Titel:
Klage gegen Planfeststellungsbeschluss für B 15/16 mit Neubau einer Brücke
Normenketten:
FStrG § 3 Abs. 1 S. 2, § 17 Abs. 1, § 19 Abs. 2
GG Art. 14 Abs. 1
VwVfG § 74 Abs. 2 S. 3, § 75 Abs. 1a
UVPG § 25
Leitsätze:
1. Der Planrechtfertigung steht nicht entgegen, dass ein Vorhaben nicht im Bedarfsplan für Bundesfernstraßen enthalten ist. § 1 Abs. 2 S. 1 FStrAbG bestimmt lediglich positiv, dass die Feststellung des Bedarfs für die in den Bedarfsplan aufgenommenen Vorhaben verbindlich ist; eine bindende negative Feststellung des Inhalts, dass für nicht in den Bedarfsplan aufgenommene Vorhaben kein Bedarf besteht, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verkehrsprognosen unterliegen nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Sie sind lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie methodisch einwandfrei erarbeitet worden sind, nicht auf unrealistischen Annahmen beruhen und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Gewerbetreibender muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn sich eine Veränderung der tatsächlichen Gegebenheiten und der damit verbundene Verlust der Lagegunst auf seinen Betrieb negativ auswirken. Das bedeutet aber nicht, dass Anliegerinteressen rechtlich überhaupt nicht zu Buche schlagen. Sie müssen, sofern sie nicht als geringfügig ausnahmsweise außer Betracht zu bleiben haben, entsprechend ihres Gewichts in die Abwägung eingestellt werden. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
4. Nicht jeglicher Rechtsnachteil ist gemäß § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG mit einem Anspruch auf Entschädigung auszugleichen, sondern nur ein solcher, der nach den jeweiligen Einzelfallumständen die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle überschreitet und deshalb ohne eine entsprechende kompensatorische Maßnahme allein durch eine gerechte Abwägung nicht überwindbar wäre. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Planfeststellung, Ausbau einer Bundesstraße mit Neubau einer Brücke, Planrechtfertigung, Verkehrsprognose, Trassenwahl, wirtschaftliche Belange einer Tankstelle
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18899
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung der ... vom 31. Januar 2014 in der Fassung des Planfeststellungsänderungs- und ergänzungsbeschlusses vom 5. April 2022 für die Bundesstraßen (B) 15/16 – Ausbau der N.straße mit Neubau der S. ...brücke und Umbau des L. Kreisels (Baukm 0+080 bis Baukm 2+860: N.straße und S. ...brücke; Baukm 0+130 bis Baukm 0+645: L. Kreisel).
2
Das Vorhaben umfasst den Ausbau der N.straße (B 15), den Neubau der S. ...brücke und den Umbau des L. Kreisels (Verteilerring an der Anschlussstelle R. Nord der A 93 mit Verknüpfung der B 16, Kreisstraße R 18 sowie Zufahrt L.). Die Planung sieht einen vierstreifigen Ausbau der N. straße von der Kreuzung B.-/I.Straße bis zur Kreuzung A2.Straße vor; zwischen Baukm 1+271 und 1+670 soll eine Schallschutzeinhausung errichtet werden. Nach der Kreuzung mit der A2.Straße soll die B 15 in einem Neubauabschnitt westlich über den Regen (S. ...brücke) geführt und an den L. Kreisel sowie – über das vorhandene Unterführungsbauwerk an der A 93 – an den neuen Innerortsknoten L.angeschlossen werden.
3
Die Klägerin betreibt als Pächterin u.a. des Grundstücks FlNr. … Gemarkung … eine Tankstelle; das Grundstück wird von dem Vorhaben zu 515 m2 vorübergehend in Anspruch genommen. Zudem betreibt sie eine weitere Tankstelle an der … Straße; dort soll der Verkehr vorhabenbedingt verringert werden.
4
Die Beigeladene zu 1 beantragte unter dem 18. November 2008 im eigenen Namen und im Namen des Staatlichen Bauamts R.die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens. Die Planunterlagen wurden vom 26. Januar bis 27. Februar 2009 ausgelegt. Die Klägerin erhob Einwendungen. Die gegen den Plan erhobenen Einwendungen wurden am 2., 3., 6., 8. und 9. Februar 2012 erörtert.
5
Die Regierung der ... stellte den Plan mit Beschluss vom 31. Januar 2014 fest. Die Auslegung erfolgte vom 3. bis 17. März 2014. Die Einwendungen der Klägerin wurden zurückgewiesen (Einwendungsführer 0180, vgl. PFB S. 547 ff.).
