Inhalt

VGH München, Beschluss v. 22.07.2024 – 11 CS 24.764
Titel:

Erfolglose Beschwerde gegen angeordnete Betriebsprüfung bei einem Mietwagenunternehmer

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1, Abs. 5, § 146
PBefG § 54, § 54a
Leitsätze:
1. Für eine Betriebsprüfung nach § 54a PBefG bedarf es weder des Verdachts eines Gesetzesverstoßes noch eines besonderen Anlasses; die Frage, ob für eine Betriebsprüfung ein Anlass besteht, ist daher allenfalls im Rahmen der Ermessensausübung durch die Behörde zu überprüfen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Aufsichtsbehörde darf sich - auch ungeachtet einer vor Genehmigungserteilung begangenen Urkundenfälschung und ungeachtet dessen, ob der Antragsteller schon eine Folgegenehmigung beantragt hat - davon überzeugen, dass er als erstmaliger Genehmigungsinhaber dazu in der Lage ist, den Mietwagenbetrieb ordnungsgemäß zu führen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betriebsprüfung bei einem Mietwagenunternehmer, Duldungs- und Verpflichtungsbescheid, Betriebsprüfung, Personenbeförderung, Mietwagen
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 20.03.2024 – M 23 S 24.521
Fundstellen:
BayVBl 2024, 777
LSK 2024, 18835
BeckRS 2024, 18835

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung von Ziffer III des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 20. März 2024 für das Ausgangsverfahren auf 3.750,- EUR und für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Beschwerdeverfahren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen einen personenbeförderungsrechtlichen Bescheid, soweit das Verwaltungsgericht seinem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht stattgegeben hat. Mit dem angefochtenen Bescheid verpflichtete ihn die Antragsgegnerin zur Duldung einer Betriebsprüfung, zur Vorlage betrieblicher Unterlagen und zur Duldung von deren Einsichtnahme.
2
Nachdem der Antragsteller am 9. November 2022 die vollständigen Antragsunterlagen und im Nachgang noch ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt und die Antragsgegnerin am 1. Februar 2023 seinen Betriebssitz überprüft hatte, genehmigte sie ihm mit Bescheid vom 10. Februar 2023 erstmalig den Verkehr mit Mietwagen für neun Fahrzeuge bis 31. Januar 2025. Zu seiner persönlichen Zuverlässigkeit ist ausgeführt, dass eine strafrechtliche Verurteilung wegen Urkundenfälschung diese zwar tangiere, bei einer Gesamtbetrachtung jedoch noch nicht so schwer wiege, dass Unzuverlässigkeit anzunehmen und die Genehmigung zu versagen sei. Dem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 3. August 2022 lag zugrunde, dass der Antragsteller an einem Leichtkraftrad ein grünes Versicherungskennzeichen angebracht hatte, um den Rechtsverkehr über einen tatsächlich nicht vorhandenen Versicherungsschutz zu täuschen.
3
Mit Schreiben vom 27. November 2023 kündigte die Antragsgegnerin dem Antragsteller für den 14. Dezember 2023 eine Betriebsprüfung gemäß §§ 54, 54a PBefG an. Mit E-Mail vom 6. Dezember 2023 bat der Antragsteller wegen der Abwesenheit seines Steuerberaters um Verschiebung dieses Termins. Nachdem die Antragsgegnerin die Prüfung auf den 9. Januar 2024 verlegt hatte, bat der Antragsteller am 5. Januar 2024 unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung wegen Krankheit erneut um eine Verschiebung des Prüfungstermins. Daraufhin teilte ihm die Antragsgegnerin mit E-Mail vom 9. Januar 2024 mit, die Betriebsprüfung werde auf den 16. Januar 2024 verschoben, und verpflichtete ihn mit Bescheid vom 15. Januar 2024 zur Duldung der Betriebsprüfung und zur Gewährung der Einsichtnahme in bestimmte betriebliche Unterlagen am 16. Januar 2024. Die Betriebsprüfung konnte jedoch nicht durchgeführt werden, da lediglich ein Mitarbeiter des Antragstellers anwesend war, der unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Antragsteller erklärte, dieser sei wegen Krankheit verhindert. Der Mitarbeiter konnte weder eine schriftliche Vollmacht vorzeigen, noch war der Antragsteller telefonisch zu erreichen.
