Titel:
Abhängigkeit einer Sonderzahlung vom Bestand des Arbeitsverhältnisses
Normenketten:
BGB § 307 Abs. 3 S. 1, § 310 Abs. 4, § 611 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
Leitsätze:
1. Nehmen die Arbeitsvertragsparteien im Arbeitsvertrag (nur) hinsichtlich einzelner Regelungen, u.a. des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Zahlung von Weihnachts-, Urlaubsgeld oder sonstigen Sonderzahlungen, die Regelungen eines Tarifvertrages (hier des Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe) in Bezug, findet die Privilegierung des § 310 Abs. 4 S. 1 BGB, die eine uneingeschränkte Verweisung voraussetzt, keine Anwendung. Auf die Frage, ob Abweichungen vom Tarifvertrag zu einer Benachteiligung des Arbeitnehmers führen, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. (Rn. 24 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die in Bezug genommene Regelung in § 3 Nr. 3 des Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe, der zufolge Angestellte deren Arbeitsverhältnis im Auszahlungszeitpunkt beendet ist, keinen Anspruch – auch nicht anteilig – auf die Sonderzahlung haben, hält einer Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nicht stand (vgl. BAG BeckRS 2012, 68440 Rn. 22 ff.). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Arbeitsvertrag, Sonderzahlung, Inhaltskontrolle, AGB-Kontrolle, Tarifvertrag, Verweisung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18880
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
EURO 3.704,00 (i.W.: Dreitausendsiebenhundertvier EURO) brutto
sowie Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2023 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EURO 3.704,00 festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Sonderzahlung.
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Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.12.2022 auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 08.11.2022 (BI. 6 – 13 d.A.) zu einer Bruttomonatsgrundvergütung in Höhe von € 4.630,- beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch die Kündigung der Klägerin vom 26.09.2023 zum 31.12.2023.
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§ 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages enthält folgende Regelung:
„Die Zahlung von Weihnachts-, Urlaubsgeld oder sonstigen Sonderzahlungen richtet sich nach dem MTV in der jeweils gültigen Fassung. (…)“
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Der Arbeitsvertrag der Parteien nimmt darüber hinaus in zahlreichen Regelungen Bezug auf die tariflichen Regelungen für das private Versicherungsgewebe, so u.a. in S. 2 hinsichtlich der Arbeitszeit, S. 3 hinsichtlich der Vergütung. § 6 bezüglich des Urlaubs, § 10 hinsichtlich der Kündigungsfristen. Darüber hinaus ist in § 12 des Arbeitsvertrages Folgendes geregelt:
§ 12 Geltung der Tarifverträge für das Versicherungsgewerbe Soweit in diesem Arbeitsvertrag keine abweichenden Vereinbarungen getroffen wurden, finden die jeweils aktuellen Tarifverträge für das private Versicherungsgewerbe mit Ausnahme des Rationalisierungsschutzabkommens, des Mantel- und Gehaltstarifvertrages Ost und den Bestimmungen des MTV für den Werbeaußendienst sinngemäß Anwendung auf das Arbeitsverhältnis.“
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Die Regelung zur Sonderzahlungen im Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe in § 3 Ziffer 3. Abs. 1 lautete wie folgt:
„Angestellte, deren Monatsbezüge das höchste im Gehaltstarifvertrag gelregelte Monatsgehalt zuzüglich Verantwortungszulage -und, sofern die/der Angestellte Anspruch auf Schichtzulage hat, die Schichtzulage – nicht um mehr als 10% übersteigen, erhalten im letzten Quartal des Kalenderjahres eine Sonderzahlung in Höhe von 80% ihres Bruttomonatsgehalts. (…)
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Angestellte deren Arbeitsverhältnis im Auszahlungszeitpunkt beendet ist, haben keinen Anspruch – auch nicht anteilig – auf die Sonderzahlung. Gleiches gilt für Angestellte, die in einem gekündigten Arbeitsverhältnis stehen, außer im Falle betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung. Pensionierung, auch wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, gilt nicht als Kündigung
Die Klägerin erhielt keine Sonderzahlung.
