Titel:
Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Cafés/Bistros und eines Ladens zu einem Pferde- und Sportwettbüro sowie eines Lagers
Normenketten:
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
BauNVO § 4 Abs. 2 Nr. 2
BayBO Art. 47 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2, Art. 81 Abs. 1 Nr. 4
Leitsätze:
1. Unter Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten, insbesondere der in der maßgeblichen Umgebungsbebauung vorherrschenden verdichteten Wohnnutzung über mehrere Stockwerke in einem städtischen Bereich stellt sich eine Gaststätte mit einem Gastraum mit 51,09 m² Grundfläche nach ihrer Größe und dem gastronomischen Angebot als Schankwirtschaft zur Deckung eines gebietsbezogenen Bedarfs dar. Die Aufstellung von zwei Geldspielgeräten gibt ihr noch kein gaststättenfremdes Gepräge. (Rn. 20 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer Spielhalle handelt es sich um eine für ein Kerngebiet typische Vergnügungsstätte, wenn sie einen "Schwellenwert" von ca. 100 m² Grundfläche überschreitet; für die Einstufung als kerngebietstypisch ist aber letztlich eine Einzelfallbeurteilung maßgeblich (vgl. VGH München BeckRS 2010, 36735 Rn. 30). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ermittelt wird der durch eine Nutzungsänderung verursachte Mehrbedarf durch einen rechnerischen Vergleich zwischen dem Stellplatzbedarf der geänderten Anlage (sog. Sollbedarf) und dem des genehmigten Altbestands. Bei der rechnerischen Ermittlung des Bedarfs ist dabei auch im Hinblick auf den Altbestand auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den geänderten Antrag abzustellen (vgl. VGH München BeckRS 2018, 14535 Rn. 24). (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wettbüro, Umgebungsbebauung überwiegend durch Wohnnutzung geprägt, (kein) Einfügen einer Vergnügungsstätte, Kerngebietstypik, Örtliche Stellplatzsatzung, Stellplatzbedarf bei Nutzungsänderung., allgemeines Wohngebiet, Umgebungsbebauung, Schank- und Speisewirtschaft, Vergnügungsstätte, kerngebietstypisch, Stellplatz, Stellplatzsatzung, Richtzahl
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 17.05.2022 – AN 9 K 21.1690
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18918
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Cafés/Bistros und eines Ladens (Baugenehmigung v. 7.7.2015) zu einem Pferde- und Sportwettbüro sowie eines Lagers im von ihr angemieteten Erdgeschoss des Anwesens … … …, … … … … …; die Klägerin vermietet die Räumlichkeiten an einen Wettbürobetreiber weiter.
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Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans Nr. B.a./18.1.78, der keine Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung trifft.
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Mit Bescheid vom 2. September 2021 lehnte die Beklagte die Erteilung der beantragten Baugenehmigung ab. Die für die Frage des Einfügens maßgebliche nähere Umgebung des Bauvorhabens werde als allgemeines Wohngebiet eingestuft. Gemäß der vorgelegten Bau- und Leistungsbeschreibung sowie der Grundrisspläne handele es sich bei dem Vorhaben um eine Vergnügungsstätte, die nach der Art der baulichen Nutzung nicht zulässig sei. Auch sei der erforderliche Stellplatznachweis nicht erbracht.
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Das Verwaltungsgericht hat die daraufhin erhobene Verpflichtungsklage abgewiesen. Das Vorhaben sei jedenfalls bauordnungsrechtlich unzulässig. Es verfüge nicht über die nach der Satzung der Beklagten über die Herstellung und Bereithaltung von Kraftfahrzeugstellplätzen und Fahrradabstellplätzen (vom 14.12.2007 i.d.F. vom 15.12.2016 – StS) erforderlichen Kfz-Stellplätze. Ein Nachweis sei bislang nicht erbracht. Es sei von einem Mehrbedarf gegenüber den vorhandenen vier Stellplätzen auszugehen. Die Klägerin habe nicht erklärt, weitere Stellplätze ablösen zu wollen, die Beklagte habe eine solche Möglichkeit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren abgelehnt und ein Anspruch der Klägerin auf Ablösung sei auch nicht ersichtlich. Ohne dass es darauf noch entscheidungserheblich ankäme, sei das Vorhaben als kerngebietstypische Vergnügungsstätte in der als faktisches Mischgebiet zu qualifizierenden Umgebungsbebauung auch bauplanungsrechtlich unzulässig.
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Zur Begründung der vom Senat gegen das Urteil zugelassen Berufung, trägt die Klägerin vor, das Änderungsvorhaben sei bauplanungsrechtlich zulässig. Es sei zwar als Vergnügungsstätte einzustufen, weise aber keine Kerngebietstypik auf. Der Kundenraum habe nur eine Fläche von 85 m². Die Flächenbetrachtung durch das Verwaltungsgericht summiere den frei zugänglichen und mit einem Getränke- und Snackautomaten bestückten Raum mit einer Größe von 16,18 m² hinzu und gelange so zu Unrecht auf eine Fläche von knapp über 100 m2. In Städten wie München, Nürnberg oder Augsburg sei bei 25 Gastplätzen von der Deckung der örtlichen Nachfrage auszugehen; die Kundschaft des bereits betriebenen Wettbüros stamme aus dem Viertel. Der nähere Umgriff stelle eine Gemengelage mit Wohnnutzungen und gewerblichen Nutzungen, auch in Form von Vergnügungsstätten, dar. In der … … … gebe es bereits eine Vergnügungsstätte (Wettbüro Tipico). In „gegenseitiger Verschränkung“ bildeten die beiden Wettvermittlungsstellen „Vorbildbetriebe“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. In der Schwabacher Straße 84 sei eine weitere Vergnügungsstätte … … vorhanden, deren Öffnungszeit und deren Belästigungsgrad über den vom gegenständlichen Vorhaben im Hinblick auf die Art der Nutzung und die Betriebszeiten zu erwartenden hinausgehen dürfte. Das Vorhaben füge sich nach § 34 Abs. 1 BauGB in die in der Umgebung vorhandene Bau- und Nutzungsstruktur ein; eine fehlende Rücksichtnahme auf die in der Umgebung vorhandenen Nutzungen, etwa auf die in den Obergeschossen des Gebäudes vorhandene Wohnnutzung, sei nicht zu erwarten.
