Titel:
Keine Schadensersatzansprüche bei Covid-19 Impfstoff Comirnaty
Normenketten:
AMG § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 95
BGB § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 826
ProdHaftG § 1
GenTG § 32
Leitsätze:
1. Der Covid-19 Impfstoff Comirnaty weist ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis auf (Anschluss an LG Düsseldorf BeckRS 2023, 38491). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Feststellung eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses des streitgegenständlichen Impfstoffs kann sich das Gericht auf die insoweit durchgeführten Prüfungsverfahren vor der EMA und die diesbezüglichen Zulassungsentscheidungen der Europäischen Kommission stützen, da diese Tatbestandswirkung entfalten und demnach von einer rechtswirksamen Zulassung ausgegangen werden kann (ebenso LG Arnsberg BeckRS 2023, 28483). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Vor diesem Hintergrund obliegt es einem Kläger, konkret darzulegen, aus welchen Gründen die von der Europäischen Arzneimittelagentur bzw. der Europäischen Kommission auf der Grundlage der verfügbaren medizinischen Forschungslage und Studienergebnisse getroffene Bewertung nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechen soll. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
4. Maßgeblich sind insofern die allgemein anerkannten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft und nicht etwaige hiervon abweichende Einzelstimmen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
5. Im Falle eines Schadens infolge einer fehlerhaften Produkt- und Gebrauchsinformation genügt es nicht, dass der Schaden durch das Arzneimittel verursacht wurde und die Arzneimittelinformation fehlerhaft war. Vielmehr muss der Schaden gerade auf die fehlerhafte Arzneimittelinformation zurückgehen. Da es sich bei der Kausalität zwischen Rechtsgutsbeeinträchtigung und unzureichender Arzneimittelinformation um einen Fall der psychisch vermittelten Kausalität handelt, genügt die Darlegung eines echten Entscheidungskonflikts. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Covid-19, Schutzimpfung, Nutzen-Risiko-Verhältnis, Nebenwirkungen, Produktinformation, Gebrauchsinformation, Entscheidungskonflikt, Darlegungslast, Zulassungsentscheidung, Tatbestandswirkung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18821
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 40.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld sowie Auskunft im Zusammenhang mit bei ihm durchgeführter Corona-Schutzimpfungen geltend und begehrt zudem die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden.
2
Der Kläger erhielt drei Corona-Schutzimpfungen mit dem Impfstoff Comirnaty des Herstellers ..., der von der Beklagten in Verkehr gebracht wurde. Der streitgegenständliche Impfstoff Comirnaty erhielt nach Prüfung durch die Europäische Arzneimittelbehörde („EMA“) am 21.12.2020 von der Europäischen Kommission die zentrale arzneimittelrechtliche Zulassung, die automatisch in allen 27 EU-Ländern Gültigkeit hat. Am 16.09.2022 empfahl der Ausschuss für Humanarzneimittel bei der EMA (Committee for Medicinal Products for Human Use, „CHMP“), die bedingte Zulassung von Comirnaty in eine Standardzulassung umzuwandeln, die nicht jährlich erneuert werden muss, was mit Durchführungsbeschluss der Europäischen Kommission vom 10.10.2022 erfolgt ist. Zuletzt empfahl die EMA der Europäischen Kommission am 30.08.2023, den auf die COVID-19-Subvariante Omikron XBB.I .5 angepassten Comirnatylmpfstoff zuzulassen. Dieser Empfehlung schloss sich die EU-Kommission an und ließ den auf die COVID-19-Subvariante Omikron XBB. 1.5 angepassten Comirnatylmpfstoff am 31.08.2023 ebenfalls zu.
3
Der Kläger behauptet, er habe aufgrund der Impfung eine Lungenembolie linksseitig sowie eine tiefe Beinvenenthrombose linksseitig erlitten. Der Kläger trägt weiter vor, der streitgegenständliche Impfstoff weise kein positives Nutzen-Risiko-Profil auf, da es bei dem Impfstoff an Langzeitstudien vor der Marktzulassung fehle. Zudem schütze eine Impfung mit dem streitgegenständliChen Impfstoff nicht wirksam vor einer Erkrankung durch das Coronavirus. Auch sei die Anzahl der gemeldeten schweren Nebenwirkungen und Todesfälle deutlich höher als dies durch das ...Institut („PEI“) ermittelt worden sei. Außerdem bestehe ein begründeter Verdacht, dass der streitgegenständliche Impfstoff systematisch mit Fremd-DNA verunreinigt sei.
4
Weiterhin behauptet der Kläger, die Produktinformation des streitgegenständlichen Impfstoffs zum maßgeblichen Zeitpunkt habe nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprochen und die Rechtsgutsverletzung des Klägers sei gerade infolge dieser unzureichenden Information eingetreten. Bereits zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Impfstoffs hätten die Hersteller um die Gefährlichkeit des Impfstoffs gewusst, was insbesondere die Haftungsfreizeichnung in den mit der EU ausgehandelten Verträgen sowie die Existenz des § 3 Abs. 4 MedBVSV belege, wobei letzterer nach Auffassung des Klägers verfassungswidrig sei. Der Kläger behauptet weiter, hätte die Beklagte eine entsprechende Kennzeichnung vorgenommen, so hätte er sich eindeutig gegen eine Impfung entschieden.