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Mit Schreiben vom 20.12.2023 machte die Kläger die nicht erfolgte Weihnachtsgeldzahlung geltend (BI. 17 – 21 d.A.) Mit Schreiben vom 15.01.2024 lehnte die Beklagte die Zahlung ab (BI. 22- 23 d.A.)
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Mit ihrer am 23.01.2024 beim Arbeitsgericht München eingegangenen, der Beklagten am 01.02.2024 zugestellten Klage macht die Klägerin weiterhin den Anspruch auf Sonderzahlung geltend.
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Sie ist der Ansicht, dass die Stichtagsregelung unwirksam sei, da es sich allenfalls um eine Sonderzahlung mit Mischcharakter handele. Es liege keine Gesamtverweisung auf einen Tarifvertrag vor, eine Teilverweisung genüge nicht für die Privilegierung des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB.
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Jedenfalls verstoße die Bezugnahmeregelung gegen das Transparenzgebot.
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Die Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 3.704,00 brutto sowie Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2023 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt.
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Die Beklagte ist der Auffassung, dass kein Anspruch auf Zahlung bestehe, da die Klägerin die Voraussetzungen aufgrund ihrer Kündigung nicht erfülle.
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Sie ist der Ansicht, dass durch die Regelung des § 12 des Arbeitsvertrages, dass die tariflichen Regelungen Anwendung finden, soweit keine abweichenden vertraglichen Regelungen getroffen würden, zunächst eine globale Bezugnahme vorliege. Die materiellen Ansprüche des in Bezug genommenen Tarifwerkes seien sämtlich in den Arbeitsvertrag übernommen worden. Dies gelte sowohl mit Blick auf die explizit im Arbeitsvertrag zitierten Ansprüche als auch für die nicht wörtlich im Arbeitsvertrag zitierten, gleichwohl aber qua Bezugnahme eingebunden materiellen Ansprüche.
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Die Vertragsergänzungen seien rein zugunsten der Klägerin, dass das tariflich vereinbarte Austauschverhältnis nicht beeinträchtige. Der Arbeitsvertrag enthalte damit lediglich zwei materielle inhaltliche Abweichungen zum MTV, die Kündigungsfrist in der Probezeit, § 15 Abs. 4 MTV und die in § 24 MTV geregelten Verfalls- bzw. Ausschlussfristen.
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Die tarifliche Stichtagsregelung sei somit wirksam. Bei vollumfänglicher arbeitsvertraglicher Inbezugnahme finde keine AGB-Prüfung statt. Die regelungstechnische Einbeziehung sei irrelevant. Für die Teilverweisung müsse dies auch gelten, bei Übernahme ausgewogener, selbständiger Teilbereiche, da dann die Vermutung bestehe, dass ein interessengerechter Ausgleich gegeben sei.
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Durch § 12 des Arbeitsvertrages würden im Arbeitsvertrag nur solche Sachverhalte geregelt, die sich zum Teil nicht im Tarifvertrag befänden. Die Urlaubsregelung sei identisch. Es habe noch einer klarstellenden Ordnungsvorschrift zur Priorität der Einbringung des Urlaubs, der Übertragung und der Behandlung von Urlaubsansprüchen im Ein- und Austrittsjahr bedurft.
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Bei Berücksichtigung dieser geringfügigen Abweichungen müsse folglich eine vollumfängliche Bezugnahme konstatiert werden, mindestens jedoch die Inbezugnahme eines abgrenzbaren Regelungskreises innerhalb des MTV durch den Arbeitsvertrag.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf die Sonderzahlung gemäß § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 08.11.2022 in Verbindung mit dem § 3 Ziffer 3 des Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe in Höhe von € 3.704,- brutto.
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1. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat eine Inhaltskontrolle der inbezuggenommenen manteltarifvertraglichen Regelung des § 3 Nr. 3 zu erfolgen.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, welcher sich die erkennende Kammer anschließt, hat eine Inhaltskontrolle bei vollständiger Inbezugnahme eines Tarifvertrages nicht zu erfolgen. Eine Inhaltskontrolle der einzelnen Regelungen selbst hat in diesem Fall nicht zu erfolgen, weil sie gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nur bei einer Abweichung von Rechtsvorschriften stattfindet. Tarifverträge stehen gem. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB Rechtsvorschriften i.S.v. § 307 Abs. 3 BGB gleich. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, durch welche Regelungstechnik der betreffende Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet.
