskampf teilnimmt, ist anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu bestimmen. So hat das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf Mitglieder der Bundesregierung entschieden, dass diese nicht gehindert sind, außerhalb ihrer amtlichen Funktion am politischen Meinungskampf teilzunehmen (BVerfG, U.v. 16.12.2014 – 2 BvE 2/14 – juris Rn. 50; U.v. 27.2.2018 – 2 BvE 1/16 – juris Rn. 62; U.v. 9.6.2020 – 2 BvE 1/19 – juris Rn. 54). Eine Beeinträchtigung der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb hat es erst dann angenommen, wenn Regierungsmitglieder dabei auf durch das Regierungsamt eröffnete Möglichkeiten und Mittel zurückgreifen. Dies hat es insbesondere als gegeben angesehen, wenn eine parteiergreifende Äußerung eines Bundesministers entweder unter Einsatz der mit dem Ministeramt verbundenen Ressourcen oder unter erkennbarer Bezugnahme auf das Regierungsamt erfolgt, um ihr damit eine aus der Autorität des Amts fließende besondere Glaubwürdigkeit oder Gewichtung zu verleihen (BVerfG, U.v. 16.12.2014 – 2 BvE 2/14 – juris Rn. 55; U.v. 27.2.2018 – 2 BvE 1/16 – juris Rn. 64; U.v. 9.6.2020 – 2 BvE 1/19 – juris Rn. 56). Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn ein Bundesminister bei einer Äußerung ausdrücklich auf sein Ministeramt Bezug nimmt oder die Äußerung ausschließlich Maßnahmen oder Vorhaben des von ihm geführten Ministeriums zum Gegenstand hat (BVerfG, U.v. 16.12.2014 – 2 BvE 2/14 – juris Rn. 57; U.v. 9.6.2020 – 2 BvE 1/19 – juris Rn. 59).
49
In zeitlicher Hinsicht beschränkt sich das Gebot staatlicher Neutralität nicht auf die Wahlkampfzeit. Auch außerhalb von Wahlkampfzeiten erfordert der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien die Beachtung des Gebots staatlicher Neutralität (BVerfG, U.v. 27.2.2018 – 2 BvE 1/16 – juris Rn. 46; U.v. 9.6.2020 – 2 BvE 1/19 – juris Rn. 48). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht es zuletzt ausdrücklich offengelassen, ob in Zeiten des Wahlkampfs das Neutralitätsgebot zu verschärften Anforderungen an das Verhalten staatlicher Organe führt (BVerfG, U.v. 15.6.2022 – 2 BvE 4/20, 2 BvE 5/20 – juris Rn. 74).
50
(b) In Anwendung dieser Grundsätze ist auch die Kultur- und Tourismusreferentin der Antragsgegnerin bei Äußerungen, die sie in amtlicher Eigenschaft tätigt, zur Beachtung des Neutralitätsgebots verpflichtet (aa). Auch hat sie sich in dem verfahrensgegenständlichen Facebook-Post vom 14. Mai 2024 in amtlicher Eigenschaft unter Verletzung des Neutralitätsgebots in einer Weise über den Antragsteller geäußert, die geeignet ist, dessen Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb negativ zu beeinflussen (bb). Hierin ist im Ergebnis ein Verstoß gegen das Gebot der parteipolitischen Neutralität und damit eine Verletzung des Antragstellers in seinem Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb zu erblicken (cc).
51
(aa) Die Kultur- und Tourismusreferentin der Antragstellerin unterliegt bei in dieser amtlichen Eigenschaft getätigten politischen Äußerungen dem Neutralitätsgebot.
52
Zwar ist die Kultur- und Tourismusreferentin zunächst Mitglied des Stadtrats der Antragsgegnerin und allein in dieser Eigenschaft (wohl) nicht durch das Neutralitätsgebot verpflichtet. Mit Blick auf das zusätzlich ausgeübte Referentenamt kommt ihr indes unter Berücksichtigung der damit nach der Referentenordnung der Stadt … zur Rechtsstellung und Zuständigkeit der Referenten (RefO) vom 18. November 2020 einhergehenden Aufgaben eine gegenüber den übrigen Stadtratsmitgliedern, die kein Referentenamt innehaben, herausgehobene Stellung zu. So hat der Stadtrat den Referenten nach § 1 Abs. 1 RefO – darunter auch der Kultur- und Tourismusreferentin (§ 1 Abs. 2 Buchst. c RefO) – die nachfolgend näher bezeichneten Bereiche zur Wahrnehmung repräsentativer und moderierender Aufgaben übertragen. Daneben sieht § 6 Abs. 1 Satz 2 RefO, wonach der erste Bürgermeister im Rahmen seiner Vertreterbefugnis unter Beachtung des Art. 39 Abs. 2 GO den Referenten eine Vollmacht zur Vertretung der Gemeinde erteilen kann, wobei die Vertretung durch Referenten bei offiziellen Anlässen durch den Bürgermeister in jedem Einzelfall zu genehmigen ist (§ 6 Abs. 2 Satz 1 RefO), im Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Referenten sogar eine Vertretung der Gemeinde nach außen vor.
53
Damit trifft die von der Rechtsprechung gegen eine Bindung von einzelnen Gemeinderatsmitgliedern an das Neutralitätsgebot herangezogene Erwägung, dass diese nicht befugt seien, als Einzelperson für das Kollegialorgan Gemeinderat zu sprechen, auf die Kultur- und Tourismusreferentin der Antragsgegnerin nicht zu. Dieser wurde im Rahmen ihres Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs (vgl. § 7 Abs. 1 und 4 RefO) als Einzelperson nicht nur die Wahrnehmung von Repräsentations- und Moderationsaufgaben im Namen des Stadtrats übertragen. Sie ist im Rahmen ihrer Zuständigkeit darüber hinaus nach entsprechender Genehmigung durch den ersten Bürgermeister sogar zu einer Vertretung der Gemeinde bei offiziellen Anlässen befugt.