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Das Vorhaben sei zudem bauordnungsrechtlich zulässig. Das Verwaltungsgericht habe grundlegend verkannt, dass die erforderlichen Stellplätze bereits im Rahmen der bestehenden Nutzung als Café (Gastronomiebetrieb) in ausreichender Zahl vorhanden gewesen seien. Nach der Garagen- und Stellplatzverordnung (GaStellV) sei für die vorherige Gaststättennutzung ein Stellplatz je 10 m² Gastfläche vorgesehen. Mithin sei der Stellplatzschlüssel für Gaststätten nach der GaStellV doppelt so streng wie für Wettbüros/Spielhallen. Die Satzung der Beklagten über die Herstellung und Bereithaltung von Kraftfahrzeugstellplätzen und Fahrradabstellplätzen (v. 14.12.2007, i.d.F.v. 15.12.2016), die den Stellplatzbedarf demgegenüber für Gaststätten (auch mit Geldspielgeräten) drittele und für Wettbüros verdoppele, sei als spezifisches Verhinderungsinstrument konzipiert und kollidiere im Spannungsfeld von Gaststätten und Wettbüros mit höherrangigem Recht, insbesondere Unionsrecht. Ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung müsse, damit es trotz des Eingriffs in solche Grundfreiheiten gerechtfertigt sei, auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, damit der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden zum Schutz vor willkürlichen Entscheidungen hinreichende Grenzen gesetzt würden. Das Transparenzgebot stehe einer Versagung einer Baugenehmigung entgegen, soweit sich diese auf einen fehlenden Stellplatznachweis stütze und unklar sei, welcher Stellplatzschlüssel zur Anwendung gelange. Die Beklagte verhindere mit ihrer Stellplatzsatzung und der Verweigerung einer Stellplatzablöse die Neuansiedlung von Wettbüros; sie agiere willkürlich. Die Satzung der Beklagten über die Herstellung und Bereithaltung von Kraftfahrzeugstellplätzen und Fahrradabstellplätzen sei wegen Verstoßes gegen Art. 56 AEUV und unionsrechtswidriger Diskriminierung von Wettbüros gegenüber Gaststätten in Bezug auf den Stellplatzschlüssel für das spezifische Wettbüro, in der Wetten an einen maltesischen Wettveranstalter vermittelt würden, unanwendbar, nicht aber nichtig. Aufgrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs und der zulässigen Inländerdiskriminierung bleibe die Satzung bestehen und ermögliche die Anwendung auf die „Inländer“. Es sei unionsrechtswidrig, für inländische Gastronomen, von denen ein erheblicher Teil auch noch Geldspielgeräte aufgestellt habe, den Stellplatzbedarf zu dritteln und gleichzeitig für die EU-Wettvermittler in ihren sportsbarähnlichen Wettbüros den Stellplatzbedarf zu verdoppeln. Den Gemeinden werde keine Befugnis zu planerischer Gestaltung mittels der Stellplatzsatzung eingeräumt, sondern nur die Ermächtigung zur Konkretisierung des notwendigen Maßes an Stellplätzen gegeben. Eine Abweichung von der GaStellV wäre aufgrund der konkreten Verhältnisse im jeweiligen Gemeindegebiet zwar möglich, bedürfe aber hinreichender Rechtfertigung. Der Genehmigungsanspruch ergebe sich schon aus Unionsrecht (Art. 56 AEUV).
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 17. Mai 2022 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 2. September 2021 zu verpflichten, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung für die beantragte Nutzungsänderung im Erdgeschoss des Anwesens … … … … … zu erteilen, hilfsweise den Bauantrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Am 24. Juli 2023 hat der Senat das Vorhabengrundstück und dessen Umgebung in Augenschein genommen. Am 8. Mai 2024 fand die mündliche Verhandlung statt. Auf die jeweiligen Niederschriften wird Bezug genommen.
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Zu den weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Genehmigung der beantragten Nutzungsänderung verneint. Die Ablehnung des Bauantrags durch die Beklagte ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Das Bauvorhaben ist sowohl bauplanungsrechtlich (hierzu 1) als auch bauordnungsrechtlich (2) unzulässig.
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1. Die Beklagte hat die beantragte Nutzungsänderung zu Recht aus bauplanungsrechtlichen Gründen abgelehnt, da sich das geplante Wettbüro nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (§ 34 Abs. 2 BauGB). Die Zulassung einer Vergnügungsstätte überschreitet jedenfalls den durch die Umgebung vorgegebenen Rahmen und ist geeignet, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen.
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Bei der maßgeblichen Umgebungsbebauung handelt es sich um ein allgemeines Wohngebiet, in dem das klägerische Vorhaben, bei dem es sich um eine Vergnügungsstätte, zumal um eine kerngebietstrypische, handelt, nicht zulässig ist. Selbst wenn es sich bei den vorhandenen Gaststätten (S.-Bar und „B.“) ebenfalls um Vergnügungsstätten handeln sollte, wäre, soweit sie nicht als Fremdkörper zu beurteilen sein sollten, in der dann bestehenden Gemengelage wegen der weit überwiegenden Wohnprägung des Gebiets das Vorhaben nicht zulässig.
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a) Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit baulicher Vorhaben im unbeplanten Innenbereich nach dem sich aus der vorhandenen Bebauung ergebenden Maßstab. Als nähere Umgebung im Sinn von § 34 Abs. 1 BauGB ist der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (stRspr. vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – NVwZ 2014, 1246 m.w.N.). Die Grenzen lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Nutzungsänderung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2). Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 – BVerwGE 55, 369 = juris Rn. 33; OVG NW, U.v. 23.4.2015 – 7 A 1237/13 – juris Rn. 63). Eine Straße kann sowohl trennende als auch verbindende Wirkung haben; es kommt maßgeblich auf die vorhandene städtebauliche Situation an (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2000 – 4 B 1.00 – juris Rn. 18; B.v. 10.3.1994 – 4 B 50.94 – juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 14.12.2017 – 1 B 15.2795 – juris Rn. 16). Ob eine Straße ein trennendes oder verbindendes Element ist und ob die Bebauung jenseits der Straße noch prägend ist für die Bebauung diesseits einer Straße und umgekehrt, ist einerseits nach dem optischen Eindruck aber auch nach der baulichen Nutzung zu beurteilen (BayVGH, U.v. 22.9.2020 – 15 B 19.1495 – juris Rn. 16).
