Titel:
Klage gegen Planfeststellungsbeschluss für Frankenschnellweg
Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2
BayStrWG Art. 3 Abs. 1 Nr. 2, Art. 36, Art. 37 Nr. 1
VwVfG § 72, § 73, § 75 Abs. 1a, § 96a Abs. 1 S. 2
UmwRG § 4 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Abs. 1a
Leitsätze:
1. Einen zeitlichen Höchstrahmen, der für die Anwendung der Übergangsregelung in Art. 96a Satz 1 BayVwVfG nicht überschritten werden darf, lässt sich weder den im Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetz enthaltenen Vorschriften zur Umweltverträglichkeitsprüfung noch den entsprechenden unionsrechtlichen Regelungen entnehmen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die UVP nach altem Recht erforderte keine Berücksichtigung globaler Klimaauswirkungen. Der Begriff des Klimas wurde eng im Sinne des standortbezogenen lokalen Klimas verstanden. Auch europarechtlich war eine großräumigere Betrachtung des Klimas für den vergangenen Zeitraum nicht geboten. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach ständiger Rechtsprechung unterliegen Verkehrsprognosen nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Eine Prognose ist dann nicht zu beanstanden, wenn sie nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, der ihr zugrundeliegende Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis einleuchtend begründet ist. (Rn. 71) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Einhaltung der Grenzwerte der 39. BImSchV stellt keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Planfeststellung eines Straßenbauvorhabens dar, weil Grenzwertüberschreitungen nach dem System der Luftreinhalteplanung unabhängig von den Immissionsquellen zu vermeiden sind. Allerdings ist das Gebot der Konfliktbewältigung als Ausformung des Abwägungsgebots verletzt, wenn die Planfeststellungsbehörde das Vorhaben zulässt, obgleich absehbar ist, dass seine Verwirklichung die Möglichkeit ausschließt, die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung in einer mit der Funktion des Vorhabens zu vereinbarenden Weise zu sichern. (Rn. 129) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Planfeststellung, kreuzungsfreier Ausbau einer Kreisstraße, Umweltverträglichkeitsprüfung, Verkehrsprognose, Luftimmissionen
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 14.07.2014 – 10 K 13.1450
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 11.03.2025 – 9 B 59.24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18910
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der dem Beigeladenen entstandenen außergerichtlichen Kosten.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger, eine in Bayern anerkannte Naturschutzvereinigung, wendet sich gegen den nach einem ergänzenden Verfahren geänderten Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den kreuzungsfreien Ausbau der bereits derzeit durchgehend über mindestens zwei Fahrspuren je Fahrtrichtung verfügenden Kreisstraße N 4 (Frankenschnellweg) [im Folgenden: N 4] im Stadtgebiet der Beigeladenen. Der Umbau gliedert sich in die Teilbereiche West und Mitte.
2
Am 28. Juni 2013 erließ der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss für den kreuzungsfreien Ausbau der N 4 im Stadtgebiet der Beigeladenen in den Bereichen West (Str.-km 0+633 bis 2+336) und Mitte (Str.-km 3+451 bis 5+856) mit Neubau der Orts straße Neue Kohlenhof straße (Str.-km 0+154 bis 0+876) und Abkoppelung der Gleisanlagen im Bereich des Kohlenhofes des Bahnhofes N. Hauptgüterbahnhof im Vorgriff zur geplanten Flächenfreisetzung.
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Im Abschnitt West, der von der Kreuzung mit der Fürther Straße (Anschlussstelle – AS – Nürnberg/Fürth) bis zur Jansenbrücke (AS Westring) reicht, soll auf der Südseite in Fahrtrichtung Nürnberg/Zentrum eine dritte Fahrspur angebaut werden. Im Abschnitt Mitte, der vor der Kreuzung mit der Rothenburger Straße beginnt und an der Otto-Brenner-Brücke (AS Südring) endet, sollen die bestehenden höhengleichen Kreuzungen höhenfrei umgebaut werden. Die N 4 soll die kreuzenden Straßen künftig in einem ca. 1,8 Kilometer langen Tunnel unterfahren. Wie im bisherigen Bestand sind je Fahrtrichtung jeweils zwei Fahrspuren vorgesehen. Daneben ist der Neubau der Neuen Kohlenhof straße auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs als in beide Fahrtrichtungen befahrbare neue Zufahrt zum Stadtzentrum geplant, die an die Steinbühler Straße angebunden wird.
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Hiergegen hat der Kläger am 8. August 2013 Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil 14. Juli 2014 (AN 10 K 13.1450) abgewiesen hat. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat der Senat zugelassen und mit Beschluss vom 27. Oktober 2015 (Az. 8 B 15.1296) darauf hingewiesen, dass gegen die Klassifikation des „Frankenschnellwegs“ in dem vom Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Mittelfranken vom 28. Juni 2013 betroffenen Abschnitten als Kreisstraße keine rechtlichen Bedenken bestehen.
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Mit weiterem Beschluss vom 27. Oktober 2015 hat der Senat das Berufungsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen betreffend die Auslegung der RL 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten zur Vorabentscheidung vorgelegt, über die dieser mit Urteil vom 24. November 2016 (C-645/15) entschieden hat. Nach Fortsetzung des Berufungsverfahrens wurde mit Beschluss vom 19. Dezember 2016 (8 B 16.2418) dessen Ruhen angeordnet, da die Beteiligten Gespräche über eine einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits führten.
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Während des laufenden Vorabentscheidungsverfahrens leitete der Beklagte ein ergänzendes Planfeststellungsverfahren ein. Nach dessen Abschluss erließ er am 10. Juli 2020 einen Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung für den kreuzungsfreien Ausbau der N 4 (Frankenschnellweg) im Stadtgebiet der Beigeladenen in den Bereichen West (Str.-km 0+633 bis 2+336) und Mitte (Str.-km 3+451 bis 6+062) mit Neubau der Orts straße Neue Kohlenhof straße (Str.-km 0+154 bis 0+876) und Abkoppelung der Gleisanlagen im Bereich des Kohlenhofes des Bahnhofes N. Hauptgüterbahnhof im Vorgriff zur geplanten Flächenfreisetzung mit Änderung des dieses Vorhaben betreffenden Planfeststellungsbeschlusses vom 28. Juni 2013 [im Folgenden: ÄEPFB].
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Nachdem außergerichtlich eine einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits nicht erreicht werden konnte, wurde das Berufungsverfahren fortgeführt.
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Der Kläger macht unter Anpassung an die zwischenzeitlich erfolgte Änderungs- und Ergänzungsplanung geltend, dass die Beigeladene nicht antragsbefugt gewesen sei, da die N 4 nicht als Kreisstraße zu klassifizieren sei. Zudem seien bezogen auf die nunmehr durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung fachliche wie rechtliche Defizite festzustellen. Des Weiteren fehle dem Vorhaben die erforderliche Planrechtfertigung. Die Verkehrsuntersuchungen und die darauf basierende Verkehrsprognose seien methodisch fehlerhaft und unzureichend. Als weiterer Gesichtspunkt der Planrechtfertigung sei die Finanzierung des Vorhabens aus planungsrechtlicher Sicht nicht hinreichend gesichert. Schließlich sei die Thematik Lufthygiene unzureichend bewältigt worden.
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I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. Juli 2014 wird aufgehoben.
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II. Der Planfeststellungsbeschluss der Regierung vom Mittelfranken vom 28. Juni 2013 in der Fassung des Änderungs- und Ergänzungsfeststellungsbeschlusses vom 10. Juli 2020 wird aufgehoben.
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III. Hilfsweise wird beantragt, die Rechtswidrigkeit und die Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festzustellen.
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IV. Weiter wird hilfsweise beantragt, den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts den Planfeststellungsbeschluss durch Schutzauflagen dahingehend zu ergänzen, dass
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a) Überschreitungen des Tagesmittelwertes von 50 µg/m³ bezüglich Feinstaub PM10 an nicht mehr als 35 Tagen im Jahr im Ausbaubereich auftreten können und
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b) Überschreitungen des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid NO2 an nicht mehr als 18 Tagen pro Jahr im Ausbaubereich auftreten können.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beigeladene beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Beklagte und die Beigeladene verteidigen den Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. Juli 2014 hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
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Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Kläger gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Ihm steht als nach § 3 Abs. 1 UmwRG anerkannte inländische Vereinigung über § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c) UmwRG ein Verbandsklagerecht zu (vgl. BVerwG, U.v. 15.7.2016 – 9 C 3.16 – NVwZ 2016, 1631 = juris Rn. 17 ff.)
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Die Klage ist jedoch weder mit dem Hauptantrag noch mit den Hilfsanträgen begründet.
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Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung leidet an keinem formellen oder materiellen Fehler, der zu seiner Aufhebung oder – als rechtliches Minus – zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Ergänzung um weitere Schutzauflagen zu.
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Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses ist grundsätzlich dessen Erlass. Auf den Zeitpunkt des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses ist nur insoweit abzustellen, als die Planfeststellungsbehörde ihre Entscheidung im ergänzenden Verfahren auf veränderte tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse stützt und auf der Grundlage einer Aktualisierung der Beurteilungsgrundlagen eine Neubewertung vornimmt (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 163; U.v. 9.2. 2017 – 7 A 2.15 u.a. – BVerwGE 158, 1 = juris Rn. 21, U.v. 23.5.2023 – 4 C 1.22 – BVerwGE 178, 371 = juris Rn. 17 jeweils m.w.N.).
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I. Ein Verfahrensmangel liegt nicht vor.
28
Die beigeladene Stadt hat als zuständige Straßenbaulast- und Vorhabenträgerin (Art. 41 Satz 1 Nr. 2, Art. 36 BayStrWG i.V.m. Art. 72 Abs. 1 BayVwVfG) einen wirksamen Antrag auf Einleitung des Verfahrens (Art. 22 Satz 2 Nr. 2, Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG) gestellt, da es sich bei den von der Planfeststellung betroffenen Abschnitten des Frankenschnellwegs nach Durchführung der Ausbaumaßnahmen weiterhin um eine Kreisstraße handelt. Entgegen der klägerischen Auffassung weist die N 4 keinen bundesfernstraßenrechtlichen Charakter auf. Der Senat hält insoweit an seiner im Hinweisbeschluss vom 27. Oktober 2015 (Az. 8 B 15.1296) geäußerten Rechtsauffassung zur Klassifikation des Frankenschnellweges als Kreisstraße nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayStrWG in den vom Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 28. Juni 2013 betroffenen Abschnitten fest. Weder der Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung vom 10. Juli 2020 noch das erneute klägerische Vorbringen führen zu einer anderen rechtlichen Einordnung.
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Der Planfeststellungsbeschluss leidet damit auch an keinem beachtlichen materiell-rechtlichen Fehler in der Form, dass das Vorhaben unzutreffend als Kreisstraße qualifiziert worden und deshalb zwingende gesetzliche Vorgaben verletzt worden wären.
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II. Die an der Umweltverträglichkeitsprüfung (im Folgenden: UVP) geübte Kritik berührt ebenfalls nicht die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses.
31
Die grundsätzliche Pflicht zur Durchführung einer UVP ergibt sich für das zu beurteilende Vorhaben unmittelbar aus Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang I Nr. 7 Buchst. b der RL 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl EU Nr. L 26 S. 1, im Folgenden: UVP-RL). Danach sind Projekte wie der Bau von Schnellstraßen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Dies wird zudem dadurch belegt, dass seit August 2017 der für Kreisstraßen relevante Art. 37 Nr. 1 BayStrWG eine vergleichbare Regelung enthält* Ob die jeweilige bauliche Änderung einer bestehenden Schnell straße aufgrund ihres Umfangs und ihrer Modalitäten einem Bau im Sinne der UVP-RL gleichzustellen ist, ist im Einzelfall zu entscheiden (vgl. EuGH, U.v. 24.11.2016 – C-645/15 – NVwZ-RR 2017, 204 = juris Rn. 42). Da für das Änderungsvorhaben eine UVP auf der Grundlage der landesrechtlichen Regelungen der Art. 78a ff. BayVwVfG in der bis zum 31. Juli 2018 geltenden Fassung dieses Gesetzes erfolgte (vgl. ÄEPFB C.1.2 S. 24), kann dahinstehen, inwiefern die streitgegenständliche bauliche Änderung der N 4 konkret eine UVP-Pflicht ausgelöst hat.
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1. Der Kläger kann mit seinem Einwand, die UVP sei auf der Grundlage einer nicht einschlägigen gesetzlichen Fassung durchgeführt worden und damit fehlerhaft, in der Sache nicht durchdringen.
33
Nach der Übergangsvorschrift des Art. 96a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG sind Verwaltungsverfahren, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfordern und die vor dem 16. Mai 2017 begonnen worden sind, nach den Vorschriften in der ab dem 1. August 2018 geltenden Fassung des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes zu Ende zu führen. Diese Regelung ist Ausdruck des intertemporalen Verfahrensrechts, nach dem neues Recht vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens grundsätzlich auch bereits anhängige Verfahren erfasst, sofern das Gesetz nicht mit hinreichender Deutlichkeit etwas Abweichendes bestimmt (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2021 – 4 A 4.21 – juris Rn. 13; U.v. 25.10.2017 – 1 C 21.16 – BVerwGE 160, 128 = juris Rn. 18; U.v. 28. 9. 2011 – 3 C 39.10 – juris Rn. 10). Abweichende Vorgaben enthält vorliegend Art. 96a Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG, wonach Satz 1 nicht gilt für Verfahren, bei denen vor dem 16. Mai 2017 das Verfahren zur Unterrichtung des Trägers des Vorhabens nach Art. 78d BayVwVfG in der bis 31. Juli 2018 geltenden Fassung [im Folgenden BayVwVfG a.F.] eingeleitet oder die Unterlagen nach Art. 78e BayVwVfG a.F. vorgelegt wurden. Die Sonderregelung des Satzes 2 wurde anlässlich der 1:1 Umsetzung der RL 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der RL 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl EU Nr. L 124 S. 1) eingefügt (vgl. LT-Drs. 17/21732 S. 7). Die Vorschrift dient insbesondere dem Schutz des Vertrauens in den Bestand des bereits getätigten zeitlichen, sachlichen und auch finanziellen Aufwands in das laufende Verfahren und den dabei gewonnenen Erkenntnissen. Bereits begonnene Planungen sollen folglich durch Gesetzesänderungen nicht unnötig zurückgeworfen werden (vgl. zur ähnlich lautenden Übergangsvorschrift des § 74 UVPG Reidt/Eckart in Schink/Reidt/Mitschang, UVPG/UmwRG, 2. Aufl. 2023, § 74 UVPG Rn. 2; BVerwG, U.v. 4.5.2022 – 9 A 7.21 – BVerwGE 175, 312 = juris Rn. 66).
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Im Rahmen des ergänzenden Planfeststellungsverfahrens führte der Beklagte am 29. Juli 2015, also weit vor dem gesetzlichen Stichtag des 16. Mai 2017, einen sog. Scoping-Termin durch, bei dem Inhalt und Umfang der von der Vorhabenträgerin für die Durchführung der UVP beizubringenden Unterlagen besprochen und abgestimmt wurden (vgl. ÄEPFB C.1.2 S. 25; Ergebnisprotokoll vom 29.7.2015, Behördenakte „4354-4-10 N 4 Ausbau FSW Ergänzung/Änderung“ [im Folgenden: BA I] Bl. 40; Einladung vom 20.7.2015, Behördenakte „Auszug E-Akte Fortführung Altverfahren“ [im Folgenden: BA II] Bl. 1812). Auf diese Weise wurde das Verfahren i.S.v. Art. 78d BayVwVfG a.F. eingeleitet, sodass die Ausnahmevorschrift des Art. 96a Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG eingreift. Insofern konnte die Behörde das UVP-Verfahren auf Basis der bisherigen Gesetzesgrundlage ohne Berücksichtigung der Novellierungsvorschriften fortführen.
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a) Die Übergangsregelung des Art. 96a Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Der bayerische Landesgesetzgeber hat die europarechtlichen Anforderungen der UVP-Änderungsrichtlinie 2014/52/EU richtlinienkonform umgesetzt.