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b) Beschränkt sich die Inbezugnahme jedoch auf einzelne Vorschriften eines Tarifvertrags, entfällt die durch § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB erzeugte Privilegierung. Begünstigungen bei einzelnen Regelungen werden häufig um den Preis von Benachteiligungen durch andere Vorschriften erwirkt. Erst die Gesamtheit der Regelungen eines Tarifvertrags begründet grundsätzlich die Vermutung, dass dieser die divergierenden Interessen angemessen ausgleicht. Ob dies auch gilt, wenn die tarifvertragliche Regelung abgrenzbare Sachbereiche vollständig übernommen hat, ist umstritten. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 22. Januar 2004 (- VII ZR 419/02 – BGHZ 157, 346) entschieden, dass grundsätzlich jede inhaltliche Abweichung von der VOB/B einen Eingriff in deren Ausgewogenheit und damit eine Störung des von ihr beabsichtigten Interessenausgleichs darstelle. Andernfalls sei die im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen notwendige Transparenz nicht zu gewährleisten (vgl. BAG, Urteil vom 6. Mai 2009 10 AZR 390/08 –, juris m.w.N.).
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2. Die von der Beklagten vorgenommene Venweisung führt nicht zur Privilegierung des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB.
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Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, den Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe vollumfänglich in Bezug zu nehmen. Eine solche Regelung ist im Arbeitsvertrag gerade nicht getroffen worden. Sie ergibt sich auch nicht aus der Kombination der in den einzelnen Regelungen vorgenommenen Bezugnahmen und der Ergänzung in § 12 des Arbeitsvertrages.
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a) Die Beklagte regelt in ihrem Arbeitsvertrag mit der Klägerin zahlreiche Sachbereiche, welche in den entsprechenden Tarifverträgen geregelt sind wie beispielsweise die Arbeitszeit, die Vergütung, Urlaub, Kündigungsfristen und den Verfall von Ansprüchen. Dabei nimmt sie in den einzelnen Regelungen jeweils ergänzend bzw. auch klarstellend Bezug auf die tarifvertraglichen Regelungen. Zusätzlich verweist sie in § 12 des Arbeitsvertrages auf die jeweils aktuellen Tarifverträge des privaten Versicherungsgewerbes, mit der Einschränkung – soweit in diesem Arbeitsvertrag keine abweichenden Vereinbarungen getroffen wurden. Im Arbeitsvertrag sind tatsächlich nur wenige geringfügige Abweichungen zu den tarifvertraglichen Regelungen, betreffend die Kündigungsfrist in der Probezeit und den Verfall von Ansprüchen.
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Nach Ansicht der Kammer führen diese – wenn auch nur geringfügigen – Abweichungen jedoch dazu, dass hinsichtlich der Regelung für die Sonderzahlung, für welche auch auf den Manteltarifvertrag verwiesen wurde, die Privilegierung des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht gilt. Denn nur die uneingeschränkte Verweisung führt zu einer derartigen Privilegierung. Eine solche liegt gerade nicht vor.
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b) Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Abweichungen nicht zur Benachteiligungen der Klägerin führen würden. Ob dies beispielsweise bei der verlängerten Kündigungsfrist in der Probezeit tatsächlich der Fall ist, dürfte eine Einzelfallentscheidung sein und kann nicht generell bejaht werden. Gleiches gilt für den veränderten Beginn der Ausschlussfristen.
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c) Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie durch die Verweisung im Arbeitsvertrag hinsichtlich der Zahlung von Weihnachts-, Urlaubsgeld oder sonstigen Sonderzahlungen auf den Manteltarifvertrag Bezug nimmt und daher eine AGB-Kontrolle entfällt, da auf einen kompletten Regelungskomplexe Bezug genommen wird. Die Inbezugnahme auf einen einzelnen Regelungskomplex stellt gerade keine Inbezugnahme auf einen kompletten Regelungskomplex dar. Die Regelungen zur Sonderzahlung befinden sich innerhalb des Manteltarifvertrages im Regelungskomplex „Il Bestimmungen für Angestellte des Innendienstes und des Außendienstes soweit sie nicht unter Teil III fallen“. Dieser wird gerade nicht vollständig und unverändert inbezugenommen. Vielmehr ist darin auch die Regelung zur Kündigung in der Probezeit enthalten, von welcher abgewichen wird.