6
Am 13. März 2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Mit Beschluss vom 18. Januar 2016 hat der Senat das Verfahren zur Nachholung einer Umweltverträglichkeitsprüfung ausgesetzt.
7
Die Regierung der ... erließ am 5. April 2022 einen Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschluss. Die Einwendungen der Klägerin wurden zurückgewiesen (Einwendungsführer E001, vgl. PÄEB S. 228 ff.).
8
Die Klägerin hat diesen Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschluss in ihre Klage einbezogen. Sie rügt eine willkürliche Abschnittsbildung und eine mangelhafte Alternativenprüfung. Bei der Prüfung der Umweltauswirkungen fehle eine Gesamtbetrachtung. Die Verkehrszählung aus dem Jahr 2015 sei veraltet. Durch die intransparente Lärmschutzwand entlang des Mittelstreifens entfalle die Sichtverbindung und die Anfahrbarkeit aus westlicher Richtung; die Tankstelle verliere hierdurch 30% ihrer Kunden und sei existenzgefährdet. Die etwaige Existenzgefährdung sei textbausteinartig und floskelhaft mit einem pauschalen Verweis auf das öffentliche Interesse an dem Vorhaben „hinweggewischt“ worden. Jedenfalls sei sie – auch betreffend die vom Verkehr entlastete Tankstelle in der … Straße – zu entschädigen.
10
den Planfeststellungsbeschluss der Regierung der ... vom 31. Januar 2014 in der Fassung des Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschlusses vom 5. April 2022 aufzuheben,
11
Der Beklagte beantragt,
13
Er verteidigt den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss und Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschluss.
14
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
15
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2014 bzw. den Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschluss vom 5. April 2022 durch mehrere Protokollerklärungen geändert oder ergänzt.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
17
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
18
Die Klage ist zulässig.
19
Die Klägerin ist als Pächterin eines durch das Vorhaben vorübergehend beanspruchten Grundstücks klagebefugt; ihr steht ein von Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Besitzrecht zu (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2023 – 9 A 5.22 – juris Rn. 13; U.v. 14.11.2012 – 9 C 14.11 – BVerwGE 145, 96 = juris Rn. 10 ff.; U.v. 1.9.1997 – 4 A 36.96 – BVerwGE 105, 178 = juris Rn. 25 ff.).
20
Soweit sie zudem um die vorhabenbedingte Existenzfähigkeit einer weiteren Tankstelle außerhalb des Ausbaubereichs fürchtet, ist sie ebenfalls klagebefugt. In einem solchen Fall ist im Einzelfall auch ohne direkte Inanspruchnahme einer Eigentumsposition das Interesse des Gewerbetreibenden an der Erhaltung der unter Umständen mit erheblichen Eigenmitteln ausgenutzten Erwerbsquelle in der hoheitlichen Planung zu berücksichtigen und abzuwägen (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2016 – 9 A 7.15 – NVwZ 2016, 1735 = juris Rn. 14; U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 = juris Rn. 17). Ob dieser Belang tatsächlich abwägungsbeachtlich ist und ob er fehlerfrei berücksichtigt wurde, ist in aller Regel keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Klage (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2017 – 9 A 30.15 – BVerwGE 159, 1 = juris Rn. 12; U.v. 9.12.2021 – 4 A 2.20 – NVwZ-RR 2022, 317 = juris Rn. 14).
21
Die Klage ist jedoch unbegründet.
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Die Klägerin hat keinen Rechtsfehler aufgezeigt, der zur vollständigen oder teilweisen Aufhebung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder Rechtswidrigkeitserklärung (§ 17c FStrG i.V.m. Art. 75 Abs. 1a BayVwVfG) des Planfeststellungsbeschlusses in Gestalt des Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschlusses in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Protokollerklärungen führt.
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Ob sie wegen der nur vorübergehenden Inanspruchnahme des von ihr gepachteten Grundstücks (zum Vollüberprüfungsanspruchs des Pächters vgl. BVerwG, U.v. 1.9.1997 – 4 A 36.96 – BVerwGE 105, 178 = juris Rn. 25 ff.) enteignungsbetroffen ist (vgl. § 19 Abs. 2 FStrG) mit der Folge, dass ihr ein Anspruch auf gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses auf seine objektive Rechtmäßigkeit (Vollüberprüfungsanspruch) zusteht (dafür BVerwG, U.v. 5.10.2021 – 7 A 17.20 – juris Rn. 5 und 22 [ohne Begründung]; OVG NW, U.v. 28.4.2016 – 11 D 33/13.AK – juris Rn. 49; offengelassen OVG LSA, U.v. 8.7.2020 – 2 K 22/19 – juris Rn. 52; vgl. auch BVerwG, U.v. 14.3.2018 – 4 A 11.17 – juris Rn. 24; dagegen VGH BW, B.v. 11.11.2013 – 5 S 1036/13 – juris Rn. 28), kann deshalb offenbleiben.
