Inhalt

VGH München, Urteil v. 22.01.2024 – 8 A 22.40039
Titel:

Klage gegen Planfeststellungsbeschluss für B 15/16 mit Neubau einer Brücke

Normenketten:
FStrG § 3 Abs. 1 S. 2, § 17 Abs. 1, § 19 Abs. 2
GG Art. 14 Abs. 1
VwVfG § 74 Abs. 2 S. 3, § 75 Abs. 1a
UVPG § 25
Leitsätze:
1. Der Planrechtfertigung steht nicht entgegen, dass ein Vorhaben nicht im Bedarfsplan für Bundesfernstraßen enthalten ist. § 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG bestimmt lediglich positiv, dass die Feststellung des Bedarfs für die in den Bedarfsplan aufgenommenen Vorhaben verbindlich ist; eine bindende negative Feststellung des Inhalts, dass für nicht in den Bedarfsplan aufgenommene Vorhaben kein Bedarf besteht, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verkehrsprognosen unterliegen nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Sie sind lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie methodisch einwandfrei erarbeitet worden sind, nicht auf unrealistischen Annahmen beruhen und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Auswahl unter verschiedenen Ausführungsvarianten eines Vorhabens ist – ungeachtet hierbei zu beachtender, rechtlich zwingender Vorgaben – eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials müssen alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt werden und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingehen. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
4. Macht ein von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung eines straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses Betroffener geltend, durch das Vorhaben werde sein Betrieb in seiner Existenz gefährdet oder gar vernichtet, gehört dieser Einwand zu den Belangen, mit denen sich die Planfeststellungsbehörde im Rahmen der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange grundsätzlich auseinandersetzen muss. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Planfeststellung, Ausbau einer Bundesstraße mit Neubau einer Brücke, Planrechtfertigung, Verkehrsprognose, Trassenwahl, Gärtnerei
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 25.09.2024 – 9 B 25.24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18904

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.    
II.    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.    
III.    Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.    
IV.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung der ... vom 31. Januar 2014 in der Fassung des Planfeststellungsänderungs- und ergänzungsbeschlusses vom 5. April 2022 für die Bundesstraßen (B) 15/16 – Ausbau der N.straße mit Neubau der S. ...rücke und Umbau des L. Kreisels (Baukm 0+080 bis Baukm 2+860: N.straße und S. ...brücke; Baukm 0+130 bis Baukm 0+645: L. Kreisel).
2
Das Vorhaben umfasst den Ausbau der N.straße (B 15), den Neubau der S. ...brücke und den Umbau des L. Kreisels (Verteilerring an der Anschlussstelle R. Nord der A 93 mit Verknüpfung der B 16, Kreisstraße R 18 sowie Zufahrt L.). Die Planung sieht einen vierstreifigen Ausbau der N.straße von der Kreuzung B.-/I.straße bis zur Kreuzung A2.Straße vor; zwischen Baukm 1+271 und 1+670 soll eine Schallschutzeinhausung errichtet werden. Nach der Kreuzung mit der A2.Straße soll die B 15 in einem Neubauabschnitt westlich über den Regen (S. ...brücke) geführt und an den L. Kreisel sowie – über das vorhandene Unterführungsbauwerk an der A 93 – an den neuen Innerortsknoten L. angeschlossen werden.
3
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … Gemarkung …, das von dem Vorhaben zu 3.030 m2 dauerhaft und zu 2.750 m2 vorübergehend in Anspruch genommen wird; er betreibt dort eine Gärtnerei mit Anbau- und Verkaufsflächen.
4
Die Beigeladene zu 1 beantragte unter dem 18. November 2008 im eigenen Namen und im Namen des Staatlichen Bauamts R. die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens. Die Planunterlagen wurden vom 26. Januar bis 27. Februar 2009 ausgelegt. Die Kläger erhoben Einwendungen. Die gegen den Plan erhobenen Einwendungen wurden am 2., 3., 6., 8. und 9. Februar 2012 erörtert.
5
Die Regierung der ... stellte den Plan mit Beschluss vom 31. Januar 2014 fest. Die Auslegung erfolgte vom 3. bis 17. März 2014. Die Einwendungen des Klägers wurden zurückgewiesen (Einwendungsführer 0006, vgl. PFB S. 538 ff.).
6
Am 12. März 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Mit Beschluss vom 18. Januar 2016 hat der Senat das Verfahren zur Nachholung einer Umweltverträglichkeitsprüfung ausgesetzt.
7
Die Regierung der ...erließ am 5. April 2022 einen Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschluss. Die Einwendungen des Klägers wurden zurückgewiesen (Einwendungsführer E019, vgl. PÄEB S. 242 ff.).