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Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) der die UVP-RL ändernden RL 2014/52/EU bestimmt ausdrücklich, dass Projekte den einschlägigen Verpflichtungen der UVP-RL in der Fassung vor ihrer Änderung durch die RL 2014/52/EU unterliegen, wenn vor dem 16. Mai 2017 das Verfahren in Bezug auf die Stellungnahme gemäß Artikel 5 Abs. 2 der UVP-RL eingeleitet wurde. Die zuletzt genannte Vorschrift betrifft die in Art. 78d BayVwVfG a.F. entsprechend geregelte Unterrichtung des Projektträgers darüber, welche Angaben von ihm vorzulegen sind. Die landesrechtliche Übergangsvorschrift des Art. 96a Abs. 1 BayVwVfG ist insofern der europarechtlichen Regelung vollständig nachgebildet. Daher ist der vom Europäischen Gerichtshof für die Interpretation europarechtlicher Vorschriften entwickelten Maxime des „effet utile“ – der sog. praktischen Wirksamkeit (vgl. BVerwG, EuGH-Vorlage vom 10.7.2013 – 8 C 9.12 – GewArch 2014, 74 = juris Rn. 17) – bereits bei der gesetzlichen Umsetzung Rechnung getragen worden.
37
b) Zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führt der klägerische Vortrag, wonach über Art. 96a Satz 1 BayVwVfG die Vorschrift des Art. 78a BayVwVfG in der ab dem 1. August 2018 geltenden Fassung anzuwenden gewesen sei, weil zwischen dem Scoping-Termin am 29. Juli 2015 und der Vorlage der UVP-Unterlagen am 20. Februar 2019 über dreieinhalb Jahre vergangen sind.
38
Einen zeitlichen Höchstrahmen, der für die Anwendung dieser Übergangsregelung nicht überschritten werden darf, lässt sich weder den im Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetz enthaltenen Vorschriften zur Umweltverträglichkeitsprüfung noch den entsprechenden unionsrechtlichen Regelungen entnehmen. Als einzig relevanter Zeitpunkt wird in den Übergangsvorschriften jeweils nur der Stichtag 16. Mai 2017 genannt.
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Aufgrund dieser eindeutigen europarechtlichen Vorgaben bedurfte es entgegen der klägerischen Anregung keiner Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union.
40
c) Es sind ferner keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass ein Fall des Rechtsmissbrauchs in dem Sinne vorliegt, dass der Scoping-Termin allein aus dem Grund bereits am 29. Juli 2015 durchgeführt wurde, um über die Übergangsregelung des Art. 96a Satz 2 BayVwVfG die geänderten Anforderungen an die Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterlaufen.
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Anlass für die Nachholung der UVP im Wege eines ergänzenden Planfeststellungsverfahrens war für die Beigeladene und den Beklagten in erster Linie der Beschluss des Senats vom 23. Juni 2015 (Az. 8 ZB 14.2110), mit dem die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. Juli 2014 zugelassen wurde unter dem Hinweis auf die zu klärende UVP-Pflichtigkeit des planfestgestellten Vorhabens und ein diesbezügliches Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (vgl. Schreiben RegMfr vom 6.7.2015, BA II Bl. 1798; Einladung RegMfr vom 20.7.2015, BA II Bl. 1812). Vor dem Hintergrund des laufenden Berufungsverfahrens sollte das Planergänzungsverfahren zügig bis Ende April 2017, also noch vor dem Stichtag 16. Mai 2017, abgeschlossen werden. Diese Absicht geht deutlich hervor aus der drei Monate nach dem Scoping-Termin erfolgten Aufforderung des Beklagten an die Beigeladene, die zu erarbeitenden UVP-Unterlagen in auslegungsfähiger Form bis spätestens Mitte 2016 vorzulegen (vgl. Schreiben der RegMfr vom 3.11.2015, BA I Bl. 48).
42
Unabhängig davon sprechen gegen ein missbräuchliches Verhalten der Beigeladenen die nachvollziehbaren Erläuterungen der Planfeststellungsbehörde zu den Hintergründen, warum ein vergleichsweise langer Zeitraum zwischen Scoping-Termin und der Vorlage der Unterlagen vergangen ist. Im Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss wird dies zurückgeführt auf den Umfang der zu überarbeitenden Unterlagen bzw. der Aktualisierung der diesen Unterlagen zugrundeliegenden Untersuchungen. So hat insbesondere die Aktualisierung des Verkehrsgutachtens einen großen Zeitaufwand beansprucht ebenso wie die Zusammenführung der Untersuchungsergebnisse im Rahmen der Erstellung der vorgelegten Unverträglichkeitsstudie (vgl. ÄEPFB C.1.2 S. 25). Dass diese Angaben unzutreffend wären, hat der Kläger weder substantiiert geltend gemacht noch ist dies sonst ersichtlich.
43
2. Die nach altem Recht durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung war darüber hinaus nicht wegen einer unzureichenden Behandlung des nationalen und globalen Klimaschutzes zu beanstanden.
44
a) Im UVP-Bericht zum Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss werden die vorhabenbedingten Auswirkungen auf das Mikroklima, d.h. der Verlust von Freiflächen mit klimatischer Entlastungsfunktion und die Zerschneidung von Kalt- und Frischluftleitbahnen untersucht. Als Ergebnis wird dort festgehalten, dass die Auswirkungen des Projekts auf das Schutzgut Klima im lokalen Zusammenhang ausgeglichen werden können (UVP-Bericht, Planunterlage 16.1 Ä S. 65 ff.; Klimaökologische Beurteilung Planunterlage M 15.3. Ä; ÄEPFB C.2.1.4.5.2 S. 59 ff.)
45
b) Das Makroklima musste demgegenüber im Rahmen der UVP nicht betrachtet werden, da für das streitgegenständliche Planfeststellungsverfahren die in Art. 78a ff. BayVwVfG geregelten UVP-Vorschriften in der bis zum 15. Mai 2017 geltenden Fassung maßgebend waren und nicht die aktuelle Regelung des Art. 78a Satz 1 BayVwVfG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UVPG.
46
Die Umweltverträglichkeitsprüfung nach altem Recht erforderte nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung keine Berücksichtigung globaler Klimaauswirkungen. Der Begriff des Klimas wurde in Art. 78c Satz 2 Nr. 1 BayVwVfG a.F. (vergleichbar mit § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UVPG a.F.) eng im Sinne des standortbezogenen lokalen Klimas verstanden (vgl. BVerwG, U.v. 4.5.2022 – 9 A 7.21 – BVerwGE 175, 312 = juris Rn. 65; U.v. 12.6.2019 – 9 A 2.18 – BVerwGE 166, 1 = juris Rn. 20 jeweils m.w.N.). Auch europarechtlich ist eine großräumigere Betrachtung des Klimas für den vergangenen Zeitraum nicht geboten. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass in Bezug auf die Stichtagsregelung („vor dem 16. Mai 2017“) zwischen solchen Projekten, die der UVP-Richtlinie von 2011 (RL 2011/92/EU), und solchen, die der UVP-Richtlinie von 2014 (RL 2014/52/EU) unterfallen, zu unterscheiden ist und (nur) die geänderte Fassung der Richtlinie Bestimmungen zum Klimawandel umfasst (vgl. Bekanntmachung der Kommission, Technische Leitlinien für die Sicherung der Klimaverträglichkeit von Infrastrukturen im Zeitraum 2021 – 2027, ABl. 2021/C 373/1, S. 43 f., 64; BVerwG, U.v. 4.5.2022 a.a.O.).
47
Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht der vom Kläger zitierte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021. In dieser Entscheidung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Grundgesetz keine näheren Vorgaben enthält und Art. 20a GG mit dem darin enthaltenen Klimaschutzgebot daher zunächst der gesetzgeberischen Ausgestaltung und Konkretisierung bedarf (B.v. 24.3.2021 – 1 BvR 2656/18 u.a. – BVerfGE 157, 30 = juris Rn. 205, 207). Eine solche Konkretisierung ist zwar mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019 (BGBl I S. 2513) erfolgt. Allerdings führt das Inkrafttreten des Bundes-Klimaschutzgesetzes nicht zu einer nachträglichen „Aufladung“ und Erweiterung des Begriffs der Umweltauswirkungen bei der Umweltverträglichkeitsprüfung um den Aspekt des globalen Klimas (vgl. BVerwG, U.v. 4.5.2022 – 9 A 7.21 – BVerwGE 175, 312 = juris Rn. 66).
48
Da die Übergangsvorschrift des Art. 96a Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG – wie bereits ausgeführt – der europarechtlichen Regelung nachgebildet ist, steht es im Einklang mit der UVP-Richtlinie, dass die nach altem Recht durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung nicht nachträglich wiederaufgenommen und um einen weiteren Prüfungspunkt ergänzt wurde (vgl. BVerwG, U.v. 4.5.2022 – 9 A 7.21 – BVerwGE 175, 312 = juris Rn. 67). Ein Verstoß gegen den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz ist in diesem Zusammenhang nicht erkennbar.
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3. Der Kläger kann mit seiner Rüge nicht durchdringen, die UVP enthalte in fehlerhafter Weise keine ausreichende Alternativenprüfung.
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Nach dem einschlägigen Art. 78e Abs. 3 Nr. 5 BayVwVfG a.F. müssen die vorzulegenden UVP-Unterlagen eine Übersicht enthalten über die wichtigsten, vom Träger des Vorhabens geprüften Vorhabenalternativen und dabei die wesentlichen Auswahlgründe im Hinblick auf die erheblichen Umweltauswirkungen angeben. Diesen Anforderungen genügen die Unterlagen. Zum einen ist festzuhalten, dass die untersuchten Planungsvarianten bereits Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses für den kreuzungsfreien Ausbau der N 4 (Frankenschnellweg) im Stadtgebiet Nürnberg in den Bereichen West (Str.-km 0+633 bis 2+336) und Mitte (Str.-km 3+451 bis 5+856) mit Neubau der Orts straße Neue Kohlenhof straße (Str.-km 0+154 bis 0+876) und Abkoppelung der Gleisanlagen im Bereich des Kohlenhofes des Bahnhofes N. Hauptgüterbahnhof im Vorgriff zur geplanten Flächenfreisetzung vom 28. Juni 2013 [im Folgenden: PFB] waren und dort ausführlich beschrieben worden sind (vgl. PFB C.2.3.2 S. 31 f.). Zum anderen enthält der UVP-Bericht die vorgeschriebene Übersicht über anderweitige geprüfte Lösungsmöglichkeiten unter Angabe der wesentlichen Auswahlgründe (vgl. Planunterlage 16.1 Ä S. 78). Darüberhinausgehende Anforderungen an die Prüfung der Umweltauswirkungen von Planungsalternativen sind nicht ersichtlich. Ob und in welchem Umfang Alternativen geprüft werden müssen, richtet sich nach den jeweiligen fachgesetzlichen Anforderungen (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.2017 – 3 A 4.15 – BVerwGE 160, 263 = juris Rn. 25 m.w.N.). In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Planfeststellungsbehörde auf der Grundlage einer Grobanalyse solche Alternativen, die als weniger geeignet erschienen, schon in einem frühen Verfahrensstadium ohne nähere Untersuchung ausscheiden darf (vgl. BVerwG, U. v. 23.3.2011 – 9 A 9.10 – juris Rn. 33). Diese ausgeschiedenen Alternativen dürfen bei der Umweltverträglichkeitsprüfung unberücksichtigt bleiben (vgl. SächsOVG, U.v. 12.1.2022 – 4 C 19/09 – juris Rn. 55; OVG NW, U.v. 17.11.2017 – 11 D 12/12.AK – juris Rn. 228).
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4. Die UVP kann des Weiteren nicht erfolgreich als unzureichend gerügt werden, weil Vorsorgemaßnahmen im Zusammenhang mit dem Aspekt Klimaschutz außer Betracht gelassen worden seien. Der Kläger lässt offen, woraus er diesen Prüfungspunkt rechtlich ableitet. Sofern er damit auf die in Nr. 4c) der Anlage 4 zum UVPG aufgelisteten Angaben des UVP-Berichts anspielen wollte, steht dem bereits entgegen, dass die UVP auf Basis der alten Rechtslage erfolgte.
52
Im Übrigen wäre diesbezüglich kein Verfahrensfehler festzustellen. Die Angaben nach Anlage 4 zählen nicht zu den obligatorischen Mindestanforderungen, die der UVP-Bericht stets enthalten muss. Es handelt sich um fakultative Anforderungen, die nur in besonderen Fällen unter strengeren Voraussetzungen vorzuweisen sind (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 12.3.2020 – 11 A 7.18 – juris Rn. 50).
53
III. Der Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses leidet in materiell-rechtlicher Hinsicht an keinem Fehler.
54
1. Die planerische Rechtfertigung für das streitgegenständliche Straßenbauvorhaben liegt vor. Es kann deshalb offenbleiben, ob das Erfordernis der Planrechtfertigung zu den Rechtsvorschriften gehört, deren Verletzung zur Begründetheit des Rechtsbehelfs einer anerkannten Umweltvereinigung nach § 2 Abs. 1 UmwRG führen kann (bejahend BVerwG, B.v. 27.7.2020 – 4 VR 7.19 u.a. – NVwZ 2021, 723 = juris Rn. 33; offengelassen BVerwG, B.v. 12.9.2023 – 7 VR 4.23 – ZUR 2023, 677 = juris Rn. 24; U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 = juris Rn. 37; BayVGH, U.v. 15.3.2021 – 8 A 18.40041 – juris Rn. 47).
55
Die Planrechtfertigung ist ein ungeschriebenes Erfordernis jeder Fachplanung und eine Ausprägung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, das mit Eingriffen in private Rechte verbunden ist. Sie ist nicht nur zu prüfen, wenn Dritte für das Vorhaben enteignet werden, sondern immer dann, wenn das Vorhaben mit Eingriffen in ihre Rechte einhergeht (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.2006 – 4 A 2001.06 – BVerwGE 127, 95, 102 = juris Rn. 33; U.v. 26.4.2007 – 4 C 12.05 – BVerwGE 128, 358 = juris Rn. 48; OVG NW, U.v. 1.6.2023 – 20 D 377/21.AK – juris Rn. 181 f.). Die planerische Rechtfertigung erfordert die Prüfung, ob das Vorhaben mit den Zielen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes übereinstimmt (fachplanerische Zielkonformität) und ob das Vorhaben für sich in Anspruch nehmen kann, in der konkreten Situation erforderlich zu sein (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.2006 – 4 A 2001.06 – BVerwGE 127, 95 = juris Rn. 34). Dies ist nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern schon dann, wenn dieses vernünftigerweise geboten ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2007 – 4 C 12.05 – BVerwGE 128, 358 = juris Rn. 45; B.v. 4.9.2018 – 9 B 24.17 – juris Rn. 3). Die Planrechtfertigung stellt deshalb eine praktisch nur bei groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriffen wirksame Schranke der Planungshoheit dar (BVerwG, U.v. 11.7.2001 – 11 C 14.00 – BVerwGE 114, 364 = juris Rn. 32; B.v. 23.10.2014 – 9 B 29.14 – NVwZ 2015, 79 = juris Rn. 4; B.v. 4.9.2018 – 9 B 24.17 – juris Rn. 3, jeweils m.w.N.)
56
Nach diesen Grundsätzen ist dem bedarfsgerechten Ausbau der N 4 mit Blick auf die straßenrechtlichen Planungsziele des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG, wonach der Träger der Straßenbaulast die Straßen in einem dem gewöhnlichen Verkehrsbedürfnis und den Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung genügenden Zustand zu bauen und zu unterhalten hat, eine Planrechtfertigung nicht abzusprechen.
57
Abzustellen ist auf den ursprünglichen Plan in der Gestalt, die er durch den Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss erhalten hat. Beide Entscheidungen zusammen bilden eine einheitliche Planfeststellung, sodass die Planrechtfertigung für das geänderte Vorhaben gegeben sein muss (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2009 – 7 A 7.09 – NVwZ 2010, 584 = juris Rn. 28). Der streitgegenständliche Änderungs- und Ergänzungsbeschluss nimmt bezüglich der Planrechtfertigung des Vorhabens ausdrücklich Bezug auf die im Planfeststellungsbeschluss vom 28. Juni 2013 unter C.2.2 dargelegten maßgeblichen Gründe und hält an ihnen unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich geänderten Vorhabenplanung sowie der Aktualisierung verschiedener der Planung zugrundeliegender Datengrundlagen fest (vgl. ÄEPFB C.3.2.1 S. 90 f.).
