Inhalt

VGH München, Beschluss v. 27.06.2024 – 2 BV 22.501
Titel:

Erfolglose Nachbarklage gegen die Baugenehmigung für einen Kindergarten

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 130a
BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2
BauNVO § 4 Abs. 2 Nr. 3
BImSchG § 22 Abs. 1a
Leitsätze:
1. Ziel des § 22 Abs. 1a BImSchG ist es, das Lärmschutzrecht dahingehend weiter zu entwickeln, um den von Kindertageseinrichtungen ausgehenden "Kinderlärm" zu privilegieren und um ein klares gesetzgeberisches Signal für eine kinderfreundliche Gesellschaft zu setzen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der mit dem Betrieb eines Kindergartens einhergehende Lärm ist in Gebieten, in denen eine solche Einrichtung nach den Regelungen der BauNVO zur Art der baulichen Nutzung regelmäßig oder ausnahmsweise zulässig ist, grundsätzlich von den Nachbarn hinzunehmen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Lärm von Schulkindern, die auf einem Pausenhof spielen und Lärm vom Schulgebäude einer Schule selbst sind regelmäßig als sozialadäquat hinzunehmen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kindergarten, allgemeines Wohngebiet, Einrichtung für soziale Zwecke, Gebietserhaltungsanspruch, Gebot der Rücksichtnahme, objektive Gesichtspunkte, Kinderlärm, sozial adäquat, Schutz sensibler Nutzungen, Verkehrslärm, Park- und Parksuchverkehr
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 27.01.2022 – B 2 K 21.498
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 30.09.2024 – 4 B 22.24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18871

Tenor

I. Unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 27. Januar 2022 wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen gesamtschuldnerisch zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Kläger wenden sich gegen eine der Beklagten erteilte Baugenehmigung für den Umbau und die Nutzungsänderung eines Wohnhauses in einen Kindergarten auf dem Grundstück FlNr. ...1/...2 der Gemarkung F. …, K. …straße 13, … …
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Auf ihre Anfechtungsklage hin hob das Verwaltungsgericht Bayreuth die Baugenehmigung vom 25. März 2021 mit Urteil vom 27. Januar 2022 auf. Die Berufung wurde zugelassen.
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Zur Begründung der von ihr eingelegten Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vorliege. Die Umstände des Einzelfalls rechtfertigten es nicht, vom Regelfall der Wertung des § 22 Abs. 1a Satz 1 BImSchG, wonach Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen, wie beispielsweise Ballspielplätzen, durch Kinder hervorgerufen werden, keine schädlichen Umwelteinwirkungen sind, abzuweichen.
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Die Kläger verteidigen das angegriffene Urteil.
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Der Senat hat durch den Vorsitzenden als beauftragten Richter Beweis mittels Durchführung eines gerichtlichen Augenscheins erhoben. Insoweit wird auf das Augenscheinsprotokoll vom 14. März 2024 verwiesen.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 22. März 2024 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung nach § 130a VwGO in Betracht komme. Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2024 – ergänzt durch Schriftsatz vom 26. Juni 2024 – hat der Bevollmächtigte der Kläger sein Einverständnis mit dieser Vorgehensweise erklärt und abschließend ausgeführt, das Erstgericht habe zu Recht festgestellt, dass die zusätzliche Lärmbelastung durch das geplante Vorhaben in der Gesamtschau mit den bereits bestehenden Vorbelastungen in der näheren Umgebung gegen das städtebauliche Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Beispielsweise habe am 10. Mai 2024 in den Außenanlagen der schräg gegenüber dem Wohnanwesen der Kläger befindlichen M. …schule eine größere Veranstaltung stattgefunden mit lauter Musik und lärmenden Publikum. Beginn dieser Veranstaltung