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Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 24.04.2024 die Klage um Auskunftsansprüche erweitert.
6
Der Kläger beantragt zuletzt,
- 1.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 40.000,00 € nicht unterschreiten soll, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 2.
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Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen künftigen Schäden zu ersetzen, die aus der Impfung mit dem Impfstoff Comirnaty am 004.2021, 005.2021 und 011.2021 entstehen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen.
- 3.
-
Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über
a. zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Impfstoffs Comirnaty sowie der streitgegenständlichen ChargenCh-B.: …, Ch-B.: … Ch-B.: … bekannten Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen soweit diese eine Lungenembolie linksseitig sowie eine tiefe Beinvenenthrombose linksseitig betreffen,
b. sowie ihr bekannt gewordene Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen die in ihrem Schadensbild den bei dem Kläger aufgetretenen Gesundheitsbeeinträchtigungen vergleichbar sind,
c. über sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit der bei dem Kläger eingetretenen schädlichen Wirkungen des Impfstoffes Comirnaty von Bedeutung sein können,
d. den Inhalt sämtlicher Unterlagen, die Erkenntnisse liefern über Vergleichbarkeit und Unterschiede des „process 1“ und „process 2“, insbesondere in Bezug auf Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des nach dem jeweiligen Prozedere hergestellten Impfstoffes Comirnaty, den Inhalt sämtlicher Unterlagen, die im Zusammenhang mit der Überprüfung der Chargen Ch-B-:... Ch-B-:... Ch-B-:... angefertigt wurden, insbesondere jene, die sich auf die Aussagen über Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit der Chargen beziehen.
7
Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
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Die Beklagte trägt vor, es bestehe kein Kausalzusammenhang zwischen den streitgegenständliChen Impfungen und den behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers. Außerdem weise der streitgegenständliche Impfstoff durchgehend ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis auf. Dies stehe im Einklang mit der von der zuständigen Aufsichts- und Zulassungsbehörde ausgesprochenen Marktzulassung für den Impfstoff. Auch die Fach- und Gebrauchsinformationen des streitgegenständlichen Impfstoffs hätten stets dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft entsprochen.
9
Auf das Sitzungsprotokoll vom 07.05.2024 wird verwiesen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
10
Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Nürnberg-Fürth örtlich und sachlich zuständig.
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Es kann dahin stehen, ob für den geltend gemachten Feststellungsantrag ein besonderes Feststellungsinteresse iSd § 256 Abs. 1 ZPO besteht, weil die Klage unbegründet ist (vgl. BeckOK ZPO/Bacher, 52. Ed. 1.3.2024, ZPO § 256 Rn. 16).
14
Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen keine Ansprüche auf Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld zu (l.). Ebenso hat er keinen Anspruch auf Erteilung der gewünschten Auskunft
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1. Es besteht kein Schadensersatzanspruch nach § 84 Abs. 1 AMG. Insoweit kann offen bleiben, ob der Kläger hinreichend dazu vorgetragen hat, dass ein Gesundheitsschaden besteht, der ursächlich auf die streitgegenständlichen Impfungen zurückzuführen ist, weil der Impfstoff kein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis iSd § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG hat (a.) und auch kein Instruktionsfehler nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG vorliegt (b.).
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a) Der Impfstoff weist kein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis iSd § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG auf. Das Landgericht Wuppertal hat in einem Parallelverfahren, an dem dieselben Parteivertreter beteiligt sind, mit Urteil vom 28.03.2024, Az. 16 O 104/23 BeckRS 2024, 9667 Rn. 56-68, beck-online, vorgelegt als Anlage B12) hierzu ausgeführt:
„Eine Ersatzpflicht besteht gemäß § 84 Abs. 1 § 2 Nr. 1 AMG nur dann, wenn das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.
Eine schädliche Wirkung im Sinne des § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG ist dann gegeben, wenn das Arzneimittel Reaktionen im Körper des Anwenders hervorruft, die sich negativ auf dessen Gesundheitszustand auswirken, wie vor allem Nebenwirkungen und Wechselwirkungen des Arzneimittels oder herstellungsbedingte Verunreinigungen des Arzneimittels. Dabei sind schädliche Wirkungen nicht mit dem beim Arzneimittelanwender eingetretenen Schaden gleichzusetzen, denn im Rahmen von § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG geht es nicht allein um die Vertretbarkeit des beim Geschädigten konkret entstandenen Schadens, sondern um die generelle Vertretbarkeit bzw. Unvertretbarkeit des Arzneimittels, die sich nach dem therapeutischen Wert des Medikaments im Vergleich zu allen seinen schädlichen Wirkungen richtet (vgl. Spickhoff, BeckOGK, Stand: 01 .02.2024, § 84 AMG Rn. 68).
