Inhalt

LG Regensburg, Endurteil v. 24.04.2024 – 81 O 2082/22
Titel:

Ersatzpflicht für Schäden im Zusammenhang mit Corona-Schutzimpfungen

Normenkette:
AMG § 84 Abs. 1
Leitsätze:
1. Von einem negativen Nutzen-Risiko-Verhältnis iSd § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG ist dann auszugehen, wenn das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Die medizinische Vertretbarkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn der therapeutische Wert die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels überwiegt. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Haftung gem. § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG besteht dabei nur für Arzneimittel, die bezogen auf die Gesamtheit der potentiellen Anwender ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweisen. Der Nutzen-Risiko-Abwägung kommt demnach ein abstrakt-genereller Charakter zu, sodass bei der Prüfung der Unvertretbarkeit der schädlichen Wirkungen nicht nur die im konkreten Fall eingetretenen, individuellen Schäden berücksichtigt werden. Vielmehr findet jeweils eine abstrakte Nutzen-Risiko-Abwägung für die gesamte durch die Indikationsangabe vom pharmazeutischen Unternehmer anvisierte Patientenpopulation statt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Zulassung als positives Ergebnis der (zulassungsrechtlichen) Nutzen-Risiko-Abwägung eine Haftung nach § 84 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 AMG für eine bei Zulassungserteilung bekannte schädliche Wirkung ausschließt. Für sie ist durch ausführliche Prüfung mit anschließender Zulassung entschieden, dass sie vertretbar sind. Neben der erstmaligen Zulassung gilt dies auch für spätere Risiko-Bewertungsverfahren, die mit einer Entscheidung über das Fortbestehen der Zulassung abschließen. Die Risiko-Nutzen-Abwägung kann sich bei § 84 AMG demnach nur auf schädliche Wirkungen beziehen, die nach der Zulassung entdeckt wurden. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatzanspruch, Corona-Schutzimpfung, Nutzen-Risiko-Abwägung, Arzneimittel
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18934

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 158.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Schmerzensgeldansprüche und Auskunftsansprüche, sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche weitere Schäden im Zusammenhang mit Corona-Schutzimpfungen.
2
Der am … 1973 geborene Kläger erhielt am …05.2021 die erste Corona-Schutzimpfung und am …06.2021 die zweite. Verabreicht wurde jeweils der Impfstoff C., dessen Hersteller die Beklagte ist. Die Beklagte hat den Impfstoff im Zuge der Corona-Pandemie entwickelt. Dieser wurde durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) geprüft und am 21.12.2020 zunächst bedingt als Impfstoff gegen das Coronavirus zugelassen. Am 10.10.2022 erteilte die Europäische Kommission auf Basis der EMA-Empfehlung dem Impfstoff eine Standardzulassung nach der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (Anlage B05). Im Rahmen des Zulassungsverfahrens wurde durch die EMA wiederholt das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffes positiv beschieden. Die Beklagte ist verpflichtet, in Abständen von sechs Monaten Zwischenberichte, sogenannten Periodic Safety Update Reports (PSURs), bei den Zulassungsbehörden einzureichen. Die PSURs sind wissenschaftliche Dokumente, mit einer statistischen und epidemiologischen Aufbereitung der Daten in einem standardisierten – und von den Behörden vorgegebenen – Format. Die Fach- und Gebrauchsinformationen reflektieren jeweils den Erkenntnisstand aus dem PSUR. Weltweit wurden seit der Zulassung in Deutschland über 2,6 Milliarden Dosen des Impfstoffes C. verimpft (geschätzt, Stand Juni 2022).
3
Der Kläger forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 15.06.2022 außergerichtlich unter Fristsetzung bis zum 29.06.2022 erfolglos auf, Auskünfte nach dem AMG zu erteilen, ihre Haftung dem Grunde nach anzuerkennen und den bereits bezifferbaren Schaden zu erstatten.
4
Der Kläger behauptet, infolge der gegenständlichen Impfungen mit dem Impfstoff C. habe er, der vor den Impfungen kerngesund gewesen sei, folgende gesundheitlichen Schäden erlitten: akute Herzkrankheit, Atemnot und Ateminsuffizienz, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Perikarditis, Herzstillstand, Zerfressen der Herzklappen (daher Einsatz neuer künstlicher Herzklappen), höhergradige Mitralklappeninsuffizienz bei Endokarditis sowie Gewichtsverlust. Wenige Tage nach der Impfung habe er sehr hohes Fieber bis zu 41° bekommen. Mehrere Stunden sei er wie bewusstlos auf dem Sofa gelegen und sei kaum ansprechbar gewesen. Sein Zustand habe sich nur sehr langsam über mehrere Wochen gebessert. Ganz gesund und körperlich fit sei er jedoch nicht mehr geworden. Am 21.08.2021 habe er infolge der Impfungen einen Herzinfarkt und am 03.05.2022 einen Herzstillstand erlitten. Sport sei für ihn nur mehr sehr eingeschränkt möglich. Körperliche Arbeiten, wie Reparaturen am Haus, Rasen mähen oder Gartenhecken schneiden, könne er nicht mehr erledigen. Dem Kläger seien zudem auch materielle Schäden entstanden, deren Bezifferung schwer falle. Betreffend die weiteren Einzelheiten des behaupteten gesundheitlichen Zustands des Klägers wird Bezug genommen auf die schriftsätzlichen Ausführungen der Klagepartei.
5
Weiter behauptet der Kläger insbesondere, alle von ihm dargestellten Impfschäden seien viele tausendmal beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gemeldet worden. Er ist der Ansicht, bei dem gegenständlichen Impfstoff handle es sich um ein Gentherapeutikum. Durch den Impfstoff der Beklagten werde das Immunsystem des Menschen ausgeschaltet. Das Präparat weise kein positives Nutzen-Risiko-Profil auf. Die Beklagte habe in Schädigungsabsicht gehandelt: sie habe das System entwickelt, eine durch das Vakzin bedingte Immunschwäche herbeizuführen bei gleichzeitiger Autoimmunüberreaktion. Die Beklagte sei von der Gefährlichkeit und Schadensträchtigkeit der Vakzine überzeugt gewesen und habe genau deshalb von der Bundesrepublik Deutschland die Freistellung von sämtlichen Schäden und Kosten begehrt. Sie habe auch die Datensätze der Studie manipuliert und aus Gewinnsucht gehandelt.