54
(bb) Die Kultur- und Tourismusreferentin der Antragsgegnerin hat sich im Rahmen des verfahrensgegenständlichen Facebook-Posts vom 14. Mai 2024 ferner in amtlicher Eigenschaft oberhalb einer anzunehmenden Bagatellgrenze zu der Partei des Antragstellers geäußert. Die Äußerung hat die Partei des Antragstellers in negativer Weise hervorgehoben und betrifft damit deren Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb.
55
Die Kultur- und Tourismusreferentin der Antragsgegnerin hat insoweit in amtlicher Eigenschaft gehandelt. Mit der Verwendung des ihrer Äußerung einleitend vorangestellten Passus „Auch als Kulturreferentin“ hat sie diese unter ausdrücklicher Bezugnahme auf ihr Referentenamt getätigt, um dieser damit eine aus der Autorität des Amts fließende besondere Glaubwürdigkeit oder Gewichtung zu verleihen. Mit dem Verweis auf die Funktion der …Halle als Auftrittsort für nationale und internationale Künstler hat sie zudem in spezifischer Weise einen Bezug zu ihrem Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich als Kultur- und Tourismusreferentin hergestellt. So umfasst der Betreuungsbereich der Kultur- und Tourismusreferentin nach § 7 Abs. 4 Nr. 5 RefO insbesondere die Förderung von kulturellen Veranstaltungen, an denen möglichst jeder teilnehmen kann. Hierunter fallen auch Auftritte von Künstlern – etwa in den Bereichen Musik, Schauspiel und Kabarett –, die regelmäßig einem allgemeinen Publikum offenstehen.
56
Das Gericht verkennt insoweit nicht, dass die verfahrensgegenständliche Äußerung der Kultur- und Tourismusreferentin in einem sozialen Netzwerk, also im Rahmen des allgemeinen politischen Diskurses erfolgt ist und somit einer differenzierenden Betrachtung bedarf (vgl. BVerfG, U.v. 16.12.2014 – 2 BvE 2/14 – juris Rn. 59; U.v. 9.6.2020 – 2 BvE 1/19 – juris Rn. 61). Hierbei berücksichtigt das Gericht einerseits, dass die verfahrensgegenständliche Äußerung auf dem privaten Facebook-Profil der Kultur- und Tourismusreferentin erfolgt ist, in welchem diese sich – wie aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Ausdrucken (Blatt 62 ff. der Gerichtsakte) hervorgeht – auch zu privaten und geschäftlichen Lebensereignissen äußert. Andererseits kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass es gerade bei Verlautbarungen in sozialen Netzwerken schon durch organisatorische Vorkehrungen einfach ist, eine klare Trennung zwischen Privatperson und Amt herzustellen. Vorliegend hätte dies schlicht durch einen Verzicht auf die einleitende Bezugnahme auf das ausgeübte Referentenamt geschehen können. Wird aber wie hier durch die sich äußernde Person selbst aus freien Stücken heraus ein ausdrücklicher Bezug zu dem von ihr ausgeübten Amt hergestellt, liegt auch eine – am Neutralitätsgebot zu messende – Äußerung in amtlicher Eigenschaft vor.
57
Die verfahrensgegenständliche Äußerung der Kultur- und Tourismusreferentin liegt oberhalb der Bagatellgrenze. Indem sie darin ihre Weigerung zum Ausdruck bringt („[…] kann ich es nicht zulassen […]“), die städtische …Halle (auch) dem Antragsteller zur Nutzung zur Verfügung zu stellen, erhebt sie zugleich die Forderung nach einer im Vergleich zu anderen politischen Parteien nachteiligen Behandlung des Antragstellers oder billigt diese jedenfalls ausdrücklich und spricht diesem hierdurch das aus Art. 3 Abs. 1 GG, § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG folgende Recht auf Gleichbehandlung durch die öffentliche Gewalt ab. Diese Bewertung setzt das Ansehen des Antragstellers in der Öffentlichkeit herab und ist grundsätzlich geeignet, zu dessen politischer und gesellschaftlicher Isolierung beizutragen (vgl. zu diesem Erfordernis: BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1609 – juris Rn. 20).
58
(cc) Im Ergebnis verletzt die verfahrensgegenständliche Äußerung der Kultur- und Tourismusreferentin der Antragsgegnerin im vorliegenden Einzelfall das Gebot der parteipolitischen Neutralität und damit das Recht des Antragstellers auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb. Eine etwaige Rechtfertigung der damit einhergehenden Eingriffe in die vorstehend genannten Rechtspositionen muss hier bereits deshalb ausscheiden, weil der Kultur- und Tourismusreferentin – anders als dem ersten Bürgermeister – gerade keine originär politische Funktion zukommt, aufgrund derer sie befugt wäre, sich in (auch) amtlicher Eigenschaft am allgemeinen politischen Diskurs zu beteiligen.