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Zur maßstabsbildenden näheren Umgebung im Sinn von § 34 Abs. 1 und 2 BauGB gehört nach dem vor Ort gewonnenen Eindruck die an der … … liegende beiderseitige Bebauung sowie die Bebauung im Geviert, das im Norden durch die …, im Süden durch die … und im Westen durch die … … begrenzt ist. Aufgrund der ähnlichen Nutzungsstrukturen jenseits und diesseits der … … sowie unter Berücksichtigung der Straßenbreite und des Verkehrs ist nach Auffassung des Senats die beiderseitige Bebauung zwischen den Hausnummern 78 bis 86 und 77 bis 89 als rahmenbildend in den Blick zu nehmen. Die Einbeziehung des Blockinnenbereichs bis zur … … erscheint angezeigt, weil sich der von einem Vorhaben ausgelöste Parksuchverkehr häufig um das Straßengeviert herumbewegt, in dem sich das Baugrundstück befindet. Das sich nördlich anschließende Straßengeviert ist demgegenüber nicht mehr als maßstabsbildend miteinzubeziehen. Aufgrund fehlender Sichtachsen, insbesondere zwischen dem in der … … … bestehenden Wettbüro und dem streitgegenständlichen Vorhaben, einer nach Nutzungsauflassung fehlenden prägenden Wirkung des im gegenüberliegenden Karree gelegenen ehemaligen Fruchthauses … … … … … sowie einer im weiteren Verlauf der … … in Richtung Norden vorhandenen stärkeren gewerblichen Prägung … … … … … … … … … steht die Bebauung im weiteren Verlauf der … … in keinem städtebaulichen Zusammenhang zur Umgebungsbebauung des Vorhabengrundstücks. Auch ist der Bereich nördlich der … nicht in die nähere Umgebung mit einzubeziehen. Der sich in südlicher Richtung nach dem Anwesen … … … anschließende Parkplatz des Einkaufszentrums …, der jedoch keine Zufahrt auf die … … hat, prägt die Umgebungsbebauung ebenso wenig wie das Einkaufzentrum selbst.
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b) Die Beweisaufnahme durch Inaugenscheinnahme der Umgebungsbebauung hat die von der Beklagten im Bescheid 2. September 2021 getroffene Einstufung als faktisches allgemeines Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO bestätigt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts spricht das deutliche Überwiegen der Wohnnutzung, insbesondere auch die rein wohngenutzten Gebäude im Bereich des hier gegenständlichen Karrees gegen eine gleichwertige und gleichgewichtige Verteilung von Wohnen und Gewerbe und somit gegen eine Qualifizierung der Umgebungsbebauung als faktisches Mischgebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO.
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Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es in diesem Baugebiet allgemein zulässig wäre (§ 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB). Für die Beurteilung der Eigenart der näheren Umgebung im Sinne des § 34 BauGB ist grundsätzlich alles an Bebauung in den Blick zu nehmen, was tatsächlich vorhanden ist und nach außen wahrnehmbar in Erscheinung tritt. Dabei kommt es auf die Genehmigung der Bebauung und ihrer Nutzung grundsätzlich nicht an. Dies gilt nicht nur für die Frage, ob ein Grundstück zum Bebauungszusammenhang im Sinne von § 34 BauGB gehört, sondern auch für die Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung (vgl. BVerwG, B.v. 23.11.1998 – 4 B 29.98 – BRS 60 Nr. 82 = juris Rn. 6). Tatsächlich vorhandene Baulichkeiten und Nutzungen haben jedoch dann außer Betracht zu bleiben, wenn das Verhalten der zuständigen Behörde hinreichend klar ergibt, dass ein bauaufsichtliches Einschreiten absehbar ist, also kein Zweifel daran besteht, dass sich die zuständige Behörde mit dem Vorhandensein der Baulichkeit bzw. Nutzung nicht abgefunden hat (vgl. BayVGH, B.v. 29.1.2016 – 15 ZB 13.1759 – juris Rn. 12 m.w.N.). Bei der Ermittlung der Eigenart der näheren Umgebung im Sinn von § 34 Abs. 2 BauGB sind singuläre Anlagen, die in einem auffälligen Kontrast zu der sie umgebenden, im Wesentlichen homogenen Bebauung stehen, regelmäßig als Fremdkörper unbeachtlich, soweit sie nicht ausnahmsweise ihre Umgebung beherrschen oder mit ihr eine Einheit bilden (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2006 – 4 C 11.05 – juris Rn. 9 m.w.N.; U.v. 15.2.1990 – 4 C 23.86 – BVerwGE 84, 322-335 = juris; BayVGH, B.v. 16.3.2022 – 9 ZB 21.3007 – juris Rn. 13).
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Nach den im Rahmen des Ortstermins gewonnenen Erkenntnissen ist die maßgebliche Umgebungsbebauung überwiegend von Wohnnutzung geprägt; in den Straßenzügen … … … … … gilt dies zumeist für die gesamten Gebäude, in der … … zumindest in den Obergeschossen. Auch die Obergeschosse des Vorhabengrundstücks werden ausschließlich zum Wohnen genutzt (laut Klingelschild 10 Wohnparteien, im Nachbargebäude … … … sind 8 Wohnparteien angezeigt). In der Erdgeschossebene im Bereich der … … finden sich gewerbliche Nutzungen, die sich wie das Bekleidungsgeschäft in der … … …, das Teppich- bzw. Raumausstattungsgeschäft in der … … …, der Waschsalon im … … …, das anschließende Frisörgeschäft und das im … … … befindliche Nagelstudio als nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO wohngebietsverträglich darstellen. Bei der ebenfalls im … … … vorhandenen gastronomischen Nutzung handelt es sich unter Berücksichtigung von Größe und Begrenztheit des gastronomischen Angebots nach Auffassung des Senats um eine der Versorgung des Gebiets dienende Schank- und Speisewirtschaft im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO. Das dem Vorhaben in südöstlicher Richtung gegenüberliegende Gebäude … … tritt nach außen ausschließlich als Wohngebäude in Erscheinung. Das sich im anschließenden Gebäude … … … im Erdgeschoss befindliche … …Bistro erscheint unter Berücksichtigung der Größe und der Tatsache, dass in Gaststätten bis zu zwei Geldspielgeräte zulässig sind (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 SpielV), noch wohngebietsverträglich. Eine Gaststätte mit zwei Geldspielgeräten ist eine Schank- und Speisewirtschaft; die aufgestellten Geräte geben ihr kein gaststättenfremdes Gepräge (vgl. VGH BW, U.v. 28.11.2019 – 5 S 1790/17 – juris Rn. 35 = BauR 2020, 799). Erst wenn Spielmöglichkeiten (wie beispielsweise Dart, Tischfußball, Billard oder Geldspielgeräte) einer Schankgaststätte ein insgesamt gaststättenfremdes Gepräge geben, handelt es sich um eine Vergnügungsstätte (VGH BW aaO).