4
Mit Bescheid vom 22. Januar 2024 verpflichtete die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Duldung einer Betriebsprüfung und zur Gewährung der Einsichtnahme in betriebliche Unterlagen am 6. Februar 2024. Im Rahmen der Betriebsprüfung sollte Einsicht in allgemeine Buchhaltungsunterlagen und Personalunterlagen (Arbeitsverträge und Lohnabrechnungsunterlagen aller Angestellten, Führerscheine, Personenbeförderungsscheine und Einsatzpläne aller Fahrer in Kopie), fahrzeug- und unternehmensbezogene Unterlagen seit Jahresbeginn 2021 bzw. „von 2021 bis aktuell“ vorgelegt werden. Ferner ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 7.500,- EUR für den Fall an, dass die angeordneten Verpflichtungen nicht fristgerecht oder vollständig erfüllt würden. Zur Begründung wurde auf den Strafbefehl vom 3. August 2022 verwiesen, der im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e PBZugV relevant sei, sowie auf die Zuwiderhandlung gegen den vorangegangenen Verpflichtungsbescheid vom 15. Januar 2024. Um sicherzustellen, dass die Vorschriften des PBefG und die aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften umfassend eingehalten würden, mache die zuständige Aufsichtsbehörde erneut von ihren Prüfbefugnissen nach §§ 54, 54a PBefG Gebrauch. Um den aufgekommenen Verdacht prüfen zu können, dass die Arbeitszeiterfassung nicht den gesetzlichen Vorgaben gerecht werde und Angaben verschleiert würden, sollten sowohl der Betriebssitz als auch die Bücher und Geschäftspapiere des Gewerbetreibenden einer Prüfung unterzogen werden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege im überwiegenden öffentlichen Interesse. Bei einer Prüfung erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens bestehe die Gefahr, dass wesentliche Unterlagen zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufsicht nicht mehr vorhanden seien, sodass der Zweck der Betriebsprüfung verfehlt würde.
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Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 5. Februar 2024 beim Verwaltungsgericht München Klage erheben und einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz stellen. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 23. Februar 2024 ließ der Antragsteller Widerspruch einlegen und mit Schriftsatz vom 23. Februar 2024 bei Gericht beantragen, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Verpflichtungs- und Duldungsbescheid vom 22. Januar 2024 anzuordnen.
6
In der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2024 änderte die Antragsgegnerin den Tenor des angefochtenen Bescheids dahingehend ab, dass die dort näher bezeichneten Unterlagen „…seit 10.2.2023…“ vorgelegt werden sollten.
7
Mit Beschluss vom gleichen Tag gab das Verwaltungsgericht dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz statt, soweit beantragt worden war, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Zwangsgeldandrohung anzuordnen und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verpflichtung zur Vorlage bestimmter betrieblicher Unterlagen (Arbeitsverträge und Lohnabrechnungsunterlagen aller Angestellten) und zur Gewährung der Einsicht in diese wiederherzustellen, soweit dies über eine rein stichprobenartige Prüfung hinausgeht, und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Der Rechtsschutzantrag sei zulässig. Insbesondere fehle dem Antragsteller nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die Bezeichnung des Widerspruchs als „vorsorglich“ stehe dem nicht entgegen, da nach Auslegung damit keine echte Bedingung im Hinblick auf die Erforderlichkeit der bedingungsfeindlichen Einlegung eines Rechtsbehelfs verknüpft gewesen sei. Auch habe sich die Verpflichtung zur Duldung der Betriebsprüfung und zur Gewährung der Einsichtnahme in betriebliche Unterlagen am 6. Februar 2024 nicht durch Zeitablauf erledigt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei formell