59
Das Neutralitätsgebot gilt nicht schrankenlos. Das Recht des Antragstellers auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb findet seine Schranken in der Entscheidung des Grundgesetzes für eine „streitbare Demokratie“. Diese Grundentscheidung ist im Wesentlichen aus Art. 9 Abs. 2, Art. 18, Art. 20 Abs. 4, Art. 21 Abs. 2 und Art. 28 Abs. 3 GG herzuleiten. Das Grundgesetz vertraut aufgrund geschichtlicher Erfahrung nicht allein darauf, die freiheitliche Demokratie werde sich im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung ohne Weiteres behaupten. Es hat deshalb dem Staat die Aufgabe übertragen, die zentralen Grundwerte der Verfassung durch (repressive) Schutzvorkehrungen zu sichern und zu gewährleisten (BVerwG, U.v. 21.7.2010 – 6 C 22.09 – juris Rn. 24; BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1609 – juris Rn. 22). Der Staat ist demnach zwar grundsätzlich nicht gehindert, das tatsächliche Verhalten von Gruppen oder deren Mitgliedern wertend zu beurteilen, und kann die Grundsätze und Wertvorgaben des Grundgesetzes durch Organe und Funktionsträger des Staates auch mithilfe von Informationen an die Öffentlichkeit und der Teilhabe an öffentlichen Auseinandersetzungen verteidigen (BVerwG, U.v. 21.5.2008 – 6 C 13.07 – juris Rn. 21; BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1609 – juris Rn. 23). Für den kommunalen Bereich ist daher die Befugnis des Bürgermeisters, der von den Bürgern in allgemeiner, freier, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl zum Stadtoberhaupt gewählt wurde und damit – neben der Leitung der Verwaltung als kommunaler Wahlbeamter (vgl. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 KWBG) – auch eine originär politische Funktion wahrzunehmen hat, sich am politischen Diskurs zu beteiligen, anerkannt (BVerwG, U.v. 13.9.2017 – 10 C 6.16 – juris Rn. 18). Den rechtlichen Rahmen dieser Befugnis bilden das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV) sowie die Organkompetenz des Bürgermeisters (vgl. BVerwG, U.v. 13.9.2017 – 10 C 6.16 – juris Rn. 19). Im Falle einer Betroffenheit müssen verfassungsrechtlich legitimierte Gründe von einem Gewicht vorliegen, das dem Grundsatz der Chancengleichheit die Waage hält (BVerfG, U.v. 15.6.2022 – 2 BvE 4/20, 2 BvE 5/20 – juris Rn. 92).
60
Eine dem ersten Bürgermeister vergleichbare Befugnis, sich auch und gerade in dieser amtlichen Eigenschaft am allgemeinen politischen Diskurs in gemeindlichen Angelegenheiten zu beteiligen, kommt der Kultur- und Tourismusreferentin im Hinblick auf deren durch die Bestimmungen der RefO vorgegebene Stellung nicht zu. Dies gilt bereits deshalb, weil die zu Referenten berufenen Stadtratsmitglieder nach § 2 Abs. 1 Satz 3 RefO – im Gegensatz zum ersten Bürgermeister, dem auch eine originär politische Funktion zukommt – gerade kein allgemeines politisches Mandat innehaben, sondern in ihrem Betreuungsbereich ausschließlich gemeindliche Interessen wahrzunehmen haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RefO). Gegen eine Befugnis zur Teilnahme am allgemeinen politischen Diskurs spricht ferner der Umstand, dass den Referenten seitens des Stadtrats der Antragsgegnerin allein die Wahrnehmung repräsentativer und moderierender Aufgaben übertragen wurde, die noch dazu auf bestimmte, in der RefO näher bezeichnete Bereiche beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 RefO). Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 RefO ergeben sich die jeweiligen Betreuungsbereiche der Referenten aus deren jeweiliger Funktionsbezeichnung. In den Zuständigkeitsbereich der Kultur- und Tourismusreferentin fallen dabei nach § 7 Abs. 4 RefO insbesondere die Kontaktpflege und Zusammenarbeit mit städtischen Einrichtungen, kulturpflegenden Vereinen und freischaffenden Künstlern (Nr. 1), die Pflege und Förderung der freundschaftlichen Beziehungen zu den Partnergemeinden (Nr. 2), die interkommunale kulturelle Zusammenarbeit, insbesondere im Landkreis … (Nr. 3), die Ausarbeitung einer barrierefreien Anbindung im Bereich Tourismus und Kultur (Nr. 4) sowie die Förderung von kulturellen Veranstaltungen, an denen möglichst jeder teilnehmen kann (Nr. 5).
61
Doch selbst wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen den Referenten in dieser amtlichen Funktion ein auf ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich nach der RefO beschränktes politisches Äußerungsrecht zubilligen wollte, wäre die vorliegend verfahrensgegenständliche Äußerung der Kultur- und Tourismusreferentin nicht mehr davon gedeckt. Gegenstand des betreffenden Facebook-Posts vom 14. Mai 2024 ist die Zurverfügungstellung der städtischen …Halle an den Antragsgegner zur Durchführung einer Wahlkampfveranstaltung im Vorfeld der am 9. Juni 2024 stattgefundenen Europawahl. Ein spezifischer Bezug zu den von der Kultur- und Tourismusreferentin zu wahrzunehmenden Angelegenheiten – insbesondere auch zu den in § 7 Abs. 4 RefO regelbeispielhaft aufgezählten Betreuungsbereichen – ist insoweit nicht zu ersehen. Eine Betroffenheit ihrer Zuständigkeit kann insbesondere nicht allein deshalb angenommen werden, weil die …Halle, worauf der verfahrensgegenständliche Facebook-Post abhebt, auch für die Durchführung kultureller Veranstaltungen genutzt wird.
62
(3) Darüber hinaus liegt aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls auch eine Wiederholungsgefahr vor.
63
Wie oben dargelegt, wird diese durch die Rechtswidrigkeit der Äußerung indiziert. Ferner ist davon auszugehen, dass die …Halle auch in Zukunft durch den Antragsteller zur Abhaltung von politischen Veranstaltungen – insbesondere auch von Wahlkampfveranstaltungen anlässlich der Wahl zum Deutschen Bundestag im Jahr 2025 – im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin genutzt werden wird und sich die Kultur- und Tourismusreferentin hierzu in amtlicher Eigenschaft erneut in der geschehenen Weise äußern wird.