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Entgegen der klägerischen Auffassung stellt sich die gastronomische Nutzung … … in der … … … nicht schon wegen der in der Auslage erkennbaren Pokale von Dart-Turnieren herrührend als Vergnügungsstätte dar, vielmehr deutet das gastronomische Angebot auf eine gewöhnliche Schankwirtschaft („Kneipe“/“Bar“) und das Erscheinungsbild der Gaststätte auf eine gebietsnahe Bedarfsdeckung hin. Dieser Eindruck wird bestätigt durch die von der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung übergebenen Lichtbilder vom Gastraum (51,09 m²) und der Inneneinrichtung der Lokalität, ebenso durch die baurechtlich genehmigte Nutzung als „Gaststube“ mit festgesetzten Immissionsgrenzwerten eines allgemeinen Wohngebietes bzw. eines reinen Wohngebietes für die darüber liegende Wohnung. Allein das Vorhandensein eines Automaten und von zwei Dart-Scheiben mit turnierfähigen Monitoren in dem Lokal genügt nicht, dieses bauplanungsrechtlich als Vergnügungsstätte zu qualifizieren, diese verleihen der Schankwirtschaft kein gaststättenfremdes Gepräge.
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Nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO sind im allgemeinen Wohngebiet die der Versorgung des Gebiets dienenden Schank- und Speisewirtschaften zulässig. Eine Schank- und Speisewirtschaft dient der Versorgung des Gebiets, wenn sie sich dem allgemeinen Wohngebiet, in dem sie liegt, funktional zuordnen lässt. Ein solcher Bezug fehlt, wenn die Gaststätte auf einen Personenkreis ausgerichtet ist, der nahezu zwangsläufig An- und Abfahrtverkehr mit den damit verbundenen gebietsinadäquaten Begleiterscheinungen verursacht. Die Schank- und Speisewirtschaft muss auf die Deckung eines gastronomischen Bedarfs ausgerichtet sein, der in dem so abgegrenzten Gebiet und nach den dortigen demographischen und sozialen Gegebenheiten tatsächlich zu erwarten ist, wobei auch regionale Unterschiede von Bedeutung sein können. Ist die Schank- und Speisewirtschaft auf gebietsfremde Gäste ausgerichtet, so ist sie in einem allgemeinen Wohngebiet gebietsunverträglich und damit unzulässig (BVerwG, U.v. 20.3.2019 – 4 C 5.18 – juris Rn. 16; B.v. 3.9.1998 – 4 B 85.98 – juris jeweils m.w.N.). Ein Gebietsbezug lässt sich in verdichteten großstädtischen Gebieten eher bejahen als in locker bebauten ländlichen Strukturen (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: August 2023, BauNVO § 4 Rn. 64). Einer Schank- und Speisewirtschaft, die im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO der Versorgung eines allgemeinen Wohngebiets dient, kann nicht entgegengehalten werden, sie sei wegen der von ihrem Betrieb ausgehenden Störungen gebietsunverträglich (BVerwG, U.v. 20.3.2019, a.a.O., Rn.15). Die der Gebietsversorgung dienende Schank- und Speisewirtschaft bestimmt die Baunutzungsverordnung schon tatbestandlich eher eng, erklärt sie in Kleinsiedlungsgebieten und allgemeinen Wohngebieten für allgemein zulässig und ordnet sie diesen Gebieten funktional zu. Die von ihnen bei typisierender Betrachtung ausgehenden Störungen hält der Verordnungsgeber für gebietsverträglich (BVerwG, U.v. 20.3.2019, a.a.O. Rn. 19).
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Unter Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten, insbesondere der in der maßgeblichen Umgebungsbebauung vorherrschenden verdichteten Wohnnutzung über mehrere Stockwerke in einem städtischen Bereich stellen sich sowohl die Gaststätte … … in der … … … als auch das … …Bistro in der … … … nach ihrer Größe und dem gastronomischen Angebot als Schankwirtschaften zur Deckung eines gebietsbezogenen Bedarfs dar. Eine gebietsübergreifende Anziehungskraft ist nach dem äußeren Erscheinungsbild dieser Einrichtungen nicht ersichtlich.
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Selbst wenn man die bei der Gastwirtschaft … … angegebenen Öffnungszeiten von täglich 13 Uhr bis Sperrstunde als Indiz für einen Nachtbetrieb mit einer gebietsübergreifenden Anziehungskraft und damit als Vergnügungsstätte werten, und etwa auch dem … …Bistro in Anbetracht seiner Öffnungszeiten eine mit einem allgemeinen Wohngebiet unverträgliche Prägung beimessen wollte, würde sich zunächst die Frage stellen, ob die bauliche Nutzung nach ihrem quantitativen Erscheinungsbild oder nach ihrer Qualität überhaupt die Kraft hat, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, oder ob sie als Fremdkörper in der überwiegend von Wohnnutzung und wohngebietsverträglichen gewerblichen Nutzungen geprägten Umgebung wahrgenommen wird. Andernfalls wäre von einer Gemengelage mit überwiegender Prägung durch Wohnnutzung auszugehen.
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c) In den danach maßgeblichen Bereich fügt sich das Wettbüro als Vergnügungsstätte der Art der Nutzung nach nicht ein; dies gilt unabhängig davon, ob dieser Bereich als faktisches allgemeines Wohngebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB, § 4 BauNVO) oder als Gemengelage mit einer starken bzw. überwiegenden Prägung durch Wohnnutzung einzustufen ist.