Eine schädliche Wirkung des streitgegenständlichen Impfstoffs bei bestimmungsgemäßem Gebrauch ist vorliegend nicht auszuschließen und wird von der Beklagten auch nicht bestritten. Eine solche kann daher zugunsten der Klägerin unterstellt werden, denn diese schädlichen Wirkungen des Impfstoffes gehen nicht über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinaus.
Die medizinische Unvertretbarkeit der schädlichen Wirkung ist anhand einer Nutzen-Risiko-Abwägung zu ermitteln, wobei die therapeutischen Wirkungen eines Arzneimittels mit den schädlichen Wirkungen desselben verglichen werden. Überwiegt der therapeutische Nutzen die Risiken, so sind die schädlichen Wirkungen als medizinisch vertretbar anzusehen. Bei der Prüfung der Unvertretbarkeit werden allerdings nicht nur die im konkreten Fall eingetretenen Schäden berücksichtigt, sondern es wird eine abstrakte Nutzen-Risiko-Abwägung vorgenommen, bei der sämtliche schädlichen Wirkungen erfasst werden (vgl. BeckOGK, aaO., § 84 AMG Rn. 83). Dabei kommt es hinsichtlich der schädlichen Wirkung auf den Zeitpunkt der jetzigen Beurteilung an. Nach dem Schutzzweck der Haftungsnorm geht es letztlich darum, eine Haftung für den Fall zu begründen, dass schädliche, unvertretbare Wirkungen eintreten, die, wenn sie im Zulassungsverfahren bereits bekannt gewesen wären, eine Versagung der Zulassung nach § 25 Abs. 2 Nr. 5 AMG begründet hätten. Bei der Prüfung des Verhältnisses von Nutzen und Risiko ist zudem zu beachten, dass im Rahmen der medizinischen Wissenschaft eine Datenhierarchie herrscht. So ist kontrollierten klinischen Prüfungen ein höherer Wert beizumessen als Einzelfallberichten und Verdachtsmeldungen (vgl. LG Düsseldorf, Urteile vom 16.1 1 .2023, Az. 3 O 141/22, 3 O 151/22 und 3 O 60/23 m.w.N.).
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Maßstäbe weist der streitgegenständliche Impfstoff kein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis auf. Vielmehr ist sogar von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis auszugehen.
Ein solches positives Nutzen-Risiko-Verhältnis ist bereits Voraussetzung für die arzneimittelrechtliche Zulassung eines Impfstoffs, sodass ein solches zum Zeitpunkt der Zulassung am 21 .12.2020 durch die Kommission, die automatisch in allen 27 EU-Mitgliedstaaten Gültigkeit hat, vorlag. Es ist regulatorisch die wesentliche Voraussetzung dafür, dass ein Arzneimittel zugelassen bleibt und vertrieben werden darf. In Deutschland regelt dies §§ 30 Abs. 1 § 1 i.V.m. 25 Abs. 2 S. 1 AMG, wonach die Zulassung zurückzunehmen ist, wenn nachträglich bekannt wird, dass einer der dort genannten Versagungsgründe des § 25 Abs. 2 S. 1 AMG bei der Erteilung vorgelegen hat bzw. sie zu widerrufen ist, wenn einer der dort genannten Versagungsgründe des § 25 Abs. 2 S. 1 AMG nachträglich eingetreten ist, wobei vorliegend das ungünstige Nutzen-Risiko-Verhältnis in § 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AMG als Versagungsgrund ausdrücklich erwähnt wird.
Dieses positive Nutzen-Risiko-Verhältnis des streitgegenständlichen Impfstoffs wurde nach dessen Zulassung auch wiederholt durch die zuständige Aufsichts- und Zulassungsbehörde in der EU bestätigt. Am 16.09.2022 hat der zuständige Ausschuss für Humanarzneimittel CHMP bei der EMA empfohlen, die bedingte Zulassung des streitgegenständlichen Impfstoffs in eine Standardzulassung umzuwandeln, die nicht jährlich erneuert werden muss, was mit Durchführungsbeschluss der Europäischen Kommission vom 10.10.2022 dann auch umgesetzt wurde. Am 28.10.2022 wurde das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis vom CHMP auf Basis sämtlicher vorliegender Daten erneut bestätigt. Insoweit wird auf den als Anlage B 3 (BI. 88 ff. d.A.) [im vorliegenden Verfahren Anlage B 10, BI. 79 d.A.] eingereichten „Bewertungsbericht über die Verlängerung des Bewertungsberichts für die Marktzulassung“ verwiesen. Die Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses durch den CHMP erfolgt nach unbestrittenem Beklagtenvortrag in einem sehr aufwändigen, gestuften und sich selbst kontrollierenden Prozess (Peer-Review-Verfahren) auf Grundlage aller verfügbaren Studien- und Pharmakovigilanzdaten. Mit der Beurteilung sind Experten der Arzneimittelagenturen aus 27 EU-Staaten sowie weitere Teams von Sachverständigen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen befasst.