sei bereits um 8:00 Uhr morgens gewesen; diese habe sich über den Vormittag erstreckt. Am Wochenende zuvor habe ebenfalls über einen längeren Zeitraum hinweg ein Fest in der M. …schule stattgefunden, das erneut mit größerem Lärm verbunden gewesen sei. Unter der Woche fänden abends regelmäßig VHS-Kurse in der M. …schule statt, die, wenn das Wetter es zulasse, auch immer wieder in den Außenanlagen der Schule bzw. im Park vor der Stadtmauer, also faktisch unmittelbar gegenüber dem Wohnanwesen der Kläger, stattfänden. Überhaupt würde der Stadtpark vermehrt für Veranstaltungen genutzt werden. Hieraus sei ersichtlich, dass die Kläger auch außerhalb der Schulzeiten/Kindertagesstättenzeiten nicht unerheblichen Lärmbelästigungen ausgesetzt seien. Hinzu kämen in naher Zukunft weitere, mit Lärmbelastungen verbundene Veranstaltungen, für die die rückwärtig zum Wohnanwesen der Kläger liegende Kindertagesstätte Veranstaltungsort sein solle. Darüber hinaus diene diese Kindertagesstätte auch als Wahllokal. Wenn nunmehr eine weitere bzw. zusätzliche Lärmbelastung durch das geplante Vorhaben hinzukäme, sei eine dem Erholungsbedürfnis dienende Ruhezone im rückwärtigen Bereich des Anwesens der Kläger nicht mehr gewährleistet. Bereits jetzt existiere eine solche Ruhezone aufgrund der bereits vorhandenen Lärmquellen nicht mehr. Beide Kläger seien gesundheitlich stark eingeschränkt; eine weitere Ausdehnung der Kindergartennutzung sei nicht zumutbar.
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Für die Sachverhaltsdarstellung wird weiter auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung und das Augenscheinsprotokoll der ersten Instanz Bezug genommen.
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Die Beklagte hat zuletzt beantragt,
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die Klage unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 27. Januar 2022 abzuweisen.
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Die Kläger haben zuletzt beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Der Verwaltungsgerichtshof entscheidet über die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130a Satz 1 VwGO durch Beschluss, da er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
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Die Kläger werden durch die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20, 22). Für den Erfolg eines Nachbarrechtsbehelfs genügt es daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren auch keine umfassende Rechtskontrolle statt, vielmehr hat sich die gerichtliche Prüfung darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch vermitteln, verletzt werden. Die Baugenehmigung muss dabei gegen eine im Baugenehmigungsverfahren zu prüfende Vorschrift verstoßen.
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2. Die Baugenehmigung verstößt nicht gegen im Baugenehmigungsverfahren zu prüfende Vorschriften des Bauplanungsrechts, die auch dem Schutz der Kläger zu dienen bestimmt sind (§§ 29 ff. BauGB i.V.m. Art. 60 Satz 1 Nr. 1 BayBO).
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2.1. Ein Nachbar, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB gegen ein Vorhaben im Innenbereich wendet, kann mit seiner Klage nur durchdringen, wenn die angefochtene Baugenehmigung gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 5.12. 2013 – 4 C 5.12 – ZfBR 2014, 257, m.w.N.). Das Gebot der Rücksichtnahme ist bei faktischen Baugebieten im Sinne der BauNVO (§ 34 Abs. 2 BauGB) zudem in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankert. Nachbarschutz wird daneben auch nach dem Rechtsinstitut des Gebietsbewahrungs- bzw. Gebietserhaltungsanspruchs gewährt. Darauf, ob sich das Bauvorhaben objektiv in die maßgebliche Umgebung i.S.d. § 34 BauGB einfügt, kommt es darüber hinaus nicht an.
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2.2. Ein Verstoß gegen einen etwaigen Gebietserhaltungsanspruch ist nicht ersichtlich.