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Eine Vergnügungsstätte ist ein auf kommerzielle Unterhaltung ausgerichteter besonderer Gewerbebetrieb, der in unterschiedlicher Ausprägung unter Ansprache oder Ausnutzung des Geselligkeitsbedürfnisses, des Spiel- oder Sexualtriebs einer bestimmten auf Gewinnerzielung gerichteten Freizeitunterhaltung gewidmet ist. In Wettbüros (als Wettvermittlungsstellen mit Vergnügungsstättencharakter) werden zwischen dem Kunden (Spieler), einem Vermittler (dem Betreiber des Wettbüros) und dem – meist im europäischen Ausland ansässigen – Wettunternehmen Transaktionen abgeschlossen, wobei es sich um Sportwetten bzw. um Wetten auf diverse sonstige Ereignisse handelt. Die Verwendung von Einrichtungsgegenständen – wie von Wettterminals und Monitoren –, die zur Vermittlung von Live-Wetten genutzt werden können und dürfen, stellt sich als Nutzung im Sinne einer Vergnügungsstätte dar. Denn Live-Wetten bieten anders als Sportwetten, bei denen lediglich auf das Eintreffen eines (künftigen) Sportergebnisses zu festen Gewinnquoten gesetzt wird, eine rasche Aufeinanderfolge der Wettmöglichkeiten und verleiten den Kunden damit zu einem Verweilen bis zum Eintritt der jeweiligen Wettergebnisse, während dessen der Kunde die aktuellen Quoten und die Ergebnisse der Wettkämpfe auf Monitoren verfolgen und ggf. weitere Wetten danach ausrichten kann. Die Vermittlung von Live-Wetten dient – anders als bei einer bloßen Wettannahmestelle – der kommerziellen Unterhaltung. Der „Verweilcharakter“ muss nicht notwendig aus einer möglichst angenehmen oder geselligen Atmosphäre folgen, die dem Kunden neben dem Abschluss seiner Wette angeboten werden soll, sondern folgt speziell bei der Vermittlung von Live-Wetten über Terminals und Monitore schon schlicht aus der Möglichkeit, sich während des Laufs der Sportveranstaltungen in den Räumen des Wettbüros aufzuhalten, um die über Wandmonitore ausgestrahlten aktuellen Quoten und Ergebnisse der Wettkämpfe live zu verfolgen und noch während der laufenden Sportveranstaltungen in schneller Abfolge auf bestimmte Ereignisse zu wetten (zusammenfassend BayVGH, B.v. 18.3.2019 – 15 ZB 18.690 – juris Rn. 22 m.w.N.).
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Neben der Ausstattung mit Monitoren mit Live-Übertragung, den Sitzgelegenheiten und dem in der Betriebsbeschreibung genannten Verweilcharakter sprechen hier auch die Öffnungszeiten täglich von 9.30 Uhr bis 23.30 Uhr für eine Qualifizierung des Wettbüros als Vergnügungsstätte.
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Für die Frage, ob es sich um eine für ein Kerngebiet typische Vergnügungsstätte (§ 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) handelt, weil der Dienstleistungsbetrieb einen zentralen Charakter aufweist sowie für ein größeres und allgemeines Publikum aus einem größeren Einzugsbereich erreichbar ist, spielt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Größe des Betriebs eine maßgebliche Rolle (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.1988 – 4 B 119.88 – NVwZ 1989, 50). Für Spielhallen hat die Rechtsprechung insoweit einen „Schwellenwert“ von ca. 100 m² Grundfläche angenommen, für die Einstufung als kerngebietstypisch aber letztlich eine Einzelfallbeurteilung als maßgeblich erachtet (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.1988 a.a.O.; B.v. 29.10.1992 – 4 B 103.92 – NVwZ-RR 1993, 287; BayVGH, U.v. 24.11.2010 – 9 B 10.363 – juris Rn. 30). Dieser in der Rechtsprechung als Anhaltswert für die Abgrenzung zwischen kerngebietstypischen und nicht kerngebietstypischen Spielhallen herangezogene Schwellenwert von 100 m² ist auf Wettbüros übertragbar (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 29.1.2018 – OVG 2 S 37.17 – juris Rn.12). Soweit das Bauplanungsrecht besondere Zulässigkeitsanforderungen an einen gewerblichen Betrieb stellt, kann es im Einzelfall geboten sein, zwei formal voneinander getrennte Einheiten als einheitlichen Betrieb und als einheitliches Vorhaben zu betrachten. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach baulichen und betrieblich-funktionellen Gesichtspunkten, wie beispielsweise ein gemeinsamer Hauseingang bzw. Vorraum, der ein Hin- und Herwechseln ermöglicht (BVerwG, U.v. 24.11.2005 – 4 C 8.05 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 9 ZB 15.2637 – juris Rn. 7).
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Das klägerische Vorhaben überschreitet die 100-m²-Schwelle. Beim Augenschein des Senats war der als „Lager“ mit 44,06 m2 in den Bauvorlagen bezeichnete Raum mit im Stand-by-Modus geschalteten Monitoren an den Wänden ausgestattet und war dort ein neuer Teppichbelag aufgebracht; das lässt insoweit Zweifel an der intendierten und zur Genehmigung gestellten Nutzung als Lager aufkommen. Es kann aber letztlich dahingestellt bleiben, ob diese Fläche in Anbetracht des gemeinsamen Vorraums und der nach außen in Erscheinung tretenden Betriebseinheit (einheitlich beworbene Fensterflächen) der Grundfläche des Wettbüros zuzuschreiben ist. Denn unzweifelhaft bildet der 84,31 m2 umfassende Hauptraum des Wettbüros mit dem sich anschließenden Raum (16,18 m2), der mit Getränke- und Snackautomaten ausgestattet ist, eine betriebliche Einheit, die nach ihrer Fläche bereits den genannten Schwellenwert von 100 m2 überschreitet. Damit kann die in der Betriebsbeschreibung genannte Besucherzahl von 25 Personen ohne weiteres überschritten werden. Die Anzahl der Mitarbeiter stellt sich insoweit nicht als besonders limitierender Faktor dar, da die gastronomische Versorgung im Selbstbedienungsmodus stattfindet. Nach außen tritt das Vorhaben auf breiter Fläche – auch der als Lager konzipierte Raum weist beworbene Schaufenster auf – in Erscheinung. Das streitgegenständliche Vorhaben gewinnt damit für ein größeres und allgemeines Publikum an Attraktivität und ist als kerngebietstypisch anzusehen. Entgegen der klägerischen Auffassung ist daher nicht von einer bloßen Deckung der örtlichen Nachfrage auszugehen, zumal die Klägerin selbst von einer „gegenseitigen Verschränkung“ des streitgegenständlichen Vorhabens mit dem (kerngebietstypischen) Wettbüro in der … … … und mithin von einem Profitieren von dessen überörtlicher Attraktivität ausgeht.