Zuletzt hat die EMA am 30.08.2023 die Sicherheit des streitgegenständlichen Impfstoffs noch einmal ausdrücklich bestätigt, als sie der Europäischen Kommission empfahl, den auf die COVID-19-Subvariante Omikron XBB.I .5 angepassten Impfstoff Co. zuzulassen. Dabei ist aufgrund des insoweit unbestrittenen Beklagtenvortrags (BI. 1923 f. d.A.) [hier BI. 68 d.A.] davon auszugehen, dass der innerhalb der EMA zuständige Ausschuss für Humanarzneimittel CHMP ausdrücklich erklärte, alle verfügbaren Daten zu dem Impfstoff Co., einschließlich Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit, geprüft zu haben. Dabei wies der CHMP gezielt darauf hin, dass die Behörden seit der ersten Zulassung des Impfstoffs Co. umfangreiche Erkenntnisse über die Sicherheit dieses Impfstoffs gewonnen haben, die in der aktuellen Entscheidung berücksichtigt wurden. Dieser Empfehlung schloss sich die EU-Kommission an und hat den auf die COVID-19-Subvariante Omikron XBB.I .5 angepassten Impfstoff Co. am 31 .08.2023 zugelassen.
Die Kammer ist den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Düsseldorf in seinen Urteilen vom 16.1 1 .2023, Az. 3 O 141/22, 3 O 151/22 und 3 O 60/23 folgend – auch nicht gehindert, sich bei der Feststellung eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses des streitgegenständlichen Impfstoffs der Beklagten auf die insoweit durchgeführten Prüfungsverfahren vor der EMA und die diesbezüglichen Zulassungsentscheidungen der Europäischen Kommission zu stützen, da diese Tatbestandswirkung entfalten und demnach von einer rechtswirksamen Zulassung ausgegangen werden kann (vgl. auch LG Arnsberg, Urteil vom 21 .12.2023, Az. 1 O 39/23; zuletzt auch LG Frankfurt, Urteil vom 14.02.2024, Az. 12 O 264/22).
Vor diesem Hintergrund obliegt es der Klägerin, konkret darzulegen, aus welchen Gründen die von der Europäischen Arzneimittelagentur bzw. der Europäischen Kommission auf der Grundlage der verfügbaren medizinischen Forschungslage und Studienergebnisse getroffene Bewertung nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechen soll. Die Klägerin zeigt jedoch keine konkreten Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des streitgegenständliChen Impfstoffs durch die Europäische Arzneimittelagentur bzw. die Europäische Kommission begründen würden. Maßgeblich sind insofern die allgemein anerkannten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft und nicht etwaige hiervon abweichende Einzelstimmen, auf die sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren stützt. Insoweit kann auf die nachstehend zitierten Entscheidungen unter Beteiligung der klägerischen Prozessbevollmächtigten, verwiesen werden, die sich umfangreich und ausführlich mit den identischen klägerischen Einwendungen gegen ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis auseinandergesetzt haben und zu dem Ergebnis gekommen sind, dass diese nicht durchgreifen (vgl. LG Hannover, Urteil vom 04.12.2023, Az. 2 O 76/23; LG Mainz, Urteil vom 14.1 1 .2023, Az. 9 O 37/23; LG Rottweil vom 06.12.2023, Az. 2 O 235/22; LG Saarbrücken, Urteil vom 21 .12.2023, Az. 16 O 33/23; zuletzt auch LG Mainz, Urteil vom 30.01 .2024, Az. 5 O 323/22 und LG Bamberg, Urteil vom 26.01 .2024, Az. 45 O 183/23). Diesen überzeugenden und zutreffenden Ausführungen schließt sich die Kammer in eigener Überzeugungsbildung an.
Dass der streitgegenständliche Impfstoff ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweist, wurde im Übrigen auch von der überwiegenden Anzahl der Gerichte bestätigt, die bislang mit Verfahren gegen die Beklagte wegen etwaiger Impfschäden im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Impfstoff befasst waren (vgl. z.B. LG Mainz, Urteil vom 14.1 1 .2023, Az. 9 O 37/23; LG Düsseldorf, Urteile vom 16.1 1 .2023, Az. 3 O 141/22, 3 O 151/22 und 3 O 60/23; LG Hannover, Urteil vom 04.12.2023, Az. 2 O 76/23; LG Rottweil, Urteil vom 06.12.2023, Az. 2 O 325/22; LG Arnsberg, Urteil vom 21 .12.2023, Az. 1 O 39/23; LG Darmstadt, Urteil vom 23.12.2023, Az. 7 O 94/22; zuletzt auch LG Bamberg, Urteil vom 26.01 .2024, Az. 45 O 183/23; LG Mainz, Urteil vom 30.01 .2024, Az. 5 O 323/22; LG Detmold, Urteil vom 13.02.2024, Az. 2 O 85/23 und LG Frankfurt, Urteil vom 14.02.2024, Az. 12 O 264/22).