6
Der Kläger ist der Ansicht, sowohl die bedingte Zulassung als auch die Standardzulassung seien von Anfang rechtlich nicht möglich gewesen und verstießen substantiell gegen geltendes EU-Recht. Von einer „Tatbestandswirkung“ der Zulassungen könne nicht ausgegangen werden. Vielmehr seien die Bescheide an die Beklagte angesichts eines offenkundig untauglichen Zulassungsverfahrens für nichtig zu erklären. Faktisch betrachtet gebe es für den Impfstoff überhaupt keine Zulassung, da die vorausgehenden Testphasen nicht mit dem gleichen Impfstoff vorgenommen worden seien.
7
Ferner meint der Kläger, der Beklagten sei auch anzulasten, dass es zu einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation und Gebrauchsinformation gekommen sei. Eine wirksame Einwilligung durch den Kläger in die Impfung sei nicht erfolgt. Er sei von der Beklagten nicht über die Risiken der Impfung aufgeklärt worden und auch nicht über die bedingte Zulassung.
8
Der Kläger ist daher der Auffassung, ihm stünden gegen die Beklagte Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 95 AMG, 223, 224, 230 StGB, § 826 BGB, §§ 84 Abs. 1, 87 AMG, § 32 Abs. 1 GenTG zu.
9
Schließlich rügt der Kläger einen Verstoß gegen das Gebot der Waffengleichheit und beantragt insofern, die Kosten des Rechtsstreits, völlig unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits der Beklagten abweichend von § 91 ZPO aufzuerlegen. Vorliegend sei von Anfang an von staatlicher Seite durch die Bundesrepublik Deutschland die uneingeschränkte und unlimitierte Kostenübernahme für sämtliche Anwalts- und Gerichtskosten der Beklagten erteilt worden, so dass ein krasses Gefälle in Bezug auf die Waffengleichheit in diesem Zivilprozess bestehe. Zur verfassungskonformen Wiederherstellung eines fairen Prozesses, was die Prozessrisiken in Bezug auf die Kosten angehe, bestehe nur die Möglichkeit, stets der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da damit auch der Klagepartei im gleichen Maße die Prozessrisiken genommen würden, wie sie der Beklagten im Vorfeld genommen worden seien.
10
Mit Schriftsatz vom 21.05.2023 hat der Kläger beantragt, gemäß Art. 267 AEUV die „Frage der Nichtigkeit der erteilten bedingten und unbedingten Zulassung des Gentherapeutikums BNT162b2“ dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Entscheidung vorzulegen.
11
Der Kläger hat den Auskunftsantrag (Klageantrag Ziffer 4.) ursprünglich lediglich hilfsweise gestellt, diesen mit Schriftsatz vom 21.02.2024 in Verbindung mit dem Schriftsatz vom 05.03.2024 konkretisiert und als unbedingten Primärantrag gestellt.
12
Der Kläger beantragt daher zuletzt:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch EUR 150.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2022 zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei sämtliche sonstigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die der Klagepartei bereits entstanden bzw. künftig aus der Schädigungshandlung resultieren werden und derzeit noch nicht bezifferbar sind, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 4.633,86 nebst Zinsen in Höhe fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2022 zu zahlen.
4.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klagepartei die nachfolgend beantragten Auskünfte im Wege der Erfüllung des Auskunftsanspruchs nach § 84 a AMG schriftlich zu Händen ihrer hiesigen Prozessbevollmächtigten zu erteilen und die Vollständigkeit und Richtigkeit dieser Auskunftserteilung an Eides statt zu versichern. Die entsprechende Auskunft ist von dem vertretungsberechtigten Organ der Beklagten zu erteilen.
13
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
14
Die Beklagte erachtet den Klagevortrag zu den behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen schon als unsubstantiiert. Sie behauptet, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die vom Kläger behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die Impfung mit C. verursacht worden seien. Insbesondere könnten die klägerseits aufgeführten Folgen viele verschiedene Ursachen haben. Ein Kausalzusammenhang sei vorliegend unter Berücksichtigung der dokumentierten Fakten nicht im Ansatz plausibel.
15
Letztlich komme es auf einen Kausalzusammenhang aber ohnehin nicht an, da der Impfstoff ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweise und die Fach- und Gebrauchsinformationen des Impfstoffs zu jeder Zeit dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprochen hätten. Die Impfung schütze wirksam vor einer durch das Coronavirus ausgelösten COVID-19-Erkrankung. Insbesondere schwere Verläufe einer – potenziell tödlichen – Infektion würden nachweisbar vermieden. Der Impfstoff sei kein Gentherapeutikum.
16
Die Beklagte habe sämtliche Daten aus den Zulassungsstudien an die zuständigen Behörden weitergeleitet. Es seien keine Daten aus den Zulassungsstudien gefälscht worden. Es seien auch keine ungeprüften Chargen von C. in Verkehr gebracht worden.
17
Dem Kläger stünden gegen die Beklagte daher keinerlei Ansprüche zu.
18
Das Gericht hat die von der Klagepartei vorgelegten medizinischen Unterlagen in Augenschein genommen. Außerdem ist der Kläger informatorisch angehört worden. Hinsichtlich des Ergebnisses wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 13.03.2024.
19
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstigen Aktenbestandteilen.

Entscheidungsgründe

20
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch oder Auskunftsanspruch gegen die Beklagte wegen des Inverkehrbringens des Impfstoffs C. zu.
A.
21
Die Klage ist zulässig – insbesondere ergibt sich die Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Regensburg aus § 1 ZPO, § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG, § 94 a Abs. 1 AMG.
22
Das für den Feststellungsantrag (Klageantrag Ziffer 2.) nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor, da nach dem Vorbringen des Klägers jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass die behauptete Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist (vgl. Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024, § 256 Rn. 14 m.w.N.).
23
Der Übergang des Auskunftsanspruchs (Klageantrag Ziffer 4.) von einem Hilfs – in einen Hauptantrag stellt eine Erweiterung des Klageantrages dar, die gemäß § 264 Nr. 2 ZPO auch ohne die Einwilligung der Beklagten zulässig ist.
B.
24
Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger stehen die gegen die Beklagte geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
25
I. Der Kläger kann Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte weder auf die arzneimittelrechtliche Gefährdungshaftung nach § 84 Abs. 1 AMG, noch auf Delikt gemäß § 823 Abs. 1 und 2 BGB oder § 826 BGB, noch auf sonstige Anspruchsgrundlagen stützen.
