Titel:
Wiederholung der Ausführungen aus dem Klage- und Zulassungsverfahren
Normenketten:
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1
VwGO § 152a Abs. 1 S. 1 Nr. 2
FeV § 11 Abs. 7
Leitsätze:
1. Die Anhörungsrüge kann nicht als „sekundäre Gehörsrüge“ auf die Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels gegen einen behaupteten Gehörsverstoß der Vorinstanz gestützt werden, sondern nur auf eine neue und eigenständige Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Rechtsmittelgericht (stRspr, vgl. BVerfG BeckRS 2018, 37473; BayVerfGH BeckRS 2020, 29500; BVerwG BeckRS 2010, 51155; VGH München BeckRS 2008, 28311). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Anhörungsrüge ist kein Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (stRspr. vgl. VGH München BeckRS 2023, 29875, BeckRS 2023, 18927.(Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
sekundäre Gehörsrüge, Wiederholung der Ausführungen aus dem Klage- und Zulassungsverfahren, Gehörsverstoß, zeitliche Abstand zur positiven Fahreignungsbegutachtung, Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, außergewöhnliche Alkoholtoleranzentwicklung, Gebot des rechtlichen Gehörs, Anhörungsrüge
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18845
Tenor
I. Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.
Gründe
1
Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Aus dem Schriftsatz vom 27. Juni 2024 ergibt sich nicht, dass der Senat bei seiner Entscheidung vom 13. Juni 2024 (Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung) den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör, wie in § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO vorausgesetzt, in entscheidungserheblicher Weise verletzt hätte.
2
Nach Ansicht des Klägers ergibt sich eine Verletzung rechtlichen Gehörs „im Kern … aus der jeweiligen Bezugnahme auf frühere Entscheidungen, die bereits entscheidungserhebliches Vorbringen des Klägers unberücksichtigt gelassen“ hätten. Insoweit beanstandet er wie bereits im Antrag auf Zulassung der Berufung, dass das Verwaltungsgericht zur Begründung der Klageabweisung mit Urteil vom 8. November 2023 auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Juli 2023 im Eilverfahren (11 CS 23.1229) Bezug genommen hat. Da der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dies im Zulassungsverfahren für rechtmäßig und ausreichend gehalten habe, habe sich der erstinstanzliche Gehörsverstoß perpetuiert.
3
Die Anhörungsrüge kann jedoch nicht als „sekundäre Gehörsrüge“ auf die Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels gegen einen behaupteten Gehörsverstoß der Vorinstanz gestützt werden, sondern nur auf eine neue und eigenständige Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Rechtsmittelgericht (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 14.12.2018 – 2 BvR 1594/17 – juris Rn. 15; VerfGH, E.v. 28.10.2020 – Vf. 41-VI-20 – juris Rn. 25; BVerwG, B.v. 6.7.2010 – 5 B 13.10 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 2.9.2008 – 8 ZB 07.2018 – juris Rn. 10; Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand Januar 2024, § 152a VwGO Rn. 18b m.w.N.). Mit dem Einwand des Klägers, die erstinstanzliche Bezugnahme auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im vorläufigen Rechtsschutz sei unzulässig, hat sich der Senat in seiner Entscheidung vom 13. Juni 2024 eingehend befasst und ausgeführt, aus welchen Gründen gegen die Bezugnahme keine rechtlichen Bedenken bestehen (Rn. 12 f.).
4
Soweit der Kläger die Anhörungsrüge mit erstinstanzlich vorgebrachten verfassungsrechtlichen Einwänden gegen die Anwendbarkeit der Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Unvereinbarkeit mit Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG begründet, die das Verwaltungsgericht übergangen habe, finden sich in der Begründung des Zulassungsantrags vom 6. Februar 2024 hierzu keine Ausführungen. Für den Senat bestand daher keine Veranlassung, auf diese im Zulassungsverfahren nicht angesprochene und im Übrigen vom Verwaltungsgericht verneinte (UA S. 15) Frage einzugehen.