Und auch die klägerischen Ausführungen in dem Schriftsatz vom 10.01 .2024 (BI. 1866 ff. d.A.) sind nicht geeignet, das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis des streitgegenständlichen Impfstoffs in Frage zu stellen. Soweit die Klägerin hier zu Verunreinigungen durch Fremd-DNA [hier Schriftsatz vom 19.03.2024, BI. 106 ff. d. A.] vorträgt, handelt es sich offensichtlich um einen Vortrag ins Blaue hinein, der vorliegend nicht zu berücksichtigen war. Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass sie ihren Vortrag, es bestünden gewisse Anhaltspunkte dafür, dass der streitgegenständliche Impfstoff Verunreinigungen mit Fremd-DNA aufweise, auf den Fernsehbericht des MDR „Corona-Impfstoff in der Kritik – Was ist dran?“ vom 12.12.2023 und die darin erwähnten Untersuchungsergebnisse der Frau Prof. Dr. B. K. gestützt hat. Allerdings hat der MDR von diesem Beitrag nach unbestrittenem Vortrag der Beklagten zwischenzeitlich Abstand genommen, indem er von der Internetseite des MDR entfernt worden ist und zudem der MDR nach ebenfalls unbestrittenem Vortrag der Beklagten am 08.01 .2024 einen neuen Beitrag veröffentlicht hat, der Gerüchte zu Verunreinigungen von Impfstoffchargen mit DNA aufgreift und generell erläutert, dass und warum diese falsch sind. Zudem ist die Beklagte der klägerischen Behauptung zu etwaigen Verunreinigungen durch Fremd-DNA und der fehlenden, nicht einmal stichprobenartigen Überprüfung der Chargen des Impfstoffs durch das PEI auch inhaltlich entgegengetreten und hat vorgetragen, dass es sich insoweit um gezielte Desinformationen handele. Hierbei beruft sie sich auf eine Stellungnahme des PEI vom 05.12.2023 (vgl. BI. 1950 und 2226 ff. d.A.) [hier BI. 167 ff. d. A., Anlage B20], das darin unter der Überschrift „Aktuelle Falschmeldung in der Aufmachung eines Rote-Hand-Briefs im Umlauf' ausdrücklich klarstellt, „alle in Deutschland vertriebenen Chargen des von der EU-Kommission zugelassenen COVID-19-lmpfstoffprodukts Co. (in allen Indikationen und Konzentrationen) wurden entsprechend OMCL-Leitfaden und Zulassungsvorgaben geprüft und für alle Chargen wurde nach erfolgreicher Prüfung die staatliche Chargenfreigabe für Deutschland erteilt“, wobei diese Stellungnahme auch auf der Internetseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte veröffentlicht wurde. Letztlich trägt die Beklagte im Hinblick auf die klägerische Behauptung, der Impfstoff sei mit Fremd-DNA verunreinigt, auch nachvollziehbar vor, dass im Falle einer tatsächlich vorhandenen Verunreinigung dies nicht nur vom PEI hätte übersehen werden müssen, sondern von allen OMCLs weltweit, was jedoch unwahrscheinlich erschei_ ne, insbesondere wenn man hierbei berücksichtige, dass bereits unklar sei, woher die Proben stammen und eine Verunreinigung bereits wegen nicht ordnungsgemäßer Kühlung eingetreten sein könne. Diesem substantiierten Vorbringen ist die Klägerin nicht entgegengetreten.
Letztlich trägt die Klägerin auch selber vor, dass sie nicht weiß, welche Auswirkungen durch die von ihr behauptete Verunreinigung des Impfstoffs überhaupt erwachsen können. Nach alledem liefe eine dahingehende Beweisaufnahme auf eine bloße Ausforschung hinaus.“
17
Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich die Kammer an.
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b) In Bezug auf einen fehlenden Instruktionsfehler führte das Landgericht Wuppertal im besagten Parallelverfahren mit Urteil vom 28.03.2024, Az. 16 O 104/23 BeckRS 2024, 9667 Rn. 70-77, beck-online) das Folgende aus:
„Neben der vorgenannten Regelung des § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG besteht die Ersatzpflicht gemäß § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG nur dann, wenn der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist. Hintergrund hierfür ist, dass der pharmazeutische Unternehmer nicht nur für Herstellungs- und Entwicklungsfehler einstehen muss (Nr. 1), sondern auch für Instruktionsfehler (Nr. 2). Haftungsbegründend ist daher bei Nr. 2 nicht ein Fehler des Arzneimittels selbst, sondern der Umstand, dass der pharmazeutische Unternehmer seinen Warn- und Hinweispflichten nicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist. Die Information ermöglicht dem Anwender, eine individuelle Abwägung der Risiken und Nutzen des Arzneimittels vorzunehmen, wobei er vom behandelnden Arzt beratend unterstützt wird, der seinerseits durch die Fachinformation über die Wirkungen und Risiken des Arzneimittels aufgeklärt ist (vgl. BeckOGK, aaO., § 84 Rn. 94 und 95).