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Der Gebietserhaltungsanspruch des Nachbarn setzt voraus, dass das Grundstück in einem festgesetzten oder in einem faktischen Baugebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB) liegt, und ist im Ergebnis darauf gerichtet, Vorhaben zu verhindern, die nach Art der baulichen Nutzung weder regelmäßig noch ausnahmsweise in diesem Gebiet zulässig sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – juris Rn. 13). Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Im Rahmen dieses nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses kann daher das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des (faktischen) Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindert werden (vgl. BVerwG, B.v. 22.12.2011 – 4 B 32.11 – ZfBR 2012, 378).
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Mit dem Erstgericht ist davon auszugehen, dass es sich bei dem maßgeblichen Quartier um ein faktisches allgemeines Wohngebiet (§ 4 BauNVO) handelt, in dem Kindergärten als Anlagen für soziale Zwecke allgemein zulässig sind (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO). Diese Einschätzung des Erstgerichts wird von den Beteiligten auch nicht infrage gestellt. Ob aufgrund des bestehenden Kindergartens S. … in der unmittelbaren Umgebung überhaupt weiterer Bedarf an Kinderbetreuungsmöglichkeiten besteht, ist, wovon das Erstgericht ebenfalls zutreffend ausgeht, entgegen der Ansicht der Kläger nicht entscheidend. Auf den nur der Versorgung des Gebiets dienenden Charakter der Anlage kommt es im Rahmen von § 4 Abs. 2 BauNVO nicht an. Diese Einschätzung des Erstgerichts wurde von den Klägern im Berufungsverfahren auch nicht weiter angegriffen.
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2.3. Das Vorhaben verstößt nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
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2.3.1. Es kann dahinstehen, ob sich dieses im vorliegenden Fall aus dem Begriff des „Einfügens“ des § 34 Abs. 1 BauGB oder aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO ableitet, da im Ergebnis dieselbe Prüfung stattzufinden hat (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 3). Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4). Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215.96 – juris Rn. 9). Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17).
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Eine unzumutbare Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks durch die (hinzukommende) Kindertagesstätte ist nicht zu erwarten. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die durch die bestimmungsgemäße Nutzung der Kindertagesstätte verursachten Geräuscheinwirkungen sowie den durch den An- und Abfahrtsverkehr verursachten Lärm.
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2.3.2. Hinsichtlich der durch die Kinder verursachten Geräusche – insbesondere bei Nutzung des rückwärtigen Gartenbereichs des Vorhabengrundstücks als Außenspielfläche – folgt dies schon aus § 22 Abs. 1a BImSchG. Nach dieser Regelung sind Geräuscheinwirkungen, die unter anderem von Kindertageseinrichtungen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung (vgl. BVerwG, B.v. 5.6.2013 – 7 B 1.13 – juris Rn. 6). Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden. Ziel dieser Regelung ist es, das Lärmschutzrecht dahingehend weiter zu entwickeln, um den von Kindertageseinrichtungen ausgehenden „Kinderlärm“ zu privilegieren und um ein klares gesetzgeberisches Signal für eine kinderfreundliche Gesellschaft zu setzen (BT-Drs. 17/4836; vgl. auch Art. 2 BayKJG, wonach die natürlichen Lebensäußerungen von Kindern, die Ausdruck natürlichen Spielens oder anderer kindlicher Verhaltensweisen sind, als sozialadäquat hinzunehmen sind). Die Privilegierung betrifft grundsätzlich „Geräuscheinwirkungen“ durch Kinder sowie das Rufen und Sprechen von Betreuungspersonen und das Nutzen kindgerechter Spielgeräte (vgl. BVerwG, B.v. 5.6.2013 – 7 B 1.13 – juris Rn. 6).
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Der mit dem Betrieb eines Kindergartens einhergehende Lärm ist in Gebieten, in denen eine solche Einrichtung nach den Regelungen der BauNVO zur Art der baulichen Nutzung regelmäßig oder ausnahmsweise zulässig ist – so auch in (faktischen) reinen und allgemeinen Wohngebieten und in Mischgebieten gem. § 3 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2, § 4 Abs. 2 Nr. 3, § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO (ggf. i.V. mit § 34 Abs. 2 BauGB) bzw. in unbeplanten Gemengelagen mit tatsächlich vorhandener Wohnnutzung gem. § 34 Abs. 1 BauGB – grundsätzlich von den Nachbarn hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 12.02.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 17).