8
Der Kläger hat diesen Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschluss in seine Klage einbezogen. Er rügt eine unzureichende Alternativenprüfung hinsichtlich einer Verschiebung der Trasse nach Norden. Die Abschnittsbildung sei willkürlich; es fehle an einer Gesamtbetrachtung der zu erwartenden nachteiligen Umweltauswirkungen. Die Verkehrszählung aus dem Jahr 2015 sei veraltet. Die bauzeitliche Staubbelastung werde den Anforderungen einer Gärtnerei als (auch) Lebensmittel erzeugender Betrieb nicht gerecht. Die Existenzgefährdung sei unverhältnismäßig und zumindest zu entschädigen. Das Ersatzgrundstück sei schlecht geeignet; die Zufahrtssituation und der Zuschnitt erschwerten eine gartenbauliche Nutzung. Weitere Ersatzflächen (FlNrn. … und …*) seien nicht zugesagt worden. Auch für die unbebauten Grundstücke FlNrn. … und … hätte Lärmschutz gewährt werden müssen.
9
Er beantragt,
10
den Planfeststellungsbeschluss der Regierung der ... vom 31. Januar 2014 in der Fassung des Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschlusses vom 5. April 2022 aufzuheben,
11
Der Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13
Er verteidigt den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss und Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschluss.
14
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
15
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2014 bzw. den Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschluss vom 5. April 2022 durch mehrere Protokollerklärungen geändert oder ergänzt.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

17
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
A.
18
Die Klage ist zulässig.
19
Der Kläger ist insbesondere klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Er ist Eigentümer eines Grundstücks, das für das Vorhaben teils dauerhaft und teils vorübergehend in Anspruch genommen wird und auf das sich daher gemäß § 19 FStrG die enteignungsrechtliche Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses erstreckt.
B.
20
Die Klage ist jedoch unbegründet.
21
Der Kläger hat keinen Rechtsfehler aufgezeigt, der zur vollständigen oder teilweisen Aufhebung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder Rechtswidrigkeitserklärung (§ 17c FStrG i.V.m. Art. 75 Abs. 1a BayVwVfG) des Planfeststellungsbeschlusses in Gestalt des Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschlusses in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Protokollerklärungen führt.
22
Die Kläger ist hinsichtlich der planfestgestellten Straßenbaumaßnahme enteignungsbetroffen, sodass ihm ein Anspruch auf gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses auf seine objektive Rechtmäßigkeit (sog. Vollüberprüfungsanspruch) zusteht, soweit der geltend gemachte Fehler für die Inanspruchnahme seines Grundstücks kausal ist (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 = juris Rn. 26 ff.; U.v. 12.8.2009 – 9 A 64.07 – BVerwGE 134, 308 = juris Rn. 24).
23
I. Formelle Mängel des Verfahrens zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses bzw. des Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschlusses, die seinem Klagebegehren ganz oder teilweise zum Erfolg verhelfen könnten, hat der Kläger nicht geltend gemacht; solche sind für den Senat auch sonst nicht ersichtlich.
24
II. Der Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des Planfeststellungsänderungs- und - ergänzungsbeschlusses in der Fassung der Protokollerklärungen aus der mündlichen Verhandlung leidet an keinen materiellen Rechtsfehlern.
25
1. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben liegt vor.
26
Die Planung ist gerechtfertigt, wenn für das beabsichtigte Vorhaben nach Maßgabe der vom Gesetz verfolgten Ziele einschließlich sonstiger gesetzlicher Entscheidungen ein Bedürfnis besteht. Das ist nicht erst bei der Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern bereits dann, wenn es vernünftigerweise geboten ist. Die Planrechtfertigung stellt damit eine praktisch nur bei groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriffen wirksame Schranke der Planungshoheit dar (vgl. BVerwG, B.v. 22.6.2023 – 7 VR 3.23 – NVwZ 2023, 1657 = juris Rn. 23; B.v. 4.9.2018 – 9 B 24.17 – juris Rn. 3; B.v. 23.10.2014 – 9 B 29.14 – NVwZ 2015, 79 = juris Rn. 4). Sie kann sich bindend aus einer gesetzlichen Bedarfsfeststellung oder im Einzelfall ergeben.
27
Das Vorhaben stellt keinen planerischen Missgriff dar. Es dient dem Ziel, Bundesfernstraßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 FStrG). Mit dem Vorhaben soll eine leistungsfähige Anbindung des R. Nordens an das Netz der Bundesfernstraßen geschaffen werden. Mit der Netzergänzung durch Neubau der Sallerner Brücke wird die A2.Straße im Bereich der derzeitigen zweistreifigen Ortsdurchfahrt der B 15 entlastet und es werden Konflikte mit der dortigen Wohnbebauung aufgelöst. Im Bereich der N.straße verfolgt der Vorhabenträger das Ziel, die B 15 entsprechend der prognostizierten wachsenden Verkehrsbelastung nach dem Stand der Technik auszubauen und die Lücke in einer Hauptverkehrsachse zu schließen (vgl. Planfeststellungsbeschluss [PFB] S. 157 ff.; Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschluss [PÄEB] S. 112 ff.; Erläuterungsbericht [EB] S. 13 f.). Die Kapazität und Verkehrssicherheit des L. Kreisels, der die an der Anschlussstelle R.-Nord der A 93 zusammentreffenden Verkehrsströme abwickelt, soll erhöht werden; in den Spitzenstunden gibt es dort größere Stauungen (vgl. EB S. 14). Für die Beigeladene zu 1 hat der Bau der S. ...brücke, den sie seit den 1960er-Jahren verfolgt (vgl. PFB S. 76 ff.; EB S. 11 ff.), eine hohe Priorität (vgl. Verkehrsuntersuchung Großraum Regensburg, Kurzfassung, Juni 2005, BA „Unterlagen für den Beschluss“, Registerblatt „VU Großraum Regensburg“, S. 16 f.).