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Hinsichtlich des nach Auffassung des Klägers bestehenden Verwertungsverbots bezüglich der im Krankenhaus erhobenen „Gesundheitsdaten“ liegt ebenfalls kein Gehörsverstoß vor. Der Senat ist in seinem Beschluss vom 13. Juni 2024 darauf ausdrücklich eingegangen und hat ein Verwertungsverbot verneint (BA Rn. 19 a.E.). Gleiches gilt für die Frage, weshalb der Senat mit dem Beklagten und der Vorinstanz davon ausgeht, dass hier aufgrund der besonderen Umstände wegen offensichtlich feststehender Alkoholabhängigkeit des Klägers nach Rückfällen mit 4 ‰ und 3,32 ‰ in geringem zeitlichen Abstand zur positiven Fahreignungsbegutachtung und Wiedererteilung der Fahrerlaubnis auch ohne nochmalige gutachterliche Abklärung die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 11 Abs. 7 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) gerechtfertigt war (BA Rn. 14 ff.). Dies gilt angesichts der ärztlich mehrfach festgestellten und im Übrigen auch vom Kläger selbst bei der letzten medizinisch-psychologischen Untersuchung so gesehenen Notwendigkeit dauerhaften und konsequenten Verzichts auf Alkohol auch hinsichtlich der Umstände beim Rückfall, die auch in früheren Krankheitszeiten bestanden haben, und ebenso für die Aussagekraft der hohen BAK-Werte. Wie der Senat unter Hinweis auf die Beurteilungskriterien (Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 4. Auflage 2022, S. 88) ausgeführt hat, sind Werte in der vom Kläger zuletzt erreichten Größenordnung deutliche Indikatoren für eine außergewöhnliche Alkoholtoleranzentwicklung und damit – jedenfalls unter Berücksichtigung der zuvor gesicherten Diagnose – für eine Alkoholabhängigkeit (BA Rn. 20).
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Hinsichtlich der vom Kläger abgelehnten Vorlage des Entlassungsberichts des Bezirkskrankenhauses mit der Begründung, dieser sei erst nach dem Erlass des Bescheids als maßgeblichem Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung erstellt worden, hat der Senat in seinem Beschluss zum Ausdruck gebracht, dass der Bericht unabhängig von seinem Erstellungsdatum deswegen relevant sein dürfte, weil der Vorfall vom 22. Januar 2023, der zum mehrwöchigen Aufenthalt des Klägers im Bezirkskrankenhaus geführt hat, zeitlich vor Erlass des Bescheids am 8. Februar 2023 lag und daher zumindest die Aufnahmediagnose der Klinik Aufschluss über das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit geben dürfte, die der Kläger bestreitet (Rn. 20 und 33 jeweils am Ende).
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In der Sache wiederholt der Kläger mit jedem erhobenen Einwand zur Begründung seiner Anhörungsrüge lediglich seine Ausführungen aus dem Klage- und Zulassungsverfahren und macht damit die nach seiner Ansicht bestehende inhaltliche Unrichtigkeit der ablehnenden Entscheidungen geltend. Damit verkennt er jedoch den Sinn des Rechtsbehelfs nach § 152a VwGO und den Schutzbereich von Art. 103 Abs. 1 GG. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsauffassung eines Beteiligten inhaltlich zu folgen. Dementsprechend ist die Anhörungsrüge auch kein Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 27.9.2023 – 10 ZB 23.1627 – juris Rn. 3; 18.7.2023 – 6 ZB 23.1185 – juris Rn. 7 m.w.N; Rudisile in Schoch/Schneider, § 152a VwGO Rn. 18a; Kaufmann in BeckOK VwGO, Posser/Wolff/Decker, Stand 1.1.2020, § 152a Rn. 10).
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Die Kosten der erfolglosen Anhörungsrüge sind gemäß § 154 Abs. 1 VwGO dem Kläger aufzuerlegen. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Festgebühr anfällt.
9
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).