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Das streitgegenständliche Wettbüro als kerngebietstypische Vergnügungsstätte fügt sich nach der Art der Nutzung weder allgemein noch ausnahmsweise in die als faktisches allgemeines Wohngebiet zu qualifizierende Eigenart der maßgeblichen näheren Umgebung ein (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO). Selbst wenn das Erscheinungsbild des Straßenzugs der … … dadurch geprägt ist, dass die Erdgeschossbereiche gewerblich und die darüber liegenden Geschosse zu Wohnzwecken genutzt werden, vermag diese – für Großstädte typische – vertikale Gliederung der Nutzungsarten nicht eine Relativierung des Schutzes der Wohnnutzung oder die Ansiedlung einer störenden Nutzung durch eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte zu rechtfertigen. Würde man im Übrigen bei der maßgeblichen näheren Umgebung von einer Gemengelage ausgehen, wäre gleichermaßen von der Unzulässigkeit des Bauvorhabens auszugehen. Denn es fehlt in dieser Umgebung an dem erforderlichen Vorbild im Sinne einer prägenden Vergnügungsstätte, sodass das Vorhaben aufgrund seiner nicht auszuschließenden Vorbildwirkung geeignet wäre, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 9 ZB 15.2637 – juris Rn. 13; U.v. 14.12.2017 – 1 B 15.2795 – juris Rn. 18 m.w.N.). Wie dargelegt kann die vorhandene Vergnügungsstätte in Form eines Wettbüros in der … … … mangels bestehender Blickbeziehungen der beiden Einrichtungen und mangels prägender Wirkung außerhalb der maßgeblichen Umgebungsbebauung nicht als bereits vorhandenes Bezugsobjekt herangezogen werden. Selbst unter Berücksichtigung des Störgrades benachbarter Gastwirtschaften würde die Zulassung des Vorhabens als kerngebietstypische Vergnügungsstätte -auch bei Verneinung einer Kerngebietstypik – dazu führen, die gegebene Situation negativ in Bewegung zu bringen (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1994 – 4 C 13.93 – juris), zumal damit über die Beeinträchtigung der Wohnruhe hinaus weitergehende negative städtebauliche Effekte wie die Abwertung der Gebietsqualität (sog. „Trading down“-Effekt) einhergehen könnten.
31
2. Darüber hinaus steht der (beanspruchten) Erteilung einer Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung von Café / Bistro in ein Pferde- und Sportwettbüro sowie von Laden in Lager in bauordnungsrechtlicher Hinsicht entgegen, dass von der Klägerin kein Stellplatznachweis erbracht wurde, der den Anforderungen des Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO genügt (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c, Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO i.V.m. der Satzung über die Herstellung und Bereithaltung von Kraftfahrzeugstellplätzen und Fahrradabstellplätzen der Beklagten vom 14.12.2007 i.d.F. der Satzung vom 15.12.2016 [Stellplatzsatzung – StS]). Die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an einen ausreichenden Stellplatznachweis sind im hier durchgeführten vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO Prüfgegenstand, weil die Beklagte diese in ihrer Stellplatzsatzung als örtliche Bauvorschrift i.S.d. Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO geregelt hat.
32
Das Vorhandensein des durch die Nutzungsänderung verursachten Mehrbedarfs an zusätzlichen Stellplätzen ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. hierzu Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 113 Rn. 57, 63; BayVGH, B.v. 7.2.2024 – 1 ZB 21.2897 – juris Rn. 10) nicht in geeigneter Weise nachgewiesen.
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Nach Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO sind bei Änderungen oder Nutzungsänderungen von Anlagen Stellplätze in solcher Zahl und Größe herzustellen, dass die Stellplätze die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen können. Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO ermöglicht den Gemeinden, den Stellplatzbedarf abweichend vom Landesdurchschnitt an ihre spezifische örtliche Verkehrssituation anzupassen (vgl. BayVGH, B.v. 25.6.2003 – 14 ZB 03.274 – juris Rn. 2). Die Ermächtigungsgrundlage wird jedoch begrenzt durch die beschränkte Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers, d. h. sie ermächtigt die Gemeinden nur dazu, in Ergänzung des Art. 47 örtliche Bauvorschriften zu erlassen; dabei bestehen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, ist eine bestimmte Pauschalierung zuzugestehen und kann die Zahl der nachzuweisenden Stellplätze höher oder niedriger sein als in der GaStellV festgesetzt werden (vgl. Decker in Busse/Kraus/Decker, BayBO, Stand: Oktober 2023, Art. 81 Rn. 164 m.w.N.). Eine Stellplatzsatzung als örtliche Bauvorschrift nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO muss auf einem inhaltlich sinnvollen Stellplatznachweis gerichtet sein, darf nicht willkürlich erscheinen und nicht in das Bauplanungsrecht übergreifen, indem durch die Festsetzung einer besonders hohen, inhaltlich nicht begründbaren Stellplatzpflicht die Errichtung bestimmter baulicher Anlagen (z. B. Vergnügungsstätten) zu verhindern versucht wird (vgl. Decker in Busse/Kraus/Decker, a.a.O., Art. 81 BayBO Rn. 169a; Kraus, Stellplatzrecht in Bayern – eine Frage kommunaler Verkehrspolitik, KommP 2016, 414 ff.).
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Ermittelt wird der durch eine Nutzungsänderung verursachte Mehrbedarf durch einen rechnerischen Vergleich zwischen dem Stellplatzbedarf der geänderten Anlage (sog. Sollbedarf) und dem des genehmigten Altbestands. Bei der rechnerischen Ermittlung des Bedarfs ist dabei auch im Hinblick auf den Altbestand auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den geänderten Antrag abzustellen (vgl. BayVGH, U.v. 2.5.2018 – 2 B 18.458 – juris Rn. 24 m.w.N.). Maßgeblich für die Ermittlung des konkreten Stellplatzbedarfs ist damit die Stellplatzsatzung der Beklagten in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung (vgl. Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBO). Danach erfolgt die Ermittlung des Stellplatzbedarfs anhand der Richtzahlenliste, die als Anlage Bestandteil der Stellplatzsatzung der Beklagten ist, getrennt nach den jeweiligen Nutzungsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 StS). Entsprechend der jeweiligen Nutzung ist rechnerisch auf zwei Stellen nach dem Komma die jeweilige Stellplatzzahl zu ermitteln und durch kaufmännische Auf- bzw. Abrundung auf eine ganze Zahl festzusetzen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 StS). In der – hier vorliegenden Zone I (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 2 StS) – müssen Kraftfahrzeugstellplätze nur zu 80 v.H. der jeweils notwendigen Stellplatzzahl nachgewiesen werden (§ 2 Abs. 4 Satz 1 StS). Nr. 7.1 der Richtzahlenliste (Anlage zu § 2 Abs. 1 StS) sieht für Spielhallen, Spielclubs und Wettbüros einen Bedarf von einem Kraftfahrzeugabstellplatz je 10 m² Bruttogrundfläche (BGF) nach DIN 277-1, jedoch mindestens drei Stellplätzen vor, während für Gaststätten nach Nr. 6.1 ein Bedarf von einem Stellplatz je 35 m2 Gastraumfläche und für Läden (bis 800 m2 BGF) nach Nr. 3.1 ein solcher von einem Stellplatz je 80 m² BGF gilt. Nach DIN 277-1 setzt sich die BGF aus der Konstruktions-Grundfläche (KGF) und der Netto-Raumfläche (NRF) zusammen, die NRF umfasst die Verkehrsfläche (VF), die Technikfläche (TF) und die Nutzungsfläche (NUF), welche wiederum Lagerflächen miteinschließt. Nach Angaben der Beklagten sei die Bezugsgröße Bruttogrundfläche nach DIN 277-1 gewählt worden, weil sich andere Maßstäbe als streitanfällig erwiesen hätten.