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Für die Aufnahme eines entsprechenden Hinweises in den Informationsträgern ist zumindest ein ernst zu nehmender Verdacht in Bezug auf ein bestimmtes Risiko erforderlich. Zum Teil wird sogar das Vorliegen gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse hinsichtlich des Risikos gefordert. Dabei werden Inhalt und Umfang einer gebotenen Warnung und auch ihr Zeitpunkt wesentlich durch das jeweils gefährdete Rechtsgut bestimmt und sind vor allem von der Größe der Gefahr abhängig (vgl. LG Arnsberg, Urteil vom 21 .12.2023, Az. 1 O 39/23 mit entsprechenden Nachweisen; LG Hannover, Urteil vom 04.12.2023, Az. 2 O 76/23).
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Unter Berücksichtigung der vorstehenden Maßstäbe fehlt es bereits an substantiiertem Vortrag dazu, dass die Arzneimittelinformation betreffend den streitgegenständlichen Impfstoff – sei es in Form der Kennzeichnung, Fach- oder Gebrauchsinformation – nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entspricht und damit fehlerhaft bzw. unzureichend war.
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Hierbei kann es dahinstehen, ob insoweit auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Impfstoffs bzw. der Charge oder aber auf den Zeitpunkt der jeweiligen Impfungen abzustellen ist (vgl. zum Streitstand: LG Düsseldorf, Urteil vom 16.1 1 .2023, Az. 3 O 141/22 m.w.N.), denn aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich schon nicht, welche sich aus den Zulassungsstudien ergebenen Nebenwirkungen nicht in der entsprechenden Arzneimittelinformation enthalten gewesen sein sollen. Vielmehr beruft sie sich lediglich auf die allgemeine Gefährlichkeit des Impfstoffs und den Umstand, dass die bei ihr vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht aufgeführt sind. Dabei trägt die Klägerin auch insbesondere nicht vor, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens bzw. der streitgegenständlichen Impfungen einen ernstzunehmenden Verdacht eines gehäuften Auftretens der klägerseits aufgeführten Folgen nach einer Impfung mit dem hier in Rede stehenden Impfstoff gehabt hat, auf den hinzuweisen gewesen wäre (vgl. LG Rottweil, Urteil vom 06.12.2023, Az. 2 O 325/22; LG Arnsberg, Urteil vom 21 .12.2023, Az. 1 O 39/23; LG Hannover, Urteil vom 04.12.2023, Az. 2 O 76/23; LG Düsseldorf, Urteile vom 16.1 1 .2023, Az. 3 O 141/22, 3 0 1 51/22 und 3 O 60/23). Dass zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Impfstoffs damals unbekannte, auch potenziell schwerwiegende Komplikationen nicht ausgeschlossen werden konnten, ist unstreitig und war auch in der Gebrauchsinformation der Beklagten, wie sich aus dem Aufklärungsmerkblatt zur Schutzimpfung gegen COVID-19 mit mRNA-lmpfstoffen (vgl. BI. 487 d.A.) [hier BI. 135 d.A., Anlage K23] ergibt, enthalten (vgl. LG Rottweil, aaO.).
22
Letztlich kommt die Klägerin aber auch hier der ihr obliegenden Darlegungslast hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität nicht nach. […] Da der Schaden infolge der fehlerhaften Produkt- und Gebrauchsinformation eingetreten sein muss, genügt es nicht, dass der Schaden durch das Arzneimittel verursacht wurde und die Arzneimittelinformation fehlerhaft war. Vielmehr muss der Schaden gerade auf die fehlerhafte Arzneimittelinformation zurückgehen (doppelte Kausalität – OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 14.08.2023, Az. 4 U 1 5/23; LG Saarbrücken, Urteil vom 21 .12.2023, Az. 13 O 33/23; Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 3. Auflage 2022, § 84 Rn. 1 10). Ein solcher Ursachenzusammenhang zwischen der fehlerhaften Information und der Gesundheitsverletzung ist daher nur dann zu bejahen, wenn die Gesundheitsbeeinträchtigung bei ordnungsgemäßer Information mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre (vgl. BeckOGK, aaO., § 84 Rn. 106). Da es sich bei der Kausalität zwischen Rechtsgutbeeinträchtigung und unzureichender Arzneimittelinformation um einen Fall der psychisch vermittelten Kausalität handelt, genügt die Darlegung eines echten Entscheidungskonflikts (vgl. OLG Bamberg, aaO.; LG Hannover, Urteil vom 04.12.2023, Az. 2 O 76/23; BeckOGK, aaO., § 84 Rn. 106 und 59; Spickhoff, Medizinrecht, 4. Auflage 2022, § 84 Rn. 26). Ausreichend, aber auch erforderlich ist es hierfür, dass der Betroffene plausibel macht, dass ihn die Frage nach dem Für und Wider des ärztlichen Eingriffs aus ex-ante-Sicht ernsthaft vor die Entscheidung gestellt hätte, ob er zustimmen soll oder nicht (vgl. LG Hannover, Az. 2 O 76/23; BGH, Urteil vom 27.03.2007, Az. VI ZR 55/05).