28
Der Planrechtfertigung steht nicht entgegen, dass das Vorhaben nicht im Bedarfsplan für Bundesfernstraßen enthalten ist. § 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG bestimmt lediglich positiv, dass die Feststellung des Bedarfs für die in den Bedarfsplan aufgenommenen Vorhaben verbindlich ist; eine bindende negative Feststellung des Inhalts, dass für nicht in den Bedarfsplan aufgenommene Vorhaben kein Bedarf besteht, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen (vgl. BVerwG, U.v. 8.1.2014 – 9 A 4.13 – BVerwGE 149, 31 = juris Rn. 31; B.v. 15.7.2005 – 9 VR 39.04 – juris Rn. 5). Auch an Bundesfernstraßen, deren Ausbau im Bedarfsplan nicht vorgesehen ist, können Verbesserungsmaßnahmen von geringer örtlicher Ausdehnung notwendig werden, die nicht Gegenstand des Bedarfsplans sind (vgl. BVerwG, B.v. 1.4.2005 – 9 VR 7.05 – NuR 2005, 709 = juris Rn. 7; B.v. 15.5.2001 – 4 B 32.01 – NVwZ 2001, 1163 = juris Rn. 8).
29
2. Aus der Anwendung der 16. BImSchV ergeben sich keine Rechtsfehler.
30
a) Den Einwand, die Grenzwerte für ein allgemeines Wohngebiet (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV) seien am Wohngebäude überschritten, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten (vgl. Sitzungsprotokoll S. 7). Deshalb erübrigt sich eine Entscheidung darüber, ob für das Grundstück FlNr. … entsprechend der Schutzbedürftigkeit (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 der 16. BImSchV) zutreffend die für ein Mischgebiet (§ 6 BauNVO) geltenden Lärmgrenzwerte angesetzt worden sind (zum Vertrauensschutz von Wohnnutzungen an der Grenze zum Außenbereich vgl. BVerwG, B.v. 12.1.2015 – 4 BN 18.14 – ZfBR 2015, 271 = juris Rn. 30; B.v. 18.12.1990 – 4 N 6.88 – NVwZ 1991, 881 = juris Rn. 29; BayVGH, B.v. 3.2.2017 – 9 CS 16.2477 – juris Rn. 19).
31
b) Im Übrigen ist der gegen die Lärmberechnung gerichtete Einwand, die Daten der Verkehrszählung aus dem Jahr 2015 seien veraltet, unberechtigt.
32
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterliegen Verkehrsprognosen nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Sie sind lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie methodisch einwandfrei erarbeitet worden sind, nicht auf unrealistischen Annahmen beruhen und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 15.10.2020 – 7 A 9.19 – NVwZ 2021, 1145 = juris Rn. 111; U.v. 9.6.2010 – 9 A 20.08 – NVwZ 2011, 177 = juris Rn. 73).
33
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat keine Bedenken an der Verwertbarkeit der Verkehrsuntersuchung vom 16. Dezember 2019 (Unterlage E 1.1, BA PÄEB S. 2244 ff.), mit der die Verkehrsprognose ergänzt wurde, die dem Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschluss zugrunde liegt (vgl. PÄEB S. 119 ff., 198 ff., 231). Die u.a. verwendeten Zahlen aus der amtlichen Verkehrszählung 2015 waren im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschlusses (5.4.2022) nicht überholt. Die Straßenverkehrszählung findet alle fünf Jahre statt. Die für 2020 angesetzte Zählung wurde pandemiebedingt auf das Jahr 2021 verschoben; die Ergebnisse lagen – wie der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt hat – erst später vor (vgl. auch Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 24.10.2022, abrufbar unter https://www.stmb.bayern.de/med/pressemitteilungen/pressearchiv/2022/178/index.php). Dass die Daten aus der Verkehrszählung 2015 gleichwohl nicht mehr von hinreichender Aktualität oder Aussagekraft gewesen wären, zeigt die Klägerseite nicht auf; es fehlen konkrete Anhaltspunkte oder Indizien, dass die vom Gutachter bis zum Jahr 2035 gezeichnete Verkehrsentwicklung überholt wäre. Der Verkehrsgutachter des Vorhabenträgers hat die Aktualität seiner Verkehrsuntersuchung in der mündlichen Verhandlung bekräftigt (vgl. Sitzungsprotokoll S. 5); die DTV-Werte von 2015 seien die richtige Grundlage, weil die Werte von 2020 und 2021 pandemiebedingt vorübergehend zurückgegangen seien. Die von dem Kläger aufgestellte Behauptung, der Rückgang sei wegen neuerer Mobilitätsentwicklungen (Carsharing, Homeoffice, Wohnen abseits der Städte) nicht nur ein vorübergehender, ist nicht näher belegt. Der Verkehrsgutachter des Vorhabenträgers hat diese Behauptung in der mündlichen Verhandlung zurückgewiesen; neuere örtliche Untersuchungen in Bayern hätten innerorts fast wieder das Niveau von 2019 ergeben. Der Vertreter des Straßenbauamts hat sich auf die vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr am 3. März 2023 veröffentlichte „Gleitende Langfristige Verkehrsprognose“ berufen; daraus ergebe sich, dass das Verkehrsaufkommen bis zum Jahr 2051 – unter Berücksichtigung u.a. einer verstärkten Nutzung von Homeoffice – zunehme (vgl. Sitzungsprotokoll S. 6).