58
Der kreuzungsfreie Ausbau der N 4 im Planungsabschnitt Mitte, der Anbau eines Zufahrtstreifens im Abschnitt West sowie der Neubau der Orts straße Neue Kohlenhof straße sind vernünftigerweise geboten, weil zur Überzeugung des Senats entsprechend den auch vom Kläger nicht infrage gestellten Darstellungen der Planfeststellungsbehörde bereits der vorhandene Ausbauzustand nicht mehr dem gewöhnlichen Verkehrsbedürfnis gerecht wird (vgl. PFB C.2.2 S. 29; ÄEPFB C.3.2.1 S. 91).
59
Die N 4 stellt eine der wichtigsten Verkehrstrassen im Stadtgebiet der Beigeladenen dar, da sie mehrere Stadtteile miteinander verknüpft und im Süden an die Staats straße St 2407 und im Norden an die Bundesautobahn (BAB) A 73 anbindet (PFB C.2.2 S. 29). Im Planungsabschnitt Mitte gibt es drei signalgeregelte Kreuzungen mit den Hauptverkehrsachsen Rothenburger-, Schwabacher Straße und An den Rampen/Landgraben straße. Diese wirken sich leistungsmindernd aus und führen in den Hauptverkehrszeiten regelmäßig zu Stauungen weit über den Bereich Mitte hinaus. Bei Messungen ohne Baustellen oder ähnlichen Behinderungen wurden werktäglich wiederkehrende Staus mit Staulängen z.T. bis über 1.500 m in beiden Fahrtrichtungen festgestellt (vgl. PFB C.2.2 S. 29; ÄEPFB C.3.2.1 S. 91). Es kommt dadurch zu Verkehrsverlagerungen auf das nachgeordnete Straßennetz und in die Wohngebiete, da ortskundige Autofahrer zu Hauptverkehrszeiten oftmals Umwege durch angrenzende Wohngebiete wählen, um schneller an ihr Ziel zu gelangen. Damit werden zugleich Schall- und Luftschadstoffimmissionen in Straßen und Wohngebiete verlagert (vgl. PFB C.2.2 S. 29).
60
Ziel der streitgegenständlichen Planung ist die Beseitigung der Stauanfälligkeit der N 4 zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und Reduzierung der staubedingten Zusatzbelastungen wie Lärm- und Abgasimmissionen in den beiden Planungsbereichen (vgl. PFB C.2.2 S. 30; ÄEPFB C.3.2.2 S. 92). Der Ausbau dient dazu, die derzeitigen Probleme bei der Abwicklung des Verkehrsaufkommens zu regeln und den Verkehr in den beiden Ausbauabschnitten West und Mitte zu verflüssigen, um auf Dauer die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs in diesem Bereich zu gewährleisten. Der Verkehr, der auf parallel verlaufenden Routen durch Wohngebiete verlagert wird, soll aus diesen wieder herausgezogen und auf der N 4 gebündelt werden (vgl. PFB C.2.2 S. 30; ÄEPFB C.3.2.2 S. 92). Im Bereich West soll der Anbau eines dritten Fahrstreifens für eine Kapazitätssteigerung sorgen, sodass ein stetiger Verkehrsfluss ermöglicht wird (vgl. PFB C.2.2 S. 30).
61
Der Planfeststellungsbehörde kam es vor dem Hintergrund der beschriebenen gegenwärtigen Verkehrsbelastungen insoweit nicht entscheidend darauf an, ob das Vorhaben aufgrund der zukünftig zu erwartende Verkehrsentwicklung erforderlich ist, jedenfalls soweit das Belastungsniveau des Frankenschnellwegs sowie des ihn umgebenden Straßennetzes im Jahr 2030 nicht unter das jetzige Niveau fällt (vgl. ÄEPFB C.3.2.1 S. 91). Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts musste im Rahmen der Planrechtfertigung auch nicht zwingend auf die Verkehrsprognose abgestellt werden. Denn Einschätzungen und Prognosen fließen nur dann in die Planung ein, soweit das Bedürfnis nach einer Verkehrseinrichtung mit der Vorausschau auf künftige Entwicklungen begründet wird (vgl. BVerwG, U.v. 6.12.1985 – 4 C 59.82 – BVerwGE 72, 282 = juris Rn. 17; OVG SA, U.v. 23.8.2017 – 2 K 66/16 – juris Rn. 117). Letzteres ist bei dem streitgegenständlichen Vorhaben wie beschrieben nicht der Fall. Das konkrete Bedürfnis ergibt sich – wie die Verkehrsanalyse zum Planfeststellungsbeschluss vom 28. Juni 2013 und die Verkehrsuntersuchung zum Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss zeigen – jeweils aus der (im maßgeblichen Zeitpunkt der Planfeststellung) aktuellen Verkehrslage (vgl. PFB C.2.2 S. 30; ÄEPFB C.3.2 S. 91). Die Zahlen der Verkehrsprognose 2030, an deren methodischer Richtigkeit keine durchgreifenden Zweifel bestehen (vgl. Rn. 70 ff.) belegen zudem, dass im Jahr 2030 das Belastungsniveau des Frankenschnellwegs nicht unter das derzeitige Niveau fallen wird. Nach der Verkehrsprognose ist – ohne dass es in diesem Zusammenhang darauf ankäme – vielmehr von einer nochmaligen Zunahme der Verkehrsbelastung insgesamt auszugehen (vgl. Planunterlage M 15.1 Ä S. 11 Tabelle 2).
62
Diese fachplanerischen Ausführungen, die für das Vorhaben sprechen, hat der Kläger nicht substantiiert angegriffen. Soweit er sich auf Mängel in der Verkehrsprognose beruft, kommt es an dieser Stelle nicht auf deren Richtigkeit an. Abgesehen davon kann er mit seinen Einwendungen gegen die Verkehrsprognose nicht durchdringen (vgl. Rn. 70 ff.).
63
2. Die Planrechtfertigung scheitert auch nicht an der fehlenden Finanzierbarkeit des Projekts.
64
Die Art der Finanzierung eines Straßenbauvorhabens ist nicht Regelungsgegenstand des Planfeststellungsbeschlusses, sondern eine finanz- und haushaltspolitische Entscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.1999 – 4 A 12.98 – NVwZ 2000, 555 = juris Rn. 43). Den Mangel der Finanzierbarkeit eines Vorhabens darf die Planungsbehörde dennoch nicht ignorieren; einer aus finanziellen Gründen nicht realisierbaren Planung fehlt die Planrechtfertigung, weil sie nicht vernünftigerweise geboten ist. Die Planfeststellungsbehörde hat deshalb vorausschauend zu beurteilen, ob dem geplanten Bauvorhaben unüberwindbare finanzielle Schranken entgegenstehen (stRspr, BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 6.19 – BVerwGE 170, 266 = juris Rn. 15 m.w.N.).
65
Für derartige unüberwindbare finanzielle Hürden fehlt es an konkreten Anhaltspunkten. Die Beigeladene strebt die Realisierung des Vorhabens unter erheblichem Einsatz eigener finanzieller Mittel an und hat dafür in ihren Haushalt bereits Mittel eingestellt. Hinzukommt eine durch die Bayerische Staatsregierung in Aussicht gestellte Sonderfinanzierung, sodass bei der Beigeladenen lediglich ein Eigenanteil verbleibt (vgl. PFB C.2.5.1.2 S. 86). Nach Einschätzung der von der Planfeststellungsbehörde hinzugezogenen Kommunalaufsicht erscheint auch nach aktuellem Stand eine Finanzierung der Ausbaumaßnahme nicht ausgeschlossen. Dies gilt unabhängig davon, ob die durch die Bayerische Staatsregierung konkret in Aussicht gestellten Fördermittel im Hinblick auf die in den letzten Jahren aus unterschiedlichen Gründen eingetretenen Kostensteigerungen nochmals aufgestockt werden. Selbst unter Berücksichtigung der sich aus der Corona-Pandemie ergebenden negativen Auswirkungen auf die maßgeblichen Haushaltsdaten stehen der Beigeladenen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung ausreichend Möglichkeiten zur Verfügung, bei ihrer mittelfristigen Finanzplanung die nötigen Prioritäten zu setzen und ggf. andere Projekte zurückzustellen (vgl. ÄEPFB C.3.2.3 S. 93).
66
Die vom Kläger bezweifelte Förderfähigkeit des Baus bzw. der Erweiterung von Kreisstraßen nach § 2 des Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz – GVFG) gehört nicht zu den Voraussetzungen der Planrechtfertigung (vgl. OVG Bremen, U.v. 18.2.2010 – 1 D 599/08 – UPR 2010, 319 = juris Rn. 41, 54 m.w.N.). Unabhängig davon ist nach dem insoweit maßgeblichen Art. 2 Nr. 1 a) BayGVFG der Bau oder Ausbau von verkehrswichtigen innerörtlichen Straßen, verkehrswichtigen Zubringerstraßen zum überörtlichen Verkehrsnetz bzw. verkehrswichtigen zwischenörtlichen Straßen in der Baulast von Gemeinden weiterhin förderfähig.
67
IV. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss genügt auch dem fachplanerischen Abwägungsgebot.
68
Dieses verlangt inhaltlich, dass – erstens – eine Abwägung überhaupt stattfindet, – zweitens – in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und – drittens – weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 25.5.2023 – 7 A 7.22 – BVerwGE 179, 30 = juris Rn. 46; U.v. 15.12.2016 – 4 A 4.15 – BVerwGE 157, 73 = juris Rn. 23 f. m.w.N.). Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange sind gemäß Art. 75 Abs. 1a BayVwVfG nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Diese beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots daher auf die Frage, ob die Verwaltungsbehörde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie – auf der Grundlage des derart zutreffend ermittelten Abwägungsmaterials – die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 = juris Rn. 656; U.v. 19.12.2017 – 7 A 7.17 – juris Rn. 20 m.w.N.).
69
Gemessen daran weist der Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss weder bei der Ermittlung noch bei der Gewichtung der relevanten Belange Abwägungsfehler auf.
70
1. Die mit der Planung verfolgten öffentlichen Verkehrsinteressen wurden zutreffend abgewogen. Der Kläger vermag die Verkehrsprognose, auf der die ebenfalls gerügte Luftschadstoffimmissionsprognose beruht, nicht mit Erfolg infrage stellen.
71
Nach ständiger Rechtsprechung unterliegen Verkehrsprognosen nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Eine Prognose ist dann nicht zu beanstanden, wenn sie nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, der ihr zugrundeliegende Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis einleuchtend begründet ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2021 – 7 A 10.20 – NVwZ 2021, 1696 = juris Rn. 28; U.v. 15.10.2020 – 7 A 9.19 – NVwZ 2021, 1145 = juris Rn. 111 m.w.N.). Diesen Maßgaben wird die der Planfeststellung zugrunde gelegte Verkehrsprognose gerecht.
72
Eine gesetzliche Vorgabe, nach welchen Methoden eine Verkehrsprognose im Einzelnen zu erstellen ist, gibt es nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Verkehrsprognose mit den zu ihrer Zeit verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der dafür erheblichen Umstände sachgerecht, d.h. methodisch fachgerecht zu erstellen (vgl. BVerwG, B.v. 15.3.2013 – 9 B 30.12 – juris Rn. 10). Unterschiedliche methodische Ansätze sind, jedenfalls solange sich kein allgemein anerkannter fachlicher Standard durchgesetzt hat, hinzunehmen. Völlig deckungsgleiche Ansichten sind in der wissenschaftlichen Diskussion von vornherein nicht zu erwarten (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2010 – 9 A 20.08 – NuR 2010, 870 = juris Rn. 86).
73
Diesen Maßgaben wird die dem Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss zugrunde gelegte Verkehrsprognose (b.B. ingenieure GmbH [im Folgenden: B.GmbH], Verkehrsgutachten, Planunterlage M 15.1 Ä; ÄEPFB C.3.2.4 S. 94 ff.) gerecht. Der Senat hat keine Zweifel, dass die Verkehrsprognose nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, der maßgebliche Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis einleuchtend begründet worden ist. Dass dies der Fall ist, hat sich nicht zuletzt bestätigt durch die vorgelegten fachlichen Ergänzungen des Verkehrsgutachtens (vgl. B.GmbH, Fortschreibung Verkehrsgutachten vom 5.5.2020, 9.6.2020, 4.12.2020, 21.5.2021, 8.9.2021, 4.2.2022, 31.1.2024, 23.2.2024) sowie durch die gut nachvollziehbaren fachlichen Erläuterungen des Bearbeiters Dipl.-Ing. W. in der mündlichen Verhandlung. Der Beklagte sowie die Beigeladene sind zusammen mit dem Verkehrsgutachter sämtlichen Einwänden überzeugend entgegengetreten.
74
a) Der für die Planung und insbesondere für die Verkehrsprognose gewählte Prognosehorizont ist aus methodischer Sicht nicht zu bemängeln.
75
Grundlage des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses vom 28. Juni 2013 war eine Verkehrsprognose, die sich auf den Prognosehorizont 2015 bzw. 2020 bezog. Bei der Aktualisierung der Verkehrsprognose im Rahmen des Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses wurde das Jahr 2030 als Bezugsjahr gewählt. Hintergrund war die zum damaligen Zeitpunkt zur Verfügung stehende Datenlage sowie der Umstand, dass die Bundesverkehrswegeplanung und das Landesverkehrsmodell Bayern den gleichen Zeithorizont aufwiesen (vgl. Ergebnisprotokoll vom 29.7.2015, BA I Bl. 41; ÄEPFB C.3.2.4 S. 97; B.GmbH vom 4.12.2020 S. 10).
76
Für die Prognose der Verkehrsentwicklung gibt der Gesetzgeber keinen festen Zeitrahmen vor. Der gewählte Zeitraum von zehn Jahren ab der Planfeststellung bewegt sich im Rahmen des für Verkehrsprognosen Üblichen (vgl. BVerwG, U.v. 5.10.2021 – 7 A 13.20 – BVerwGE 173, 296 = juris Rn. 86; U.v. 29.6.2017 – 3 A 1.16 – DVBl 2018, 187 Rn. 87). Dass der Prognosehorizont ausgehend von der Inbetriebnahme der ausgebauten Straße bestimmt wird, kann der Kläger nicht verlangen (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 5.10.2021 – 7 A 13.20 – BVerwGE 173, 296 = juris Rn. 86; U.v. 15.10.2020 – 7 A 9.19 – NVwZ 2021, 1145 = juris Rn. 112 m.w.N.). Wie auch sonst hat die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses abzustellen (BVerwG, U.v. 29.6.2017 – 3 A 1.16 – DVBl 2018, 187 = juris Rn. 87). Die Wahl des Prognosehorizonts kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Übrigen nur dann gerichtlich beanstandet werden, wenn sie sich als Ausdruck unsachlicher Erwägungen werten lässt (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2016 – 9 A 9.15 – BVerwGE 155, 91 = juris Rn. 167; U.v. 18.12.2014 – 4 C 35.13 – juris Rn. 113; U.v. 9.6.2010 – 9 A 20.08 – NVwZ 2011, 177 = juris Rn. 74 m.w.N.). Es liegen keine Anhaltspunkte vor, nach denen sich der gewählte Prognosezeitraum bis zum Jahr 2030 als Ausdruck unsachlicher Erwägungen darstellt. Insbesondere war im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nicht bereits verlässlich absehbar, dass das Vorhaben im Jahr 2030 noch nicht fertiggestellt und in Betrieb genommen sein wird (vgl. ÄEPFB C.3.2.4 S. 97). Verzögerungen infolge möglicher Rechtsschutzverfahren bleiben bei der Betrachtung außen vor (vgl. BVerwG, U.v. 25.5.2005 – 9 B 41.04 – juris Rn. 23).
77
b) Methodische Mängel der Verkehrsuntersuchung lassen sich nicht unter dem Aspekt der Zersplitterung eines in sich geschlossenen Verkehrsmodells feststellen.