64
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kann eine Wiederholungsgefahr nicht schon deshalb ausgeschlossen werden, weil die verfahrensgegenständliche Äußerung konkret in Bezug auf die Anmietung der …Halle anlässlich einer Wahlkampfveranstaltung zur Europawahl am 9. Juni 2024 ergangen ist. Dieser Ansatz verkennt, dass – wie vorstehend dargelegt – mit einer Anmietung der …Halle durch den Antragsteller zur Durchführung künftiger politischer Veranstaltungen zu rechnen ist.
65
bb) Der Antragsteller hat schließlich einen Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Dringlichkeit glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO).
66
Diese besondere Dringlichkeit resultiert daraus, dass für den Antragsteller ein Zuwarten bis zum Ergehen einer rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung mit einem wesentlichen Nachteil i.S.d. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO verbunden wäre. Wie dargelegt, ist davon auszugehen, dass der Antragsteller die …Halle künftig für die Durchführung von politischen Veranstaltungen – insbesondere auch für Wahlkampfveranstaltungen anlässlich der voraussichtlich im Spätsommer oder Herbst 2025 stattfindenden Bundestagswahl – anmieten und die Kultur- und Tourismusreferentin die verfahrensgegenständliche Äußerung aus diesem Anlass (auch) in amtlicher Eigenschaft wiederholen wird. Dass ein etwaiges Hauptsacheverfahren bis zu diesem Zeitpunkt rechtskräftig abgeschlossen werden könnte, erscheint indes unwahrscheinlich, zumal Wahlkampftermine üblicherweise vorrangig mehrere Wochen, wenn nicht gar Monate, vor der Wahl abgehalten werden.
67
Der somit gegebenen Dringlichkeit steht entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin schließlich nicht entgegen, dass sich der Antragsteller bislang nicht um eine Löschung der von ihm beanstandeten Ausführungen in dem Beitrag der … Nachrichten (gemeint ist wohl der Artikel vom 18. Mai 2024; Anlage ASt. 4; Blatt 34 der Gerichtsakte) bemüht hat. Zum einen ist die in dem Facebook-Post der Kultur- und Tourismusreferentin enthaltene Äußerung darin schon nicht wiedergegeben. Zum anderen verkennt dieser Einwand, dass die Zeitung gerade nicht an das – nur für die Träger hoheitlicher Gewalt geltende – staatliche Neutralitätsgebot gebunden ist.
68
c) Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1. dieses Beschlusses ausgesprochene Anordnung wird der Antragsgegnerin auf den entsprechenden Antrag des Antragstellers hin ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000,00 EUR angedroht.
69
Die Vollstreckung dieser, auf ein Unterlassen der durch die Kultur- und Tourismusreferentin der Antragsgegnerin getätigten öffentlichen Äußerung gerichteten einstweiligen Anordnung richtet sich – entgegen der durch die Antragsgegnerin geäußerten Rechtsansicht – nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 890 ZPO (BayVGH, B.v. 3.4.2018 – 22 S 17.2080 – juris Rn. 14; VGH BW, B.v. 28.2.2013 – 10 S 81/13 – juris Rn. 3; OVG NW, B.v. 24.8.2018 – 9 ER 623/18 – juris Rn. 3). Nach § 890 Abs. 1 Satz 2 ZPO darf das einzelne Ordnungsgeld 250.000,00 EUR nicht übersteigen, wobei es grundsätzlich ausreicht, auf dieses Höchstmaß des Ordnungsgelds Bezug zu nehmen. Dies erscheint vorliegend jedoch nicht angemessen. Vielmehr hält das Gericht in Anlehnung an § 172 VwGO (vgl. dazu BayVGH, B.v. 3.4.2018 – 22 S 17.2080 – juris Rn. 29) und in Übereinstimmung mit dem antragstellerseits angedachten Ordnungsgeldrahmen die Androhung eines Ordnungsgelds in Höhe von bis zu 10.000,00 EUR für angezeigt.
70
3. Der Antrag Ziffer I. erweist sich als zulässig, jedoch in der Sache unbegründet.
71
a) Der Antrag Ziffer I., der in der zuletzt gestellten Fassung ungeachtet geringfügiger Änderungen seines Wortlauts noch immer denselben Lebenssachverhalt betrifft und hinsichtlich dessen damit auch keine Teilrücknahme vorliegt, ist zulässig. Er ist statthaft, und auch die übrigen Sachentscheidungsvoraussetzungen liegen vor.
72
Es wird insoweit auf die Ausführungen zur Zulässigkeit des Antrags Ziffer III. verwiesen (s.o. II. 2. a), die hinsichtlich des Antrags zu Ziffer I. entsprechend gelten.
73
b) In der Sache jedoch erweist sich der Antrag Ziffer I. als unbegründet. Es mangelt insoweit an einem Anordnungsanspruch, weil der Antragsteller bereits die von ihm aufgestellte Behauptung, der am 14. Mai 2024 auf der Facebook-Seite des … Ortsverbands der Partei Bündnis 90/Die Grünen veröffentlichte Aufruf sei so (auch) durch den ersten Bürgermeister der Antragstellerin öffentlich geäußert worden, nicht nach Maßgabe der § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO glaubhaft gemacht hat.
74
Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich gemäß § 294 Abs. 1 ZPO aller Beweismittel bedienen und auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. Unstatthaft ist nach § 294 Abs. 2 ZPO eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann. Der Antragsteller hat zur Glaubhaftmachung seiner Behauptung, der am 14. Mai 2024 auf der Facebook-Seite des … Ortsverbands der Partei Bündnis 90/Die Grünen veröffentlichte Aufruf sei so (auch) durch den ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin selbst öffentlich geäußert worden, zunächst einen Abdruck des betreffenden Posts (Anlage ASt. 1; Blatt 10 der Gerichtsakte), Abdrücke eines Online-Artikels der … Nachrichten vom 15. Mai 2024 (Anlage ASt. 3a; Blatt 33 der Gerichtsakte) und des bereits erwähnten Artikels der … Nachrichten vom 18. Mai 2024 vorgelegt. Außerdem hat er eine eidesstattliche Versicherung eines Mitglieds seines Vorstands beigebracht, wonach dieses die vorgelegten Anlagen mit Ausnahme der – durch den anwaltlichen Vertreter des Antragstellers erstellten – Anlagen ASt. 3, 3a und 4 (Blatt 32 bis 34 der Gerichtsakte) selbst gefertigt habe und er daher sagen könne, dass diese tatsächlich so öffentlich wahrnehmbar gewesen seien; der Tatsachenvortrag seines anwaltlichen Vertreters beruhe auf seinen Informationen und weiche auch nicht davon ab.
75
Die für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs erforderliche Glaubhaftmachung der Behauptung, der von ihm beanstandete politische Aufruf sei so tatsächlich (auch) durch den ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin in öffentlicher Weise geäußert worden sei, gelingt dem Antragsteller damit nicht.
76
Zunächst ist der vorgelegte Abdruck des auf der Facebook-Seite des Ortsverbands … der Partei Bündnis 90/Die Grünen veröffentlichten Appells nicht geeignet, die vorstehende Behauptung des Antragstellers glaubhaft zu machen. Die Antragsgegnerin weist insoweit zur Recht darauf hin, dass der betreffende Post nicht von ihrem ersten Bürgermeister herrührt und diesem auch nicht anderweitig zugerechnet werden kann. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Veröffentlichung des politischen Aufrufs auf der Facebook-Seite des Ortsverbands … der Partei Bündnis 90/Die Grünen auf Veranlassung oder zumindest mit Wissen und Willen des ersten Bürgermeisters der Antragsgegnerin erfolgt wäre. Der erste Bürgermeister steht, soweit ersichtlich, in keinerlei Verbindung zum Ortsverband … der Partei Bündnis 90/Die Grünen, zumal er nicht Mitglied dieser Partei, sondern der SPD ist. Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass – worauf der Antragsteller in diesem Zusammenhang hinweist – unter dem betreffenden Aufruf der bürgerliche Name des ersten Bürgermeisters der Antragsgegnerin wiedergegeben ist. So handelt es sich hierbei nicht etwa um einen Scan eines etwaigen Originals einer solchen Erklärung, aus dem eine eigenhändige Unterzeichnung derselben (auch) durch den ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin zu ersehen wäre. Vielmehr handelt es sich um einen in Computerschrift verfassten Text, wobei auch die im Anschluss daran genannten Namen – darunter auch derjenige des ersten Bürgermeisters – lediglich in Computerschrift wiedergegeben sind. Ein derartiger Text kann grundsätzlich von jedermann erstellt werden und lässt keinerlei Rückschlüsse auf die tatsächliche Urheberschaft zu. Insbesondere war der erste Bürgermeister der Antragsgegnerin nicht zu einer Überprüfung angehalten, ob auf Seiten Dritter in sozialen Netzwerken politische Erklärungen unter Angabe seines Namens veröffentlicht wurden.
77
Nichts anderes gilt mit Blick auf die durch den Antragsteller vorgelegten Artikel aus der Online-Ausgabe der … Nachrichten vom 15. Mai 2024 sowie aus den … Nachrichten vom 18. Mai 2024. Der Artikel der … Nachrichten vom 15. Mai 2024 enthält eine Vorberichterstattung zu der Gegendemonstration vom … 2024 und berichtet, dass Impulse hierfür auch aus dem … Stadtrat gekommen seien und der erste Bürgermeister der Antragsgegnerin, der dort als Redner auftreten werde, zusammen mit 20 Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitkern dazu einen Appel unterzeichnet habe. Der ebenfalls vorrangig die am …2024 stattgefundene Gegendemonstration thematisierende Artikel der … Nachrichten vom 18. Mai 2024 gibt an, bereits im Vorfeld der Veranstaltung des Antragstellers habe der erste Bürgermeister der Antragsgegnerin mit 20 … Stadträtinnen und Stadträten unter dem Motto: „Gemeinsam für Demokratie!“ einen Appell unterzeichnet, in dem sie sich nicht nur grundsätzlich von Hass und Hetze distanzieren, sondern sich auch gegen Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Religion und gegen jene stellen würden, „die unsere Demokratie und unsere gemeinsamen Werte missachten und bedrohen“ würden. Auch insoweit bleibt unklar, woher die Informationen der Zeitung über die behauptete Unterzeichnung eines entsprechenden Appells u.a. durch den ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin stammen. Insbesondere ist in den betreffenden Artikeln weder ein Abdruck eines etwaigen handschriftlich unterzeichneten Originals des betreffenden Appells wiedergegeben, geschweige denn geben die Artikel dessen vollständigen Wortlaut wieder, so dass insoweit bereits der genaue Inhalt des betreffenden Appells im Unklaren bleibt. Es geht daraus schließlich nicht hervor, dass die entsprechende Berichterstattung auf Veranlassung oder mit dem Wissen und Willen des ersten Bürgermeisters der Antragsgegnerin erfolgt wäre.
78
Ebenso wenig ergeben sich aus der – von der Antragsgegnerin nicht bestrittenen – Teilnahme ihres ersten Bürgermeisters an der am …2024 stattgefundenen Gegendemonstration Rückschlüsse auf eine öffentliche Äußerung des verfahrensgegenständlichen politischen Appells durch diesen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der erste Bürgermeister im Rahmen seines Redebeitrags den Wortlaut der auf der Facebook-Seite des Ortsverbands … der Partei Bündnis 90/Die Grünen veröffentlichen Erklärung ausgesprochen hätte.