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Besondere Umstände, die im hier zu entscheidenden Einzelfall zu einer anderen Betrachtung führen würden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere liegt kein Sonderfall vor (vgl. zu den sogenannten „sensiblen Nutzungen“ wie Krankenhäusern oder Pflegeheimen: BeckOK UmweltR/Enders, 70. Ed. 1.4.2024, § 22 BImSchG Rn. 24b). Das gilt auch unter Berücksichtigung der Gesundheitseinschränkungen der Kläger, da die Zumutbarkeitsgrenze wertend nach objektiven Gesichtspunkten zu betrachten ist. Die vorgesehene Kindertagesstätte erreicht mit nur maximal 25 Betreuungsplätzen – also als kleine Einrichtung – keinen für die vorgefundene Nachbarschaft unzumutbaren Umfang. Eine äußerste, auch für den Bundesgesetzgeber aufgrund des verfassungsrechtlichen Schutzes der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu beachtende Grenze für die Zumutbarkeit ist ein gesundheitsschädliches Lärmniveau (vgl. BVerwG, B.v. 19.4.2011 – 4 BN 4.11 – juris Rn. 18). Von einer derart hohen Belastung kann bei einer Kindertageseinrichtung geringer Größe mit nur einer Gruppe mit maximal 25 Betreuungsplätzen nicht ausgegangen werden. Die Kindertagesstätte wird ausschließlich an Werktagen betrieben und wohl erst um 7:00 Uhr geöffnet sowie wohl spätestens um 18:30 Uhr – das Erstgericht geht von den Beteiligten unwidersprochen in Bezug auf die Bring- und Holzeiten von Stoßzeiten von 7:30 bis 8:30 und von 16:00 bis 17:00 Uhr aus – wieder geschlossen, sodass die Tagzeiten mit erhöhter Empfindlichkeit (an Werktagen von 6:00 Uhr bis 7:00 Uhr und von 20:00 bis 22:00 Uhr) gar nicht betroffen sind. Bei einer Größe der bespielbaren Außenfläche – die bis auf ca. 5 m an die Grundstücksgrenze der Kläger heranreicht, aber von dieser durch einen abschirmenden blickdichten Staubgitterzaun von 1,80 m Höhe getrennt ist – von insgesamt nur ca. 100 m² ist überdies davon auszugehen, dass sich ein Gutteil der pädagogischen Spiel- und Freizeitgestaltung im Innenbereich abspielen wird. Die Kindertagesstätte verfügt insoweit über angemessene Innenspiel- und Nutzflächen.
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Dieses Ergebnis gilt auch unter Berücksichtigung der bereits vorhandenen, nicht vollkommen unerheblichen Vorbelastungen durch die bereits existierende Kindertagesstätte S. … In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die durch die geplante Einrichtung hinzutretende zusätzliche Geräuschbelastung- vom Kraftfahrzeugverkehr abgesehen – in erster Linie bzw. ausschließlich durch den Aufenthalt der Kinder im Freien hervorgerufen werden. Allerdings sind die örtlichen Verhältnisse dergestalt, dass die durch die geplante Einrichtung hinzukommende Außenspielfläche im Verhältnis zu der östlich der Kindertagesstätte S. … gelegenen Außenspielfläche flächenmäßig kaum ins Gewicht fällt und daher nicht nennenswert zu einer Erhöhung der bereits vorhandenen Geräuschbelastung führen wird (, zumal, wie oben dargelegt, ausreichende Innenspielflächen vorhanden sind). Der Senat berücksichtigt bei dieser Wertung auch die vorhandene Vorbelastung durch die nordwestlich der vorhandenen Kindertagesstätte S. … bestehenden Außenspielfläche, die jedoch vom klägerischen Grundstück mindestens 40 m entfernt liegt und vor diesem Hintergrund nicht derart ins Gewicht