26
1. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 84 Abs. 1 AMG.
27
§ 84 Abs. 1 AMG setzt voraus, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Impfstoff um ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG handelt und dass ein Ursachenzusammenhang zwischen den streitgegenständlichen Impfungen und den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers gegeben ist. Als zusätzliche Haftungsvoraussetzung muss gemäß § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG ein unvertretbares negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis oder nach § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG eine unzutreffende Fach- und Gebrauchsinformation vorliegen. An diesen zusätzlichen Haftungsvoraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall, sodass die Frage nach kausalen Gesundheitsschäden letztlich dahinstehen kann.
28
a) Der Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes ist eröffnet, da es sich bei dem streitgegenständlichen Impfstoff um ein Arzneimittel i.S.d. § 2 Abs. 1 AMG i.V.m. § 4 Abs. 4 AMG handelt (so auch LG Arnsberg, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I-1 O 39/23 –, Rn. 62, juris; LG Frankfurt a.M. Urt. v. 14.2.2024 – 2-12 O 264/22, BeckRS 2024, 2004 Rn. 60, beck-online).
29
Auszugehen ist zunächst davon, dass C. ein Impfstoff i.S.v. § 4 Abs. 4 AMG ist. Das Produkt ist als Impfstoff zugelassen. Anhaltspunkte dafür, dass die Zulassung insoweit unter Verkennung des Impfstoffbegriffs erfolgte, bestehen nicht. Die Kammer schließt sich insoweit nach eigener Prüfung den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 07.07.2022 – 1 WB 2.22 (COVuR 2023, 16, Rn. 218 f. beck-online) an, worin es heißt:
„Objektiv betrachtet erfüllen die Präparate C. und Spikevax eindeutig den arzneimittelrechtlichen Impfstoffbegriff. Nach § 4 Abs. 4 AMG sind Impfstoffe Arzneimittel, die Antigene oder rekombinante Nukleinsäuren enthalten und die dazu bestimmt sind, beim Menschen zur Erzeugung von spezifischen Abwehr- und Schutzstoffen angewendet zu werden, und, soweit sie rekombinante Nukleinsäuren enthalten, ausschließlich zur Vorbeugung oder Behandlung von Infektionskrankheiten bestimmt sind. Die mRNA-Impfstoffe von B./P. und M. enthalten anders als herkömmliche Impfstoffe keine Antigene. Sie arbeiten aber – wie ausgeführt – mit Boten-Ribonukleinsäuren, die mit gentechnischen Methoden neu zusammengestellt (rekombiniert) werden. Zudem sind die Präparate dazu bestimmt, beim Menschen (mittelbar) die Erzeugung bestimmter Abwehrstoffe (Antikörper) auszulösen und dienen ausschließlich zur Vorbeugung der Infektionskrankheit Covid-19.
Dass diese neuartigen Impfstoffe den arzneimittelrechtlichen Impfstoffbegriff erfüllen, kann auch nicht mit europarechtlichen Argumenten bestritten werden. Soweit der Antragsteller wiederholt behauptet hat, die Präparate hätten von der Europäischen Arzneimittelagentur als Gentherapeutika beurteilt und geprüft werden müssen, steht dem eine klare und eindeutige Regelung in der RL 2009/120/EG der Kommission vom 14. September 2009 zur Änderung der RL 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel im Hinblick auf Arzneimittel für neuartige Therapien (ABl. L 242 vom 15. September 2009, S. 4) entgegen. In dieser Richtlinie wird zunächst der Begriff des Gentherapeutikums näher definiert und dann in einem Nachsatz ausgeführt: „Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten sind keine Gentherapeutika“. Damit hat der Normgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass Impfstoffe unabhängig von ihrer Zusammensetzung und Wirkungsweise nicht dem Zulassungsverfahren für Gentherapeutika unterliegen.“
30
Soweit der Kläger meint, bei dem Impfstoff C. handle es sich um ein Gentherapeutikum, steht dem die Regelung in der Richtlinie 2009/120/EG der Kommission vom 14. September 2009 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel im Hinblick auf Arzneimittel für neuartige Therapien (ABl. L 242 vom 15. September 2009, S. 4) entgegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 – 1 WB 2/22 –, juris Rn. 219). In dieser Richtlinie wird zunächst der Begriff des Gentherapeutikums näher definiert und dann in einem Nachsatz ausgeführt: „Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten sind keine Gentherapeutika“. Damit hat der Normgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass Impfstoffe unabhängig von ihrer Zusammensetzung und Wirkungsweise nicht dem Zulassungsverfahren für Gentherapeutika unterliegen (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 – 1 WB 2/22 –, BVerwGE 176, 138-211, Rn. 219; so auch LG Arnsberg, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I-1 O 39/23 –, Rn. 64, juris; LG Frankfurt a.M. Urt. v. 14.2.2024 – 2-12 O 264/22, BeckRS 2024, 2004 Rn. 63, beck-online).
31
b) Unabhängig von der Frage, ob der Kläger einen kausalen, auf den streitgegenständlichen Impfungen beruhenden Gesundheitsschaden hinreichend substantiiert dargelegt hat, scheitert ein Anspruch gegen die Beklagte nach § 84 Abs. 1 AMG bereits daran, dass C. kein unvertretbares Nutzen-Risiko-Verhältnis im Sinne von § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG aufweist.
32
aa) Von einem negativen Nutzen-Risiko-Verhältnis im Sinne des § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG ist dann auszugehen, wenn das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Die medizinische Vertretbarkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn der therapeutische Wert die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels überwiegt (BT-Drs. 7/3060, 45 zu § 5 AMG). Dabei sind Art, Gefahr, Dauer, Schweregrad und Häufigkeit der schädlichen Nebenwirkungen mit dem potentiellen Nutzen und der Dringlichkeit der Behandlung in Beziehung zu setzen (vgl. BGH NJW 2015, 2502, Rn. 29 m.w.N.), wobei Behandlungsalternativen mit in Rechnung zu stellen sind. Insbesondere das Risiko des Todes oder des Eintritts schwerer oder schwerster, gar irreparabler Gesundheitsschäden im Fall der nicht erfolgten Verwendung des Arzneimittels kann ein höheres (Arzneimittel-)Risiko als vertretbar erscheinen lassen (LG Frankfurt a.M. Urt. v. 14.2.2024 – 2-12 O 264/22, BeckRS 2024, 2004 Rn. 66, beck-online; Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 18). Hinsichtlich der schädlichen Wirkungen kommt es auf den Zeitpunkt der jetzigen Beurteilung an (LG Arnsberg, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I-1 O 39/23 –, Rn. 68, juris m.w.N.).