24
I. Formelle Mängel des Verfahrens zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses bzw. des Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschlusses, die ihrem Klagebegehren ganz oder teilweise zum Erfolg verhelfen könnten, hat die Klägerin nicht geltend gemacht; solche sind für den Senat auch sonst nicht ersichtlich.
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II. Der Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschlusses in der Fassung der Protokollerklärungen aus der mündlichen Verhandlung leidet an keinen materiellen Rechtsfehlern.
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1. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben liegt vor.
27
Die Planung ist gerechtfertigt, wenn für das beabsichtigte Vorhaben nach Maßgabe der vom Gesetz verfolgten Ziele einschließlich sonstiger gesetzlicher Entscheidungen ein Bedürfnis besteht. Das ist nicht erst bei der Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern bereits dann, wenn es vernünftigerweise geboten ist. Die Planrechtfertigung stellt damit eine praktisch nur bei groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriffen wirksame Schranke der Planungshoheit dar (vgl. BVerwG, B.v. 22.6.2023 – 7 VR 3.23 – NVwZ 2023, 1657 = juris Rn. 23; B.v. 4.9.2018 – 9 B 24.17 – juris Rn. 3; B.v. 23.10.2014 – 9 B 29.14 – NVwZ 2015, 79 = juris Rn. 4). Sie kann sich bindend aus einer gesetzlichen Bedarfsfeststellung oder im Einzelfall ergeben.
28
Das Vorhaben stellt keinen planerischen Missgriff dar. Es dient dem Ziel, Bundesfernstraßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 FStrG). Mit dem Vorhaben soll eine leistungsfähige Anbindung des R. Nordens an das Netz der Bundesfernstraßen geschaffen werden. Mit der Netzergänzung durch Neubau der S. Brücke wird die A2.Straße im Bereich der derzeitigen zweistreifigen Ortsdurchfahrt der B 15 entlastet und es werden Konflikte mit der dortigen Wohnbebauung aufgelöst. Im Bereich der N.straße verfolgt der Vorhabenträger das Ziel, die B 15 entsprechend der prognostizierten wachsenden Verkehrsbelastung nach dem Stand der Technik auszubauen und die Lücke in einer Hauptverkehrsachse zu schließen (vgl. Planfeststellungsbeschluss [PFB] S. 157 ff.; Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschluss [PÄEB] S. 112 ff.; Erläuterungsbericht [EB] S. 13 f.). Die Kapazität und Verkehrssicherheit des L. Kreisels, der die an der Anschlussstelle R.-Nord der A 93 zusammentreffenden Verkehrsströme abwickelt, soll erhöht werden; in den Spitzenstunden gibt es dort größere Stauungen (vgl. EB S. 14). Für die Beigeladene zu 1 hat der Bau der S. ...brücke, den sie seit den 1960er-Jahren verfolgt (vgl. PFB S. 76 ff.; EB S. 11 ff.), eine hohe Priorität (vgl. Verkehrsuntersuchung Großraum Regensburg, Kurzfassung, Juni 2005, BA „Unterlagen für den Beschluss“, Registerblatt „VU Großraum Regensburg“, S. 16 f.).
29
Der Planrechtfertigung steht nicht entgegen, dass das Vorhaben nicht im Bedarfsplan für Bundesfernstraßen enthalten ist. § 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG bestimmt lediglich positiv, dass die Feststellung des Bedarfs für die in den Bedarfsplan aufgenommenen Vorhaben verbindlich ist; eine bindende negative Feststellung des Inhalts, dass für nicht in den Bedarfsplan aufgenommene Vorhaben kein Bedarf besteht, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen (vgl. BVerwG, U.v. 8.1.2014 – 9 A 4.13 – BVerwGE 149, 31 = juris Rn. 31; B.v. 15.7.2005 – 9 VR 39.04 – juris Rn. 5). Auch an Bundesfernstraßen, deren Ausbau im Bedarfsplan nicht vorgesehen ist, können Verbesserungsmaßnahmen von geringer örtlicher Ausdehnung notwendig werden, die nicht Gegenstand des Bedarfsplans sind (vgl. BVerwG, B.v. 1.4.2005 – 9 VR 7.05 – NuR 2005, 709 = juris Rn. 7; B.v. 15.5.2001 – 4 B 32.01 – NVwZ 2001, 1163 = juris Rn. 8).