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Die Verschärfung der Stellplatzanforderungen in Nr. 7.1 StS erfolgte mit Änderung der Stellplatzsatzung der Beklagten vom 23. Juli 2014. Ausweislich der Begründung wurden die Anforderungen an Gaststätten deutlich verringert, da in Innenstadtlagen ein Realnachweis häufig nicht geführt werden könne und bei Nutzungsänderungen ein schlüssiges Gesamtkonzept bestehen bleiben müsse. Die Verschärfung der Stellplatzanforderungen bei Spielhallen resultiere aus den Beschwerden über Wildparken im direkten Umfeld von Spielhallen (vgl. Beilage 10.3 der Sitzung des Stadtrates vom 23.7.2014).
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Die in den Bauantragsakten unter dem 26. Oktober 2017 bzw. 5. Dezember 2017 nachgereichte Stellplatzberechnung des Architekten der Klägerin geht unter Annahme einer Bruttogrundfläche von 167,14 m2, wobei der Lagerraum mit 48,17 m2 separat nach „Nr. 10.2 StS“ betrachtet wurde, von einem durch die Nutzungsänderung entstehenden Mehrbedarf von 9 Kfz-Stellplätzen und 5 Fahrradabstellplätzen aus. Die Erfüllung eines Mehrbedarfs an Stellplätzen wurde nicht nachgewiesen.
37
Die Stellplatzsatzung der Beklagten (i.d.F.v. 15.12.2016) war bereits Gegenstand mehrerer Entscheidungen des Senats (vgl. BayVGH, U.v. 26.5.2020 – 9 B 17.710 – juris; B.v. 16.3.2022 – 9 ZB 21.3007 und 9 ZB 21.1850 – jeweils juris; B.v. 8.11.2021 – 9 ZB 20.3076 – juris). Im Urteil vom 26. Mai 2020 (Az.: 9 B 17.710, Rn. 26 ff.) hat der Senat folgendes ausgeführt:
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„Offen bleiben kann weiter, ob die Bestimmung der Richtzahlen in der Anlage zur Stellplatzsatzung der Beklagten (teilweise) unwirksam ist (…).
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Die Beklagte kann bei der Festlegung der Richtzahlen für die notwendige Zahl an Stellplätzen nach Art. 47 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO von der Garagen- und Stellplatzverordnung abweichen (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand 12/2019, Art. 81 Rn. 168). Ihr steht dabei ein gewisses Pauschalierungsermessen zu (vgl. BayVGH, B.v. 25.6.2003 – 14 ZB 03.274 – juris Rn. 2). Danach erscheint die Festlegung der Richtzahlenwerte bei einer Überschreitung der Zahl der notwendigen Stellplätze nach § 20 GaStellV i.V.m. der Anlage um 100 v.H. – anders als beispielsweise bei einer Verschärfung um 166 v.H. (vgl. VG München, U.v. 3.3.2016 – M 11 K 14.5658 – juris Rn. 51 f.) bzw. dem Vierfachen (vgl. VG Augsburg, U.v. 9.3.2016 – Au 4 K 15.1371 – juris Rn. 67 ff.) – nicht willkürlich (vgl. BayVGH, U.v. 16.12.1996 – 14 B 93.2981 – VGHE n.F. 50, 153/154 f. = NVwZ 1998, 205/206; VG Würzburg, U.v. 25.3.2014 – W 4 K 13.985 – juris Rn. 22). Zu berücksichtigen wäre dabei, dass es sich bei der Beklagten um eine Großstadt handelt, in deren dicht besiedeltem, eng bebauten und intensiv genutztem Innenstadtbereich die von ihr mit „Wildparken“ umschriebenen Probleme wohl darüber hinaus keiner vertieften Rechtfertigung der festgesetzten Stellplatzzahl anhand weiterer spezifischer örtlicher Gegebenheiten bzw. der jeweiligen besonderen (Verkehrs-) Situation im Stadtgebiet bedürften (vgl. VGH BW, B.v. 29.9.1999 – 8 S 2291/99 – juris Rn. 2; OVG Rh-Pf, U.v. 27.6.2001 – 8 C 11919/00 – juris Rn. 16 und U.v. 7.10.2015 – 8 C 10371/15 – juris Rn. 20). Im Hinblick auf die andere Nutzungs- und Besucherstruktur von Diskotheken (vgl. BayVGH, B.v. 14.3.2011 – 2 CS 11.229 – juris Rn. 11) erscheint auch die Differenzierung innerhalb verschiedener Typen von Vergnügungsstätten nicht willkürlich.