33
Die Haftung gemäß § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG besteht dabei nur für Arzneimittel, die bezogen auf die Gesamtheit der potentiellen Anwender ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweisen (OLG Schleswig BeckRS 2014, 8210; LG Hof, Endurteil vom 03.01.2023 – 15 O 22/21, BeckRS 2023, 830, beck-online). Der Nutzen-Risiko-Abwägung kommt demnach ein abstrakt-genereller Charakter zu, so dass bei der Prüfung der Unvertretbarkeit der schädlichen Wirkungen nicht nur die im konkreten Fall eingetretenen, individuellen Schäden berücksichtigt werden. Vielmehr findet jeweils eine abstrakte Nutzen-Risiko-Abwägung für die gesamte durch die Indikationsangabe vom pharmazeutischen Unternehmer anvisierte Patientenpopulation statt (vgl. BeckOGK/Franzki, 1.2.2024, AMG § 84 Rn. 83; LG Arnsberg, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I-1 O 39/23 –, Rn. 69 –, juris; LG Frankfurt a.M. Urt. v. 14.2.2024 – 2-12 O 264/22, BeckRS 2024, 2004 Rn. 67, beck-online). In Einzelfällen auftretende – auch schwerwiegende – Nebenwirkungen führen daher nicht per se zu einer negativen Nutzen-Risiko-Bilanz, sondern sind vielmehr dem Nutzen des Impfstoffs für die Gesamtbevölkerung gegenüberzustellen (LG Mainz, PharmR 2024, 181, beck-online). Nicht entscheidend ist daher, ob für den Kläger persönlich ein negatives Nutzen-Risiko-Profil bestand (LG Arnsberg, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I-1 O 39/23 –, Rn. 69, juris).
34
Nach dem Schutzzweck der Haftungsnorm geht es letztlich darum, eine Haftung für den Fall zu begründen, dass schädliche, unvertretbare Wirkungen eintreten, die, wenn sie im Zulassungsverfahren schon bekannt gewesen wären, eine Versagung der Zulassung nach § 25 Abs. 2 Nr. 5 AMG begründet hätten (LG Arnsberg, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I-1 O 39/23 –, Rn. 70, juris m.w.N.). Hinsichtlich der schädlichen Wirkungen hat eine retrospektive Beurteilung der Vertretbarkeit zu erfolgen, wobei die aktuellen gesicherten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Arzneimittels zurück zu prognostizieren sind und zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung des damaligen pharmazeutischen Umfelds die schädlichen Wirkungen hätten hingenommen werden dürfen oder nicht (LG Kleve, Urt. vom 25.01.2023 – 2 O 83/22, BeckRS 2023, 828 Rn. 29 beck-online; LG Arnsberg, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I-1 O 39/23 –, Rn. 70, juris). Ein gewichtiges Indiz ist hierbei die Entscheidung einer fachkundig besetzten Zulassungsbehörde (Kügel/Müller/Hofmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 83; LG Darmstadt, Urteil vom 21. Dezember 2023 – 7 O 94/22 –, Rn. 64, juris). Welches Risiko sich als vertretbar einstufen lässt, hängt von der Indikation des Arzneimittels, sowie seiner therapeutischen Wirksamkeit ab. Je besser die therapeutische Wirksamkeit des Arzneimittels und je gravierender die Indikation, desto schwerere schädliche Wirkungen können toleriert werden (LG Arnsberg, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I-1 O 39/23 –, Rn. 70, juris; LG Darmstadt, Urteil vom 21. Dezember 2023 – 7 O 94/22 –, Rn. 64, juris). Wird das Arzneimittel – wie vorliegend – zur Behandlung einer Krankheit mit hoher Sterblichkeitsrate eingesetzt, sind unter Umständen auch besonders schwerwiegende und möglicherweise tödliche Nebenwirkungen hinzunehmen, solange deren Eintrittswahrscheinlichkeit eher gering ist (LG Arnsberg, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I-1 O 39/23 –, Rn. 70, juris; LG Hof, Endurteil vom 03.01.2023 – 15 O 22/21, BeckRS 2023, 830 Rn. 22, beck-online).
35
bb) Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, genügt das Vorbringen des Klägers nicht, um ein unvertretbares Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffs C. anzunehmen.
36
(1) Die Kammer schließt sich der Auffassung des Landgerichts Frankfurt a.M. an, wonach primär davon auszugehen ist, dass eine Zulassung als positives Ergebnis der (zulassungsrechtlichen) Nutzen-Risiko-Abwägung eine Haftung nach § 84 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 AMG für eine bei Zulassungserteilung bekannte schädliche Wirkung ausschließt. Für sie ist durch ausführliche Prüfung mit anschließender Zulassung entschieden, dass sie vertretbar sind. Neben der erstmaligen Zulassung gilt dies auch für spätere Risiko-Bewertungsverfahren, die mit einer Entscheidung über das Fortbestehen der Zulassung abschließen (Art. 30 ff. RL 2001/83/EG). Die Risiko-Nutzen-Abwägung kann sich bei § 84 AMG demnach nur auf schädliche Wirkungen beziehen, die nach der Zulassung entdeckt wurden (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 14.02.2024 – 2-12 O 264/22, BeckRS 2024, 2004 Rn. 68, beck-online; Kügel/Müller/Hofmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 69)
37
Vor diesem Hintergrund scheitern Ansprüche des Klägers wegen behaupteter Atemnot, Perikarditis, Herzstillstand und Endokarditis bereits daran, dass nach dem eigenen Vorbringen des Klägers diese gesundheitlichen Schäden bereits im April 2021 von der Beklagten aus der klinischen Studie Phase III der FDA (der Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde der Vereinigten Staaten) als Nebenwirkung bekannt gegeben wurden (vgl. Replik S. 44, 45, 47, 54 und 56) und gleichwohl dem Impfstoff nachfolgend am 10.10.2022 im Rahmen der Standardzulassung ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis attestiert wurde.
38
(2) Die Kammer schließt sich zudem der Ansicht an, dass die Zulassungsentscheidung der Europäischen Kommission im Zivilprozess Tatbestandswirkung entfaltet mit der Folge, dass, solange sie nicht durch die zuständige Behörde aufgehoben worden oder nichtig ist, nicht nur ihr Erlass als solcher, sondern auch ihr Ausspruch von den Zivilgerichten hinzunehmen und ihren Entscheidungen zugrunde zu legen ist. Eine grundsätzliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung obliegt den Zivilgerichten nicht (vgl. etwa LG Düsseldorf, Urteil vom 16. November 2023 – 3 O 151/22 –, Rn. 78, juris; LG Arnsberg, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I-1 O 39/23 –, Rn. 73, juris; LG Frankfurt a.M. Urt. v. 14.2.2024 – 2-12 O 264/22, BeckRS 2024, 2004 Rn. 70, beck-online).
39
Aus den klägerseits zitierten Beschlüssen des Bundesgerichtshofs vom 20.04.2022 – VII ZR 720/21, und vom 04.05.2022 – VII ZR 733/21 – folgt nichts Gegenteiliges. Sie sprechen behördlichen Zulassungsentscheidungen insbesondere nicht die Tatbestandswirkung ab. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof in den sog. Dieselfällen ausdrücklich die Tatbestandswirkung einer Genehmigungsentscheidung anerkannt, hierzu aber – in Bezug auf die Typgenehmigung festgestellt – dass sich die Tatbestandswirkung des verfügenden Teils einer EG-Typgenehmigung nicht über eine seitens der befassten Genehmigungsbehörde getroffene Feststellung zur Rechtmäßigkeit des zur Beurteilung unterbreiteten Fahrzeugtyps hinaus erstreckt (BGH, NJW 2023, 2259 Rz. 12). Der Inhalt der EG-Typengenehmigung ist mit einer aufgrund einer umfassenden selbständigen Prüfung der Sicherheit eines Arzneimittels unter Einschluss des Nutzen-Risiko-Verhältnisses erfolgten Arzneimittelzulassung nicht vergleichbar. Die EG-Typgenehmigung wird weder hinsichtlich eines konkreten Fahrzeugs noch im Hinblick auf eine Gruppe konkreter Fahrzeuge im Sinne der produzierten Fahrzeuge einer bestimmten Baureihe erteilt. Mit ihr wird lediglich ein Fahrzeugtyp genehmigt, der mit den Angaben in der Beschreibung übereinstimmt (BGH, NJW 2023, 2259 Rn. 13). Im Rahmen des gegenständlichen Zulassungsverfahrens ist indes das Nutzen-Risiko-Verhältnis zu prüfen und ist damit von der Tatbestandswirkung umfasst (LG Frankfurt a.M. Urt. v. 14.02.2024 – 2-12 O 264/22, BeckRS 2024, 2004 Rn. 73, beck-online).
40
(3) Die Kammer sieht keine Veranlassung, den hiesigen Rechtsstreit im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 269 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung der Frage vorzulegen, ob dem Impfstoff die Zulassung nicht hätte erteilt werden dürfen beziehungsweise ob die erteilte Zulassung rechtswidrig ist. Zureichende Anhaltspunkte, die Zweifel an der Ordnungsgemäßheit des Zulassungsverfahrens oder an der inhaltlichen Richtigkeit der Zulassungsentscheidung begründen könnten, sind für die Kammer nicht ersichtlich (so auch LG Arnsberg, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I-1 O 39/23 –, Rn. 75, juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 16. November 2023 – 3 O 151/22 –, Rn. 80 f., juris).
41
Auch der klägerische Vortrag gibt keinen Anlass für berechtigte Zweifel an der Ordnungsgemäßheit des Zulassungsverfahrens und der inhaltlichen Richtigkeit der Zulassungsentscheidung. Die Beklagte hat hierauf wiederholt hingewiesen, so dass es keines diesbezüglichen Hinweises der Kammer bedurfte. Es obliegt der Klagepartei konkret darzulegen, aus welchen Gründen die von der Europäischen Kommission beziehungsweise der EMA auf der Grundlage der verfügbaren medizinischen Forschungslage und Studienergebnissen getroffene Bewertung nicht den Kenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechen soll (ebenso LG Düsseldorf, Urteil vom 16. November 2023 – 3 O 151/22 –, Rn. 81, juris; LG Mainz, Urteil vom 14.11.2023 – 9 O 37/23, PharmR 2024, 181, beck-online). Dem genügt das Vorbringen des Klägers nicht.
42
Insbesondere die Behauptung des Klägers, das getestete und das verimpfte Präparat seien nicht identisch, so dass es sich letztlich um einen nicht zugelassenen Impfstoff handele, entbehrt jeglicher Grundlage. Konkrete Anhaltspunkte für diese Behauptung zeigt der Kläger nicht auf. Sofern der Kläger etwa vorträgt, der getestete Impfstoff habe eine andere Codon-Optimierung (Änderung der Faltgeschwindigkeit/des Faltplans des Proteins) enthalten als der verimpfte mit der Folge, dass es zur unterschiedlichen Proteinfaltung komme und das Produkt chemisch gänzlich anders werde, ist dies nicht ansatzweise belegt. Gegen diese Behauptung sprechen schon die mehrfachen Überprüfungen und die sich daraus ergebenden Kontrollmechanismen seitens der EMA für die einzelnen Zulassungen (so auch LG Düsseldorf, Urteil vom 16. November 2023 – 3 O 151/22 –, Rn. 82, juris; LG Frankfurt a.M. Urt. v. 14.2.2024 – 2-12 O 264/22, BeckRS 2024, 2004 Rn. 74, beck-online).
43
Vorliegend erfolgten die streitgegenständlichen Impfungen des Klägers am 18.05.2021 und 29.06.2021 zudem in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur zunächst bedingten Zulassung von C. durch Beschluss vom 21.12.2020. Nach diesen Impfungen des Klägers erhielt der Impfstoff dann am 10.10.2022 eine Standardzulassung. In der Folge wurde am 30.08.2023 die Sicherheit von C. durch die EMA als zentrale Behörde in der EU erneut bestätigt, als sie der Europäischen Kommission empfahl, den auf die COVID-19-Subvariante Omikron XBB.1.5 angepassten C.-Impfstoff zuzulassen. Der innerhalb der EMA zuständige Ausschuss für Humanarzneimittel „CHMP“ erklärte ausdrücklich, alle verfügbaren Daten zu C., einschließlich Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit, geprüft zu haben (Empfehlung der EMA vom 30.08.2023, Anlage B 8). Dieser Empfehlung schloss sich die Europäische Kommission an und erteilte am 31.08.2023 die Zulassung für den auf die COVID-19-Subvariante Omikron XBB.1.5 angepassten C.-Impfstoff. Auch infolge dieser wiederholten Zulassungen ist davon auszugehen, dass bindend festgestellt ist, das C. kein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweist (dazu ausführlich LG Frankfurt a.M. Urt. v. 14.2.2024 – 2-12 O 264/22, BeckRS 2024, 2004 Rn. 79, beck-online) und schon gar kein unvertretbar ungünstiges.
44
Es liegen für die Kammer auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der EMA nicht alle erforderlichen Informationen erteilt wurden, um das Nutzen-Risiko-Verhältnis von C. zutreffend zu beurteilen. Insbesondere ist die Beklagte verpflichtet, in Abständen von sechs Monaten periodic safety update reports (PSURs) bei den Zulassungsbehörden einzureichen, in denen die Daten statistisch und epidemiologisch aufbereitet wurden. Dass die Beklagte ihren umfänglichen Berichtspflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist, ist nicht substantiiert dargelegt (so auch LG Frankfurt a.M. Urt. v. 14.2.2024 – 2-12 O 264/22, BeckRS 2024, 2004 Rn. 86, beck-online). Ausgehend von den Feststellungen der europäischen Behörden wäre daher nur dann eine neue Begutachtung der der Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses zugrundeliegenden Sachfragen geboten, wenn der Kläger dargelegt hätte, dass nach der Zulassungsentscheidung vom 30.08.2023 neue Erkenntnisse aufgetreten sind, bei deren Berücksichtigung eine andere Zulassungsentscheidung veranlasst gewesen wäre (vgl. LG Frankfurt a.M. Urt. v. 14.2.2024 – 2-12 O 264/22, BeckRS 2024, 2004 Rn. 87-89, beck-online m.w.N.). An derartigem Vortrag der Klagepartei fehlt es indes. Insbesondere hat der Kläger keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die europäischen Behörden bei ihren fortlaufenden Prüfungen Tatsachen unbeachtet gelassen hätten, die bei ihrer Beachtung zu einem abweichenden Ergebnis geführt hätten. Vor dem Hintergrund der laufenden Überwachung, der Erteilung der Standardzulassung sowie der Zulassung für den adaptierten Impfstoff kommt es auf das Vorbringen des Klägers dazu, dass vor der Erteilung der bedingten Zulassung nicht die erforderlichen Studien durchgeführt worden seien, nicht an (so bereits LG Frankfurt a.M. Urt. v. 14.2.2024 – 2-12 O 264/22, BeckRS 2024, 2004 Rn. 87-89, beck-online).
45
(4) Darüber hinaus ist ein nicht vertretbares Nutzen-Risiko-Verhältnis von C. aber auch nicht dargelegt.
46
Insbesondere dringt der Kläger nicht damit durch, dass er bereits einen Nutzen des Impfstoffs negiert. Die Risiken des SarsCov2-Virus – insbesondere in seiner Wildform zu Beginn der Pandemie – sind allgemein bekannt und stehen insbesondere vor dem Hintergrund, dass zunächst die WHO im Januar 2020 eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite und im März 2020 der Bundestag eine epidemische Lage nationaler Tragweite nach § 5 IfSG ausgerufen haben, unabweisbar fest. Die Kammer schließt sich insoweit den Ausführungen des Landgerichts Frankfurt a.M. in seinem Urteil vom 14.02.2024, Az. 2-12 O 264/22 (BeckRS 2024, 2004 Rn. 102 ff., beck-online) und des Landgerichts Hannover in seinem Urteil vom 04.12.2023, Az. 2 O 76/23 (BeckRS 2023, 38485 Rn. 27, beck-online) an. Hierin heißt es:
„Im Vordergrund der Abwägungen steht hier die pandemische Lage, die es 2020 erforderlich machte, unter Einhaltung medizinischer Standards, auf dennoch schnellstem Wege eine Impfung herzustellen, die die weitere Verbreitung des Coronavirus verhindern, die Anzahl der schwerwiegenden Verläufe eindämmen und vor allem die Zahl der Coronatoten weltweit verringern sollte. Bereits wenige Wochen und Monate nach dem weltweiten Ausbruch des Coronavirus zählte man Millionen Tote weltweit. Die Gesamtzahl der schweren Verläufe einer Coronainfektion stieg von Tag zu Tag und endete in vielen Fällen auf den Intensivstationen. Die Kapazitäten in den Kliniken, sowohl hinsichtlich der verfügbaren Betten als auch des verfügbaren Ärzte- und Pflegepersonals, waren schnell ausgeschöpft. Schlussendlich war die Lage so kritisch, dass ein deutschlandweiter Lockdown ausgesprochen wurde. Schulen, Kitas, Universitäten, Restaurants und nahezu der gesamte Einzelhandel mussten zunächst auf unbestimmte Zeit schließen. Lediglich Geschäfte des täglichen, dringenden Bedarfs wie Supermärkte, Drogerien und Apotheken waren unter Einhaltung strenger Zutrittsregelungen geöffnet. Als die größte Chance, dieser nicht weiter kalkulierbaren Erkrankung entgegenzuwirken, wurde die Herstellung und baldige Verabreichung eines Impfstoffs an die Bevölkerung angesehen. Nicht zuletzt, weil es sich bei dem Coronavirus um ein – zum entscheidenden Zeitpunkt – neuartiges Virus gehandelt hat und dementsprechend Alternativpräparate weder vorhanden noch verfügbar waren. In einer Zeit, in der sich Gedanken über eine grundgesetzlich verbotene Abwägung „Leben gegen Leben“ gemacht wurden, weil es in den Kliniken nicht mehr möglich war, jeden Patienten gleichermaßen gut zu versorgen und diese sogar deutschlandweit transportiert und in umliegende Krankenhäuser verlegt werden mussten, weil keine Betten mehr frei und/oder Beatmungsgeräte verfügbar waren, ist der Grad des Nutzens des entwickelten Impfstoffes hoch anzusetzen.
An dieser Bewertung hat sich bis heute – auch rückblickend – nichts geändert. Angesichts dessen ist es unerheblich, dass ein Prof. loannidis festgestellt haben will, dass die Sterblichkeitsraten letztlich niedriger als geschätzt lagen. Der Impfstoff sollte nicht nur vor Todesfällen, sondern auch vor schweren Verläufen schützen.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Behauptung der Klägerin, SarsCoV2 lasse sich hervorragend konventionell als grippaler Infekt ohne vergleichbare Nebenwirkungen therapieren, als unerheblich zurückzuweisen. Dies mag zum jetzigen Zeitpunkt, offenkundig aber nicht für die Jahre 2020 und 2021 zutreffen.