und materiell rechtmäßig, insbesondere ausreichend im Sinne von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet worden. Dass einer Betriebsprüfung nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens die zumindest abstrakte Gefahr innewohne, dass wesentliche Unterlagen zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufsicht nicht mehr vorhanden seien, sei als Begründung nachvollziehbar und plausibel und genüge den Anforderungen. Ob die angeführte Begründung tatsächlich in der Sache trage, sei eine Frage der inhaltlichen Richtigkeit und damit des materiellen Rechts. Der Rechtsschutzantrag sei hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung begründet, da rechtliche Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit wegen fehlender Differenzierung zwischen einzelnen Pflichtverstößen und hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit wegen der Höhe des Zwangsgelds bestünden. Rechtsgrundlage für die angeordnete Betriebsprüfung seien § 54 Abs. 1, § 54a Abs. 1 PBefG. Die Anordnung einer Betriebsprüfung sei überwiegend verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei. Es stehe im pflichtgemäßen Ermessen der Genehmigungsbehörde, ob und wie sie von ihrer Aufsichtsbefugnis Gebrauch mache. § 54a Abs. 1 PBefG sei eine sog. tatbestandslose Ermächtigung, die allein voraussetze, dass die Maßnahmen der Erfüllung ihrer Aufsichtsverpflichtungen bzw. der Vorbereitung ihrer Entscheidungen dienten. Ob für die Betriebsprüfung ein Anlass bestehe, sei im Rahmen der Ermessensausübung zu überprüfen. Die Antragsgegnerin übe zweifelsohne ermessensfehlerfrei ihre Aufsichtsbefugnisse aus, wenn sie in einem gewissen zeitlichen Abstand zur Genehmigungserteilung die strafrechtliche Verurteilung des Antragstellers zum Anlass für eine Betriebsprüfung nehme. Die Ermittlungen könnten als grundsätzlich erforderlich angesehen. Der dem Strafbefehl zugrundeliegende Sachverhalt stehe – auch wenn die Straftat offenbar im privaten Umfeld verwirklicht worden sei – im Zusammenhang mit der Zuverlässigkeit des Antragstellers im personenbeförderungsrechtlichen Sinne. Die Tat und ihre Ahndung lägen noch nicht so lange zurück, dass sie nicht mehr von Relevanz wären. Die Antragsgegnerin habe durch die Erteilung der Genehmigung auch nicht ihr Prüfungsrecht „verwirkt“. Sie habe sich schon zu diesem Zeitpunkt mit der strafrechtlichen Verurteilung auseinandergesetzt und die Genehmigungsdauer verkürzt. Hierauf könne sie eine relativ zeitnahe Prüfung stützen. Auch führe die Pflicht, im Genehmigungsverfahren verschiedene Bescheinigungen (des Finanzamts, der Gemeinde, der Sozialversicherungsträger und der Berufsgenossenschaft) vorzulegen, zu keiner anderen Bewertung. Die knapp ein Jahr nach Genehmigung angesetzte Betriebsprüfung sei auch zeitlich nicht als unverhältnismäßig zu bewerten. Auch bezüglich des Prüfungsumfangs bestünden keine tiefgreifenden rechtlichen Bedenken. § 54a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PBefG erlaube die Einsicht in Bücher und Geschäftspapiere ohne nähere Festlegung. Welche Unterlagen im Einzelfall eingesehen würden, bestimme sich anhand der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit. Entgegen der Ansicht des Antragstellers sei die Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde im Rahmen der Betriebsprüfung nach Personenbeförderungsrecht grundsätzlich zur Einsichtnahme in arbeits- und sozialrechtliche Dokumente befugt und könne daher deren Vorlage verlangen. Dafür spreche schon, dass nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit b. und d. PBZugV schwere Verstöße gegen arbeits- oder sozialrechtliche Pflichten zur Unzuverlässigkeit führen könnten und damit vom Prüfungsumfang der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde erfasst seien, sodass es sich um entscheidungsrelevante Gesichtspunkte handele. Auch wenn das Feststellen, Verfolgen und Ahnden von Verstößen