78
Die Bearbeitung der verkehrlichen Fragestellungen zum kreuzungsfreien Ausbau des Frankenschnellweges erfolgte zunächst auf der Grundlage der „Datenbasis für Intermodale Verkehrsuntersuchungen und Auswertungen im Großraum Nürnberg“ (DIVAN) im System VISUM (vgl. Verkehrsgutachten, Planunterlage M 15.1 Ä S.1). Dieses intermodale Verkehrsmodell wurde von der Straßenbauverwaltung und dem Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) für die gesamte Region (9 Landkreise, 5 kreisfreie Städte) erstellt. Es enthält für den gesamten Untersuchungsraum eine Vielzahl detaillierter Strukturdaten (z.B. Einwohner nach 12 verhaltenshomogenen Gruppen, Arbeitsplätzen, Einkaufsmöglichkeiten, Freizeiteinrichtungen) differenziert nach 1835 Verkehrszellen sowie Netzdaten (vgl. ÄEPFB C.3.2.4 S. 94; B.GmbH vom 4.12.2020 S. 5). Aufgebaut ist das DIVAN-Modell in den für Verkehrsnachfragemodelle üblichen vier Stufen, d.h. Verkehrserzeugung (Ermittlung des Quell- und Zielverkehrsaufkommens), Verkehrsverteilung (Zielwahl bzw. Verknüpfung von Quelle und Ziel), Verkehrsaufteilung (Wahl des Verkehrsmittels) und Verkehrsumlegung (Routenwahl im Netzmodell) (vgl. B-GmbH vom 4.12.2020 S. 2). Bedenken gegen dieses Modell sind vom Kläger weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
79
Für das Projekt Frankenschnellweg fand im Rahmen der Verkehrsuntersuchung eine projektbezogene Fortschreibung des DIVAN-Modells statt, da sich die dort hinterlegte Datenbasis auf das Jahr 2010 bezog und damit nicht die für eine Verkehrsprognose auf das Jahr 2030 erforderliche Grundlagendatenbasis enthielt (vgl. ÄEPFB C.3.2.4 S. 101; Verkehrsgutachten, Planunterlage M 15.1 Ä S. 3; B.GmbH vom 4.12.2020 S. 5; vom 4.2.2022 S. 3). Anstelle einer detaillierten Verkehrsnachfrageberechnung wurde eine projektbezogene Berechnung intermodaler Wirkungen durchgeführt (vgl. B.GmbH vom 23.2.2024 S. 10). Der Verkehrsgutachter extrahierte dafür aus dem großräumigen Gesamtmodell DIVAN einen räumlichen Teilbereich und verfeinerte diesen auf Basis der bekannten Entwicklungen (Struktur- und Verkehrsdaten) in den Verkehrszellen des Untersuchungsraumes sowie anhand der bekannten Entwicklungen im Umfeld (vgl. Verkehrsgutachten, Planunterlage M 15.1 Ä S. 3 f.; ÄEPFB C.3.2.4 S. 94). Zur Darstellung intermodaler Effekte wurde hinsichtlich der Verlagerungen auf den Öffentlichen Verkehr auf Gutachten (wie u.a. Standardisierte Bewertungen) zurückgegriffen. Hinsichtlich der Verlagerungen auf den Individualverkehr infolge des Planvorhabens wurden Reisezeitberechnungen durchgeführt (vgl. B.GmbH vom 23.2.2024 S. 10). Prognoseeffekte, die mit dem Modell nicht abbildbar waren (wie veränderte Zielwahl oder veränderte Verkehrsmittelwahl), berücksichtigte der Verkehrsgutachter durch fundierte Abschätzungen und Berechnungen (vgl. B.GmbH vom 4.2.2022 S. 3).
80
Es ist nicht zu beanstanden, dass die projektbezogene Fortschreibung monomodal bezogen auf den motorisierten Individualverkehr (MIV) erfolgte und von einer Gesamtfortschreibung für die Verkehrsprognose abgesehen wurde, obwohl das Modell DIVAN die Modellierung von Verkehrsverlagerungen zwischen verschiedenen Verkehrsträgern erlaubt. Es gibt keine normativen Vorgaben oder einen fachlich allgemein anerkannten Standard, demzufolge bei Straßenbauvorhaben in großstädtischen Ballungsräumen ausnahmslos verkehrsträgerübergreifende Verkehrsnachfragemodelle zu verwenden sind. Dies lässt sich auch nicht dem pauschalen Hinweis des Klägers auf den fachlichen Stand der Technik entnehmen. Dass eine Modellfortschreibung eine durchaus übliche Methode für Verkehrsprognosen darstellt, bestätigt auch die vom Fachbeistand des Klägers Dipl.-Geogr. W. H. in seiner Analyse (RC. Verkehrs- und Umweltmanagement [im Folgenden RC], Prüfung der Verkehrsuntersuchung zum Frankenschnellweg vom 3.1.2024) erwähnte Verkehrsuntersuchung zum „Frankenschnellweg (N4) Ersatzneubau Brücke über den Main-Donau-Kanal und die Südwesttangente“ [im Folgenden: VU Hafenbrücke] der g. Ingenieurgesellschaft für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik mbH (vgl. VU Hafenbrücke, Stand 29.9.2021, S. 23).
81
Unabhängig davon hat eine Fortschreibung des gesamten DIVAN-Modells allein aus dem Grund nicht stattgefunden, dass diese eine umfangreiche Datenerhebung erfordert hätte (vgl. ÄEPFB C.3.2.4 S. 101). Bei der Frage, ob weitere aufwendige Datenerhebungen für die Beschaffung der Grundlagendaten einer Verkehrsuntersuchung notwendig sind, ist der Vorhabenträgerin zuzugestehen, dass die Verhältnismäßigkeit des für die Ermittlung geplanten Aufwands zum gewünschten Ziel kritisch geprüft wird (vgl. zum Umfang der Ermittlungen bei Grundwassermodellen BayVGH, U.v. 28.8.2019 – 8 N 17.523 – W+B 2019, 244 = juris Rn. 49; U.v. 29.10.2021 – 8 N 17.2190 – juris Rn. 32; zum notwendigen Erhebungsumfang im Rahmen des europäischen Artenschutzrechts BVerwG, U.v. 9.7.2008 – 9 A 14.07 – juris Rn. 57). Von weiteren Ermittlungen kann vor allem in den Fallkonstellationen abgesehen werden, in denen sachgerechte Alternativen bestehen, die das angestrebte Ergebnis weniger aufwändig ebenfalls erreichen. Dies ist vorliegend zu bejahen. Eine Fortschreibung des Gesamtmodells war nicht erforderlich, um die zukünftige Verkehrssituation hinreichend genau beurteilen zu können. Das DIVAN-Modell konnte mit deutlich weniger Aufwand auf Basis der bekannten Struktur- und Netzdaten fortgeschrieben werden. Dabei sind alle bis dahin absehbaren Strukturentwicklungen (unter Berücksichtigung u.a. von Einwohner- und Beschäftigtenzahlen) sowie Veränderungen an der Verkehrsinfrastruktur im Untersuchungsraum der Verkehrsuntersuchung berücksichtigt worden (vgl. ÄEPFB C.3.2.4 S. 97; Verkehrsgutachten, Planunterlage M 15.1 Ä S. 7; B.GmbH vom 4.12.2020 S. 5). Diese im Verkehrsgutachten gewählte Vorgehensweise erlaubte, das Verlagerungspotenzial korridorbezogen abzuschätzen und darauf aufbauend die möglichen Wechselwirkungen hinreichend zu ermitteln (vgl. ÄEPFB C.3.2.4 S. 99, 101; vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 5, 13). Bei der Abschätzung des Verlagerungspotenzials konnte auf belastbare und geeignete Grundlagen zurückgegriffen werden wie die Ergebnisse aus der „Standardisierten Bewertung zu Verkehrsinvestitionen im ÖPNV“ für die beiden Projekte Stadt-Umland-Bahn und Verlängerung der U 3 sowie das Landesverkehrsmodell Bayern (vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 13). Zwar ermöglicht diese Methode keine ganz genaue Zuordnung der Verlagerungswirkungen zu einzelnen Verkehrsträgern (z.B. einzelne Nahverkehrslinien). Eine solche exakte Kenntnis war – wie der Verkehrsgutachter in der mündlichen Verhandlung plausibel bestätigte – für die Beantwortung der Ausgangsfrage des Verkehrsgutachtens auch nicht erforderlich (vgl. ÄEPFB C.3.2.4 S. 102).
82
Die vom Kläger geäußerten Zweifel, dass wegen Unstimmigkeiten bei den Strukturdaten keine konsistente Datengrundlage vorliege, konnte der Verkehrsgutachter nachvollziehbar ausräumen. Er hat darauf hingewiesen, dass die vom Fachbeistand von RC in seiner Analyse vom 3. Januar 2024 gezogenen Schlussfolgerungen auf fehlerhaften Grundannahmen beruhen, da nicht vergleichbare Strukturdaten miteinander verglichen worden sind. So wurden ungleich große Verkehrsräume (z.B. Verkehrszelle „Wetzendorf-Beförderungswerk“ und Gemarkung „Wetzendorf“) gleichgesetzt bzw. unterschiedliche Strukturgrößen (z.B. die Gruppe „Einwohner ab 18 Jahren“ mit der Gruppe „Einwohner“) als identisch angenommen (vgl. B.GmbH vom 23.2.2024 S. 6).
83
c) Auch die weiteren, in Bezug auf das methodische Vorgehen erhobenen Rügen greifen unter Beachtung des Maßstabs der gerichtlichen Kontrolle nicht durch.
84
Soweit der Kläger auf sein Einwendungsschreiben vom 8. Mai 2019 und die im Rahmen des ergänzenden Verfahrens angesprochenen Mängel der Verkehrsprognose verweist, setzt er sich nicht substantiiert mit dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss auseinander. Eine lediglich pauschale Bezugnahme auf im Verwaltungsverfahren erhobene Einwände ohne deren Würdigung im Planfeststellungsbeschluss genügt nicht den Begründungsanforderungen (vgl. BVerwG, U.v. 6.4.2017 – 4 A 16.16 – DVBl 2017, 1039 = juris Rn. 37; U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 = juris Rn. 89).
85
Die übrigen Einwände sind in der Sache nicht berechtigt.
86
aa) Den vom Kläger unter Berufung auf die von dem Verkehrsplanungswissenschaftler Prof. Dr. K. geäußerten Bedenken an der Realitätstreue des Verkehrsnachfragemodells und dessen Zweifel an der ausreichenden Überprüfung der Modellergebnisse sind der Beklagte und die Beigeladene zusammen mit dem Verkehrsgutachter Dipl.-Ing. W. überzeugend entgegengetreten.
87
Der Verkehrsgutachter hat dargelegt, dass mit dem DIVAN Modell – Analysestand 2010 – ein vollständig, über alle vier Modellstufen (Verkehrserzeugung, simultane Verkehrsverteilung, Verkehrsaufteilung, Verkehrsumlegung) kalibriertes Verkehrsmodell vorlag (vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 2; vom 4.2.2022 S. 4). Das bedeutet, dass ein Abgleich der Modellwerte mit Referenzwerten stattgefunden hat, bei dem die Modellergebnisse auf ihre Wirklichkeitstreue überprüft („kalibriert“) worden sind (vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 2). Zusätzlich wird im Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss darauf hingewiesen, dass das Verkehrsmodell DIVAN in der Vergangenheit einer Qualitätssicherung unterzogen worden ist und eine Validierung stattgefunden hat (vgl. ÄEPFB C.3.2.4 S. 94; E-Mail-Korrespondenz RegMfr vom 2.6.2020 BA I Bl. 6015). Da das Bestandsmodell DIVAN somit auf allen vier Berechnungsstufen bereits kalibriert war, erfolgte aufgrund der im Rahmen der Verkehrsuntersuchung aktualisierten Strukturdaten eine Neukalibrierung und Neuvalidierung der Verkehrsumlegung (vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 2). Dabei wurden die Modellergebnisse im Bereich des Frankenschnellwegs mit den Zählwerten aus 2016 verglichen (B.GmbH vom 4.2.2022 S. 4; vom 4.12.2020 S. 2, 6; vom 23.2.2024 S. 5). Um sich den vorliegenden Sollwerten aus Verkehrsbefragungen und Verkehrszählungen anzunähern, ist eine Kalibrierung durchgeführt worden, bei der durch eine maßvolle Veränderung der Widerstandsparameter (in Strecken, Knoten, etc.) sowie durch eine maßvolle Veränderung der Quell- und Zielfahrten die Routenwahl und Fahrtenanzahl gezielt korrigiert wurden (vgl. B.GmbH vom 4.2.2022 S.4; vom 23.2.2024 S. 5). Überprüft wurde der Abgleich der Modellwerte mit den Zählwerten mit Hilfe des GEH-Nachweises (vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 6). Auf die Anwendung des in der Programmsoftware PTV VISUM implementierten Matrixkorrekturverfahrens VStromFuzzy wurde im Verkehrsgutachten bewusst verzichtet, da dieses je nach Anwendung in die Fahrtenstruktur eingreift und diese verändert. Auf diese Weise ist nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Verkehrsgutachters sichergestellt, dass die zu Grunde liegende Quell-Ziel-Struktur der Ausgangsmatrix vor Kalibrierung beibehalten bleibt (vgl. B.GmbH vom 23.2.2024 S. 5).
88
Als Mittel der Kalibrierung wurden im Verkehrsgutachten die vom Kläger geforderten Erhebungen zu Reiseweiten- und Reisezeitverteilung sowie zu den Modal-Split-Anteilen betrachtet. Hinsichtlich der Anzahl der Fahrten erfolgte eine Überprüfung der Zielorientierung und Fahrtenanzahl. Besonderes Augenmerk wurde in der vorliegenden Untersuchung auf die Knotenpunkte am Frankenschnellweg gelegt. Daher wurden die Abbieger- und Schwerverkehrsanteile ergänzend verglichen und kalibriert (vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 6).
89
Zudem erfolgte mit der Validierung eine Überprüfung des Umlegungsergebnisses auf Funktionsfähigkeit, Plausibilität und Stabilität mit Hilfe von Sensitivitätsanalysen und Realitätstests. So dienten u.a. Spinnendarstellungen zur Überprüfung von Quelle-Ziel-Beziehungen. Des Weiteren wurden Strecken- und Knotenparameter kontrolliert sowie Abbiegeströme betrachtet (vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 2, 7; vom 23.2.2024 S. 5). Anhand dieser Kennwerte wurde das Modell sowohl hinsichtlich seiner Aussagegenauigkeit als auch hinsichtlich seiner Funktion „Verkehrsumlegung“ umfangreich überprüft (vgl. B.Gruppe vom 4.12.2020 S. 6 f.). Dies entspricht den im Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen [im Folgenden: HBS] – Teil S Stadtstraßen beschriebenen allgemeinen Anforderungen an Modellprognosen (vgl. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen [im Folgenden:FGSV], HBS, Ausgabe 2015, S. S2-10).
90
Hinsichtlich der klägerischen Kritik, es fehle eine Dokumentation zur Aktualisierung der Verkehrsnachfragematrizen auf das Jahr 2015, ist nicht nachvollziehbar, inwiefern dies einen methodischen Mangel darstellen soll. Der Kläger lässt in diesem Zusammenhang offen, woraus er eine verpflichtende Dokumentationspflicht konkret ableitet. Zu keiner anderen Beurteilung führt der Verweis seines Fachbeistands auf die Empfehlungen zur Konzeption und zum Einsatz von Verkehrsnachfragemodellen im Wirtschaftsverkehr (FGSV, EVNM-WiV, Ausgabe 2020), nach denen die Dokumentation des Kalibrierungsvorgangs in einem Validierungs- und Kalibrierungsbericht mittlerweile Stand der Technik sei. Es ist bereits fraglich, inwieweit die Empfehlungen für den Wirtschaftsverkehr übertragen werden können auf den Personenverkehr, der Gegenstand der vorliegenden Verkehrsuntersuchung war. Darüber hinaus waren die EVNM-WiV im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses vom 10. Juli 2020 nicht – wie sonst üblich – durch ein Allgemeines Rundschreiben Straßenbau des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur bekannt gegeben und eingeführt worden, sodass sie von der Planfeststellungsbehörde nicht zu berücksichtigen waren.
91
bb) Nicht durchdringen kann der Kläger mit seinem Vorhalt, es sei ungewöhnlich, dass eine derart hohe Übereinstimmung von Zählergebnissen erzielt worden sei und der größte GEH-Wert bei 3 liege.