79
Schließlich kann der Antragsteller die Behauptung, der von ihm beanstandete politische Aufruf sei so (auch) durch den ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin in öffentlicher Weise geäußert worden, nicht mit der beigebrachten eidesstattlichen Versicherung eines Mitglieds seines Kreisvorstands in einer den Anforderungen der § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO entsprechenden Weise glaubhaft machen. Das betreffende Kreisvorstandsmitglied versichert darin zunächst an Eides statt, dass es die vorgelegten Anlagen – mit Ausnahme der Anlagen ASt. 3, 3a und 4, die durch den anwaltlichen Vertreter gefertigt worden seien – selbst erstellt habe und daher sagen könne, dass diese tatsächlich öffentlich so wahrnehmbar gewesen seien. Da sich aus den vorgelegten Anlagen – wie vorstehend dargelegt – gerade keine Anhaltspunkte für eine tatsächlich erfolgte, öffentliche Äußerung des antragstellerseits beanstandeten Appells durch den ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin ergeben, hilft insoweit auch eine entsprechende eidesstattliche Versicherung nicht weiter. Soweit das Kreisvorstandsmitglied darin des Weiteren an Eides statt versichert, der Tatsachenvortrag seines anwaltlichen Vertreters beruhe auf seinen Informationen und weiche davon auch nicht ab, wird diese pauschale Bezugnahme auf den Inhalt der Schriftsätze des anwaltlichen Vertreters bereits den formalen rechtlichen Anforderungen an eine eidesstattliche Versicherung i.S.d. § 294 ZPO nicht gerecht. Denn die eidesstattliche Versicherung darf sich nicht in der Bezugnahme auf einen anwaltlichen Schriftsatz erschöpfen, sondern muss eine selbständige Sachdarstellung enthalten (vgl. BGH, B.v. 13.1.1988 – IVa ZB 13/87 – juris Rn. 11; Musielak/Voit/Huber/Röß, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 294 Rn. 4; MüKoZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, § 294 Rn. 18).
80
4. Als zulässig, aber unbegründet erweist sich auch der Antrag Ziffer II.
81
a) Der Antrag Ziffer II. ist zulässig. Er ist statthaft, und auch die übrigen Sachentscheidungsvoraussetzungen liegen vor.
82
Insoweit wird auf die Ausführungen zur Zulässigkeit des Antrags Ziffer III. verwiesen (s.o. II. 2. a), die auf den Antrag Ziffer II. ebenfalls übertragen werden können.
83
Insbesondere verfügt der Antragsteller auch insoweit über das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Zwar hatte er das darin zum Ausdruck gebrachte Unterlassungsbegehren vor einer gerichtlichen Geltendmachung nicht – insbesondere auch nicht im Rahmen des Schreibens seines anwaltlichen Vertreters vom 3. Juni 2024 – an die Antragsgegnerin herangetragen. Diese ist im gerichtlichen Verfahren dem antragstellerseits geltend gemachten Unterlassungsanspruch entgegengetreten, so dass sich die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes jedenfalls unter diesem Aspekt als erforderlich erweist und damit das notwendige Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers gegeben ist (vgl. Eyermann/Happ, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 34).
84
b) In der Sache aber ist der Antrag Ziffer II. unbegründet. Auch insoweit fehlt es an einem Anordnungsanspruch. Ein entsprechender, aus einer Verletzung des staatlichen Neutralitätsgebots resultierender öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch scheidet bei summarischer Prüfung bereits deshalb aus, weil der Antragsteller für seine Behauptung, der erste Bürgermeister der Antragsgegnerin habe die von ihm angegriffene Äußerung im Rahmen der Gegendemonstration vom …2024 in amtlicher Eigenschaft getätigt, keine hinreichend belastbaren tatsächlichen Anhaltspunkte glaubhaft gemacht hat.
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aa) Bei der am …2024 parallel zur Wahlkampfveranstaltung des Antragstellers stattgefundenen Gegendemonstration handelte es sich nicht etwa um eine ganz oder teilweise durch die Antragsgegnerin verantwortete behördliche Veranstaltung, bei der in der Folge regelmäßig von einer amtlichen Teilnahme ihres ersten Bürgermeisters auszugehen wäre. Vielmehr handelte es sich um eine Veranstaltung des allgemeinen politischen Diskurses, die einer differenzierenden Betrachtung bedarf, wobei die Annahme einer in amtlicher Funktion erfolgten Teilnahme des ersten Bürgermeisters der Antragsgegnerin durch entsprechende tatsächliche Einzelfallumstände untermauert werden muss.
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Wie bereits dargelegt, sind mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch Inhaber eines öffentlichen Amts im Ausgangspunkt nicht gehindert, außerhalb ihrer amtlichen Funktion, d.h. als Privatperson oder Parteipolitiker, am politischen Meinungskampf teilzunehmen. Für die Beurteilung, ob eine amtliche Äußerung vorliegt oder nicht, ist auch der äußere Rahmen von Bedeutung, in dem die die Äußerung erfolgt. Bei ausschließlich oder teilweise behördlich verantworteten Veranstaltungen sowie bei solchen, bei denen die Teilnahme der sich äußernden Person ausschließlich aufgrund ihres Amts erfolgt, ist grundsätzlich von einer Inanspruchnahme der Amtsautorität und damit von einer Äußerung in amtlicher Eigenschaft auszugehen (vgl. BVerfG, U.v. 16.12.2014 – 2 BvE 2/14 – juris Rn. 57; U.v. 9.6.2020 – 2 BvE 1/19 – juris Rn. 59). Demgegenüber bedürfen Veranstaltungen des allgemeinen politischen Diskurses wie etwa Talkrunden, Diskussionsforen und Interviews, an denen die Inhaber eines öffentlichen Amts sowohl als Amtsperson als auch als Parteipolitiker teilnehmen können, einer differenzierten Betrachtung (BVerfG, U.v. 16.12.2014 – 2 BvE 2/14 – juris Rn. 59; U.v. 9.6.2020 – 2 BvE 1/19 – juris Rn. 61). Hier müssen besondere tatsächliche Umstände vorliegen, aus denen sich eine Teilnahme gerade in amtlicher Funktion ergibt.