Ein fehlender Nutzen ergibt sich auch nicht daraus, dass der Impfstoff die Übertragung des Virus von Mensch auf Mensch nicht verhindert. Dies muss ein Impfstoff nicht gewährleisten. (…)
Im Übrigen ist offenkundig und kann wissenschaftlich nicht ernstlich bestritten werden, dass der streitgegenständliche Impfstoff vor einer schweren Erkrankung mit dem Coronavirus schützen konnte und kann, wobei das genaue Maß des Schutzes hier dahinstehen kann.“
47
c) Auch eine Haftung nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG kommt vorliegend nicht in Betracht. Dies würde voraussetzen, dass der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist. Beobachtungen über Nebenwirkungen müssen erst dann in die Fach- und Gebrauchsinformationen aufgenommen werden, wenn jedenfalls ein ernst zu nehmender Verdacht eines Zusammenhangs besteht, der auf validen Daten beruht und wissenschaftlich gesichert ist (BeckOGK/Franzki, 1.2.2024, AMG § 84 Rn. 103; Kügel/Müller/Hofmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 105). Für die Beurteilung, ob die Arzneimittelinformation den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprochen hat, kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem das konkret schadenstiftende Arzneimittel (die jeweilige Charge) in Verkehr gebracht wurde (Kügel/Müller/Hofmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 107 m.w.N.).
48
Dass vorliegend die Fach- und Gebrauchsinformationen falsch waren, insbesondere bekannte Nebenwirkungen nicht aufgeführt worden wären, kann aus vorstehenden Gründen schon nicht festgestellt werden. Dazu trägt der Kläger auch nicht substantiiert vor. Sofern er hierzu überhaupt Angaben macht, so erfolgen diese ins Blaue hinein. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Rechtsprechung für die Annahme einer Behauptung „ins Blaue hinein“ hohe Hürden aufstellt und eine solche nur annimmt, wenn jegliche tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen des behaupteten Sachverhaltes fehlen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28.01.2020 – VIII ZR 57/19 – NJW 2020, 1740 Rn. 8 ff.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend indes gegeben: Es fehlen jegliche greifbaren Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Kennzeichnung und Dokumentation durch die Beklagte (so in einem vergleichbaren Fall auch LG Darmstadt, Urteil vom 21. Dezember 2023 – 7 O 94/22 –, Rn. 70, juris). Vielmehr folgt aus den wiederholten Zulassungen durch die EMA und den hierfür erforderlich gewordenen Überprüfungen, dass die Angaben inhaltlich nicht zu beanstanden gewesen sind (LG Arnsberg, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I-1 O 39/23 –, Rn. 81, juris).
49
Auch aus dem Haftungsausschluss in den Verträgen zwischen der Beklagten und der Europäischen Kommission über die Lieferung der Impfstoffe kann nicht geschlossen werden, dass die Beklagte bei Vertragsschluss Kenntnis von einer angeblichen Gefährlichkeit und von erheblichen Nebenwirkungen des Impfstoffs hatte. Vielmehr hatte die Beklagte ein nachvollziehbares Interesse daran, kein unkalkulierbares Haftungsrisiko für bisher unbekannte Komplikationen einzugehen, denn es handelte sich um einen neuartigen Impfstoff, dessen Langzeitwirkungen noch nicht abschließend bekannt sein konnten. Gleichzeitig bestand ein hohes gesellschaftliches Interesse an der Bereitstellung des Impfstoffes zur Eindämmung der Pandemie (so auch LG Arnsberg, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I-1 O 39/23 –, Rn. 82, juris; LG Mainz, Urteil vom 14.11.2023 – 9 O 37/23; LG Düsseldorf, Urteil vom 16. November 2023 – 3 O 151/22 –, Rn. 96, juris).
50
Dafür, dass die Fach- und Gebrauchsinformationen zum Zeitpunkt der Zulassung den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprochen haben, spricht zudem, dass die Fach- und Gebrauchsinformationen Teil der Zulassungsunterlagen selbst sind gemäß § 22 AMG i.V.m. Art. 6 VO (EG) Nr. 726/2004 sowie Art. 19 RL 2001/83/EG (dazu ausführlich LG Düsseldorf, Urteil vom 16. November 2023 – 3 O 151/22 –, Rn. 97, juris).
51
Die Ausführungen des Klägers zur fehlerhaften Aufklärung vor der Impfung greifen ebenfalls nicht durch. Die Aufklärung obliegt gemäß § 630 e BGB allein den impfenden Behandlern und nicht der Beklagten als Herstellerin. Die Behauptung, den Ärzten seien bewusst Informationen vorenthalten worden, erfolgt ins Blaue hinein. In der Öffentlichkeit war allgemein bekannt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Impfstoff um einen neuartigen Impfstoff handelte, zu dem noch keine Langzeitstudien existieren konnten (LG Arnsberg, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I-1 O 39/23 –, Rn. 83, juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 16. November 2023 – 3 O 151/22 –, Rn. 99, juris).
52
d) Die Frage, ob die in § 3 MedBVSV enthaltene Haftungsbeschränkung rechtswidrig ist, kann dahinstehen, da bereits die Voraussetzungen einer Haftung nach § 84 Abs. 1 AMG ohne wirksame Haftungsbeschränkung nicht vorliegen (so auch LG Arnsberg, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I-1 O 39/23 –, Rn. 84, juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 16. November 2023 – 3 O 151/22 –, Rn. 100, juris).
53
2. Ein Anspruch aus § 32 GenTG kommt nicht in Betracht. Gemäß § 32 Abs. 1 GenTG ist der Betreiber verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, wenn infolge von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Diese Haftungsvorschrift ist vorliegend nach § 37 Abs. 1 GenTG ausgeschlossen, wonach bei der Anwendung eines Arzneimittels, das im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde, § 32 GenTG keine Anwendung findet. Da der Impfstoff C. – wie ausgeführt – ein Arzneimittel – und nicht wie vom Kläger behauptet ein Gentherapeutikum – ist, scheidet eine Haftung aus GenTG aus (LG Düsseldorf, Urteil vom 16. November 2023 – 3 O 151/22 –, Rn. 101, juris; LG Darmstadt, Urteil vom 21. Dezember 2023 – 7 O 94/22 –, Rn. 75, juris).