23
Zu einem solchen Entscheidungskonflikt trägt die Klägerin jedoch nicht hinreichend vor. […] Dies gilt umso mehr, wenn man darüber hinaus den klägerischen Vortrag (BI. 210 f. d.A.) berücksichtigt, wonach sie bei allen drei streitgegenständlichen Impfungen zuvor nicht über die im Zusammenhang mit der Impfung möglichen Nebenwirkungen aufgeklärt worden sein bzw. ein entsprechendes Aufklärungsmerkblatt zur Schutzimpfung gegen COVID-19 mit mRNA-lmpfstoffen (vgl. BI. 487 d.A.) [im hiesigen Verfahren BI. 5 d.A.] nicht erhalten haben will. Auch damit gibt sie zu erkennen, dass sie sich gerade nicht in einem Entscheidungskonflikt befunden hat, sondern sich sogar ohne vorherige Aufklärung unabhängig von etwaigen möglichen Nebenwirkungen hat impfen lassen, auch wenn die entsprechenden Gebrauchs- und Fachinformationen zum damaligen Zeitpunkt einen anderen Inhalt gehabt hätten.
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Sollte die Klägerin das Aufklärungsmerkblatt zumindest bei einer der drei streitgegenständlichen Impfungen doch gelesen haben, […] hätte sie sich sogar mit der Impfung einverstanden erklärt, obwohl in dem Aufklärungsmerkblatt auf erhebliche Risiken wie Gesichtslähmung, mögliche allergische Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock, auf Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen sowie das Risiko bisher unbekannter Komplikationen hingewiesen wurde, ohne dass dies die Klägerin von der Impfung abgehalten hätte. Vor diesem Hintergrund erscheint es unglaubhaft, wenn die Klägerin vorträgt, sie hätte die streitgegenständlichen Impfungen nicht durchführen lassen, wenn sie auf die Möglichkeit des Eintritts der von ihr behaupteten Impffolgen hingewiesen worden wäre.
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Diesen plausiblen, auf den gegenständlichen Sachverhalt übertragbaren, Erwägungen tritt die Kammer ebenfalls bei.
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Zu ergänzen ist lediglich, dass durch den pauschalen Verweis auf das vorgelegte Parteigutachten vom 05.05.2024 (Anlage Kl 10) nicht belegt wird, dass im Rahmen der klinischen Studien betreffend die vorläufige Zulassung von Comirnaty die klägerseits behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen mehrfach ausdrücklich erwähnt worden sind und die Beklagte hiervon positive Kenntnis hatte. Es findet sich in der Anlage eine bloße Auflistung von Fällen, ohne dass die konkrete Datengrundlage und deren Herkunft erläutert sowie diese Fälle wissenschaftlich ausgewertet werden. Vielmehr räumt das Gutachten auf S. 43 selbst ein, die Textstellen und deren Bedeutung für die Entstehung der gegenständlichen Nebenwirkungen nicht untersucht zu haben.
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2. Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V.m. §§ 223, 224, 230 StGB, §§ 5, 95 AMG, § 826 BGB, S. 1 ProdHaftG oder § 32 GenTG.
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a) Ein Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB scheidet aus.
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Der Beklagten kann keine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden. Insbesondere hat die Beklagte nicht die ihr im Rahmen der deliktischen Produzentenhaftung obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem sie nicht vor den von der Klägerin behaupteten Gesundheitsschäden gewarnt hat. Ein Hersteller, der mit dem Inverkehrbringen eines fehlerhaften Produkts eine Gefahrenquelle schafft, muss im Rahmen des technisch Möglichen und wirtschaftlich Zumutbaren dafür sorgen, dass seine Kunden, Benutzer des Produkts und sonstige Dritte nicht in ihren von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgütern beeinträchtigt werden (BGH, NJW 2009, 1080; BGH, NJW 2007, 762). Nach dem Inverkehrbringen trifft den Hersteller eine ProduktbeobachtungsPflicht. Er muss seine Produkte auf noch nicht bekannte schädliche Eigenschaften hin beobachten und über deren sonstige, eine Gefahrenlage schaffende Verwendungsfolgen informieren (BGH, Urteil vom 17.03.1981 – VI ZR 286/78). Diese Warnpflicht besteht aber nur, wenn aufgrund der Erkenntnisse der (medizinischen) Wissenschaft und Praxis erkennbar ist, dass die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht. Allein aufgrund eines eingetretenen Schadens kann nicht darauf rückgeschlossen werden, dass auch eine Warnpflicht besteht (vgl. BGH, Urteil vom 17.03.1981 – VI ZR 286/78). Auch diesbezüglich ist ein ernst zu nehmender Verdacht zu fordern, der, wie im Rahmen der Ausführungen zu § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG dargelegt, beim Inverkehrbringen des Impfstoffes gerade nicht bestand. Zudem spricht die fortlaufende Aktualisierung der Fach- und Gebrauchsinformationen dafür, dass die Beklagte im weiteren Verlauf ihrer Produktbeobachtungspflicht nachkommt (so LG Düsseldorf Urt. v. 16.1 1.2023 – 3 O 141/22, BeckRS 2023, 38491 Rn. 65, beck-online).