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Ausgehend von diesen Grundsätzen handelte es sich bei der am …2024 parallel zur Wahlkampfveranstaltung des Antragstellers stattgefundenen Gegendemonstration nicht etwa um eine ganz oder teilweise durch die Antragsgegnerin verantwortete Veranstaltung. Ebenso wenig stand deren erstem Bürgermeister die Teilnahme hieran nur aufgrund seines Amts offen. Es handelte sich vielmehr um eine öffentliche, d.h. hinsichtlich der Teilnehmer nicht auf einen individuellen Personenkreis beschränkte (vgl. Art. 2 Abs. 2 BayVersG), Versammlung, bei welcher die Teilnahme grundsätzlich jedermann offenstand.
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Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Antragsgegnerin als Gemeinde Veranstalterin der Gegendemonstration vom … 2024 gewesen wäre oder diese – etwa in ihrem Amtsblatt oder ihrem behördlichen Internetauftritt – aktiv beworben hätte. Im Gegenteil legen die durch den Antragsteller vorgelegten Artikel aus der Online-Version der … Nachrichten vom 15. Mai 2024 sowie der … Nachrichten vom 18. Mai 2024 nahe, dass es sich um eine durch eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure ins Leben gerufene und entsprechende beworbene Versammlung handelte. Insoweit ist in dem Artikel der … Nachrichten vom 15. Mai 2024 von „engagierte[n] Bürgerinnen und Bürgern“ sowie von einem „breite[n] Bündnis“ die Rede. Dass Impulse für die Gegendemonstration – wie der Artikel weiter ausführt – „auch aus dem … Stadtrat“ gekommen sein mögen, rechtfertigt nicht die Annahme einer ganz oder teilweise durch die Antragsgegnerin verantworteten Zusammenkunft. Auch der Artikel der … Nachrichten vom 18. Mai 2024 spricht insoweit von einem „breite[n] Zusammenschluss, angefangen von … Kommunalpolitikern und Parteien über die Verdi-Jugend und das … Bündnis gegen rechts bis zum jüngst neu gegründeten Bündnis für Vielfalt und Demokratie im Landkreis …“. Für das Vorliegen einer – grundsätzlich jedermann offenstehenden – Veranstaltung des allgemeinen politischen Diskurses spricht schließlich der Umstand, dass diese auch in dem sozialen Medium Facebook beworben und darin zu einer Teilnahme aufgerufen wurde, wobei der dortige Aufruf durch eine Vielzahl unterschiedlicher Personen wahrgenommen sowie geteilt werden konnte (und wohl nach dem Wunsch der Veranstalter auch sollte). Nach alledem ist insbesondere nicht zu erkennen, dass dem ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin eine Teilnahme hieran nur und gerade in seiner amtlichen Funktion offenstand. Vielmehr stand es diesem – wie jedermann – frei, in seiner Eigenschaft als Privatperson daran teilzunehmen.
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bb) Da es sich bei der Gegendemonstration vom … 2024 mithin um eine Veranstaltung des allgemeinen politischen Diskurses gehandelt hat, kann von einer Teilnahme des ersten Bürgermeisters der Antragsgegnerin in amtlicher Eigenschaft nur bei Vorliegen entsprechender tatsächlicher Einzelfallumstände ausgegangen werden. Da es sich hierbei zugleich um anspruchsbegründende Tatsachen handelt (s.o. II.1.) – nur bei Äußerungen in amtlicher Eigenschaft ist der erste Bürgermeister der Antragsgegnerin an das staatliche Neutralitätsgebot gebunden –, sind diese durch den Antragsteller nach Maßgabe der § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO glaubhaft zu machen. Daran fehlt es vorliegend.
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Der Antragsteller hat als Mittel der Glaubhaftmachung der durch ihn aufgestellten Behauptung, der erste Bürgermeister habe seinen Redebeitrag im Rahmen der Gegendemonstration vom … 2024 in amtlicher Eigenschaft gehalten, zwei Artikel aus den … Nachrichten vom 18. Mai sowie vom 20. Juni 2024 vorgelegt. In dem Artikel vom 18. Mai 2024 wird der erste Bürgermeister der Antragsgegnerin in Bezug auf seinen Redebeitrag mit den Worten zitiert, „er spreche hier mehr als Bürger denn als Bürgermeister“, denen er hinzugefügt habe: „Weil ich dann mehr sagen darf“. Dem Artikel vom 20. Juni 2024 ist zu entnehmen, der erste Bürgermeister der Antragsgegnerin habe nunmehr unter anderen gegenüber dem Landratsamt erklärt, er habe seinen Redebeitrag mit den Worten: „Ich spreche hier als Bürger …, nicht als Bürgermeister“ eingeleitet. Der Artikel selbst erklärt demgegenüber: „Bei der Demo vor Ort hatte … seine Aussage ein wenig anders formuliert, er spreche hier mehr als Bürger denn als Bürgermeister, 'weil ich dann mehr sagen darf'.“
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Damit sind hinreichende tatsächliche Einzelfallumstände, aus denen sich eine in amtlicher Eigenschaft erfolgte Äußerung des ersten Bürgermeisters der Antragsgegnerin ergibt, nicht glaubhaft gemacht. So hat die Antragsgegnerin im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens ausdrücklich bestritten, ihr erster Bürgermeister habe sich im Rahmen seiner Teilnahme an der Gegendemonstration am … 2024 mit den Worten, „er spreche hier mehr als Bürger denn als Bürgermeister, 'weil ich dann mehr sagen darf'“, geäußert. Als Mittel der Glaubhaftmachung hat sie eine eidesstattliche Versicherung des ersten Bürgermeisters vorgelegt, in welcher dieser erklärt, er habe sich im Rahmen der Demonstration am … 2024, soweit erinnerlich, auch dahingehend mit den genauen Worten: „ich spreche hier als Bürger …, nicht als Bürgermeister“ geäußert. Eidesstattliche