92
Der GEH-Faktor ist ein empirischer Qualitätsindikator zur Ermittlung der Qualität modellierter Verkehrsstärken, der sowohl relative als auch absolute Abweichungen zwischen gezählten und modellierten Zahlenwerten berücksichtigt (vgl. HBS 2015 S. S2-11). Die Qualität der modellierten Verkehrsstärken einzelner Zählstellen ist danach ausreichend, wenn der GEH-Faktor kleiner als 5,0 für alle Zählstellen im Einflussbereich der geplanten Maßnahmen, zugleich kleiner als 5,0 für 85% aller Zählstellen im gesamten Untersuchungsgebiet und außerdem kleiner als 4,0 für die Summe der Verkehrsstärken über alle Zählstellen ist (vgl. HBS S. S2-11).
93
Der im Rahmen der Verkehrsuntersuchung vorgelegte GEH-Nachweis erfüllt diese im HBS 2015 aufgestellten Anforderungen. Aus der vom Verkehrsgutachter vorgelegten GEH-Statistik ist erkennbar, dass der GEH-Faktor durchgehend deutlich unter 5 liegt und der höchste Wert 3,06 beträgt (vgl. ÄEPFB C.3.2.4 S. 95; B.GmbH vom 5.5.2020 Anlage 1.1 BA I Bl. 5936). Der von Prof. Dr. K. in seiner Stellungnahme vom 23. Oktober 2020 bei der Umlegung einer Tagesmatrix als angemessen erachtete Wert von 10 oder sogar 20 steht demgegenüber nicht in Einklang mit den Vorgaben des HBS, bei dem es sich um ein technisches Regelwerk handelt, das anerkannte standardisierte Berechnungsverfahren u.a. auch für Verkehrsprognosen enthält (vgl. BayVGH, U.v. 24.9.2021 – 8 A 19.40006 – KommJur 2021, 424 = juris Rn. 32). Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Quellen der Kläger seine Werte ableitet. Zudem verdeutlicht das vom Verkehrsgutachter angeführte Zahlenbeispiel, dass die vom Kläger als angemessen erachteten GEH-Werte nicht als Indikator der Wirklichkeitstreue eines Verkehrsmodells herangezogen werden können. Unter Zugrundelegung eines GEH-Wertes von 20 würde sich ein Modellwert von 2.000 Kfz/h und ein Zählwert von 1.200 Kfz/h ergeben; bezogen auf die Gesamtverkehrsstärke eines ganzen Tages entspräche dies in etwa einem modellierten Wert von 20.000 Kfz/24 h und einem Zählwert 12.000 Kfz/24 h (vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 3).
94
cc) Die Kritik des Klägers, die der Verkehrsprognose zugrundeliegenden Verkehrserhebungen seien im Hinblick auf wesentliche Verkehrsaspekte unzureichend und fehlerhaft, ist ebenfalls nicht geeignet, die Datengrundlage der vorliegenden Verkehrsuntersuchung ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Die im Vorfeld der Erstellung durchgeführten Verkehrszählungen und -befragungen entsprechen in ihrer Methodik den „Empfehlungen für Verkehrserhebungen“ (FGSV, im Folgenden: EVE, Ausgabe 2012).
95
Die Verkehrsbefragungen hatten zum Ziel, die für die Erstellung des Verkehrsgutachtens erforderlichen Kenntnisse über die aktuelle Verkehrsstruktur, d.h. die Quelle-Ziel-Relationen der über den Frankenschnellweg verkehrenden Kfz zu gewinnen (vgl. Planunterlage M 15.1 Ä S. 2). Daher erfolgte bei der vorliegenden Verkehrsuntersuchung eine Befragung im Straßennetz, da diese Art der Befragung Aufschluss gibt über die Anteile von Quell-, Ziel- und Durchgangsverkehr bezogen auf die zu untersuchende räumliche Einheit sowie über die Hauptrichtungen von Verkehrsströmen (vgl. EVE Nr. 6.5.2 S. 59, Nr. 6.5 S. 57).
96
(1) Die klägerischen Bedenken, ob die für die Befragung gewählten Wochentage und Tageszeiten repräsentativ auf die Spitzenzeiten übertragen werden können, sind nicht geeignet, die gutachterliche Verkehrsuntersuchung zu erschüttern.
97
Die für die Verkehrsbefragungen gewählten Wochentage (Dienstag und Mittwoch) stehen ebenso wie die Tageszeiten in Einklang mit den empfohlenen Zählzeiten für verschiedene Zählungen (vgl. EVE, Tabelle 7 S. 17 f.). Danach soll an hochbelasteten Hauptverkehrsstraßen innerorts ein Erhebungszeitraum von 15.00 bis 19.00 Uhr gewählt werden (vgl. EVE, Tabelle 7 S. 18). Der Verkehrsgutachter erklärte die Wahl der nachmittäglichen Hauptverkehrszeit nachvollziehbar damit, dass auf diese Weise bei der Verkehrsbefragung die absoluten Verkehrsspitzen und alle wesentlichen Verkehrszwecke erfasst werden, da am Nachmittag nicht nur der Berufsverkehr abgebildet wird, sondern auch andere Verkehrszwecke (v.a. Einkauf- und Freizeitverkehre), die morgens nur sehr gering auftreten (vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 7; vom 21.5.2021 S. 1). Der gewählte Zeitraum der Verkehrsbefragung (14:30 Uhr bis 18:30 Uhr) wird nach der überzeugenden Aussage des Verkehrsgutachters bestätigt durch die Auswertung der Tages- und Mehrtageszählungen, welche einen breiten Spitzenstundenbereich von 15:00 Uhr bis 18.00 Uhr gezeigt hat (vgl. B.GmbH vom 21.5.2021 S. 1). Das methodische Vorgehen steht zudem im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der eine vierstündige Erfassung im nachmittäglichen Zeitbereich des Verkehrs als Grundlage für eine Hochrechnung herangezogen werden darf (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.2014 – 9 A 25.12 – BVerwGE 149, 289 = juris Rn. 32).
98
(2) In örtlicher Hinsicht wurden die Verkehrsbefragungen durchgeführt am nördlichen und südlichen Frankenschnellweg, womit alle im Jahr 2016 den Frankenschnellweg befahrenden Fahrzeuge (Quell-, Ziel- und Durchgangsverkehr) neu erfasst wurden. Da die dafür angewendete Methodik der im Jahr 2002 durchgeführten Befragung entsprach, war eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse gesichert (vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 7). Diese Vorgehensweise wird nicht infrage gestellt durch den pauschalen Vorwurf des Klägers, die Verkehrsbefragung im Bereich der Jansenbrücke sei nicht zielführend gewesen, um eine valide Datengrundlage für die Abschätzung des zukünftigen Durchgangsverkehrs zu ermitteln. Zudem war mit der Verkehrsbefragung gerade nicht die Erfassung von Fahrten auf der Autobahn beabsichtigt, die den Frankenschnellweg heute nicht nutzen, aber künftig nutzen könnten. Der Verkehrsgutachter wies in diesem Zusammenhang nachvollziehbar darauf hin, dass diese Fahrten bereits in dem zu Grunde liegenden DIVAN-Modell enthalten sind und somit im Planfall Frankenschnellweg als potenziell verlagerte Fahrten berücksichtigt wurden (vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 8; vom 4.2.2022 S. 6).
99
dd) Der Kritik, überregionale Verkehrsströme seien wegen der unterbliebenen Heranziehung des Landesverkehrsmodells Bayern nicht ausreichend ermittelt worden, ist der Verkehrsgutachter überzeugend entgegengetreten. Er hat zurecht darauf verwiesen, dass das Landesverkehrsmodell ebenso wie die Bundesverkehrswegplanung bei der Erstellung der Verkehrsuntersuchung berücksichtigt worden sind, um die großräumigen Verkehrsbeziehungen zu überprüfen und abzugleichen (vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 5; vom 21.5.2021 S. 2; ÄEPFB C.3.2.4 S. 97, 102).
100
Zum Verständnis hat der Verkehrsgutachter erläutert, dass sich das Verkehrsmodell DIVAN und das Landesverkehrsmodell dadurch unterscheiden, dass das DIVAN-Modell ein kleinräumiges Verkehrsmodell mit einem höheren Detaillierungsgrad beim Straßennetz sowie eine zu den vorliegenden statistischen Daten passende Bezirkseinteilung aufweist, während es sich beim Landesverkehrsmodell Bayern um ein großräumiges Modell mit einer – bezogen auf den Untersuchungsraum – sehr groben Detaillierung handelt (vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 3, 5). Da das Landesverkehrsmodell Bayern für den Nachweis verkehrlicher Wirkungen im innerstädtischen Bereich als alleinige Modellgrundlage ungeeignet ist, wurde für die Verkehrsuntersuchung zur N 4 vor allem auf das Verkehrsmodell DIVAN zurückgegriffen (vgl. B.GmbH vom 21.5.2021 S. 2). Letzteres umfasst vollständig das Nürnberg umschließende Netz der Bundesautobahnen A 3, A 6, A 9 und A 73 und enthält dementsprechend die überregionalen Verkehrsströme (vgl. Verkehrsgutachten, Planunterlage M 15.1 Ä Folie 10; B.GmbH vom 21.5.2021 S. 2). Um diese großräumigen Verkehrsbeziehungen zusätzlich zu überprüfen und abzugleichen, wurden Verkehrsbefragungen durchgeführt und zusätzlich die Bundesverkehrswegeplanung und das Landesverkehrsmodell Bayern herangezogen (vgl. B.GmbH vom 21.5.2021 S. 2).
101
Dem Vorwurf, überregionale Verschiebungen der Routenwahl und damit mögliche Verkehrsverlagerungen in Fernbeziehungen hätten keine Berücksichtigung gefunden, hat der Gutachter überzeugend entgegengehalten, dass aufgrund des Umstandes, dass im verwendeten Modell die überregionalen Verkehrsströme enthalten sind, sichergestellt ist, dass sich auch deren Verlagerungswirkungen grundsätzlich abbilden lassen (vgl. B.GmbH vom 4.2.2022 S. 2 f). Durch Abgleich und Anpassungen dieser Ströme auf weitere Daten (Erhebungen, Bundesverkehrswegeplan, Landesverkehrsmodell) ist zudem gewährleistet gewesen, dass sich die Verlagerungswirkungen auch hinsichtlich deren Maß (Anzahl und Quell-Ziel-Ausrichtung) sicher abbilden lassen (vgl. B.GmbH vom 21.5.2021 S. 3).
102
d) Des Weiteren ist die Entwicklung des Durchgangsverkehrs nach Verwirklichung des kreuzungsfreien Ausbaus in der Verkehrsprognose schlüssig und plausibel dargelegt. Diese Darstellung wird nicht erschüttert durch die Einwände des Klägers, dass angesichts der zu erwartenden erhöhten Attraktivität des Frankenschnellweges die Komponente des Durchfahrtsverkehrs deutlich unterschätzt und fehlbewertet werde.
103
Das Verkehrsgutachten führt dazu nachvollziehbar aus, dass als Bewertungsgröße von Verkehrsverlagerungen in Verkehrsgutachten der durchschnittliche normalwerktägliche Verkehr (DTVW5 in Kfz/24 h) gilt. Umfahrungen, die in den Spitzenstunden bzw. zu besonderen Stauzeiten gegebenenfalls auftreten, sind daher im Verkehrsmodell als gesamttäglicher Verkehr abgebildet. Im Jahr 2015 betrug danach der Durchgangsverkehr über die N 4 zwischen dem Autobahnkreuz Fürth/Erlangen (A 3) und dem Autobahnkreuz Nürnberg-Süd (A 6) etwa 4.000 Kfz/24 h. Im Jahr 2030 werden im Prognosebezugsfall (ohne Ausbau) etwa 3.500 Kfz/24 h erwartet gegenüber etwa 4.400 Kfz/24 h im Planfall, was eine Steigerung um 900 Fahrten bei Ausbau des Frankenschnellwegs bedeutet (vgl. B.GmbH vom 5.5.2020 S. 8; vom 4.12.2020 S. 10; vom 21.5.2021 S. 3; ÄEPFB C.3.2.4 S. 104).
104
Der Verkehrsgutachter stimmt insoweit mit der Klägerseite überein, dass sich im Planfall Durchgangsverkehr auf den Frankenschnellweg verlagern wird, da sich mit dem Entfall der bestehenden lichtsignalgeregelten Knotenpunkte und der Anhebung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h die Fahrtzeiten verkürzen und die Kapazitäten am Frankenschnellweg erhöhen werden (vgl. B.GmbH vom 5.5.2020 S. 8). Zusätzlich werden sich auf das Stadtgebiet bezogene innerörtliche Umfahrungen (Quell-Ziel-Verkehr) – wie mit der Planfeststellung beabsichtigt – auf die N 4 zurückverlagern (vgl. B.GmbH vom 21.5.2021 S. 5).
105
Im Gegensatz zum Kläger geht der Verkehrsgutachter aufgrund der konkreten Randbedingungen und der schon bestehenden hohen Verkehrsbelastung im Raum Nürnberg/Fürth jedoch nur von einem geringen Rückverlagerungseffekt des Durchgangsverkehrs aus (vgl. ÄEPFB C.3.2.4 S. 104; B.GmbH vom 4.12.2020 S. 11). Dies hat er nachvollziehbar damit begründet, dass nicht nur die entfallenden Wartezeiten an den Lichtsignalen Einfluss auf die Gesamtfahrtzeit haben, sondern ein wesentlicher weiterer Aspekt die jeweilige Verkehrsdichte ist. Dies bedeutet, je höher die Anzahl der Fahrzeuge pro Streckenabschnitt ist, desto größer sind die gegenseitigen Beeinflussungen und desto länger ist damit die Fahrzeit (vgl. B.GmbH vom 21.5.2021 S. 5). Da die Verkehrsprognose für den Planfall eine Zunahme des Verkehrs auch auf den Zulaufstrecken aufzeigt (vgl. Planunterlage M 15.1 Ä Folie 30), wird sich neben der Verkehrsdichte die Fahrzeit erhöhen und zugleich die Attraktivität für den potenziellen Durchgangsverkehr sinken (vgl. B.GmbH vom 21.5.2021 S. 5). Ein weiterer Grund des relativ gering erhöhten Durchgangsverkehrs liegt laut Verkehrsgutachter darin begründet, dass die Fahrzeitverkürzung nur wenige Minuten betragen und sich gemessen an der langen Strecke – etwa 25 km zwischen dem Kreuz Fürth/Erlangen (A 3) und dem Kreuz Nürnberg-Süd (A 6) – daher nur wenig auswirken wird (vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 11; vom 31.1.2024 S. 5). So liegen die mittleren Reisezeitgewinne aller Fahrten an einem durchschnittlichen Werktag nach Einschätzung des Verkehrsgutachters bei nur etwa 2:30 min in Fahrtrichtung Süd und etwa 2:15 min in Fahrtrichtung Nord (vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 11; vom 31.1.2024 S. 5). In Spitzenzeiten mit derzeit höheren Wartezeiten an den Lichtsignalanlagen sind im Vergleich zum kreuzungsfreien Ausbau des Frankenschnellweges wesentlich höhere Fahrzeitverkürzungen zu erwarten als in Schwachlastzeiten (vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 11; vom 31.1.2024 S. 5).
106
Allerdings geht der Verkehrsgutachter plausibel davon aus, dass geplante Ausbauten im übergeordneten Autobahnnetz zu Fahrzeitverkürzungen auf diesen Strecken führen werden, sodass ein Ausweichen auf den Frankenschnellweg für den Durchgangsverkehr mit keinem Reisezeitgewinn einhergehen wird (vgl. B.GmbH vom 31.1.2024 S. 5). Die Planfeststellungsbehörde hat zudem eine relevante Zunahme beim Lkw-Verkehr unter dem Aspekt der Mautersparnis ausgeschlossen, da die Routenwahl über die N 4 für den Schwerverkehr nur eine geringe Mautersparnis zur Folge hat (vgl. ÄEPFB C.3.2.4 S. 105).
107
e) Die klägerische Befürchtung, dass das Planungsziel einer Verflüssigung des Verkehrs verfehlt werde und die Stauanfälligkeit in den Hauptverkehrszeiten zu Verkehrsverlagerungen im Stadtgebiet führe, trifft nach den nachvollziehbaren Darlegungen des Verkehrsgutachters in dieser verallgemeinerten Form nicht zu. Die Verkehrsströme sind differenzierter unter Berücksichtigung der Morgen- und Abendspitzenstunden eines normalen Werktages zu betrachten.