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3. § 3 Ziffer 3 MVT ist als arbeitsvertragliche Vereinbarung einer Klauselkontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen und benachteiligt die Klägerin unangemessen.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Eine derartige Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 BGB. Sie steht im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB, indem sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeitetes Entgelt entzieht. Sie verkürzt außerdem in nicht zu rechtfertigender Weise die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers, weil sie die Ausübung seines Kündigungsrechts unzulässig erschwert (vgl. BAG 18. Januar 2012 – 10 AZR 612/10 Rn. 22 ff).
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b) Dies gilt selbst dann, wenn der Stichtag innerhalb des Bezugsjahres liegt und die Sonderzahlung (auch) Arbeitsleistung abgelten soll, die in dem Zeitraum vor dem Stichtag erbracht wurde. In diesem Fall ist die Sonderzahlung ebenfalls zum Teil Gegenleistung für erbrachte Arbeit. Ein im Austausch von Arbeit und Vergütung liegender Grund für die Kürzung der Vergütung besteht nicht. Die Kürzung erfolgt vielmehr aufgrund einer aus Sicht des Arbeitgebers nicht hinreichend erwiesenen Betriebstreue. Dieser Gesichtspunkt ändert aber nichts daran, dass der Arbeitnehmer die nach dem Vertrag geschuldete Leistung erbracht hat. Irgendeine Störung des Austauschverhältnisses ist nicht gegeben. Auch ein Stichtag innerhalb des Bezugsjahres erschwert dem Arbeitnehmer die Ausübung des Kündigungsrechts, obwohl er seine Arbeitsleistung jedenfalls teilweise erbracht hat. Er erleidet einen ungerechtfertigten Nachteil Der Wert der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber hängt von ihrer Qualität und vom Arbeitserfolg ab, regelmäßig jedoch nicht von der reinen Verweildauer des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis. Die Belohnung zunehmender Beschäftigungsdauer als solcher steht nicht in einem Verhältnis zur Qualität und zum Erfolg der Arbeitsleistung. Die einmal erbrachte Arbeitsleistung gewinnt auch regelmäßig nicht durch bloßes Verharren des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis nachträglich an Wert (BAG 13. November 2013 – 10 AZR 848/12 Rn, 29 ff., BAGE 146, 284). Anders mag es liegen, wenn die Arbeitsleistung gerade in einem bestimmten Zeitraum vor dem Stichtag besonderen Wert hat. Das kann bei Saisonbetrieben der Fall sein, aber auch auf anderen branchen- oder betriebsbezogenen Besonderheiten beruhen. Möglich ist auch, dass eine Sonderzahlung an bis zu bestimmten Zeitpunkten eintretende Unternehmenserfolge anknüpft; in diesen Fällen ist eine zu bestimmten Stichtagen erfolgende Betrachtung oftmals zweckmäßig und nicht zu beanstanden (BAG, Urteil vom 27. Juni 2018 – 10 AZR 290/17 -juris).
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c) Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf die streitgegenständliche Forderung.
34
Da Sonderzuwendung nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien nicht nur der Honorierung vergangener und künftiger Betriebstreue, sondern auch der Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung diente, konnte die Beklagte den Anspruch der Klägerin nicht mit aufgrund Stichtagsklausel beschränken.
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4. Die Höhe der zu zahlenden Sonderzahlung beträgt nach dem unstreitigen Vorbringen € 3.704,- brutto.
36
5. Der Zinsanspruch richtet sich nach §§ 286 ff BGB.
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1. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte als unterliegende Partei zu tragen, § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO.
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2. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes erfolgt gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG in Höhe der eingeklagten Summe.
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Gegen dieses Urteil ist für die nicht beschwerte Klägerin kein Rechtsmittel gegeben. Die Beklagte kann gegen dieses Urteil nach Maßgabe der nachfolgenden Rechtsmittelbelehrung Berufung einlegen. Im Einzelnen gilt: