Titel:
Straßenausbaubeitragsrecht, Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, Rückwirkungsverbot, Erstattungsanspruch der Gemeinden, Vermögenshaushalt, Verwaltungshaushalt
Normenkette:
KAG Art. 19 Abs. 9 S. 3 Nr. 2
Schlagworte:
Straßenausbaubeitragsrecht, Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, Rückwirkungsverbot, Erstattungsanspruch der Gemeinden, Vermögenshaushalt, Verwaltungshaushalt
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 14.02.2023 – AN 3 K 20.520
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18890
Tenor
I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. Februar 2023 – AN 3 K 20.520 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 12.940,38 € festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, ist unbegründet.
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Die innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Die Klägerin, eine Gemeinde, verlangt vom beklagten Freistaat Bayern nach rückwirkender Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zum 1. Januar 2018 durch Gesetz vom 26. Juni 2018 (GVBl S. 449) die Erstattung von entgangenen Straßenausbaubeiträgen in Höhe von 12.940,38 € für die 2015 durchgeführte Baumaßnahme an der B.-straße, bei der nach Rohrlegearbeiten die verschlissene Straßendecke erneuert wurde. Der auf Art. 19 Abs. 9 Satz 1 bis 5 KAG gestützte Erstattungsantrag wurde von der Regierung von Mittelfranken abgelehnt, weil die Voraussetzung des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG nicht erfüllt sei. Denn im kameralistisch geführten Haushalt der Klägerin seien für die Straßenbaumaßnahme weder Ausgaben im Vermögenshaushalt noch Verpflichtungsermächtigungen veranschlagt worden. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage für unbegründet erachtet und abgewiesen.
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2. Die gegen das erstinstanzliche Urteil vorgebrachten Einwände der Klägerin führen nicht zur Zulassung der Berufung.
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a) Zunächst hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
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Die aufgeworfenen Fragen zur Auslegung des Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG und zu seiner Verfassungsmäßigkeit sind in der Rechtsprechung des Senats inzwischen – im Sinn des Verwaltungsgerichts – geklärt. Mit Urteil vom 13. Juni 2024 – 6 B 22.1215 – hat er entschieden, dass es sich bei Art. 19 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 KAG um eine zwingende Voraussetzung handelt, die nicht auf irgendeine Berücksichtigung der beitragsfähigen Maßnahme in einem spätestens am 11. April 2018 der Rechtsaufsichtsbehörde nach Art. 65 GO vorgelegten Haushalt der Gemeinde abstellt. Diese Vorschrift verlangt vielmehr ausdrücklich eine bestimmte Veranschlagung im Haushaltsplan (Art. 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GO), und zwar bei Haushaltswirtschaft nach den Grundsätzen der Kameralistik in Gestalt von „Ausgaben im Vermögenshaushalt“ (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 7 KommHV-Kameralistik), bei Haushaltswirtschaft nach den Grundsätzen der doppelten kommunalen Buchführung in Gestalt von „Auszahlungen aus Investitionstätigkeit“ (vgl. § 3 Abs. 1 Nrn. 20 bis 25 KommHV-Doppik), oder die Veranschlagung von „Verpflichtungsermächtigungen“ für künftige Haushaltsjahre.
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Mit dieser zusätzlichen, dem Beitragsrecht fremden haushaltsrechtlichen Anforderung nimmt es das Gesetz bewusst hin, dass im Einzelfall Straßenbaumaßnahmen von der Erstattung ausgeschlossen sind, die zwar für sich betrachtet nach alter Rechtslage ohne Weiteres beitragsfähig waren oder gewesen wären, die aber – aus welchem Grund auch immer – haushaltsrechtlich nicht rechtzeitig in qualifizierter Weise als Investitionen veranschlagt wurden oder werden konnten. Diese Beschränkung des Erstattungsanspruchs, die den Gemeinden in Einzelfällen für laufende oder technisch schon abgeschlossene Ausbaumaßnahmen die ursprünglich bestehende Einnahmequelle aus Beiträgen ohne Kompensation verschließt, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Typischerweise betrifft das lediglich „kleinere“, weniger kostenintensive Ausbaumaßnahmen im Abgrenzungsbereich zwischen noch beitragsfreier Instandhaltung oder schon beitragspflichtigem Ausbau. Weder wird dadurch die gemeindliche Finanzhoheit (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV) beeinträchtigt noch das – möglicherweise analog anzuwendende – Konnexitätsprinzip des Art. 83 Abs. 3 BV verletzt (vgl. BayVGH, U.v. 13.6.2024 – 6 BV 22.1215 – Rn. 24).
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Auch für einen Verstoß gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot, wie ihn der Zulassungsantrag zu begründen versucht, gibt es keine stichhaltigen Argumente, denen in einem Berufungsverfahren gegebenenfalls mit einer konkreten Normenkontrolle weiter nachzugehen wäre. Denn die Klägerin muss entgegen ihrer Sichtweise keine – rechtsstaatlich grundsätzlich verbotene – echte Rückwirkung hinnehmen. Zwar war die Straßenbaumaßnahme schon im Jahr 2015 technisch abgeschlossen. Die in Rede stehenden Vorschriften betreffen aber nicht die Baumaßnahme als solche, sondern ihre Refinanzierung durch Beiträge oder an deren Stelle tretende staatliche Erstattungsleistungen. Der Beitragssachverhalt war indes noch nicht abgeschlossen. Es geht also „nur“ um eine unechte Rückwirkung auf noch offene Beitragssachverhalte durch die Beschränkung von Erstattungsansprüchen auf haushaltsrechtlich qualifiziert veranschlagte Ausgaben für Straßenbaumaßnahmen. Eine solche unechte Rückwirkung entwertet zwar nachträglich die betroffene Rechtsposition, ist aber in der Regel zulässig. Es ist kein tragfähiger Grund dafür zu erkennen, dem gemeindlichen Vertrauen auf den Fortbestand der Refinanzierungsmöglichkeit durch Beiträge ausnahmsweise ein so großes Gewicht beizumessen, dass für eine Übergangszeit ein uneingeschränkter finanzieller Ausgleich (1:1) für entgangene Beiträge verfassungsrechtlich zwingend erforderlich wäre. Der Gesetzgeber ist vielmehr nicht gehindert, dem Vertrauensschutz geringeres Gewicht beizumessen, wenn es sich aus dem haushaltsrechtlich wertenden Blickwinkel der Gemeinde selbst um eine Straßenbaumaßnahme handelt, welche die Schwelle von der bloßen Unterhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahme (veranschlagt im Verwaltungshaushalt) zur Straßenerneuerung oder -verbesserung (veranschlagt im Vermögenshaushalt) nicht überschreitet.
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b) An der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen auch keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Senat teilt aus den oben dargelegten Gründen das erstinstanzliche Urteil im Ergebnis und in der Begründung.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).