Versicherungen entsprechenden Inhalts wurden des Weiteren durch zwei Bürger abgegeben, welche unwiderlegten Angaben der Antragsgegnerin zufolge, ebenfalls an der Gegendemonstration vom … 2024 teilgenommen haben. Diesen eidesstattlichen Versicherungen misst das Gericht einen höheren Erkenntniswert bei als den antragstellerseits vorgelegten Zeitungsartikeln, deren diesbezügliche inhaltliche Richtigkeit gerade nicht an Eides statt bekräftigt wurde. Hierbei berücksichtigt das Gericht ferner, dass die eidesstattliche Versicherung des ersten Bürgermeisters von der sich äußernden Person selbst herrührt, wohingegen bereits nicht ersichtlich ist, auf welchen tatsächlichen Erkenntnissen die seitens der genannten Zeitungsartikel aufgestellte Annahme beruht, der erste Bürgermeister habe sich stattdessen in der dort beschriebenen Weise geäußert. Im Unklaren bleibt insbesondere, ob der Verfasser der betreffenden Artikel oder wenigstens ein anderer Journalist derselben Zeitung selbst bei der Gegendemonstration am … 2024 zugegen waren oder die Zeitung insoweit lediglich über Informationen aus zweiter oder gar dritter Hand verfügte. Im Übrigen unterscheiden sich das in den Zeitungsartikeln wiedergegebene Zitat einerseits und das durch den ersten Bürgermeister im Rahmen seiner eidesstattlichen Versicherung angegebene Zitat andererseits nur in Nuancen, weshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Abdruck des Ersteren lediglich auf einem Missverständnis des Letzteren beruht. Dies gilt umso mehr, als die mit diesen marginalen Unterschieden in rechtlicher Hinsicht möglicherweise einhergehenden Folgen für juristische Laien, zu denen in aller Regel auch Journalisten zählen, nicht ohne Weiteres erkennbar sind.
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Zu keiner anderen Bewertung führt insoweit der Hinweis des Antragstellers, es handele sich bei dem Artikel vom 18. Mai 2024 um einen Namensartikel, weshalb von der Einhaltung eines hohen Grads von pressemäßiger Sorgfalt auszugehen sei. Weder folgen daraus zusätzliche Erkenntnisse über die Herkunft der in dem Artikel enthaltenen Informationen, noch wird hierdurch ein mögliches Missverständnis des genauen Wortlauts der Äußerung ausgeschlossen. Auch aus der in dem Artikel vom 20. Juni 2024 erfolgten Wiederholung des Zitats aus dem vorangegangenen Artikel derselben Zeitung vom 18. Mai 2024 folgt nichts anderes. Die Glaubhaftigkeit einer Behauptung wird durch deren schlichte Wiederholung nicht erhöht, mag diese auch unter ausdrücklichem Entgegentreten der insoweit durch den ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin erfolgten Gegendarstellung erfolgen.
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Sonstige tatsächliche Umstände, die dafürsprächen, der erste Bürgermeister habe gerade in amtlicher Eigenschaft an der – als Veranstaltung des allgemeinen politischen Diskurses zu qualifizierenden – Gegendemonstration vom … 2024 teilgenommen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich, geschweige denn durch den Antragsteller glaubhaft gemacht. Dies gilt namentlich für den durch den Antragsteller vorgelegten – privaten – Facebook-Post des Stadtrats … (Anlage ASt. 5; Blatt 35 der Gerichtsakte) mit den Worten: „Sogar der Bürgermeister gab ein Statement ab“. Der Umstand der darin erfolgten Verwendung des Wortes Bürgermeister sagt gerade noch nichts über die Funktion (amtlich oder privat) aus, in der dieser an der Gegendemonstration vom …2024 teilgenommen hat. Ohnehin erscheint im Rahmen des privaten Sprachgebrauchs in den sozialen Medien eine saubere Differenzierung zwischen dem Bürgermeisteramt einerseits und der dahinterstehenden Privatperson bzw. dem dahinterstehenden Parteipolitiker andererseits fernliegend.
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Da der Antragsteller nach alledem bereits keine belastbaren tatsächlichen Einzelfallumstände glaubhaft gemacht hat, die eine Teilnahme des ersten Bürgermeisters der Antragsgegnerin an der Gegendemonstration in amtlicher Funktion begründen würden, kommt es auf die Frage, ob der erste Bürgermeister dort tatsächlich die seitens der Zeitung angegebene Wortwahl verwendet hat, was von der Antragsgegnerin bestritten wird, nicht mehr entscheidungserheblich an.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach werden die Kosten des Verfahrens entsprechend dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten zwischen diesen geteilt.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. Dabei berücksichtigt das Gericht zunächst, dass sich der Antragsteller zum ersten gegen den – von ihm dem ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin zugeschriebenen – auf der Facebook-Seite des Ortsverbands … der Partei Bündnis 90/Die Grünen veröffentlichten politischen Appell, zum zweiten gegen eine (angebliche) Äußerung des ersten Bürgermeisters im Rahmen von dessen Teilnahme an der Gegendemonstration vom … 2024 und zum dritten gegen eine Äußerung der Kultur- und Tourismusreferentin in den sozialen Medien wendet, denen jeweils ein selbständiger wirtschaftlicher Wert beigemessen wird (§ 39 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013). Eine Halbierung des somit maßgeblichen dreifachen Auffangstreitwerts in Anlehnung an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 erscheint mit Blick auf die Komplexität und den Umfang des vorliegenden Verfahrens nicht angezeigt.