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2. Der gegen die Lärmberechnung nach der 16. BImSchV gerichtete Einwand, die Daten der Verkehrszählung aus dem Jahr 2015 seien veraltet, ist unberechtigt.
31
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterliegen Verkehrsprognosen nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Sie sind lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie methodisch einwandfrei erarbeitet worden sind, nicht auf unrealistischen Annahmen beruhen und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 15.10.2020 – 7 A 9.19 – NVwZ 2021, 1145 = juris Rn. 111; U.v. 9.6.2010 – 9 A 20.08 – NVwZ 2011, 177 = juris Rn. 73).
32
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat keine Bedenken an der Verwertbarkeit der Verkehrsuntersuchung vom 16. Dezember 2019 (Unterlage E 1.1, BA PÄEB S. 2244 ff.), mit der die Verkehrsprognose ergänzt wurde, die dem Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschluss zugrunde liegt (vgl. PÄEB S. 119 ff., 198 ff., 231). Die u.a. verwendeten Zahlen aus der amtlichen Verkehrszählung 2015 waren im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschlusses (5.4.2022) nicht überholt. Die Straßenverkehrszählung findet alle fünf Jahre statt. Die für 2020 angesetzte Zählung wurde pandemiebedingt auf das Jahr 2021 verschoben; die Ergebnisse lagen – wie der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt hat – erst später vor (vgl. auch Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 24.10.2022, abrufbar unter https://www.stmb.bayern.de/med/pressemitteilungen/pressearchiv/2022/178/index.php). Dass die Daten aus der Verkehrszählung 2015 gleichwohl nicht mehr von hinreichender Aktualität oder Aussagekraft gewesen wären, zeigt die Klägerseite nicht auf; es fehlen konkrete Anhaltspunkte oder Indizien, dass die vom Gutachter bis zum Jahr 2035 gezeichnete Verkehrsentwicklung überholt wäre. Der Verkehrsgutachter des Vorhabenträgers hat die Aktualität seiner Verkehrsuntersuchung in der mündlichen Verhandlung bekräftigt (vgl. Sitzungsprotokoll S. 5); die DTV-Werte von 2015 seien die richtige Grundlage, weil die Werte von 2020 und 2021 pandemiebedingt vorübergehend zurückgegangen seien. Die von der Klägerin aufgestellte Behauptung, der Rückgang sei wegen neuerer Mobilitätsentwicklungen (Carsharing, Homeoffice, Wohnen abseits der Städte) nicht nur ein vorübergehender, ist nicht näher belegt. Der Verkehrsgutachter des Vorhabenträgers hat diese Behauptung in der mündlichen Verhandlung zurückgewiesen; neuere örtliche Untersuchungen in Bayern hätten innerorts fast wieder das Niveau von 2019 ergeben. Der Vertreter des Straßenbauamts hat sich auf die vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr am 3. März 2023 veröffentlichte „Gleitende Langfristige Verkehrsprognose“ berufen; daraus ergebe sich, dass das Verkehrsaufkommen bis zum Jahr 2051 – unter Berücksichtigung u.a. einer verstärkten Nutzung von Homeoffice – zunehme (vgl. Sitzungsprotokoll S. 6).
33
Für den Senat besteht – unabhängig von der nach Erlass des Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschlusses veröffentlichten „Gleitenden Langfristigen Verkehrsprognose“ – kein Anlass, ein weiteres Verkehrsgutachten einzuholen. Die Klägerseite, die mit ihrem vorsorglich gestellten Beweisantrag (vgl. Sitzungsprotokoll S. 6) die weitere Erforschung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO angeregt hat, zeigt die fehlende Eignung der Verkehrsuntersuchung des Vorhabenträgers nicht hinreichend auf; eine weitere Beweisaufnahme drängt sich nicht auf (vgl. BVerwG, B.v. 1.12.2022 – 7 B 18.22 – juris Rn. 7; B.v. 21.10.2019 – 1 B 49.19 – juris Rn. 46).
34
3. Das Vorhaben verstößt nicht gegen das Abwägungsgebot.
35
Das fachplanerische Abwägungsgebot (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG i.d.F.v. 10.9.2021 und § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG i.d.F.v. 28.6.2007) verlangt, dass – erstens – eine Abwägung überhaupt stattfindet, – zweitens – in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und – drittens – weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (stRspr, vgl. nur BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 152; U.v. 11.7.2019 – 9 A 13.18 – BVerwGE 166, 132 = juris Rn. 200). Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 14.2.1975 – IV C 21.74 – BVerwGE 48, 56 = juris Rn. 37; U.v. 1.9.2022 – 7 A 7.21 – VRS 143, 200 = juris Rn. 15). Diese Maßstäbe wurden vorliegend eingehalten.