40
Selbst wenn aber einzelne Richtzahlenwerte für die festgesetzte Stellplatzzahl in der Anlage zur Stellplatzsatzung der Beklagten unwirksam sein sollten, hat dies jedenfalls keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der gesamten Stellplatzsatzung. Nach der allgemeinen Regel des § 139 BGB kommt es darauf an, ob die Beschränkung der Nichtigkeit eine mit höherrangigem Recht vereinbare sinnvolle (Rest-) Regelung belässt und hinreichend sicher ein entsprechender hypothetischer Wille des Satzungsgebers angenommen werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 24.2.2012 – 9 B 80.11 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 29.5.2018 – 4 ZB 17.1801 – juris Rn. 12 [zu einer Zweitwohnungssteuersatzung]). Dies ist hier der Fall. Eine eventuelle Nichtigkeit der Richtzahlenfestlegung für Wettbüros hat danach keine Auswirkungen auf die Bestimmung der sonstigen, von der Beklagten sehr detailliert und differenziert festgelegten Richtzahlen in der Anlage zur Stellplatzsatzung im Übrigen oder auf die grundsätzlichen Satzungsregelungen an sich. Es ist hier auch nicht anzunehmen, dass der Satzungsgeber im Falle einer Teilnichtigkeit einzelner Richtzahlen generell von einer eigenständigen Stellplatzsatzung absehen wollte. Gegenteiliges ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Damit wären im Falle einer eventuellen Teilnichtigkeit der Richtzahl für Wettbüros nach Nr. 7.1 der Richtzahlenliste jedenfalls entsprechend § 2 Abs. 3 StS notwendige Stellplätze unter Berücksichtigung der Richtzahlen für Vorhaben mit vergleichbarem Bedarf nachzuweisen.“
41
Während die Bezugnahme auf die Maßeinheit „Bruttogrundfläche“ in der Stellplatzsatzung gegenüber der nach Nr. 6.2 der Anlage zur GaStV vorgesehenen Bemessungsgrundlage Nutzfläche nach DIN 277-1 dahingehend eine gewisse Verschärfung enthält, dass Konstruktionsflächen, Verkehrsflächen und technische Funktionsflächen hinzuaddiert werden, ist in Innenstadtlagen unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 4 StS nur ein Nachweis in Höhe von 80 v.H. zu erbringen, so dass sich die Überschreitung der Zahl der nach der Stellplatzsatzung notwendigen Stellplätze gegenüber § 20 GaStellV i.V.m. der Anlage um ca. 100 v.H. bewegen dürfte (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2024 – 1 ZB 21.2897 – juris Rn. 6: einheitlicher Richtwert der dortigen Stellplatzsatzung für Vergnügungsstätten von einem Stellplatz je 10 m² Nettonutzfläche).
42
Selbst im Falle einer Unwirksamkeit des unter Nr. 7.1 StS für Wettbüros festgelegten Stellplatzbedarfes würde sich unter entsprechender Anwendung der Richtzahlen für sonstige Vergnügungsstätten (§ 2 Abs. 3 StS i.V.m. Nr. 7.3 der Richtzahlenliste) für die Nutzungsänderung ein nachzuweisender Mehrbedarf an Kfz-Stellplätzen ergeben. Entgegen der klägerischen Auffassung sind die erforderlichen Stellplätze nicht schon im Rahmen der vormals genehmigten (Teil-) Nutzung als Café (Gastronomiebetrieb) in ausreichender Zahl vorhanden. Wird die Zahl der notwendigen Stellplätze – wie hier – durch eine örtliche Bauvorschrift oder eine städtebauliche Satzung festgelegt, ist diese Zahl maßgeblich (Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBO). Somit kommt es vorliegend auf den in der Garagen- und Stellplatzverordnung (§ 20 GaStellV i.V.m. Nr. 6.2 der Anlage) geregelten Bedarf nicht an. Diesem Verständnis entspricht auch der gesetzgeberische Wille, der darauf gerichtet war, ein sicherheitsrechtlich unverzichtbares Minimum an Stellplätzen festzuschreiben und damit im Interesse der Rechtssicherheit eine klare und unzweideutig ablesbare rechtsnormative Festlegung sicherzustellen, die allerdings zu Gunsten eines Letztentscheidungsrechts der Gemeinden über die Zahl der notwendigen Stellplätze subsidiär ausgestaltet wurde (vgl. LT-Drs. 15/7161, S. 56; BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 9 ZB 20.3076 – juris Rn. 9).
43
Im Übrigen ist hinsichtlich der Verweigerung einer im Ermessen stehenden Stellplatzablösung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu verweisen, wonach das Bebauungsrecht die Gemeinde nicht hindert, eine Nutzungsstruktur anzustreben, die mit den Mitteln des Bebauungsrechts allein nicht durchsetzbar wäre, und dabei auch in ihrem Ermessen stehende Instrumente so einzusetzen, dass eine solche Entwicklung gefördert wird. Zu diesen Instrumenten kann auch die Schaffung von Stellplätzen gehören (vgl. BVerwG, B.v. 4.8.1986 – 4 B 186.86 – juris Rn. 4; B.v. 27.9.1983 – 4 B 122.83 – juris Rn. 6; vgl. auch BayVGH, U.v. 26.5.2020 – 9 B 17.710 – juris Rn. 41; U.v. 23.8.2001 – 2 B 98.2905 – juris Rn. 22).
44
Die Stellplatzsatzung der Beklagten verstößt auch nicht gegen Unionsrecht. Die Geltendmachung einer Verletzung unionsrechtlicher Grundfreiheiten aus Art. 49 und Art. 56 AEUV setzt einen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraus (vgl. Korte in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, Art. 49 AEUV Rn. 22 m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH), an dem es hier fehlen dürfte. Die Klägerin agiert als (Unter-) Vermieterin einer Immobilie und nicht als Betreiberin eines Wettbüros. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob sie sich als Vermieterin mittelbar auf die unionsrechtlichen Gewährleistungen eines möglicherweise grenzüberschreitend als Wettvermittler tätigen Mieters berufen kann (vgl. BayVGH, U.v. 28.7.2023 – 9 N 20.2183 – juris Rn. 54 m.w.N.). Jedenfalls ist eine von der Klägerin gerügte unionsrechtswidrige Diskriminierung von Wettbüros gegenüber Gaststätten durch die Stellplatzsatzung der Beklagten im Hinblick auf die unterschiedslos für Inländer wie Ausländer geltende Regelung und das anzuerkennende Pauschalierungsermessen der Gemeinde bei der Festlegung der Richtzahlen für Stellplätze nicht ersichtlich. Zweifel ergeben sich auch nicht hinsichtlich der Vorhersehbarkeit der zu erfüllenden Kriterien. Abgesehen davon gehört der Schutz der städtischen Umwelt mit den Mitteln der Stadt- und Raumplanung zu den anerkannten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die territoriale Beschränkungen rechtfertigen können (vgl. BVerwG, B.v. 30.5.2013 – 4 B 3.13 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 9 ZB 20.3076 – juris Rn. 14; B.v. 16.6.2021 – 9 ZB 19.49 – juris Rn. 14 m.w.N.).
45
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.
47
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.