54
3. Eine Haftung der Beklagten als Herstellerin für fehlerhafte Produkte nach § 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG scheitert an § 15 Abs. 1 ProdHaftG, wonach die Vorschriften des Produkthaftungsgesetzes keine Anwendung finden, wenn infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt wird. Die arzneimittelrechtliche Gefährdungshaftung verdrängt in ihrem Anwendungsbereich die allgemeine Produkthaftung (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 16. November 2023 – 3 O 151/22 –, Rn. 102, juris; LG Arnsberg, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I-1 O 39/23 –, Rn. 85, juris).
55
4. Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu. Aus § 15 Abs. 2 ProdHaftG und § 91 AMG folgt zwar, dass eine deliktische Produkt- bzw. Produzentenhaftung grundsätzlich möglich ist. Insofern fehlt es jedoch jedenfalls an einer Verkehrssicherungspflichtverletzung und dem notwendigen Verschulden der Beklagten. Die Beklagte hat den Impfstoff vor und auch nach der Zulassung fortwährend und sorgfältig überwacht. Zudem wird das Nutzen-Risiko-Verhältnis von C. von den zuständigen Aufsichtsbehörden nach wie vor uneingeschränkt positiv bewertet. Ferner gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass zum Zeitpunkt der Abgabe des streitgegenständlichen Impfstoffs an den Kläger ein ernst zu nehmender Verdacht der Beklagten für ein erhöhtes Risiko bezüglich der aufgeführten Gesundheitsfolgen bestand (vgl. LG Arnsberg, Urteil vom 21. Dezember 2023 – I-1 O 39/23 –, Rn. 87-88, juris).
56
Soweit der Kläger behauptet, die Beklagte habe bewusst und gewollt auf eine Zerstörung der Immunsysteme hingewirkt als Voraussetzung für die Einbringung fremder mRNA und aus reiner Profitgier klinische Studien verfälscht und damit neben § 823 Abs. 1 BGB ebenso die Tatbestände des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 223, 224, 226 StGB und §§ 5, 95 AMG sowie § 826 BGB erfüllt, handelt es um nicht ansatzweise belegte Behauptungen (vgl. in einer gleichgelagerten Fallkonstellation LG Düsseldorf, Urteil vom 16. November 2023 – 3 O 151/22 –, Rn. 105, juris).
57
Auch sonstige Anspruchsgrundlagen, die der Klageforderung zum Erfolg verhelfen könnten, kommen aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Klagepartei nicht in Betracht.
58
II. Nachdem die Beklagte demnach bereits dem Grunde nach nicht haftet, bleibt auch dem Antrag auf Feststellung der Erstattungspflicht bezüglich sonstiger Schäden der Erfolg versagt.
59
III. Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf die Erteilung der von ihm begehrten Auskünfte aus § 84 a Abs. 1 AMG.
60
1. Gemäß § 84 a Abs. 1 S. 1 AMG kann der Geschädigte, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel den Schaden verursacht hat, von dem pharmazeutischen Unternehmer Auskunft verlangen, es sei denn, dies ist zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84 AMG besteht, nicht erforderlich. An der Erforderlichkeit fehlt es unter anderem, wenn ein Anspruch nach § 84 Abs. 1 AMG nicht besteht bzw. nicht durchsetzbar ist. Dies ist der Fall, wenn der Anspruch nach § 84 Abs. 1 AMG verjährt oder untergegangen ist oder wenn die Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 eindeutig nicht vorliegen (BeckOGK/Franzki, 1.2.2024, AMG § 84 a Rn. 15).
61
2. Wie ausgeführt, kommt ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte gemäß § 84 AMG bereits mangels Vorliegens der zusätzlichen Haftungsvoraussetzungen des § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 AMG nicht in Betracht, sodass ein Auskunftsanspruch nicht besteht.
62
3. Ob die gestellten Fragen den Bestimmtheitserfordernissen nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügen und vom Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs nach § 84 a AMG gedeckt sind, kann somit dahinstehen.
63
Ergänzend wird insofern auf die ausführlich und überzeugend begründeten Ausführungen des Landgerichts Düsseldorf im Urteil vom 16.11.2023, Az. 3 O 151/22 (Rn. 111-144, juris) verwiesen, wo die einzelnen Fragen des Klägervertreters im Wesentlichen abgehandelt und verbeschieden sind.
64
IV. Der Klagepartei steht auch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zinsen oder Erstattung ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten zu. Nachdem bereits die Voraussetzungen für den mit der Hauptforderung geltend gemachten Anspruch nicht festgestellt werden konnten, sind auch die Nebenforderungen unberechtigt.
C.
65
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
66
Soweit der Kläger einen Verstoß gegen das Gebot der Waffengleichheit aufgrund einer von staatlicher Seite durch die Bundesrepublik Deutschland erklärten Kostenübernahme für sämtliche Anwalts- und Gerichtskosten der Beklagten rügt und insofern beantragt, die Kosten des Rechtsstreits völlig unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits der Beklagten abweichend von § 91 ZPO aufzuerlegen, kann er damit nicht durchdringen. Die Vorschrift des § 91 statuiert als Regelfall eine Veranlassungshaftung der unterliegenden Partei und gilt grundsätzlich unmittelbar für alle der ZPO unterworfenen Verfahren, soweit sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt bzw. das Gesetz keine Sonderregelung beinhaltet (BeckOK ZPO/Jaspersen, 51. Ed. 1.12.2023, ZPO § 91 Rn. 1). Eine gesetzliche Ausnahmeregelung, wie vom Kläger beantragt, ist indes nicht ersichtlich, so dass es bei dem Grundsatz des § 91 Abs. 1 ZPO zu verbleiben hat. Dies gilt umso mehr, als sich vorliegend bei dem rechtsschutzversicherten Kläger (was sich aus der vorliegenden Zahlungsanzeige betreffend die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses ergibt) auch nicht erschließt, weshalb betreffend sein Prozesskostenrisiko im Vergleich zu demjenigen der Beklagten „ein krasses Gefälle in Bezug auf die Waffengleichheit in diesem Zivilprozess“ bestehen sollte.
67
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.
68
Der Streitwert wird auf 158.000,00 € festgesetzt (150.000,- € Klageantrag Ziffer 1. sowie 3.000,- € Klageantrag Ziffer 2. und 5.000,- € Klageantrag Ziffer 4. – entsprechend dem klägerischen Interesse, § 3 ZPO).