36
a) Ohne Erfolg macht die Klägerin eine willkürliche Abschnittsbildung geltend.
37
Mit der Wertung der Planfeststellungsbehörde, das Vorhaben bilde mit dem bereits planfestgestellten Ausbau der N.straße zwischen der H.straße und der I.straße keine übergreifende, in Abschnitten zu verwirklichende Gesamtplanung (vgl. PÄEB S. 230; PFB S. 450 f.), setzt sich die Klägerseite nicht auseinander. Aber selbst wenn man eine Abschnittsbildung annähme, zeigt die Klägerin nicht auf, dass die von den beiden Planfeststellungen geschaffene Probleme unbewältigt blieben (vgl. dazu BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 = juris Rn. 724; U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 158). Soweit die Klägerin eine „offene Alternativenprüfung“ vermisst, verkennt sie, dass sich diese nicht darauf verengt, inwieweit geschaffenen Zwangspunkte noch Variationsspielräume lassen. Zwangspunkte erzeugen keine strikten Bindungen in dem Sinn, dass sie in die weitere Planung als feste Determinanten einzustellen wären; sie behalten die Qualität eines im Wege der Abwägung überwindbaren Belangs (vgl. BVerwG, U.v. 11.10.2017 – 9 A 14.16 – BVerwGE 160, 78 = juris Rn. 150; U.v. 25.1.2012 – 9 A 6.10 – NVwZ 2012, 567 = juris Rn. 23).
38
b) Die Trassenauswahl weist keine Fehler auf.
39
Eine Alternativtrasse wurde von der Klägerin nicht innerhalb der Klagbegründungsfrist aufgezeigt (vgl. § 17e Abs. 5 Satz 1 FStrG i.d.F.v. 28.6.2007 i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO i.d.F.v. 22.3.2005). Abgesehen davon führt sie keine Alternativtrasse an, die sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere, hätte aufdrängen müssen; sie zeigt auch nicht auf, dass der Planfeststellungsbehörde beim Auswahlverfahren infolge fehlerhafter Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen wäre (zu diesem Maßstab vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 = juris Rn. 660; U.v. 9.11.2017 – 3 A 4.15 – BVerwGE 160, 263 = juris Rn. 98; U.v. 5.10.2021 – 7 A 13.20 – BVerwGE 173, 296 = juris Rn. 69). Die angeführte „im Jahr 1999 vorgeschlagene Alternativtrasse einer Verschiebung nach Norden“ wird weder konkret beschrieben noch deren Vorteile im Vergleich zur geplanten Trasse aufgezeigt. Im Übrigen drängt sich eine Trassenverschiebung nach Norden nicht als eindeutig bessere Variante auf; auf die Begründung im Parallelverfahren Az. 8 A 22.40039 wird verwiesen (vgl. dort Rn. 41 ff.).
40
c) Der Abwägungsentscheidung fehlt es an keiner Gesamtbetrachtung bzw. -bewertung der Umweltauswirkungen des Vorhabens.
41
Die Planfeststellungsbehörde hat die Umweltauswirkungen des Vorhabens bewertet und ihre Bewertung begründet (vgl. §§ 25 f. UVPG). Dabei wurden entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur einzelne Vorhabenteile isoliert betrachtet, sondern die gesamte Straßenbaumaßnahme in den Blick genommen (vgl. PÄEB S. 48, 111). Dass die vom Vorhabenträger vorgelegte Unterlage zur Umweltverträglichkeitsprüfung (Unterlage E 19, BA PÄEB S. 3013 ff.) die artenschutzrechtliche Beurteilung gegliedert nach den Bauabschnitten „R.brücke“ und „L. Kreisel“ dargestellt hat (vgl. Unterlage E 19 S. 65 ff.), ändert daran nichts (vgl. PÄEB S. 230).