108
Die im Rahmen der Leistungsfähigkeitsberechnung zugrunde gelegten Spitzenstunden (morgens 7:00-8:00 Uhr, abends 17:00-18:00 Uhr) wurden aus den über drei normale Werktage durchgeführten Verkehrszählungen abgeleitet und als Spitzenstundenfaktor auf die Prognoseverkehrsstärke übertragen (vgl. Planunterlage M 15.1 Ä Folie 6 i.V.m. Leistungsfähigkeitsberechnung vom 9.6.2020 S. 2 f., BA I S. 5954 f.; B.GmbH, Antwort vom 30.4.2020 BA I Bl. 5903). Bei Betrachtung der Morgenspitzenstunde hat der Verkehrsgutachter bei allen Zufahrten – bis auf den Knotenpunkt Neue Kohlenhof straße/Steinbühler Straße – eine Überstauung rückwärtiger Knotenpunkte ausgeschlossen, da die Rückstaus nicht über die verfügbaren Aufstellbereiche hinausgehen werden (vgl. Leistungsfähigkeitsberechnung vom 9.6.2020 S. 8, BA I Bl. 5960, 5995). In der Abendspitzenstunde kann grundsätzlich ebenfalls eine leistungsfähige Abwicklung des Verkehrsaufkommens an den Knotenpunkten im Zuge des Frankenschnellwegs gewährleistet werden. Nur die zu erwartenden Verkehre an den beiden Knotenpunkten Steinbühler Straße/Camerarius straße sowie Steinbühler Straße/Frauentorgraben können gemäß den rechnerischen Annahmen nicht leistungsfähig abgewickelt werden (vgl. Leistungsfähigkeitsberechnung vom 9.6.2020 S. 10 f., BA I Bl. 5962 f.). Zudem überstaut in der Abendspitzensowie in der Morgenspitzenstunde der Rückstau in der Neuen Kohlenhof straße vor der Steinbühler Straße kurz den östlichen Anschluss des Kohlenhofs (vgl. Leistungsfähigkeitsberechnung vom 9.6.2020 S. 8 f., BA I Bl. 5960 f.).
109
Allerdings ist der Verkehrsgutachter im Rahmen seiner Leistungsfähigkeitsberechnung nachvollziehbar davon ausgegangen, dass im Gegensatz zu der Verkehrsflusssimulation, bei der die Verkehrsströme festgelegt und nicht variabel sind, in der Realität Alternativen bestehen. Es ist daher zu erwarten, dass sich diese räumlich (auf parallele Relationen) und zeitlich verteilen, sodass von der Möglichkeit einer leistungsfähigeren Verkehrsabwicklung auszugehen ist (vgl. Leistungsfähigkeitsberechnung vom 9.6.2020 S. 11, BA I Bl. 5963).
110
Hinsichtlich der klägerseits geäußerten Besorgnis, dass sich mit Blick auf den Neuverkehr Rückstauungen nicht nur in der Neuen Kohlenhof straße selbst, sondern auch in innerstädtische Straßenzüge bilden werden, hat der Verkehrsgutachter auf die dieser Annahme widersprechenden Ergebnisse der Mikroskopischen Verkehrsflusssimulation verwiesen. Der Untersuchungsraum der Verkehrssimulation erstreckt sich bis zu den Knotenpunkten am Frauentorgraben und berücksichtigt damit auch die Auswirkungen in den kritischen Randbereichen (Altadtring). Da eine leistungsfähige Abwicklung der zu erwartenden Verkehrsstären nachgewiesen werden konnte, ist damit zugleich sichergestellt, dass auch zu den Spitzenstunden keine nennenswerten Verdrängungen ins Nebennetz zu erwarten sind (vgl. B.GmbH vom 21.5.2021 S. 5).
111
Die vom Kläger befürchtete verkehrliche Überforderung der innerstädtischen Bereiche ist insofern nicht berechtigt. Der Verkehrsgutachter hat in diesem Zusammenhang plausibel ausgeführt, dass die mit dem Verkehrsmodell ermittelten Verlagerungswirkungen (Be- und Entlastungen) stark mit der räumlichen Verteilung der Fahrten zusammenhängen. In Bezug auf die vom Kläger hervorgehobene Verkehrsbelastung der Neuen Kohlenhof straße hat der Verkehrsgutachter mit Hilfe einer sogenannten Spinnendarstellung die räumliche Verteilung der im Planfall entstehenden etwa 40.000 Kfz-Fahrten/24 h auf das umliegende Straßennetz erläutert (vgl. B.GmbH vom 21.5.2021 S. 8). Nach seiner Einschätzung sind die auf der Neuen Kohlenhof straße künftig zu erwartenden Verkehrsströme vor allem Fahrten mit Bezug zur Innenstadt bzw. zum Innenstadtgürtel (vgl. B.GmbH vom 21.5.2021 S. 9).
112
f) Nicht begründet ist der Einwand des Klägers, das Verkehrsgutachten sei methodisch fehlerhaft und subjektiv geprägt, da anstelle der Abbildung der Verkehrsmittelwahl nur einzelne ausgewählte Herkunft-Ziel-Korridore herausgegriffen und Reisezeitdifferenzen unter 3 Minuten nicht berücksichtigt worden seien. Soweit die Klägerseite damit die Art und Weise bemängelt, in der die Verkehrsuntersuchung die modalen Verlagerungen vom öffentlichen Nahverkehr (ÖV) zum motorisierten Individualverkehr (MIV) berücksichtigt, konnte der Verkehrsgutachter die geäußerten Bedenken ausräumen.
113
Nach seinen nachvollziehbaren Darstellungen tritt die Bereitschaft, das Verkehrsmittel zu wechseln, erst ein, wenn der Nutzer einen Vorteil bei der Nutzung des anderen Verkehrsmittels erfährt. Messbare Vorteile sind Reisezeitverkürzungen. Neben einem möglichen Zeitgewinn spielen für einen Umstieg allerdings auch Gesichtspunkte wie Komfort, Zuverlässigkeit des ÖV-Systems, Kosten, bezahlbare Parkplätze oder eine gesteigerte Umweltsensibilität eine Rolle (vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 13 f.). Bei der Verkehrsuntersuchung sind daher zur Ermittlung des Potentials einer modalen Verlagerung vom öffentlichen Nahverkehr auf den Individualverkehr zunächst die Reisezeitdifferenzen bestimmt worden, indem die Vorher-Reisezeit (Planbezugsfall ohne Ausbau der N 4) mit der Nachher-Reisezeit (Planfall bei Ausbau der N 4) verglichen wurde. Bei der Auswertung der Reisezeitdifferenzen fand eine minutenfeine Klassifizierung statt. Vor dem Hintergrund, dass ein Umstieg erst dann erfolgt, wenn sich die Reisezeit spürbar ändert, wurde eine sog. Wahrnehmungsschwelle von 5 Minuten unterstellt; als Sicherheitszuschlag wurden zusätzlich Reisezeitdifferenzen zwischen 3 und 5 Minuten hinzugerechnet (vgl. Planunterlage M 15.1 Ä S. 15). Bei der Wahl dieser Methode und dem Umgang mit kleinen Reisezeitendifferenzen hat sich die Verkehrsuntersuchung orientiert an der „Standardisierten Bewertung von Verkehrswegeinvestitionen im öffentlichen Personennahverkehr – Version 2016“ sowie an der Bundesverkehrswegeplanung („Bundesverkehrswegeplan 2003 – Die gesamtwirtschaftliche Bewertungsmethodik“ bzw. „Grundsätzliche Überprüfung und Weiterentwicklung der Nutzen-Kosten-Analyse im Bewertungsverfahren der Bundesverkehrswegeplanung“; vgl. B.GmbH vom 4.12.2020 S. 14; vom 31.1.2024 S. 3). Aus gutachterlicher Sicht war eine weitere Einbeziehung sehr kleiner Reisezeitgewinne für das streitgegenständliche Verkehrsgutachten nicht geeignet, da ein Rückumstieg vom Öffentlichen Nahverkehr zum motorisierten Individualverkehr nicht ausschließlich und maßgeblich von einem möglichen Zeitgewinn abhängt, sondern in städtischen Agglomerationsräumen wie im Untersuchungsgebiet vielmehr von weiteren Faktoren (dichtes ÖV-Angebot, Pkw-Stellplatzangebot etc.) bestimmt wird (vgl. B.GmbH vom 31.1.2024 S. 4).
114
Dies verdeutlicht, dass die angesetzten Reisezeitdifferenzen einem fachlich allgemein anerkannten Standard entsprechen und sachliche Gründe für die im Verkehrsgutachten zugrunde gelegten Schwellenwerte vorlagen. Dies wird nicht infrage gestellt durch den pauschalen Hinweis des Klägers auf das Vorhandensein von kostenfreien Parkplätzen im öffentlichen Raum.
115
g) Den abweichenden Berechnungen des klägerischen Fachbeistands von RC zum Verlagerungspotential durch Maßnahmen des Öffentlichen Verkehrs, ist der Verkehrsgutachter entgegengetreten. Er hat überzeugend erläutert, dass die Wirkungen der ÖV-Maßnahmen entgegen der klägerischen Unterstellung vollständig erfasst worden sind. Allerdings kann die mit diesen Maßnahmen verbundene Gesamtentlastung von etwa 7.000 Kfz/24 h nicht vollständig auf das Verkehrsaufkommen der N 4 übertragen werden, da die räumliche Ausrichtung der Maßnahmen zu beachten ist. So liegen die geplante Stadtumlandbahn und der Regionalexpress Nürnberg-Bamberg-Coburg zwar auf der Achse des Frankenschnellwegs, nicht aber die eher senkrecht dazu verlaufende neue U-Bahn-Linie 3 (vgl. B.GmbH vom 23.2.2024 S. 10 f.). Auch die weiteren Eingangsdaten, die in die Berechnungen des Fachbeistands von RC eingeflossen sind, sind nicht nachvollziehbar und können die Verkehrsuntersuchung nicht infrage stellen. So bleibt der Fachbeistand eine Erklärung schuldig, warum nur der von ihm angesetzte Pkw-Besetzungsgrad von 1,1 methodisch richtig sein soll und nicht der dem Verkehrsgutachten zugrundeliegende von 1,3. Das gleiche gilt für die in der Analyse geschätzten Verlagerungspotentiale für den Regionalexpress Nürnberg-Bamberg-Coburg, bei denen der Fachbeistand ohne nähere Begründung ein Verlagerungspotential zwischen 33% bis 50% schätzt (vgl. dazu auch B.GmbH vom 23.2.2024 S. 10 f.).
116
k) Die vom Kläger ins Verfahren eingeführte VU Hafenbrücke ist nicht geeignet, Zweifel an der Belastbarkeit der streitgegenständlichen Verkehrsprognose zu begründen. Im Gegenteil wird bei einem Vergleich der Ergebnisse deutlich, dass in den Überlappungsbereichen der Betrachtungsräume sich die Prognosen ähneln und nur geringe Abweichungen bei den Verkehrsbelastungswerten bestehen (vgl. B.GmbH vom 31.1.2024 S. 2).
117
Daraus schließt der Verkehrsgutachter, dass in beiden Untersuchungen detailliert und realitätsgetreu prognostiziert wurde (vgl. B.GmbH vom 31.1.2024 S. 2). Als Basis beider Verkehrsgutachten diente das Verkehrsmodell DIVAN, das jeweils nach derselben Methodik (Aktualisierung anhand Verkehrszähldaten und Prognosefortschreibung auf 2030) projektbezogen fortgeschrieben wurde (vgl. B.GmbH vom 31.1.2024 S. 2; VU Hafenbrücke S. 23). Die Abweichungen führt die Beigeladene nachvollziehbar darauf zurück, dass die VU Hafenbrücke auf dem DIVAN-Verkehrsmodell mit Stand 2005 aufbaut, während die streitgegenständliche Verkehrsuntersuchung vom Analysestand 2010 ausging. Hinzukommen Unterschiede aufgrund eines jeweils anderen Betrachtungsfokus bzw. Kalibrierungsschwerpunkts (vgl. B.GmbH vom 23.2.2024 S. 17 f; vom 31.1.2024 S. 2; Planfeststellungsbeschluss der RegMfr mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung für den Ersatzneubau der Brücke der N 4 über den Main-Donau-Kanal und die Südwesttangente im Bereich des Kreuzes Nürnberg-Hafen im Gebiet der Stadt Nürnberg vom 23.8.2023, S. 96 f.).
118
h) Der klägerische Einwand, wonach die Umrechnung von DTVW auf DTV nicht nachvollziehbar sei, ist nicht berechtigt.
119
Der Verkehrsgutachter führte dazu aus, dass die im Verkehrsgutachten verwendete Verkehrsstärke der Quantifizierung von verkehrlichen Wirkungen und Emissionswirkungen dient. Kritische (obere) Verkehrsstärken sind in der Regel an normalen Werktagen festzustellen. Für Verkehrsgutachten wird daher üblicherweise als Kennzahl der DTVW5, d.h. der durchschnittliche tägliche Verkehr an allen normalen Werktagen (Mo bis Fr) eines Jahres, verwendet. Entsprechend wird in sämtlichen Grundlagen und übergeordneten Planungen (Straßenverkehrszählung [im Folgenden: SVZ], Bundesverkehrswegeplanung, Landesverkehrsmodell Bayern, Verkehrsmodell DIVAN) der DTVW5 ausgewiesen (vgl. B.GmbH vom 8.9.2021 S. 3). Da für die weiterführenden Untersuchungen und Betrachtungen die Bezugsgröße DTV erforderlich war, erfolgte in der Verkehrsuntersuchung die Umrechnung von DTVW5 auf DTV mit einem Faktor von 0,933 (vgl. Planunterlage M 15.1. Ä S. 19). Mit diesen Erläuterungen hat sich der Kläger nicht weiter auseinandergesetzt.
120
i) In der Verkehrsuntersuchung sind die Lärmkennwerte als Basis der Lärm- und Schadstoffuntersuchungen entgegen der klägerischen Kritik zutreffend ermittelt worden.
121
aa) Der Vorwurf, die Umrechnungsfaktoren, d.h. der Anteil der maßgebenden Stunde sowie die Nachtanteile, seien nicht entsprechend den Richtlinien für Lärmschutz an Straßen (FGSV, Ausgabe 2019, im Folgenden: RLS-19, Nr. 3.3.2 S. 13 Tabelle 2) festgesetzt worden, kann dies nicht in Zweifel ziehen.
122
Nach den Richtlinien für Lärmschutz an Straßen – Ausgabe 1990 [im Folgenden: RLS-90] und RLS-19 sind die ausgewiesenen Standardwerte für die stündlichen Verkehrsstärken und die Fahrzeuganteile ausdrücklich nur anzuwenden, wenn geeignete projektbezogene Untersuchungsergebnisse nicht vorliegen (vgl. RLS-90 Nr. 4.4.1.1.1 S. 14; RLS-19 Nr. 3.3.2 S. 13). Mit der dem Vorhaben zugrundeliegenden Verkehrsuntersuchung sind jedoch umfassende Verkehrserhebungen durchgeführt worden, aus denen die für die Herleitung der Lärmkenndaten erforderlichen Umrechnungsfaktoren berechnet werden konnten und auch durften (vgl. B.GmbH vom 23.2.2024 S. 15).
123
bb) Die Rüge, wonach das Lkw-Segment mit zulässigen Gesamtgewicht zwischen 2,8 t und 3,5 t fehlerhaft ermittelt worden sei, greift ebenfalls nicht durch.