gegen arbeits- und sozialrechtliche Pflichten u.a. durch MilOG oder das Schwarzarbeitergesetz in die Kompetenz der Zollverwaltung, Finanzbehörden bzw. zuständigen Sozialversicherungsträger falle, schließe das eine Betriebsprüfung nicht aus. Die Antragsgegnerin sei grundsätzlich berechtigt, sich diese Unterlagen zur Prüfung der personenbeförderungsrechtlichen Zuverlässigkeit vorlegen zu lassen. Dem stehe auch nicht § 1 Abs. 3 PBZugV entgegen. Dass die Behörde zur Prüfung etwaiger Verstöße Bescheinigungen der Finanzämter sowie Unbedenklichkeitsbescheinigungen anderer öffentlicher Stellen und Auszüge aus Registern verlangen oder mit Einverständnis des Bürgers/Unternehmens anfordern könne, hindere sie grundsätzlich nicht, sich auch im Rahmen einer Betriebsprüfung vor Ort selbst ein Bild zu machen. Vorliegend sei die Verpflichtung jedoch insoweit unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft, als der Antragsteller eine Betriebsprüfung in dem durch Nummer 2.2 Buchst. a und b des Bescheids vorskizzierten Umfang zu dulden habe. Es bestünden Zweifel, ob tatsächlich genügend Anhalt für die Einsichtnahme in sämtliche Unterlagen, die arbeits- und sozialrechtliche Pflichten betreffen, bestehe. Es solle einer Verpflichtung zur Vorlage und Duldung der Einsichtnahme gewissermaßen „auf Vorrat“ entgegenwirkt werden, was aber nicht dazu führe, dass sämtliche Unterlagen, die arbeits- und sozialrechtliche Pflichten betreffen, vom Prüfungsumfang auszuschließen wären. Dennoch halte es das Gericht für erforderlich, die Verpflichtung zur Vorlage und Duldung der Einsichtnahme in betriebliche Unterlagen betreffend Nummer 2.2 Buchst. a und b des Bescheids auf eine rein stichprobenartige Prüfung durch die personenbeförderungsrechtliche Aufsichts- und Genehmigungsbehörde zu begrenzen. Die vorgenommene Tenorierung trage dem Umstand Rechnung, dass die Beschäftigung/Entlohnung der Mitarbeiter bislang offenbar keinen konkreten Anlass gegeben habe, an der Lauterkeit des Antragstellers bzw. der Einhaltung von gesetzlichen Pflichten zu zweifeln. Die Antragsgegnerin werde sich dabei nicht allein auf eine „allgemeine Prüfungserfahrung in Bezug auf Mietwagenunternehmer zur Veruntreuung von Arbeitsentgelten“ berufen können, um dem Antragsteller einen entsprechenden umfassenden, zwangs- und bußgeldbewährten und in der Praxis mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbundenen Prüfungsrahmen aufzuerlegen. Auch könne eine hier nicht von der Hand zu weisende „Verzögerungstaktik“ nicht allein als Begründung für den geforderten weiten Prüfungsrahmen dienen. Diesen Bedenken trage die Kammer dadurch Rechnung, dass sie dem Rechtsgedanken des § 11 Beitragsverfahrensverordnung (BVV) folgend, wonach die Rentenversicherungsträger die sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung auf Stichproben beschränken könne, auch vorliegend den Prüfungsumfang in dieser Weise betreffend Nummer 2.2 Buchst. a und b des Bescheids damit im verhältnismäßigen Umfang auf reine Stichproben beschränkt. Für den Fall, dass die zulässige stichprobenartige Einsichtnahme im Rahmen der Betriebsprüfung hierzu Anlass gebe, könne eine umfänglichere Prüfung auch insoweit erfolgen bzw. bei Unstimmigkeiten/Unregelmäßigkeiten Mitteilungspflichten u.a. gegenüber den Behörden der Zollverwaltung bestehen. So dürfte es schon im Interesse des Antragstellers selbst liegen, dem Verlangen der Antragsgegnerin auf Vorlage von Unterlagen – wenn auch nicht vollumfänglich –, zumindest in einem Maße nachzukommen, der eine Prüfung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften im Hinblick auf seine Zuverlässigkeit in groben Zügen ermögliche. Die Bedenken hinsichtlich des versehentlich bestimmten Erhebungszeitraums („seit 2021“ bzw. „seit 1.1.2021“) bestünden nicht fort, nachdem der Vertreter der Antragsgegnerin diesen in der mündlichen Verhandlung entsprechend geändert habe („seit 10.2.2023“).