fällt, dass insgesamt mit einer unzumutbaren Beeinträchtigung durch Außenspielgeräusche zu rechnen wäre. Gleiches gilt unter Berücksichtigung der bestehenden Vorbelastung durch im Zusammenhang mit dem Betrieb der nordwestlich gelegenen Martinschule entstehenden Geräusche. Lärm von Schulkindern, die auf einem Pausenhof spielen und Lärm vom Schulgebäude einer Schule selbst sind regelmäßig als sozialadäquat hinzunehmen (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 5.10.2023 – 1 KN 16/21 – juris). Dass dies im hier zu entscheidenden Einzelfall anders liegen könnte, ist angesichts der Tatsache, dass der Schulhof mindestens 60 m (abgegriffen) vom klägerischen Grundstück entfernt liegt, nicht anzunehmen. Dieses Ergebnis gilt auch, wenn man die Gesamtheit aller bestehenden Vorbelastungen berücksichtigt, zumal die Kläger während des gerichtlichen Augenscheins selbst angegeben haben, die aus ihrer Sicht am stärksten beeinträchtigenden Lärmeinwirkungen würden durch den Hol- und Bringverkehr verursacht (dazu unten 2.3.3). Insgesamt wird das klägerischen Grundstück nicht durch Einrichtungen im Sinne von § 22 Abs. 1a Satz 1 BImSchG bzw. ähnlichen Einrichtungen derart „eingemauert“, dass die Zumutbarkeitsschwelle überschritten wäre, zumal sich direkt gegenüber des klägerischen Grundstückes und nach Nordwesten hin erstreckend ein weitläufiger Stadtpark ohne nennenswerte „Negativeinrichtungen“ befindet, auch wenn ein kleiner Teil davon gelegentlich zum Schulsport der Martinschule oder seltenen Festivitäten oder sonstigen Aktivitäten benutzt wird.
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2.3.3. Unzumutbare Auswirkungen auf das Nachbargrundstück durch den der verfahrensgegenständlichen Einrichtung zuzurechnenden Verkehr sind ebenfalls nicht zu erwarten. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Lärmbelästigung als auch im Hinblick auf den Park- und Parkplatzsuchverkehr. Die TA Lärm als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift findet für die Abgrenzung zwischen zumutbarem und unzumutbarem Lärm gemäß Nr. 1 Satz 2 Buchst. h auf Kindergärten als Anlagen für soziale Zwecke keine Anwendung (vgl. BayVGH, B.v. 12.02.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 17). Offenbleiben kann, ob § 22 Abs. 1a BImSchG auch auf die durch die bestimmungsgemäße Nutzung entstehenden Verkehrsgeräusche anwendbar ist (verneinend: VG München, U.v. 12.7.2012 – M 8 K 11.2932 – juris Rn. 91; offen gelassen: BayVGH, B.v. 12.02.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 18; Überblick über den Streitstand: OVG SH, B.v. 1.2.2019 – 1 MB 1/19 – juris Rn. 17). Denn der mit dem Bringen und Holen der in der Einrichtung betreuten Kinder verbundene Verkehrslärm ist von den Nachbarn regelmäßig hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 18 m.w.N.; B.v. 27.11.2019 – 9 ZB 15.442 – juris Rn. 17; B.v. 30.11.2009 – 2 CS 09.1979 – juris Rn. 31; OVG SH, B.v. 1.2.2019 – 1 MB 1/19 – juris, Ls. 4 und Rn. 17). Dies gilt sowohl in Baugebieten nach der BauNVO, in denen Kindertageseinrichtungen allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind, als auch in Gemengelagen, in denen Wohnnutzung vorhanden ist. Dass die Umstände des Einzelfalls hier aufgrund einer besonderen Belastungswirkung zu einer anderen Bewertung führen könnten, ist nicht ersichtlich.