124
Der Verkehrsgutachter hat zu diesem Aspekt überzeugend erläutert, dass aus Verkehrszählungen am Frankenschnellweg und aus dem DIVAN-Verkehrsmodell zunächst nur Verkehrsdaten für Pkw (Kfz ≤ 3,5 t) und Schwerverkehr (Kfz > 3,5 t) vorlagen und nicht die nach den Richtlinien für die Lärmberechnung maßgeblichen Lkw-Anteile mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2,8 t (vgl. RLS 90 Nr. 4.4.1.1.1 S. 14). Im Verkehrsgutachten wurde jedoch in der Folge ein entsprechender Aufschlag von 20% für dieses Lkw-Segment (Kfz > 2,8 t = Kfz > 3,5 t * 1,20) vorgenommen (vgl. B.GmbH vom 21.10.2019 S. 2 ff; vom 8.9.2021 S. 1). Dieser Aufschlag ist rechtlich nicht zu beanstanden, zumal der Umrechnungsfaktor nicht nur auf Erfahrungen und Erkenntnissen des Verkehrsgutachters aus vergangenen eigenen Untersuchungen beruht, sondern sich an den von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) gewählten Ansätzen (Auswertungen der SVZ 2000, Heft V 123, und SVZ 2005, Heft V 179) orientiert (vgl. B.GmbH vom 8.9.2021 S. 1). Allein der Umstand, dass bereits geraume Zeit vergangen ist, seit die BASt diesen Umrechnungsfaktor aus den bundesweiten Bestandsdaten des Kraftfahrtbundesamtes abgeleitet hat, spricht nicht gegen dessen Anwendbarkeit (vgl. BVerwG, U.v. 10.10.2012 – 9 A 20.11 – NVwZ 2013, 645 = juris Rn. 33). Zusätzlich verifiziert wurde der Aufschlag durch Auswertung der Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) zu den in Bayern und in Mittelfranken zugelassenen Lkw > 2,8 t ≤ 3,5 t. Die Auswertung ergab für Mittelfranken einen Anteil von etwa 23,5%, für Bayern von 22,8% und stimmt damit im Wesentlichen mit dem gewählten Aufschlag von 20% überein (vgl. B.GmbH vom 8.9.2021 S. 2; vom 23.2.2024). Ein solches Vorgehen erscheint mangels bindender Vorgaben durch Regelwerke für den Fall nicht weiter auflösbarer Unwägbarkeiten als sachgerecht (vgl. BVerwG, U.v. 10.10.2012 – 9 A 20.11 – NVwZ 2013, 645 = juris Rn. 33; U.v. 9.7.2008 – 9 A 14.07 – BVerwGE 131, 274 = juris Rn. 159).
125
i) Soweit die vom Kläger mit Schriftsatz vom 22. Januar 2024 vorgelegte Analyse und Bewertung der Verkehrsuntersuchung von 2019 des Fachbeistands von RC vom 3. Januar 2024 weitere Einwände enthalten sollte, erfüllt dieser Vortrag nicht den Zweck des Vertretungszwangs, eine geordnete und konzentrierte Verfahrensführung der Beteiligten zu gewährleisten. Die Regelung des § 67 Abs. 4 VwGO gilt auch für die Ausführungen von Sachverständigen. Parteigutachten dienen der Substantiierung des Klagevorbringens, ersetzen dieses jedoch nicht. Sie verhalten sich zu tatsächlichen Sachverhalten, denen erst dadurch Bedeutung für das gerichtliche Verfahren zukommt, dass aus ihnen rechtliche Schlussfolgerungen zu ziehen sind (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 15). Deshalb sowie aufgrund des regelmäßig erheblichen Umfangs und der auch qualitativ großen Bandbreite der Gutachten muss der Prozessbevollmächtigte eine eigene Prüfung, Sichtung und Durchdringung der Ausführungen vornehmen (vgl. BVerwG, B.v. 11.12.2012 – 8 B 58.12 – NVwZ-RR 2013, 341 = juris Rn. 16; U.v. 23.4.2014 – 9 A 25.12 – BVerwGE 149, 289 = juris Rn. 16; U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 15). Eine nur stichwortartige Benennung oder Zusammenfassung von Kritikpunkten beigefügter Gutachten genügt hierfür ebenso wenig wie die wörtliche Wiedergabe oder eine pauschale Bezugnahme auf beigefügte Stellungnahmen Dritter (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 11.7.2019 – 9 A 13.18 – BVerwGE 166, 132 = juris Rn. 133 ff.; U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 = juris Rn. 17, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 12).
126
Im Begründungsschriftsatz vom 22. Januar 2024 wurde die Stellungnahme des Fachbeistands von RC vom 3. Januar 2024 eingeführt zur vertiefenden Unterstützung der klägerischerseits insbesondere im Schriftsatz vom 5. Juli 2021 vorgebrachten Rügen bezüglich der Verkehrsuntersuchung. Zudem wurden sieben Aspekte der Stellungnahme stichpunktartig hervorgehoben und jeweils pauschal auf 40 Seiten der Analyse des Fachbeistands von RC verwiesen. Bereits bei dieser nur stichwortartigen Benennung ist überaus fraglich, ob die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung eingehalten werden. Jedenfalls erfüllen die in der Stellungnahme des Fachbeistands vom 3. Januar 2024 aufgeführten weiteren Kritikpunkte nicht die Substantiierungsanforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO. Unabhängig davon hat sich die Beigeladene – gestützt auf die Ausführungen des Verkehrsgutachters – auch insoweit mit sämtlichen Einwendungen auseinandergesetzt und diese plausibel entkräftet (vgl. Beigeladene vom 5.3.2024; B.GmbH vom 23.2.2024).
127
In Bezug auf die beigelegte Stellungnahme des Verkehrsplanungswissenschaftlers Prof. Dr. K. vom 23. Oktober 2020 lässt die Berufungsbegründung vom 5. Juli 2021 bereits offen, ob sich der Kläger diese über die bereits behandelten Aspekte hinaus überhaupt zu eigen machen möchte. Aber auch diesen Einwendungen sind der Beklagte und die Beigeladene zusammen mit dem Ersteller der Verkehrsuntersuchung (vgl. u.a. B.GmbH vom 4.12.2020) überzeugend entgegengetreten.
128
2. Es sind keine Abwägungsfehler erkennbar in Bezug auf die Auswirkungen des Vorhabens auf die Luftschadstoffsituation in der Umgebung der N 4. Die Rügen des Klägers zu einer fehlerhaften Behandlung der Luftschadstoffproblematik greifen nicht durch.
129
Die Einhaltung der Grenzwerte der 39. BImSchV stellt keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Planfeststellung eines Straßenbauvorhabens dar, weil Grenzwertüberschreitungen nach dem System der Luftreinhalteplanung unabhängig von den Immissionsquellen zu vermeiden sind (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 170). Allerdings ist das Gebot der Konfliktbewältigung als Ausformung des Abwägungsgebots verletzt, wenn die Planfeststellungsbehörde das Vorhaben zulässt, obgleich absehbar ist, dass seine Verwirklichung die Möglichkeit ausschließt, die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung in einer mit der Funktion des Vorhabens zu vereinbarenden Weise zu sichern. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die von einer planfestgestellten Straße herrührenden Immissionen bereits für sich genommen die maßgeblichen Grenzwerte überschreiten (vgl. BVerwG, U.v. 10.4.2019 – 9 A 22.18 – BVerwGE 165, 185 = juris Rn. 23). Ansonsten geht der Gesetzgeber im Grundsatz davon aus, dass sich die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung sichern lässt. Für die Annahme, dass dies nicht möglich ist, müssen deshalb besondere Umstände vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 10.4.2019 – 9 A 22.18 – BVerwGE 165, 185 = juris Rn. 23; U.v. 11.10.2017 – 9 A 14.16 – BVerwGE 160, 78 = juris Rn. 120; U.v. 10.10.2012 – 9 A 19.11 – NVwZ 2013, 649 = juris Rn. 38).
130
Derartige besondere Umstände sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
131
Die Ergebnisse der Luftschadstoffberechnungen zeigen, dass nach Verwirklichung des planfestgestellten Vorhabens im Prognosejahr 2030 die lufthygienischen Grenzwerte der 39. BImSchV im Ausbauabschnitt Mitte und West eingehalten werden (vgl. ÄEPFB C.2.2.1.1.2 S. 72 ff., C.3.3.4.7 S. 152 ff.; Luftschadstoffimmissionsprognose, Planunterlagen M 11.2.1 Ä und W 11.2.1 Ä). In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der kreuzungsfreie Ausbau des Frankenschnellwegs als Maßnahme Nr. 7 in der 2. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für das Stadtgebiet der Beigeladenen (Stand September 2017, 6.2.7 S. 82) aufgeführt wird.
132
a) Entgegen dem klägerischen Vorhalt lässt sich aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Juni 2021 (C-635/18 – NJW 2021, 2637) nicht ableiten, dass ein Verschieben der rechtlichen Thematik der Luftschadstoffbelastung in den Bereich der Luftreinhalteplanung im Zusammenhang mit dem streitbefangenen Projekt nicht zulässig sei. Das Urteil stellt allein fest, dass die Bundesrepublik Deutschland vom 1. Januar 2010 bis einschließlich 2016 u.a. im Ballungsraum Nürnberg/Fürth/Erlangen gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 13 Abs. 1 der RL 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 (ABl Nr. L 152 vom 11.6.2008 S. 1) durch systematische und anhaltende Überschreitung des Jahresgrenzwerts für Stickstoffdioxid verstoßen hat. Auch kann das Urteil nicht die Luftschadstoffimmissionsprognose, die sich auf die künftige Entwicklung im Jahr 2030 bezieht, infrage stellen. Unabhängig davon haben der Beklagte und die Beigeladene darauf verwiesen, dass an den in Nürnberg gelegenen Messstellen des Lufthygienischen Landesüberwachungssystems Bayern (LÜB) der Grenzwert für Stickstoffdioxid seit 2019 nicht mehr überschritten wurde (Lufthygienischer Kurzbericht des LfU 2019 und 2020, https://www.lfu.bayern.de/luft/immissionsmessungen/lufthygienische_berichte/index.htm).
133
b) Zu Unrecht macht der Kläger geltend, dass sich die im Rahmen der Verkehrsuntersuchung geltend gemachten Fehler unmittelbar auf die Luftschadstoffberechnungen auswirken (vgl. Rn. 70 ff.). Soweit sich sein Vorbringen gegen die Methodik der Luftschadstoffimmissionsprognose selbst richtet, greift dieses ebenfalls nicht durch. Der Luftschadstoffgutachter hat sich mit diesen Einwänden in seinen ergänzenden Stellungnahmen und in der mündlichen Verhandlung befasst und ist diesen überzeugend entgegengetreten.
134
Es gibt keine normativen Vorgaben dazu, nach welchen Methoden die vorgeschriebenen Messungen zur Beurteilung der Schadstoffkonzentrationen und der Luftqualität vorzunehmen sind, noch ist ein bestimmtes Verfahren bei der Anfertigung von Schadstoffprognosen im Rahmen von Planungsverfahren festgelegt (vgl. BVerwG, U.v. 9.6. 2010 – 9 A 20.08 – NuR 2010, 870 = juris Rn. 124 zur 22. BImSchV).
135
Die Bestimmung des Anteils der leichten Nutzfahrzeuge [LNf] ≤ 3,5 t auf Basis des „Handbuchs mit Hintergrundinformationen zum PC-Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Luftqualität an Straßen ohne oder mit lockerer Randbebauung, RLuS 2012“ [RLuS 2012- Hb] ist nicht zu beanstanden. Anders als bei der Lärmbelastung ist der Luftschadstoffgutachter nicht vom Umrechnungsfaktor 1,2 ausgegangen, sondern hat den im Handbuch für diese Fahrzeuggruppe auf Innerortsstraßen verwendeten allgemeinen Prozentsatz von 11% des DTV-Anteils für das Jahr 2030 herangezogen (vgl. u.a. Planunterlage M 11.2.1 Ä S. 18; RLuS 2012 -Hb, Abb. A1 S. 31). Damit ist laut Luftschadstoffgutachter in der Immissionsprognose die real existierende Fahrzeuggruppe im Straßenverkehr mit einem mittleren Anteil lufthygienisch gewürdigt und den anteiligen DTV mit dem im Handbuch für Emissionsfaktoren für Straßenverkehr (HBEFA) korrespondieren LNf-Emissionsfaktoren für das Jahr 2030 an den Verkehrssituationsemissionen berücksichtigt worden (vgl. a.GmbH vom 27.2.2024 S. 4).
136
Soweit der Kläger den der Prognose zugrundeliegenden DTV-Anteil der leichten Nutzfahrzeuge als veraltet ansieht, lässt er offen, auf welche aktuelleren Werte das Luftschadstoffgutachten hätte zurückreifen müssen. Allein der vom Fachbeistand von RC in seiner Analyse vom 4. Januar 2024 auf Basis der KBA-Zulassungszahlungen 2008-2020 grob geschätzte Anteil von etwa 15% leichter Nutzfahrzeuge kann die angewandte Methode nicht in Zweifel ziehen. Im Gegenteil stützt die seit Anfang 2021 verfügbare Version der RLuS 2012 – Fassung 2020, die den Anteil leichter Nutzfahrzeuge am DTV für das Jahr 2030 bei 10% ansetzt (vgl. RLuS-Handbuch Abb. 1 S. 1-5), den vom Luftschadstoffgutachter herangezogenen Wert. Darüber hinaus hat die Planfeststellungsbehörde im Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss dargelegt, in welcher Bandbreite sich der Anteil der leichten Nutzfahrzeuge ändern könnte, ohne dass es zu einer Änderung der Schadstoffprognose um 3% oder mehr kommen würde. So würden sich die Gesamtemissionszusatzbelastungen bei Ansetzen eines unrealistisch niedrigen Anteils der Fahrzeuggruppe der leichten Nutzfahrzeuge von 5% lediglich um etwa 3% verringern. Bei einem unrealistisch hohen Anteil von 22% würden die Gesamtemissionszusatzbelastungen demgegenüber nur um etwa 3% zunehmen. Diese Veränderungen des zugrunde gelegten mittleren Anteils von 11% bewegen sich innerhalb des Bereichs der lufthygienischen Irrelevanzgrenzen von +/- 3% (vgl. ÄEPFB C.3.3.4.7.1 S. 158) und zeigen, dass der Anteil der leichten Nutzfahrzeuge nur einen geringen Einfluss auf das Emissions- und Immissionsgeschehen hat (vgl. a.GmbH vom 27.2.2024 S. 4). Die pauschale Kritik des Klägers, dass Irrelevanzgrenzen in einer Größenordnung von 3% fachlich wie rechtlich nicht zu rechtfertigen seien, ist nicht nachvollziehbar (vgl. zur grundsätzlichen Vereinbarkeit der Irrelevanzregelungen von Nr. 4.2.2 TA Luft mit der 39. BImSchV BVerwG, U.v. 24.10.2013 – 7 C 36.11 – BVerwGE 148, 155 = juris LS 3 und Rn. 46 ff.), zumal die vom Beklagten herangezogene Irrelevanzschwelle allein der Absicherung des Prognoseergebnisses diente.
137
Zu keiner anderen Einschätzung führt der Hinweis des Klägers, dass in methodischer Hinsicht veraltete Berechnungsprogramme zur Bestimmung von Immissionsanteilen verwendet worden seien. Der Luftschadstoffgutachter hat plausibel erläutert, dass im Zeitraum der Durchführung der Immissionsprognosen, Auswertung und Berichterstellung (Juli 2017) die damals aktuellste Fassung des „Handbuchs für Emissionsfaktoren für Straßenverkehr“ in der Version HBEFA 3.3 (Erscheinungsdatum 25.04.2017) angewendet worden ist (vgl. a.GmbH vom 27.2.2024). Das Update des Handbuches (Version HBEFA 4.1) erfolgte demgegenüber erst im August 2019, also zu einem Zeitpunkt, in dem die von der Vorhabenträgerin eingereichten geänderten bzw. ergänzten Planunterlagen bereits öffentlich ausgelegt worden waren (Zeitraum vom 25.3.2019 bis 24.4.2019) und sich das Verfahren längst im Stadium des Anhörungsverfahrens befand (Abschluss mit Erörterungstermin am 23./24.10.2019). Zudem kann allein daraus, dass zwischenzeitlich neuere Versionen bzw. Updates zur Verfügung stehen, nicht auf die Ungeeignetheit der verwendeten Version geschlossen werden (vgl. BVerwG, U.v. 15.10.2020 – 7 A 9.19 – NVwZ 2021, 1145 = juris Rn. 73). Unabhängig davon hat der Luftschadstoffgutachter darauf hingewiesen, dass die Version HBEFA 4.1 bereits im Januar 2022 durch die Version HBEFA 4.2 ersetzt wurde, nachdem festgestellt worden war, dass bei Anwendung der Emissionsfaktoren aus der Version 4.1 die Ergebnisse teilweise erhebliche Überschätzungen der NO2-Immissionen zeigten (vgl. a.GmbH vom 27.2.2024 S. 4 unter Verweis auf Umweltbundesamt, Abschlussbericht – Verbesserung der NO2-Immissionsmodellierung mit HBEFA 4.1, Februar 2021, S. 5, 51 ff.). In der folgenden Version HBEFA 4.2 wurden daher die Emissionsfaktoren durch entsprechende Aktualisierungen der Inhalte herabgesetzt. Die Anpassungen umfassten u.a. neue Emissionsfaktoren für Schwere Nutzfahrzeuge Euro VI, angepasste NO2/NOx-Verhältnisse, Software-Update für Diesel-Pkw (vgl. a.GmbH vom 27.2.2024 S. 5).