8
Mit seiner Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt, macht der Antragsteller geltend, die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfülle bereits nicht die formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die von der Antragsgegnerin geforderten Unterlagen seien allesamt steuerlich relevant, der Antragsteller somit verpflichtet, sie für die Finanzbehörden für zehn Jahre aufzubewahren. Es erschließe sich daher nicht, wieso die Unterlagen nach dem Hauptsacheverfahren nicht mehr vorhanden sein sollten. Wenn die Antragsgegnerin der Meinung sei, dass die Unterlagen „verschwinden“ könnten, müsste sie sich damit auseinandersetzen, warum dies z.B. erst in einem halben Jahr der Fall sein sollte und nicht bereits jetzt und welchen Unterschied es zwischen jetzt und später für den Antragsteller haben sollte. Die Antragsgegnerin argumentiere inhaltlich nicht und setze sich inhaltlich nicht mit dem Fall auseinander. Bei der Begründung handele es sich um eine leere Phrase; sie sei formelhaft. Mit der pauschalen Behauptung werde nicht dargelegt, wieso die angenommenen Verstöße zu einem Schaden führen solle. Darüber hinaus sei eine Maßnahme nur dann unaufschiebbar, wenn durch den Eintritt des Suspensiveffekts die Maßnahme grundsätzlich gefährdet würde. Da die Behörde die Bücher für die Vergangenheit zur Einsicht gewünscht habe, könne ein etwaiger Verstoß sowieso nicht mehr beseitigt werden. Die Antragsgegnerin hätte konkret darlegen müssen, warum mit dem Vollzug nicht bis zur Hauptsacheentscheidung zugewartet werden könne. Allgemein gehaltene, pauschale und nichtssagende Formulierungen und Argumentationsmuster genügten in keinem Fall den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Es werde nicht dargelegt, inwiefern das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung über das öffentliche Interesse hinausgehe, das den Erlass des Verwaltungsakts selbst rechtfertige. Materiellrechtlich sei der Antragsgegnerin die Verurteilung bekannt gewesen. Sie habe diese akzeptiert und wolle den Antragsteller jedoch nun (erneut) deswegen überprüfen. Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts hierzu sei falsch, zumal es sich nicht mit dem Bescheid vom 22. Januar 2024 auseinandersetze. Danach seien der Antragsgegnerin die „oben dargestellten Sachverhalte“ (gewerberechtliche Meldung; Genehmigung vom 10.2.2023; Laufzeit bis zum 31.1.2025; Strafbefehl vom 3.8.2022) bekannt gewesen und damit nicht mehr zu überprüfen. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso das Verwaltungsgericht bei der Frage, ob eine Betriebsprüfung durchzuführen sei, keine Ermessensfehler zu erkennen vermöge.
9
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
11
Aus den vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs auch insoweit wiederherzustellen wäre, als das Verwaltungsgericht dies abgelehnt hat.
12
1. Soweit der Antragsteller sich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts wendet, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei formell rechtmäßig, ist bereits zweifelhaft, ob die Beschwerde zulässig ist. Denn im Wesentlichen widerspricht der Antragsteller der Ansicht des Gerichts, indem er sein Vorbringen aus erster Instanz wiederholt, ohne jedoch die tragende Begründung des Beschlusses, dass es auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht ankomme, mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entspricht allerdings der herrschenden Rechtsprechung (vgl. BVerwG, B.v. 4.12.2020 – 4 VR 4.20 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 13.10.2022 – 11 CS 22.1897 – juris Rn. 11; B.v. 28.6.2022 – 11 CS 22.1009 – juris Rn. 11 m.w.N.; OVG LSA, B.v. 11.4.2024 – 2 M 18/24 – juris Rn. 28; OVG Berlin-Bbg., B.v. 7.4.2022 – 4 S 7/22 – NVwZ-RR 2022, 597 = juris Rn. 4; OVG NW, B.v. 5.10.2021 – 6 B 1346/21 – juris Rn. 11; OVG RP, B.v. 28.12.2021 – juris Rn. 6; VGH BW, B.v. 10.12.2010 – 10 S 2173/10 – NJOZ 2011, 572 = juris Rn. 3; Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Januar 2024, § 80 Rn. 246 f.; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 54 f.; Bostedt in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 81).