34
Für den Senat besteht – unabhängig von der nach Erlass des Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschlusses veröffentlichten „Gleitenden Langfristigen Verkehrsprognose“ – kein Anlass, ein weiteres Verkehrsgutachten einzuholen. Die Klägerseite, die mit ihrem vorsorglich gestellten Beweisantrag (vgl. Sitzungsprotokoll S. 6) die weitere Erforschung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO angeregt hat, zeigt die fehlende Eignung der Verkehrsuntersuchung des Vorhabenträgers nicht hinreichend auf; eine weitere Beweisaufnahme drängt sich nicht auf (vgl. BVerwG, B.v. 1.12.2022 – 7 B 18.22 – juris Rn. 7; B.v. 21.10.2019 – 1 B 49.19 – juris Rn. 46).
35
c) Für die Grundstücke FlNr. … Gemarkung … und FlNr. … Gemarkung … ist entgegen der Auffassung des Klägers kein Lärmschutz notwendig.
36
Beide Grundstücke sind unbebaut; eine schutzbedürftige Nutzung ist weder aufgezeigt noch sonst erkennbar. Der Verkehrslärmschutz nach §§ 41 ff. BImSchG und der 16. BImSchV bezieht sich, wie auch aus § 42 Abs. 1 BImSchG hervorgeht, auf bauliche Anlagen, die entweder schon vorhanden oder doch zumindest planerisch konkretisiert sind (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2022 – 7 A 9.21 – BVerwGE 177, 108 = juris Rn. 32; B.v. 19.10.2011 – 9 B 9.11 – NVwZ 2012, 46 = juris Rn. 5; Jarass, BImSchG, 14. Aufl. 2022, § 41 Rn. 36). Konkrete Bauabsichten hat der Kläger nicht dargetan.
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3. Das Vorhaben verstößt nicht gegen das Abwägungsgebot.
38
Das fachplanerische Abwägungsgebot (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG i.d.F.v. 10.9.2021 und § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG i.d.F.v. 28.6.2007) verlangt, dass – erstens – eine Abwägung überhaupt stattfindet, – zweitens – in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und – drittens – weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (stRspr, vgl. nur BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 152; U.v. 11.7.2019 – 9 A 13.18 – BVerwGE 166, 132 = juris Rn. 200). Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 14.2.1975 – IV C 21.74 – BVerwGE 48, 56 = juris Rn. 37; U.v. 1.9.2022 – 7 A 7.21 – VRS 143, 200 = juris Rn. 15). Diese Maßstäbe wurden vorliegend eingehalten.
39
a) Ohne Erfolg macht der Kläger eine willkürliche Abschnittsbildung geltend.
40
Mit der Wertung der Planfeststellungsbehörde, das Vorhaben bilde mit dem bereits planfestgestellten Ausbau der N.straße zwischen der H.straße und der I.straße keine übergreifende, in Abschnitten zu verwirklichende Gesamtplanung (vgl. PÄEB S. 230; PFB S. 450 f.), setzt sich die Klägerseite nicht auseinander. Aber selbst wenn man eine Abschnittsbildung annähme, zeigt der Kläger nicht auf, dass die von den beiden Planfeststellungen geschaffene Probleme unbewältigt blieben (vgl. dazu BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 = juris Rn. 724; U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 158). Soweit der Kläger eine „offene Alternativenprüfung“ vermisst, verkennt er, dass sich diese nicht darauf verengt, inwieweit geschaffenen Zwangspunkte noch Variationsspielräume lassen. Zwangspunkte erzeugen keine strikten Bindungen in dem Sinn, dass sie in die weitere Planung als feste Determinanten einzustellen wären; sie behalten die Qualität eines im Wege der Abwägung überwindbaren Belangs (vgl. BVerwG, U.v. 11.10.2017 – 9 A 14.16 – BVerwGE 160, 78 = juris Rn. 150; U.v. 25.1.2012 – 9 A 6.10 – NVwZ 2012, 567 = juris Rn. 23).
41
b) Die Trassenauswahl weist keine Fehler auf.
42
Die Auswahl unter verschiedenen Ausführungsvarianten eines Vorhabens ist – ungeachtet hierbei zu beachtender, rechtlich zwingender Vorgaben – eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials müssen alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt werden und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingehen. Die Behörde braucht den Sachverhalt dabei nur so weit zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist; Alternativen, die ihr aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheinen, darf sie schon in einem frühen Verfahrensstadium ausscheiden. Die dann noch ernsthaft in Betracht kommenden Trassenalternativen müssen im weiteren Planungsverfahren detaillierter untersucht und verglichen werden. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Trassenwahl sind erst dann überschritten, wenn der Behörde beim Auswahlverfahren infolge fehlerhafter Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist oder wenn sich eine andere als die gewählte Trassenführung unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 = juris Rn. 660; U.v. 9.11.2017 – 3 A 4.15 – BVerwGE 160, 263 = juris Rn. 98; U.v. 5.10.2021 – 7 A 13.20 – BVerwGE 173, 296 = juris Rn. 69).
43
Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Verwerfung einer nach Norden verschobenen Trassenführung nicht zu beanstanden; der Kläger zeigt nicht auf, dass sich die von ihm bevorzugte Trasse nördlich seines Grundstücks insgesamt aufdrängt.
44
Die Planfeststellungsbehörde hat eine nördliche Trassenvariante im Rahmen einer Grobanalyse ausgeschieden, weil sich u.a. durch das Unterführungsbauwerk im Zuge der A 93 ein Zwangspunkt für die Linienführung ergäbe (vgl. PFB S. 168 f., 539). Der Bau einer neuen Unterführung weiter nördlich wäre technisch sehr aufwendig und finanziell teuer, die Baudurchführung unter Aufrechterhaltung des Verkehrs auf der A 93 schwierig. Zudem wäre das städtische Ortsstraßennetz an eine neue Trassierung im Norden in größerem Umfang anzupassen als bei der gewählten Lösung. Im Norden müsste der Regen schrägwinklig gequert werden; das entsprechend längere und teurere Brückenbauwerk griffe stärker in das FFH-Gebiet Nr. DE 6741-371 „Chamb, Regentalaue und Regen zwischen Roding und Donaumündung“ ein (vgl. PFB S. 540).
45
Mit diesen plausiblen Erwägungen setzt sich die Klägerseite nicht hinreichend auseinander. Ihr Vorhalt, ein Mehraufwand für die Trassenverschiebung nach Norden sei nicht nachvollziehbar ermittelt und begründet worden, geht fehl. Er verkennt, dass die Planfeststellungsbehörde den Sachverhalt nur so weit klären muss, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 10.11.2022 – 4 A 16.20 – juris Rn. 29; U.v. 2.7.2020 – 9 A 19.19 – BVerwGE 169, 94 = juris Rn. 75). Dies hat sie vorliegend abwägungsfehlerfrei getan (vgl. PFB S. 168 f., 539 f., 544). Der Grobanalyse, wonach eine Trassenverschiebung nach Norden weniger geeignet ist, liegt eine ausreichende Ermittlungstiefe zugrunde. Dass die Einbindung des bestehenden, mit zwei Feldern ausreichend dimensionierten Unterführungsbauwerks der A 93 – bautechnisch und finanziell – vorteilhaft ist, liegt auf der Hand; einer detaillierten Kostenschätzung bedurfte es nicht. Die Behauptung des Klägers, eine Verlegung des „nördlichen Brückenkopfes“ um nur wenige Dutzend Meter sei technisch und finanziell ohne großen Mehraufwand möglich und verbessere den Verkehrsfluss, ist durch nichts belegt. Der mit Anlage K 9 zum Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 vorgelegte Lageplan enthält keine Alternativlösung für die Sallerner Brücke, sondern gibt einen Vorschlag aus dem Erläuterungsbericht des Verkehrskonzepts der Beigeladenen zu 1 aus dem Jahr 2006 wieder, der ausschließlich den Umbau des L. Kreisels (Änderung der Anbindung der Kreisstraße R 18 mit einem Kreisverkehr; ohne Regenbrücke) betrifft.
46
Rechtlich unerheblich ist, dass der Vorhabenträger die Lage des im Zuge des früheren Neubaus der A 93 mit errichteten Unterführungsbauwerks selbst zu verantworten hat. Ein Zwangspunkt im Sinn einer abschnittsweisen Planverwirklichung (vgl. dazu etwa BVerwG, U.v. 2.7.2020 – 9 A 19.19 – BVerwGE 169, 94 = juris Rn. 98; U.v. 25.1.2012 – 9 A 6.10 – NVwZ 2012, 567 = juris Rn. 21) wurde damit nicht geschaffen. Bei dem Vorhaben handelt es sich nicht um einen Folgeabschnitt der A 93. Aber selbst wenn man dies unterstellte, wäre eine solche Festlegung im Folgeabschnitt zu beachten; andernfalls bedürfte es einer vorbeugenden Klagemöglichkeit nicht unmittelbar, aber im weiteren Planungsverlauf zwangsläufig Betroffener nicht. Die spätere Alternativenprüfung wäre in einem solchen Fall aber nicht auf die Untersuchung verengt, inwieweit geschaffenen Zwangspunkte noch Variationsspielräume lassen (vgl. oben Rn. 40).
47
Nachvollziehbar ist auch, dass eine nördlichere Trassierung ein längeres, schrägwinkliges Brückenbauwerk erforderte, das naturschutzfachlich ungünstiger ist als die gewählte geradlinige Verbindung zwischen der Kreuzung N.straße/A.Straße und der Unterführung der A 93 (vgl. PFB S. 540; EB S. 21). Die Lage, Länge und Ausgestaltung des Brückenbauwerks ist für die Umweltverträglichkeit des Vorhabens von großer Bedeutung (für das Kollisionsrisiko für Fledermäuse, Insekten und Vögel vgl. Landschaftspflegerischer Bestands- und Konfliktplan, Anlage 12.1 A-1, kartierter Eingriff K 15). Die gewählte Brückenvariante wurde im Rahmen einer vergleichenden Gegenüberstellung potenzieller Auswirkungen als die naturschutzfachlich günstigste ermittelt (vgl. Unterlage E 19 [UVP], BA PÄEB S. 3013 ff./3049; Unterlage 12 [Landschaftspflegerischer Begleitplan – Textteil] Anhang 7.4 [Naturschutzfachliche Angaben zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung] S. 6).
48
Im Übrigen liegt dem klägerischen Vortrag zu Trassenvarianten auch ein unzutreffender rechtlicher Maßstab zugrunde. Dass eine Verschiebung der Trasse nach Norden „möglich“ wäre, würde noch zu keinem Abwägungsfehler führen. Ein solcher liegt erst dann vor, wenn sich die im Rahmen einer Grobanalyse verworfene, nicht näher untersuchte Lösung hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.1996 – 4 C 5.95 – BVerwGE 100, 238 = juris Rn. 29; U.v. 12.8.2009 – 9 A 64.07 – BVerwGE 134, 308 = juris Rn. 123; U.v. 25.9.2013 – 6 C 13.12 – BVerwGE 148, 48 = juris Rn. 41).
49
Der Hilfsbeweisantrag des Klägers, ein Sachverständigengutachten zum Beweis für die Tatsache einzuholen, dass es technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist, die Trasse vor dem Grundstück des Klägers weiter nach Norden zu verschieben, so dass wesentlich weniger seiner Fläche in Anspruch genommen werden muss (sowohl dauerhaft als auch vorübergehend) und wesentlich weniger schädliche Umwelteinwirkungen in Richtung seines Wohnanwesens und seines Betriebs emittiert werden, gibt keinen Anlass für eine weitere Sachverhaltsaufklärung. Ob eine nördliche Trassierung „technisch möglich“ wäre, ist nicht entscheidungserheblich (vgl. oben Rn. 48). Die Frage, ob dem Vorhabenträger eine Trassenvariante im Norden „wirtschaftlich zumutbar“ ist, hat keine Tatsachenbehauptung zum Gegenstand, sondern eine rechtliche Wertung bei der Alternativenprüfung, die dem Gericht vorbehalten ist (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 106). Eine weitere Beweiserhebung nach § 86 Abs. 1 VwGO drängt sich deshalb nicht auf (vgl. BVerwG, B.v. 1.12.2022 – 7 B 18.22 – juris Rn. 7; B.v. 21.10.2019 – 1 B 49.19 – juris Rn. 46).
50
c) Der Abwägungsentscheidung fehlt es an keiner Gesamtbetrachtung bzw. -bewertung der Umweltauswirkungen des Vorhabens.
51
Die Planfeststellungsbehörde hat die Umweltauswirkungen des Vorhabens bewertet und ihre Bewertung begründet (vgl. §§ 25 f. UVPG). Dabei wurden entgegen der Auffassung des Klägers nicht nur einzelne Vorhabenteile isoliert betrachtet, sondern die gesamte Straßenbaumaßnahme in den Blick genommen (vgl. PÄEB S. 48, 111). Dass die vom Vorhabenträger vorgelegte Unterlage zur Umweltverträglichkeitsprüfung (Unterlage E 19, BA PÄEB S. 3013 ff.) die artenschutzrechtliche Beurteilung gegliedert nach den Bauabschnitten „Regenbrücke“ und „L. Kreisel“ dargestellt hat (vgl. Unterlage E 19 S. 65 ff.), ändert daran nichts (vgl. PÄEB S. 230).
52
Auch hinsichtlich der einzelnen Schutzgüter fehlt es nicht an einer Gesamtbewertung. Diese hat ergeben, dass nur lokal bedeutsame, vertretbare Umweltauswirkungen zu erwarten sind, die dem Vorhaben nicht entgegenstehen (vgl. PÄEB S. 111). Soweit der Kläger die Bewertung hinsichtlich der Schutzgüter Stadtklima und Lufthygiene angreift, kann er nicht durchdringen. Die vom Vorhabenträger eingeholten Gutachten stützen die Aussage, dass es sich insoweit nur um lokal bedeutsame, vertretbare Umweltauswirkungen handelt. Das Stadtklima – vor allem die Kalt- und Frischluftzufuhr der Innenstadt R. – wird durch das Vorhaben nur unwesentlich beeinträchtigt (vgl. PÄEB S. 82 f., 223 f.; Stadtklimatologisches Gutachten vom 12.1.2018, Unterlage E 15, S. 5 ff. = BA PÄEB S. 2983 ff.; Unterlage E 19 [UVP] S. 63 = BA PÄEB S. 3082; vgl. auch EB S. 81 f.). In lufthygienischer Hinsicht ist eine Überschreitung der Grenzwerte der 39. BImSchV nicht zu besorgen (vgl. Lufthygienisches Gutachten vom 29.1.2020, Unterlage E 16 S. 21 f. = BA PÄEB S. 3009 f.; Unterlage E 19 [UVP] S. 63 f.; vgl. auch EB S. 80 f.). Wechselwirkungen oder Summationseffekte zwischen diesen beiden Schutzgütern sind weder aufgezeigt noch sonst erkennbar.
53
d) Die privaten Belange des Klägers als Inhaber der Gärtnerei wurden erkannt und mit den ihnen zukommendem Gewicht in die fachplanerische Abwägung eingestellt.
54
aa) Die vom Kläger geltend gemachte Existenzgefährdung seines von dem Vorhaben betroffenen Gartenbaubetriebs hat die Planfeststellungsbehörde – nach Einholung eines Gutachtens, das sie letztlich als nicht hinreichend tragfähig und damit unverwertbar angesehen hat – vorsorglich als wahr unterstellt (vgl. PFB S. 543 unten).
55
Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden. Macht ein von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung eines straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses (§ 19 Abs. 1 und 2 FStrG) Betroffener geltend, durch das Vorhaben werde sein Betrieb in seiner Existenz gefährdet oder gar vernichtet, gehört dieser Einwand zu den Belangen, mit denen sich die Planfeststellungsbehörde im Rahmen der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG a.F.) grundsätzlich auseinandersetzen muss. Zeichnet sich eine solche Gefährdung ernsthaft ab, darf die Planfeststellungsbehörde nicht die Augen vor der Tragweite ihrer Entscheidung verschließen. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Einwand ist allerdings dann entbehrlich, wenn die Planfeststellung die behauptete Existenzgefährdung im Wege der Wahrunterstellung ihrer Abwägung (hypothetisch) zugrunde legt und dabei deutlich macht, dass sie die für das Vorhaben streitenden Belange für so gewichtig hält, dass es auch um den Preis einer Existenzgefährdung oder Existenzvernichtung des betroffenen Betriebs verwirklicht werden soll (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 27.3.1980 – 4 C 34.79 – NJW 1981, 241 = juris Rn. 27 ff.; U.v. 7.7.2022 – 9 A 5.21 – BVerwGE 176, 130 = juris Rn. 31; U.v. 4.7.2023 – 9 A 5.22 – juris Rn. 43 ff.).
56
Dies hat die Planfeststellungsbehörde getan (vgl. PFB S. 544). Der Vorhalt der Kläger, die Existenzgefährdung sei nicht mit dem gebotenen Gewicht in die Abwägung eingestellt worden, ist unberechtigt. Das Überwiegen der mit dem Vorhaben verfolgten öffentlichen Interessen hat die Planfeststellungsbehörde im Wesentlichen mit dem hohen Gewicht der Planungsziele begründet, die sie im Rahmen ihrer Ausführungen der Planrechtfertigung eingehend dargestellt hat (vgl. PFB S. 157 ff. Nr. 3.1; ergänzt in PÄEB S. 112 ff. Nr. III.1); hierauf nimmt sie Bezug (vgl. PFB S. 544). Zudem führt sie im Rahmen ihrer zusammenfassenden Abwägung der berührten öffentlichen Belange die aus ihrer Sicht hochwertigen Planungsziele nochmals an (vgl. PFB S. 556).
57
Diese Begründung lässt die planerische Abwägung noch hinreichend erkennen. Die Dringlichkeit der auf der Ebene der Planrechtfertigung zugrunde gelegten Zielvorstellungen bestimmen gleichzeitig auch das Gewicht der in die Abwägung einzustellenden öffentlichen Belange (vgl. BVerwG, B.v. 23.11.2007 – 9 B 38.07 – NuR 2008, 176 = juris Rn. 10; B.v. 5.10.1990 – 4 B 249.89 – Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 6 = juris Rn. 21). Im Rahmen der Planrechtfertigung (PFB S. 157 ff.; PÄEB S. 112 ff.) werden gewichtige für das Vorhaben streitende öffentliche Belange angeführt. Mit dem Vorhaben, dem in der städtischen Verkehrspolitik der Beigeladenen zu 1 (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.1999 – 4 CN 5.98 – BVerwGE 108, 248 = juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 5.10.2023 – 8 N 23.863 u.a. – juris Rn. 25) eine hohe Priorität zukommt (vgl. oben Rn. 27), wird eine seit Jahrzehnten geplante Netzergänzung zur besseren Anbindung des R. Nordens an das Netz der Bundesstraßen geplant. Mit dem vierstreifigen Ausbau der N.straße soll die letzte Lücke in der Hauptverkehrsachse geschlossen werden. Die Bedeutung einer Entlastung der A2.Straße, die in ihrer Bauweise nicht den Anforderungen an eine Bundesstraße entspricht (einspurig, viele Zufahrten, unübersichtlicher Straßenverlauf), nicht hinreichend leistungsfähig (Stau in den Spitzenzeiten) und von Wohnbebauung umgeben ist, liegt auf der Hand. Schwer wiegt auch das mit der Planung verfolgte Ziel, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, indem Unfallhäufungsstellen (z.B. Auffahrt L. Kreisel) beseitigt werden.
58
Im Übrigen haben sich auch im gerichtlichen Verfahren vor dem Senat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Planfeststellungsbehörde das Gewicht der für das Vorhaben streitenden öffentlichen Belange – auch um den Preis der unterstellten Existenzgefährdung – unzureichend ermittelt oder nicht mit der ihnen zukommenden Bedeutung abgewogen hätte (vgl. BVerwG, U.v. 24.3.2011 – 7 A 3.10 – NVwZ 2011, 1124 = juris Rn. 84; B.v. 24.8.1987 – 4 B 129.87 – NVwZ 1988, 532 = juris Rn. 36).
59
Die Eignung der Ersatzfläche FlNr. … für den Gärtnereibetrieb, die der Kläger vor allem im Hinblick auf den Zuschnitt und die Zufahrtssituation anzweifelt, ist aufgrund der Wahrunterstellung der Existenzgefährdung, deren Abwendung die Bereitstellung von Ersatzflächen dienen soll (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 5.21 – BVerwGE 176, 130 = juris Rn. 42 ff.), nicht entscheidungserheblich. Dasselbe gilt für den Vorhalt des Klägers, die von ihm zusätzlich als Ersatz geforderten weiteren Grundstücke FlNrn. … und … seien ihm nicht angeboten worden.
60
bb) Die Behauptung des Klägers, die geplante Trassenführung erschwere die Erreichbarkeit seiner Gärtnerei, weil der Verkehrsfluss in und aus der Marktgemeinde … an drei dicht aufeinanderfolgenden Ampelanlagen mit zu wenig Rückstauraum behindert sei, ist unsubstanziiert. Die Knotenpunkte mit der …straße, der …straße und der …straße werden den neuen Verhältnissen angepasst und entsprechend leistungsfähig ausgebaut (vgl. PFB S. 75; EB S. 46); inwiefern diese Aussage konkret unzutreffend sein sollte, zeigt die Klägerseite nicht auf.
61
cc) Das Interesse des Klägers auf Schutz vor bauzeitlichen Staubbelastungen hat die Planfeststellungsbehörde abwägungsfehlerfrei bewältigt.
62
Der Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschluss gibt dem Vorhabenträger auf, geeignete Maßnahmen (z.B. ausreichende Befeuchtung unbefestigter Wege und Baustraßen) zu ergreifen, um die Staubbelastung durch Baustellenfahrzeuge auf angrenzenden Grundstücken während der Bauarbeiten zu minimieren (vgl. PÄEB S. 37 Nr. 2.1.9; vgl. auch PFB S. 528). Der Einwand des Klägers, die Auflage sei viel zu pauschal, weil sie die Anforderungen einer Gärtnerei als Lebensmittel erzeugenden Betrieb nicht berücksichtige, greift nicht durch. Einzelheiten des Vorgehens dürfen der Bauausführung überlassen werden (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.2016 – 3 A 5.15 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 = juris Rn. 109; U.v. 3.3.2011 – 9 A 8.10 – BVerwGE 139, 150 = juris Rn. 110). Es fehlt jeder Anhaltspunkt, dass die bauzeitliche Staubentwicklung nicht mit den hergebrachten Minderungsmaßnahmen beherrscht werden kann.
63
III. Einen Antrag auf Planergänzung, den Kläger dem Grunde nach für die Existenzgefährdung zu entschädigen, hat die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Ein solcher Antrag hätte auch keine Aussicht auf Erfolg.
64
Der Straßenbaulastträger ist aufgrund des Planfeststellungsbeschlusses verpflichtet, den Kläger für die dauernde und vorübergehende Inanspruchnahme von Grundstücksflächen, auf die er seine Existenzgefährdung stützt, zu entschädigen (vgl. PFB S. 29 Nr. 4.1, S. 540). Ob und inwieweit der vom Kläger hinzunehmende Flächenverlust durch Bereitstellung von Ersatzland ausgeglichen werden kann, ist im Entschädigungsverfahren zu klären (vgl. BVerwG, U.v. 24.3.2011 – 7 A 3.10 – NVwZ 2011, 1124 = juris Rn. 80; B.v. 2.9.2010 – 9 B 11.10 – NuR 2010, 799 = juris Rn. 20 f.).
C.
65
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst, weil sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).
66
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
67
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.