138
c) Der Einwand, die städtische Hintergrundbelastung sei im Rahmen der lufthygienischen Untersuchungen unzureichend ermittelt worden, führt zu keiner anderen Bewertung.
139
Eine mittlere städtische Hintergrundbelastung (Vorbelastung) dient dazu, den Einfluss des lokalen Verkehrs an einem bestimmten Ort innerhalb eines Gebietes oder Ballungsraumes zu bestimmen. Dafür wird die Vorbelastung ohne den zu untersuchenden Verursacher, d.h. ohne den Beitrag des zu betrachtenden Straßenzuges, ermittelt (vgl. BayLfU vom 2.7.2014 S. 1 BA I Bl 4631). Zu dieser gebietsspezifischen Vorbelastung werden die prognostischen Immissionsbeiträge der zu betrachtenden Straßen hinzuaddiert. Das Ergebnis bildet die zukünftige Gesamtbelastung ab.
140
Der Ersteller der Luftschadstoffimmissionsprognose hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um die gebietstypische Vorbelastung zu bestimmen. Zum einen enthält Anhang A der „Richtlinien zur Ermittlung der Luftqualität an Straßen ohne oder mit lockerer Randbebauung“ (RLuS 2012) gebietstypische Vorbelastungswerte. Zum anderen kann die Vorbelastung aus den Werten repräsentativer Messstandorte abgeleitet werden (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2010 – 9 A 20.08 – NuR 2010, 870 = juris Rn. 126; BayLfU vom 14.6.2017 BA I Bl. 4635). Werte gelten als repräsentativ, wenn sie den örtlichen Verhältnissen Rechnung tragen und gegebenenfalls bestehende deutliche Unterschiede der für die Vorbelastung im Plangebiet maßgeblichen Faktoren berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 9.6. 2010 – 9 A 20.08 – NuR 2010, 870 = juris Rn. 129). Dementsprechend sind die Messstationen des Lufthygienischen Landesüberwachungssystems Bayern (LÜB), an denen die Luftqualität in Bayern entsprechend den gesetzlichen Vorgaben für das gesamte bayerische Staatsgebiet erhoben werden, kategorisiert in die drei Belastungssituationen „Ländlicher Hintergrund“, „Städtischer Hintergrund“ und „Städtisch verkehrsnah“ (vgl. BayLfU vom 21.3.2014 S. 2 BA I Bl. 4626 f.).
141
Gemessen daran und unter Berücksichtigung der Vorgaben der Anlage 3 B.1.c) zur 39. BImSchV ist die streitgegenständliche Luftschadstoffimmissionsprognose nicht zu beanstanden. Der Luftschadstoffgutachter hat plausibel erläutert, dass die Werte der RLuS 2012 nicht herangezogen werden konnten, da das planfestgestellte Vorhaben durch Gebiete mit dichter Bebauung führt. Die Vorbelastungswerte für den Untersuchungsraum (städtische Hintergrundbelastung ohne Immissionsbeiträge des Frankenschnellweges) basieren daher auf den LÜB-Messwerten der drei städtischen Hintergrundstandorte Nürnberg (Muggenhof), Erlangen (Kraeplinstraße) und Schwabach (Anger straße) für die Jahre 2014 bis 2016 (vgl. Planunterlage M 11.2.1 Ä S. 6, W 11.2.1 Ä S. 6 i.V.m. BayLfU vom 14.6.2017 BA I Bl. 4635). Dies sind Messstationen i.S.v. § 1 Nr. 22 der 39. BImSchV, da sie sich an Standorten in städtischen Gebieten befinden, an denen die Messwerte repräsentativ für die Exposition der städtischen Bevölkerung sind.
142
aa) Der klägerische Vorhalt, dass wesentliche Messbetrachtungen an Schlüsselstellen auf der N 4 unterblieben wären, trifft nicht zu. Insbesondere war für die Ermittlung der Hintergrundbelastung kein Rückgriff auf die im innerstädtischen Gebiet gelegene Messstation an der Von-der-Tann Straße geboten, da es sich dabei um eine „städtisch verkehrsnahe“ Messstelle handelt (vgl. ÄEPFB C.3.3.4.7.1 S. 155).
143
„Städtisch verkehrsnah“ steht für Messstationen, die sich typischerweise an Straßen mit entsprechend hohem Verkehrsaufkommen befinden. Hier addiert sich zum „Städtischen Hintergrund“ ein Beitrag, der durch die Emissionen des Straßenverkehrs von hochbelasteten Straßen am jeweiligen Standort entsteht. Davon zu unterscheiden ist der hier relevante „Städtische Hintergrund“, der charakteristisch ist für Gebiete, in denen die gemessenen Schadstoffkonzentrationen als typisch für die Luftqualität in der Stadt angesehen werden können. Er beschreibt die Belastung, die sich aus städtischen Emissionen (Industrie, Straßenverkehr, Hausbrand, etc.) ergibt zusammen mit dem ländlichen Hintergrund, d.h. aus Gebieten, in denen die Luftqualität weitgehend unbeeinflusst von lokalen Emissionen ist (vgl. BayLfU vom 21.3.2014 A. 2 BA I Bl. 4627).
144
Bei Heranziehung der vom Kläger bevorzugten Messstation an der Von-der-Tann Straße würde insofern nicht nur die im Plangebiet vorhandene Vorbelastung, sondern zusätzlich die Emissionen des vorbeifließenden Verkehrs gemessen werden (vgl. BayLfU vom 21.3.2014 S. 2 BA I Bl. 4627). Dies würde – ebenso wie die vom Kläger geforderten eigenen Luftqualitätsmessungen an der N 4 und an den Kreuzungen mit der Rothenburger Straße und der Landgraben straße – zu einer Ergebnisverzerrung führen, weil Emissionen des vorbeifließenden Verkehrs im Rahmen der Luftschadstoffberechnung doppelt berücksichtigt würden (vgl. ÄEPFB C.3.3.4.7.1 S. 155).
145
bb) Dem klägerischen Vorbringen, wonach die Datengrundlagen der für 2017 angesetzten Vorbelastungen bei Erlass des streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses im Jahr 2020 bereits zu alt gewesen sei, kann nicht gefolgt werden. Das Bayerische Landesamt für Umwelt (im Folgenden: BayLfU) hat mit Schreiben vom 14. Juni 2017 zur Abschätzung der Vorbelastung für den Bereich des Frankenschnellwegs auf den Mittelwert der vorhergehenden drei Jahre (2014 bis 2016) abgestellt. Die Luftschadstoffimmissionsprognose wurde daraufhin im nahen zeitlichen Zusammenhang erstellt. Im Übrigen sagt das Alter von Werten nichts über ihre generelle Aussagekraft aus. Dass die Daten nicht mehr von hinreichender Aktualität oder Aussagekraft gewesen wären, zeigt die Klägerseite nicht auf. Die vom BayLfU erstellten Lufthygienische Jahreskurzberichte 2019 und 2020 unterstreichen demgegenüber, dass die positive Trendentwicklung hinsichtlich der Verbesserung der Luftqualität und der gemessenen Jahresmittelwerte von Stickstoffdioxid (NO2), Feinstaub (PM10) und (PM2,5) sowie Ozon (O3) weiter anhält (vgl. S. 2, 6 f.). Insofern führt der angewandte Mittelwert zu keinen Nachteilen für die Klägerseite bei der Prognoseberechnung.
146
cc) Zu keiner anderen Beurteilung führt in diesem Zusammenhang der klägerische Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26. Juni 2019 (C-723/17 – NVwZ 2019, 1105). Dieses bezieht sich auf die Luftreinhalteplanung und sieht allein hinsichtlich der Überschreitung lufthygienischer Grenzwerte die Bildung eines Mittelwerts aller Probenahmestellen eines bestimmten Gebiets als unzulässig an.
147
Im Gegensatz zur streitgegenständlichen lufthygienischen Untersuchung, bei der die relevanten Schadstoffbelastungen ohne und mit Ausbau des Frankenschnellwegs zu prognostizieren und hinsichtlich der Grenzwertfestlegung der 39. BImSchV zu bewerten waren, sollen Luftreinhaltepläne als Instrument des gebietsbezogenen Immissionsschutzes die Einhaltung der festgelegten Grenzwerte für Luftschadstoffe gewährleisten. Dementsprechend erfolgt im Rahmen der Luftreinhalteplanung keine ausschließliche Ermittlung der Vorbelastung ohne die Immissionsbeiträge einer bestimmten Straße, sondern die Messstellen werden in der Nähe des jeweiligen Immissionspunktes gewählt (z.B. städtisch verkehrsnahe Messstellen). Aufgrund dieser grundsätzlich unterschiedlichen Ausgangssituation können die Ausführungen im Urteil die Methode der vorliegenden Ermittlung der Hintergrundbelastung eines Gebiets für die Durchführung von prognostischen Berechnungen nicht infrage stellen.
148
dd) Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der vom Fachbeistands des Klägers beschriebenen Vorgehensweise zur Ermittlung der Vorbelastung in einem lufthygienischen Gutachten für die Stadt Linz.
149
Der Luftschadstoffgutachter hat für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass aus den übermittelten Gutachtenpassagen keine generellen Abweichungen zu seiner eigenen Herangehensweise festzustellen sind (vgl. a.GmbH vom 27.2.2024 S. 5 f.). Im Übrigen ist die grundsätzliche Vergleichbarkeit beider Gutachten fraglich, nachdem das Linzer Gutachten darauf abzielte, die Stickstoffdioxid-Belastung für das gesamte Stadtgebiet zu ermitteln, während mit dem streitgegenständlichen lufthygienischen Gutachten nur die Vorbelastung in den beiden Ausbauabschnitten der N 4 zu ermitteln war (vgl. a.GmbH vom 27.2.2024 S. 6).
150
d) Der Vortrag, dass Belastungen von Streckenabschnitten mit Fahrzeugen unter 10.000 Kfz/24 h nicht berücksichtigt worden seien, ist nicht geeignet, die lufthygienische Untersuchung infrage zu stellen.
151
Gegenstand der projektbezogenen Luftschadstoffimmissionsprognose war das konkrete Planungsvorhaben. Entsprechend beschränkte sich das zu untersuchende Gebiet auf den Bereich der von dem Ausbau betroffenen Abschnitte der N 4, also von der Anschlussstelle Nürnberg/Fürth im Westen bis südlich der Anschlussstelle Südring (Otto-Brenner-Brücke). Dagegen gehörte es nicht zur Aufgabenstellung, ähnlich der Luftreinhalteplanung stadtteilrelevante oder regionale lufthygienische Prognosen abzugeben (vgl. a.GmbH vom 27.2.2024 S. 3). Die Planfeststellungsbehörde hat sich bereits im Rahmen des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses mit diesem Aspekt auseinandergesetzt und dazu ausgeführt, dass für diese Bereiche auch ohne detaillierte Berechnungen eine Überschreitung der Grenzwerte der 39. BImSchV mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Dies hätten ergänzende lufthygienische Berechnungen für den nördlichen Bereich der Diana straße bestätigt (vgl. ÄEPFB C.3.3.4.7.1 S. 157 f.) Der Vortrag des Klägers lässt nicht erkennen, warum diese Feststellungen unrichtig sein sollten. Allein die Behauptung des Gegenteils reicht hierfür jedenfalls nicht aus.
152
e) Ein methodischer Mangel ist auch nicht ersichtlich bei der Bewertung der Feinstaubbelastung.
153
In der Luftschadstoffimmissionsprognose wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es noch keine geeignete Methode zur Ausbreitungsprognose für den Parameter PM2,5 gibt, weshalb eine Abschätzung der Konzentration des Parameters anhand gemessener Werte aus den Messungen des Luftmessnetzes des BayLfU vorgenommen wurde (vgl. Planunterlagen W 11.2.1. Ä S. 20, M 11.2.1 Ä S. 23; ÄEPFB C.3.3.4.7.1 S. 158 f.). Vorliegend wurde ein Mittelwert von 68% angesetzt, da bei den in den Jahren 2015 und 2016 an drei städtischen Verkehrsstationen durchgeführten Messungen der PM2,5 Anteil an den PM10-Immissionen jeweils zwischen 56% und 76% schwankte.
154
Dem klägerischen Vortrag, mit dem er einen höheren Ansatz von PM2,5 im Sinne einer worst-case-Betrachtung fordert, kann nicht gefolgt werden. Die Vorhabenträgerin hat eine entsprechende Berechnung bereits im Vorfeld des Erörterungstermins durchgeführt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass auch bei Zugrundelegung eines Anteils von 76% PM2,5 am Parameter PM10 an keinem der näher untersuchten Streckenabschnitte der betreffende Grenzwert der 39. BImSchV überschritten wird (vgl. ÄEFPB C.3.3.4.7.2 S. 161). Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten.
155
3. Es bestehen keine Bedenken gegen die hinsichtlich der Frage des Lärmschutzes erfolgte Abwägung. Der pauschale Verweis des Klägers auf die Fehlerhaftigkeit der Verkehrsprognose ist nicht geeignet, Zweifel an der schalltechnischen Untersuchung hervorzurufen. Zudem greifen die Einwände gegen die Verkehrsprognose nicht durch (Rn. 70 ff.).
156
4. Soweit der Kläger mit seinem Vortrag zur Umweltverträglichkeitsprüfung zusätzlich einen Abwägungsfehler wegen nicht hinreichender Berücksichtigung globaler Klimabelange geltend machen wollte, kann er damit nicht durchdringen. Diese Belange mussten weder beim Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 28. Juni 2013 noch im Rahmen des Änderungs- und Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses vom 10. Juli 2020 berücksichtigt werden.
157
Eine solche Berücksichtigungspflicht ergibt sich nicht aus § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG. Diese Vorschrift begründet zwar eine Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde, den globalen Klimaschutz und die Klimaschutzziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes als öffentlichen Belang in die Gesamtabwägung nach § 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG einzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 4.5.2022 – 9 A 7.21 – BVerwGE 175, 312 = juris Rn. 59; U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 163). Allerdings handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Vorhaben nicht um eine Bundesfern straße, sondern um eine Kreisstraße im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayStrWG (vgl. Rn. 28), deren Planfeststellung sich nach den landesrechtlichen Vorschriften der Art. 36 ff. Bay-StrWG, Art. 72 ff. BayVwVfG richtet. Das bundesrechtliche Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG gilt daher nicht. Eine entsprechende landesrechtliche Regelung für Planungen und Entscheidungen der Träger öffentlicher Belange ist im Bayerischen Klimaschutzgesetz (BayKlimaG) bislang nicht enthalten (vgl. BayVGH, B.v. 19.9.2022 – 8 CS 22.1552 – juris Rn. 73; B.v. 29.12.2023 – 8 ZB 23.687 – juris Rn. 38).
Schließlich bleiben die hilfsweise gestellten Verpflichtungsanträge ohne Erfolg.
159
Nach dem vorstehend Dargelegten kann der Kläger mit seinen auf eine Verpflichtung des Beklagten gerichteten Hilfsanträgen, den streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts um Schutzauflagen (Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG) im Hinblick auf die Einhaltung der Grenzwerte von Feinstaub PM10 und Stickstoffdioxid NO2 zu ergänzen, nicht durchdringen. Nach den Ergebnissen der Luftschadstoffprognose werden die lufthygienischen Grenzwerte der 39. BImSchV sowohl im Abschnitt Mitte als auch im Abschnitt West eingehalten.
160
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem unterlegenen Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
161
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.
162
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.