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b) Greifbare Anhaltspunkte für eine Erfüllung der Tatbestände des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 223, 224 und § 226 StGB, §§ 5, 95 AMG sowie § 826 BGB sind nicht ansatzweise erkennbar (vgl. LG Düsseldorf Urt. v. 16.11.2023 -3 O 141/22, BeckRS 2023, 38491 Rn. 66, beck-online).
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c) Eine Haftung aus § 1 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG scheitert an § 15 Abs. 1 ProdHaftG, weil die Vorschriften des Produkthaftungsgesetzes keine Anwendung finden, wenn infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt wird.
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Auch eine Haftung nach § 32 Abs. 1 GenTG scheidet bereits deshalb aus, weil § 37 Abs. 1 GenTG bestimmt, dass bei der Anwendung eines Arzneimittels, das im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde, § 32 GenTG keine Anwendung findet.
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Objektiv betrachtet erfüllt das Präparat Comirnaty eindeutig den arzneimittelrechtlichen Impfstoffbegriff (vgl. BVerwG Beschluss vom 7.7.2022 – 1 WB 5.22, BeckRS 2022, 35783 Rn. 218, beck-on3. Mangels Schadensersatzanspruches war auch dem geltend gemachten Feststellungsantrag der Erfolg zu versagen.
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Der Kläger kann auch keine Auskunft nach § 84a Abs. 1 AMG verlangen, weil ein Schadensersatzanspruch nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AMG offensichtlich ausgeschlossen ist.
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Das Landgericht Wuppertal hat hierzu in seinem Urteil vom 28.03.2024, Az. 16 O 104/23 BeckRS 2024, 9667 Rn. 88 – 90, beck-online) zutreffend folgendes ausgeführt:
„Die Auskunft im Sinne des § 84a Abs. 1 S. 1 AMG ist erforderlich, wenn die Möglichkeit besteht, dass die begehrten Auskünfte der Feststellung eines Schadensersatzanspruchs dienen können, wobei die Auskunft nach S 84a AMG dazu dient, dem Geschädigten die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs sowohl nach § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 als auch nach § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG zu ermöglichen. Vermag hingegen die begehrte Auskunft die beweisrechtliche Situation des die Auskunft begehrenden in Bezug auf einen solchen Schadensersatz offensichtlich nicht zu stärken, fehlt die Erforderlichkeit. Die Erforderlichkeit kann hierbei insbesondere dann fehlen, wenn unabhängig von der Auskunft eine Haftung des pharmazeutischen Unternehmers nach § 84 AMG offensichtlich ausgeschlossen ist (BGH, Urteil vom 12.05.2015, Az. VI ZR 328/1 1, Rn. 21, 26 und 33). Das ist dann der Fall, wenn der Anspruch nach § 84 Abs. 1 AMG verjährt oder untergegangen ist oder die Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 AMG eindeutig nicht vorliegen (vgl. BeckOGK, aaO., S 84a Rn. 15). Denn in all diesen Fällen kann S 84a AMG seine Funktion nicht mehr erfüllen, nämlich die Geltendmachung und Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs aus § 84 AMG vorzubereiten und zu erleichtern (vgl. Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 3. Auflage 2022, S 84a Rn. 20).
… Zudem steht auch ohne die begehrten Auskünfte – wie bereits unter Ziff. B.l.l .c) und d) ausführlich dargelegt – bereits jetzt fest, dass der streitgegenständliche Impfstoff über kein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis im Sinne des § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG verfügt und der Schaden auch nicht infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen \Mssenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation gemäß § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG eingetreten ist (vgl. auch LG Arnsberg, Urteil vom 21 .12.2023, Az. 1 O 39/23; LG Darmstadt, Urteil vom 23.12.2023, Az. 7 O 94/22; zuletzt auch LG Mainz, Urteil vom 30.01 2024, Az. 5 O 323/22).
Vor diesem Hintergrund war die Kammer auch nicht verpflichtet, über den Auskunftsantrag vorab im Wege eines Teilurteils zu entscheiden. Im Falle einer – wie hier vorliegenden – objektiven Klagehäufung von Auskunftsklage nach S 84a AMG und Schadensersatzklage nach § 84 AMG kann über die Auskunftsklage zwar grundsätzlich durch Teilurteil entschieden werden (vgl. BGH, Urteil vom 29.03.201 1, Az. VI ZR 1 17/1 0 – NJW 201 1, 1 81 5), allerdings liegen die Voraussetzungen des § 301 Abs. 1 S. 1 ZPO für den Erlass eines Teilurteils nicht vor, denn vorliegend war nicht nur ein Teil, hier der Auskunftsanspruch nach S 84a AMG, im Sinne des § 301 Abs. 1 S. 1 ZPO zur Entscheidung reif, sondern vielmehr auch der Schadenersatzanspruch nach S 84 Abs. 1 AMG und somit die gesamte Klage.“
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Dem ist nichts hinzuzufügen.
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Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
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c. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.