13
Jedenfalls hat sich die Antragsgegnerin – entgegen der Ansicht des Antragstellers – nicht auf formelhafte Wendungen zurückgezogen, sondern die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit der Zweckverfehlung einer Betriebsprüfung begründet, weil im Zeitraum zwischen deren Ankündigung und Vornahme die Gefahr eines Verlusts oder einer „Bereinigung“ der zu prüfenden Unterlagen besteht. Ist dem Verpflichteten bewusst, dass er bestimmten rechtlichen Pflichten nicht nachgekommen ist oder ihnen zuwidergehandelt hat, dürfte eine solche Gefahr umso größer sein (vgl. zu unangekündigten Betriebsprüfungen bei Gefahr einer Vereitelung des Prüfungszwecks: Bidinger, Personenbeförderungsrecht, Stand Dezember 2023, § 54a PBefG Rn. 43). Ob letzteres im Unternehmen des Antragstellers tatsächlich der Fall ist, kann erst durch eine Betriebsprüfung festgestellt werden, ändert aber nichts am grundsätzlichen Bestehen einer Gefahr des Datenverlusts oder der nachträglichen Veränderung der Datenlage, zumal wenn der Betreffende schon einmal die ihm durch Recht gesetzten Grenzen in strafrechtlich relevanter Weise überschritten hat. Dass aus sonstigen rechtlichen Gründen die Pflicht besteht, bestimmte Unterlagen aufzubewahren, bietet keine Gewähr dafür, dass der Verpflichtete dieser Pflicht auch nachkommt. Dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung diese Gefahr nicht ausschließt, spricht nicht dagegen, sie durch Verkürzung des Zeitraums zwischen Ankündigung und Vornahme der Betriebsprüfung zu verringern.
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2. Auch materiell ist die Anordnung der Betriebsprüfung gemäß § 54 Abs. 1 und 2, § 54a Abs. 1 PBefG rechtmäßig.
15
Hierbei handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der die Pflicht des Unternehmers begründet, sich der Betriebsprüfung zu unterziehen, die angeordneten Ermittlungen zu dulden und gegebenenfalls bei den Ermittlungen durch Hilfeleistungen mitzuwirken (BayVGH, B.v. 24.11.2010 – 11 CS 10.2862 – juris Rn. 11). Das Aufsichtsrecht umfasst die Erfüllung der Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes, der aufgrund des § 57 PBefG erlassenen Rechtsverordnungen sowie die Einhaltung der durch die Genehmigung auferlegten Verpflichtungen. Nach § 54 Abs. 2 Satz 1 PBefG kann sich die Aufsichtsbehörde über alle ihrer Zuständigkeit unterliegenden Einrichtungen und Maßnahmen des Unternehmers unterrichten. Art und Häufigkeit der Aufsichts- und Prüfungsmaßnahmen werden im Gesetz nicht näher geregelt. Innerhalb der gesetzlich gezogenen Grenzen steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Genehmigungsbehörde, ob und wie sie von ihrer Aufsichtsbefugnis Gebrauch macht (BayVGH, B.v. 24.11.2010 a.a.O. Rn. 12). Zur Durchführung der Aufsicht und zur Vorbereitung ihrer Entscheidungen kann die Genehmigungsbehörde durch Beauftragte die erforderlichen Ermittlungen anstellen, insbesondere Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere nehmen und von dem Unternehmer und dem im Geschäftsbetrieb tätigen Personen Auskunft verlangen (§ 54a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 PBefG). Dabei genügt es, wenn einer der beiden Zwecke betroffen ist (Bidinger, Personenbeförderungsrecht, § 54a PBefG Rn. 31). Darüber hinaus kann die zuständige Behörde im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes weitere erforderliche Ermittlungsmaßnahmen einleiten und durchführen, da die Aufzählung in § 54a Abs. 1 Satz 1 PBefG („insbesondere“) nicht abschließend ist (Bidinger, a.a.O. § 31 PBefG Rn. 31).
16
Für eine Betriebsprüfung nach § 54a PBefG bedarf es weder des Verdachts eines Gesetzesverstoßes noch eines besonderen Anlasses (Häberle in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand März 2024, § 54a PBefG Rn. 1; Bidinger, a.a.O. § 54a PBefG Rn. 42). Es handelt sich dabei um eine sog. tatbestandslose Ermächtigung, deren alleinige Voraussetzung ist, der Erfüllung der Aufsichtsverpflichtungen der zuständigen Behörde bzw. der Vorbereitung ihrer Entscheidungen im finalen Sinne zu dienen. Die Frage, ob für eine Betriebsprüfung ein Anlass besteht, ist daher allenfalls im Rahmen der Ermessensausübung durch den Antragsgegner zu überprüfen (BayVGH, B.v. 24.11.2010 a.a.O. Rn. 12; Bidinger, a.a.O. § 54a PBefG Rn. 42). Auch aus § 54b Satz 2 PBefG, wonach die Häufigkeit und die Intensität der Kontrollen abhängig von der Anzahl und dem Ausmaß der Rechtsverstöße sind, folgt nichts anderes.
17
Es kann daher dahinstehen, ob die der Antragsgegnerin bereits vor Erteilung der Genehmigung bekannte Verurteilung der Anlass war, eine Betriebsprüfung anzuordnen. Abgesehen davon ist der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, wonach die Straftat trotz der Genehmigung einen ausreichenden Anlass für die Wahrnehmung der Aufsichtsbefugnisse bietet, aus den im angefochtenen Beschluss dargelegten Gründen (S. 13 f.; § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO) zu folgen. Durch die Erteilung der Genehmigung hat die Antragsgegnerin weder die Straftat „akzeptiert“ noch ihre Befugnisse „verwirkt“ noch bewirkt die Genehmigung eine „Zäsur“, die eine Heranziehung der davor begangenen Straftat im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Zuverlässigkeit des Antragstellers verbieten würde. Die Antragsgegnerin hat nach Aktenlage die Genehmigung von einer positiven Prognose im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Begutachtung abhängig gemacht. Da es sich bei einer Prognose um eine (wissenschaftlich begründete) Vorhersage einer Entwicklung bzw. eine fachliche Meinung zu einer künftigen Entwicklung handelt, lässt sich naturgemäß erst im Nachhinein sagen, ob diese richtig war. Es spricht rechtlich nichts dagegen, dass sich die Antragsgegnerin durch eine Betriebsprüfung davon überzeugt, dass die positive Prognose, die die Gutachter dem Antragsteller im Rahmen der medizinisch-psychologischen Untersuchung gestellt haben, zutrifft. Im Übrigen dürfte sich die Antragsgegnerin auch ungeachtet der begangenen Straftat und ungeachtet dessen, ob der Antragsteller schon eine Folgege-nehmigung beantragt hat, davon überzeugen, dass er als erstmaliger Genehmigungsinhaber dazu in der Lage ist, den Mietwagenbetrieb ordnungsgemäß zu führen.
18
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
19
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. der Empfehlung in Nr. 1.7.2 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Da der Streitwertkatalog für die Betriebsprüfung keine anderweitige Empfehlung ausspricht und der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist insoweit vom Regelstreitwert von 5.000,- EUR auszugehen, der in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert wird (vgl. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit; vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2010 a.a.O. Rn. 17). Nachdem der für die Grundverfügung anzusetzende Streitwert von der Höhe des angedrohten Zwangsgelds (7.500,- EUR) überschritten wird, ist letzteres im Ausgangsverfahren nach Nr. 1.7.2 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Streitwertfestsetzung maßgeblich und der erstinstanzlich festgesetzte Streitwert entsprechend zu ändern. Die Befugnis zur Änderung der Streitwertfestsetzung der ersten Instanz von Amts wegen ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.
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Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nurmehr die Grundverfügung, soweit das Verwaltungsgericht den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt hat. Insoweit hält der Senat entsprechend dem Rechtsgedanken aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO den Ansatz von 2.500,- EUR für gerechtfertigt, weil der Antragsteller in erster Instanz nur geringfügig obsiegt hat und es ihm in zweiter Instanz nicht lediglich um den Umfang der Betriebsprüfung ging, sondern weiterhin um die Rechtmäßigkeit der Betriebsprüfung als solcher und der Anordnung der sofortigen Vollziehung.
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5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).