42
Auch hinsichtlich der einzelnen Schutzgüter fehlt es nicht an einer Gesamtbewertung. Diese hat ergeben, dass nur lokal bedeutsame, vertretbare Umweltauswirkungen zu erwarten sind, die dem Vorhaben nicht entgegenstehen (vgl. PÄEB S. 111). Soweit die Klägerin die Bewertung hinsichtlich der Schutzgüter Stadtklima und Lufthygiene angreift, kann sie nicht durchdringen. Die vom Vorhabenträger eingeholten Gutachten stützen die Aussage, dass es sich insoweit nur um lokal bedeutsame, vertretbare Umweltauswirkungen handelt. Das Stadtklima – vor allem die Kalt- und Frischluftzufuhr der Innenstadt R. – wird durch das Vorhaben nur unwesentlich beeinträchtigt (vgl. PÄEB S. 82 f., 223 f.; Stadtklimatologisches Gutachten vom 12.1.2018, Unterlage E 15, S. 5 ff. = BA PÄEB S. 2983 ff.; Unterlage E 19 [UVP] S. 63 = BA PÄEB S. 3082; vgl. auch EB S. 81 f.). In lufthygienischer Hinsicht ist eine Überschreitung der Grenzwerte der 39. BImSchV nicht zu besorgen (vgl. Lufthygienisches Gutachten vom 29.1.2020, Unterlage E 16 S. 21 f. = BA PÄEB S. 3009 f.; Unterlage E 19 [UVP] S. 63 f.; vgl. auch EB S. 80 f.). Wechselwirkungen oder Summationseffekte zwischen diesen beiden Schutzgütern sind weder aufgezeigt noch sonst erkennbar.
43
d) Die wirtschaftlichen Belange der Klägerin als Betreiberin der beiden von dem Vorhaben betroffenen Tankstellenbetriebe wurden erkannt und entsprechend des ihnen zukommenden Gewichts in die fachplanerische Abwägung einbezogen.
44
Ein etwaiges Vertrauen in den Fortbestand einer bestimmten Markt- oder Verkehrslage ist regelmäßig kein für die Fachplanung unüberwindlicher Belang (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 = juris Rn. 781; U.v. 9.6.2004 – 9 A 16.03 – juris Rn. 26). Ein Gewerbetreibender muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn sich eine Veränderung der tatsächlichen Gegebenheiten und der damit verbundene Verlust der Lagegunst auf seinen Betrieb negativ auswirken. Das bedeutet aber nicht, dass Anliegerinteressen rechtlich überhaupt nicht zu Buche schlagen. Sie müssen, sofern sie nicht als geringfügig ausnahmsweise außer Betracht zu bleiben haben, entsprechend ihres Gewichts in die Abwägung eingestellt werden (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 13.19 – BVerwGE 170, 262 = juris Rn. 13; U.v. 19.8.2004 – 4 A 9.04 – juris Rn. 13; Steinkühler, UPR 2022, 241/245). Dies gilt erst recht dann, wenn eine Existenzgefährdung geltend gemacht wird. In einem solchen Fall ist auch ohne direkte Inanspruchnahme einer Eigentumsposition das Interesse des Gewerbetreibenden an der Erhaltung der unter Umständen mit erheblichen Eigenmitteln ausgenutzten Erwerbsquelle in der hoheitlichen Planung zu berücksichtigen und abzuwägen (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2016 – 9 A 7.15 – NVwZ 2016, 1735 = juris Rn. 14).
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Diese Vorgaben hat die Planfeststellungsbehörde hinsichtlich der beiden von dem Vorhaben (un-)mittelbar betroffenen Tankstellenbetriebe der Klägerin beachtet.
46
aa) Abwägungsmängel hinsichtlich der unmittelbar von dem Ausbau betroffene Tankstelle an der …straße zeigt die Klägerin nicht auf.
47
Die Planfeststellungsbehörde hat die Auswirkungen des Vorhabens auf diese Tankstelle – vor allem die eingeschränkte Sichtbarkeit aus westlicher Fahrtrichtung (intransparente Lärmschutzwand) und den Verlust der direkten Anfahrbarkeit aus dieser Richtung (keine Linksabbiegespur) – nicht als existenzgefährdend angesehen (vgl. PFB S. 553). Von weiteren Ermittlungen – v.a. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens – hat sie abgesehen, weil sie die für das Vorhaben streitenden Belange als so gewichtig bewertet hat, dass dieses selbst um den Preis einer Existenzgefährdung – wenn man diese unterstellt – verwirklicht werden könne (vgl. PFB S. 553 unten und 554 oben). Das Vorhaben treffe die Klägerin auch nicht unvorbereitet, weil sie auf den geplanten Ausbau der …straße im Baugenehmigungsbescheid vom 13. Juli 1994 (Neubau der Tankstelle) hingewiesen worden sei (vgl. PFB S. 547 und 551).
48
Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden. Macht ein von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung eines straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses (§ 19 Abs. 1 und 2 FStrG) Betroffener geltend, durch das Vorhaben werde sein Betrieb in seiner Existenz gefährdet oder gar vernichtet, gehört dieser Einwand zu den Belangen, mit denen sich die Planfeststellungsbehörde im Rahmen der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG a.F.) grundsätzlich auseinandersetzen muss. Zeichnet sich eine solche Gefährdung ernsthaft ab, darf die Planfeststellungsbehörde nicht die Augen vor der Tragweite ihrer Entscheidung verschließen. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Einwand ist allerdings dann entbehrlich, wenn die Planfeststellung die behauptete Existenzgefährdung im Wege der Wahrunterstellung ihrer Abwägung (hypothetisch) zugrunde legt und dabei deutlich macht, dass sie die für das Vorhaben streitenden Belange für so gewichtig hält, dass es auch um den Preis einer Existenzgefährdung oder Existenzvernichtung des betroffenen Betriebs verwirklicht werden soll (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 27.3.1980 – 4 C 34.79 – NJW 1981, 241 = juris Rn. 27 ff.; U.v. 7.7.2022 – 9 A 5.21 – BVerwGE 176, 130 = juris Rn. 31; U.v. 4.7.2023 – 9 A 5.22 – juris Rn. 43 ff.).
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Der Vorhalt der Klägerin, die Existenzgefährdung sei mit einem pauschalen Verweis auf das öffentliche Interesse an dem plangegenständlichen Bauvorhaben „textbausteinartig hinweggewischt“ worden, greift nicht durch. Die Planfeststellungsbehörde stützt das aus ihrer Sicht überwiegende Gewicht des öffentlichen Interesses an der Verwirklichung des Vorhabens auf ihre Ausführungen zur Planrechtfertigung (vgl. PFB S. 157 ff. Nr. 3.1; ergänzt in PÄEB S. 112 ff. Nr. III.1) und Alternativenprüfung (vgl. PFB S. 554 ff. Nr. III), auf die sie ausdrücklich Bezug nimmt (vgl. PFB S. 554). Zudem führt sie im Rahmen ihrer zusammenfassenden Abwägung der berührten öffentlichen Belange die aus ihrer Sicht hochwertigen Planungsziele an (vgl. PFB S. 556).
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Diese Begründung lässt die planerische Abwägung noch hinreichend erkennen. Die Dringlichkeit der auf der Ebene der Planrechtfertigung zugrunde gelegten Zielvorstellungen bestimmen gleichzeitig auch das Gewicht der in die Abwägung einzustellenden öffentlichen Belange (vgl. BVerwG, B.v. 23.11.2007 – 9 B 38.07 – NuR 2008, 176 = juris Rn. 10; B.v. 5.10.1990 – 4 B 249.89 – Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 6 = juris Rn. 21). Im Rahmen der Planrechtfertigung (PFB S. 157 ff.; PÄEB S. 112 ff.) werden gewichtige für das Vorhaben streitende öffentliche Belange angeführt. Mit dem Vorhaben, dem in der städtischen Verkehrspolitik der Beigeladenen zu 1 (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.1999 – 4 CN 5.98 – BVerwGE 108, 248 = juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 5.10.2023 – 8 N 23.863 u.a. – juris Rn. 25) eine hohe Priorität zukommt (vgl. oben Rn. 28), wird eine seit Jahrzehnten geplante Netzergänzung zur besseren Anbindung des R. Nordens an das Netz der Bundesstraßen geplant. Mit dem vierstreifigen Ausbau der …straße soll die letzte Lücke in der Hauptverkehrsachse geschlossen werden. Die Bedeutung einer Entlastung der A2.Straße, die in ihrer Bauweise nicht den Anforderungen an eine Bundesstraße entspricht (einspurig, viele Zufahrten, unübersichtlicher Straßenverlauf), nicht hinreichend leistungsfähig (Stau in den Spitzenzeiten) und von Wohnbebauung umgeben ist, liegt auf der Hand. Schwer wiegt auch das mit der Planung verfolgte Ziel, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, indem Unfallhäufungsstellen (z.B. Auffahrt L. Kreisel) beseitigt werden.
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Im Übrigen haben sich auch im gerichtlichen Verfahren vor dem Senat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Planfeststellungsbehörde das Gewicht der für das Vorhaben streitenden öffentlichen Belange – auch um den Preis der unterstellten Existenzgefährdung – unzureichend ermittelt oder nicht mit der ihnen zukommenden Bedeutung abgewogen hätte (vgl. BVerwG, U.v. 24.3.2011 – 7 A 3.10 – NVwZ 2011, 1124 = juris Rn. 84; B.v. 24.8.1987 – 4 B 129.87 – NVwZ 1988, 532 = juris Rn. 36).