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Gleiches gilt für den dem Vorhaben zuzurechnenden Park- oder Parksuchverkehr. Der durch ein Vorhaben verursachte und diesem zuzurechnende Fahrzeugverkehr kann nur in Ausnahmefällen zu einer Unzumutbarkeit für die betroffenen Nachbarn führen, insbesondere dann, wenn mangels ausreichender Parkmöglichkeiten (im Bereich der öffentlichen Verkehrsflächen oder auf dem Vorhabengrundstück) der hierdurch bewirkte Park- oder Parksuchverkehr den Nachbarn unzumutbar beeinträchtigt oder wenn die bestimmungsgemäße Nutzung des Nachbargrundstücks nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich ist, (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2009 – 1 CS 09.287 – juris Rn. 39). Hierbei muss es aufgrund der örtlichen Verhältnisse zu chaotischen Verkehrsverhältnissen im unmittelbaren Umgriff des Nachbargrundstücks kommen (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 18). Hiervon ist indes nicht auszugehen. Auf dem Vorhabengrundstück selbst befindet sich nur ein Stellplatz, der voraussichtlich von Mitarbeitern der geplanten Einrichtung in Anspruch genommen werden wird. Es ist davon auszugehen, dass ein Teil der mit einem Kraftfahrzeug Anfahrenden die bestehende Zufahrt zur Kindertagesstätte S. … benutzen und dort das Kraftfahrzeug abstellen wird, um die Kinder über den Fußweg, der von der Kindertagesstätte S. … Richtung Osten und anschließend Richtung Norden verlaufend auf die K. …straße direkt östlich angrenzend an die geplante Einrichtung mündet, in die streitgegenständliche Kindertagesstätte zu bringen. Hierdurch wird zwar die Zahl der Kraftfahrzeuge, die die bestehende Zufahrt unmittelbar westlich an das Grundstück der Kläger angrenzend benutzt, geringfügig erhöht. Diese Erhöhung fällt im Verhältnis zu der bereits bestehenden Vorbelastung jedoch nicht derart ins Gewicht, dass sie als unzumutbar einzustufen wäre, zumal die Abfahrten im gerade angenommenen Fall nach Nordwesten hin auf die K. …straße und damit nicht mehr direkt angrenzend am Grundstück der Kläger erfolgen wird. Ein anderer Teil des Bring- und Holverkehrs wird nach allgemeiner Lebenserfahrung direkt vor der geplanten Einrichtung auf der K. …straße selbst abgewickelt werden. Die dortigen Verhältnisse sind allerdings nicht derart beengt, dass davon auszugehen wäre, dass es zu chaotischen Verkehrsverhältnissen im unmittelbaren Umfeld des Nachbargrundstücks kommen wird. Die K. …straße ist aufgrund ihrer Größe zweifellos geeignet, den durch das Vorhaben zusätzlich ausgelösten Verkehr aufzunehmen. Weiterhin ist aufgrund der Größe der Einrichtung nicht mit einer unzumutbaren Anzahl an Fahrten und damit verbundenen unzumutbaren Lärmentwicklungen zu rechnen. Selbst für den (völlig unwahrscheinlichen) Fall, dass alle 25 Kinder einzeln mit dem Fahrzeug gebracht und abgeholt würden, ergäben sich daraus lediglich 50 zusätzliche Fahrten im Umfeld der Kindertagesstätte. Diese Anzahl fällt bei der bereits vorhandenen Verkehrsbelastung im Zusammenhang mit der bereits bestehenden Kindertagesstätte und der nordwestlich gelegenen Schule – auch unter Berücksichtigung möglicherweise gelegentlich stattfindender Abendveranstaltungen – nicht nennenswert ins Gewicht.
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3. Die Verletzung bauordnungsrechtlicher Vorschriften, die Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens sind (Art. 60 Satz 1 Nr. 2 BayBO), ist weder gerügt, noch – wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, worauf Bezug genommen wird – ersichtlich.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 159 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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5. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO angeführten Gründe vorliegt.
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6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 und § 52 Abs. 1 GKG.