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Soweit die Klägerin geltend macht, eine Existenzgefährdung sei durch Planänderungen – Schaffung einer Gelegenheit zum Linksabbiegen aus westlicher Fahrtrichtung und einer transparenten Ausgestaltung der Lärmschutzwand – abzuwenden, zeigt sie ebenfalls keinen Abwägungsfehler auf. Eine Linksabbiegespur hat der Vorhabenträger abgelehnt, weil Zufahrten zu Privatgrundstücken im Zuge von zweibahnigen Straßen nur im Ausnahmefall (hier: nördliche Straßenseite) zulässig seien, die erforderliche Lärmschutzwand im Mittelstreifen unterbrochen werden müsste und sie eine eigene Lichtsignalregelung mit negativer Auswirkung auf den Verkehrsfluss und zusätzliche Eingriffe in Grundstücke Dritter erforderte. Dem hat sich die Planfeststellungsbehörde angeschlossen (vgl. PFB S. 549). Mit diesen Erwägungen setzt sich die Klägerin nicht auseinander. Zudem wurde eine transparente Ausgestaltung der Lärmschutzwand im Mittelstreifen abgelehnt, um eine zusätzliche Lärmbelastung für die sich an der nördlichen Fahrbahnseite anschließende Wohnbebauung durch Schallreflexionen zu vermeiden (vgl. PFB S. 548 f.; EB S. 70 f.). Dem tritt die Klägerin inhaltlich nicht entgegen; ihre Vermutung, auftretende Reflexionen könnten durch „andere Lärmschutzmaßnahmen“ ausgeglichen werden, ist durch nichts belegt. Im Übrigen kommt bei der Abwägung, ob eine Lärmschutzanlage transparent ausgestattet werden soll, den Werbeinteressen dahinterliegender Gewerbetreibender grundsätzlich nur ein geringes Gewicht zu (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2019 – 8 A 16.40026 – juris Rn. 90 und 92 m.w.N.).
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bb) Auch die wirtschaftlichen Belange der Klägerin als Betreiberin der Tankstelle an der … Straße wurden fehlerfrei abgewogen.
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Einzelheiten zur Auswirkung des befürchteten Kundenrückgangs auf die Rentabilität der Tankstelle hat die Klägerin nicht vorgetragen (vgl. auch BVerwG, U.v. 9.6.2004 – 9 A 16.03 – juris Rn. 28). Die Erwägung, das prognostizierte Verkehrsaufkommen im Planfall (2030) von immerhin noch 14.000 Kfz/Tag spreche gegen eine Existenzgefährdung (vgl. PFB S. 553), ist plausibel. Hilfsweise hat die Planfeststellungsbehörde auch hinsichtlich dieser Tankstelle eine Existenzgefährdung unterstellt, aber den mit der Planung verfolgten hochwertigen öffentlichen Belangen hintangestellt (vgl. PFB S. 553 f.). Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. oben Rn. 49 ff.).
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Einen Antrag auf Planergänzung, die Klägerin dem Grunde nach für den befürchteten Kundenverlust zu entschädigen, hat die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Ein solcher Antrag hätte auch keine Aussicht auf Erfolg.
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Nicht jeglicher Rechtsnachteil ist gemäß Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG mit einem Anspruch auf Entschädigung auszugleichen, sondern nur ein solcher, der nach den jeweiligen Einzelfallumständen die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle überschreitet und deshalb ohne eine entsprechende kompensatorische Maßnahme allein durch eine gerechte Abwägung nicht überwindbar wäre (vgl. BVerwG, U.v. 25.5.2023 – 7 A 7.22 – NVwZ 2023, 1733 = juris Rn. 79; Wysk in Ramsauer, VwVfG, 24. Aufl. 2023, § 74 Rn. 151; Neumann/Külpmann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 74 Rn. 172). Dies trifft vorliegend – wie oben aufgezeigt (vgl. Rn. 43 ff.) – nicht zu. Im Übrigen stehen der Klägerin keine Rechtspositionen in Bezug auf den derzeit an ihren Tankstellen vorbeifließendem Verkehr zu (vgl. BayVGH, U.v. 24.6.2003 – 8 A 02.40090 – BayVBl 2003, 719 = juris Rn. 44). Ein Eigentümer muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn sich eine Veränderung der tatsächlichen Gegebenheiten und der damit verbundene Verlust der Lagegunst auf den Bestand des Kundenkreises negativ auswirkt. Art. 14 Abs. 1 GG schützt nicht bloße Umsatz- und Gewinnchancen und tatsächliche Gegebenheiten, auch wenn diese für das Unternehmen von erheblicher Bedeutung sind; sie gehören nicht zum Bestand des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 7 A 11.11 – BVerwGE 143, 249 = juris Rn. 74; BVerfG, B.v. 6.12.2022 – 2 BvL 29/14 – BVerfGE 164, 130 = juris Rn. 92).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst, weil sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
59
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.