Inhalt

VerfGH München, Entscheidung v. 18.07.2024 – Vf. 36-IVa-22
Titel:

Organstreit nach gescheiterter Wahl ins Parlamentarische Kontrollgremium

Normenketten:
PKGG Art. 2 Abs. 1
BV Art. 16a
Leitsätze:
1. Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit ist auf die Besetzung eines parlamentarischen Kontrollgremiums grundsätzlich anzuwenden. Er gilt aber nicht uneingeschränkt und ist nicht abwägungsfest gegenüber anderen Rechtsgütern von Verfassungsrang. (Rn. 58)
2. Sofern das Parlament im Rahmen seiner Organisationshoheit von ihm wahrzu-nehmende Aufgaben durch gesetzliche Bestimmungen auf ein Gremium wie das nicht unmittelbar in der Verfassung geregelte Parlamentarische Kontrollgre-mium überträgt, hat es die kollidierenden Verfassungsrechtspositionen in einen schonenden Ausgleich miteinander zu bringen. Dabei steht dem Landtag ein weiter, verfassungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Gestaltungsspielraum zu, weil es sich um materielles Geschäftsordnungsrecht handelt. (Rn. 59 – 60)
3. Art und Funktion des Parlamentarischen Kontrollgremiums und die sich daraus ergebenden Unterschiede zu Fachausschüssen rechtfertigen verfassungsrechtlich die Entscheidung des Gesetzgebers, den Fraktionen für die Entsendung der Mitglieder in Art. 2 Abs. 1 Sätze 2 bis 6 PKGG lediglich ein unter dem Vorbehalt der Wahl stehendes proportionales Vorschlagsrecht, aber kein Besetzungsrecht einzuräumen. (Rn. 68)
4. Eine verfassungsgerichtliche Überprüfung eines oder mehrerer Wahlakte darauf hin, ob die Ablehnung des Vorschlags einer Fraktion durch hinreichende sachliche Gründe getragen wurde, kommt bei einer solchen Regelung nicht in Betracht. Begrenzt wird das gesetzlich eingeräumte Wahlrecht durch das Verbot des Rechtsmissbrauchs. Die parlamentarische Kontrolle auch durch die Minderheit muss sichergestellt und daher die Opposition im Gremium angemessen vertreten sein (vgl. bereits VerfGH vom 21.2.2002 VerfGHE 55, 28 zur Vorgängerregelung des Art. 1 Abs. 2 PKGG a. F.). (Rn. 78 und 82)
Schlagworte:
Parlamentarisches Kontrollgremium, Bayerischer Landtag, Spiegelbildlichkeit, Geheimschutz, freies Mandat, Rechtsmissbrauch, Opposition
Fundstellen:
BayVBl 2024, 697
DÖV 2025, 128
LSK 2024, 18628
BeckRS 2024, 18628
NVwZ-RR 2024, 1030

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Antragstellerin, die AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag, begehrt im Wege des Organstreits die Feststellung, dass ihre verfassungsmäßigen Rechte durch den Antragsgegner Bayerischer Landtag wegen der Ablehnung der von ihr vorgeschlagenen Kandidaten zur Besetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums in der 18. Wahlperiode sowie wegen der Konstituierung dieses Gremiums ohne ihre Beteiligung verletzt wurden.
2
1. Dem Parlamentarischen Kontrollgremium obliegt neben weiteren Aufgaben nach Art. 1 Abs. 1 des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes (PKGG) vom 8. November 2010 (GVBl S. 722) die Kontrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz einschließlich der Kontrolle gemäß Art. 20 des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (z. B. Entgegennahme von Lageberichten u. a. zum verdeckten Einsatz von technischen Mitteln zur Wohnraumüberwachung oder zum Einsatz von Verdeckten Mitarbeitern und Vertrauensleuten).
3
Die Zusammensetzung und die Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums regelt Art. 2 Abs. 1 PKGG wie folgt:
Art. 2 Mitgliedschaft
(1) 1Das Parlamentarische Kontrollgremium besteht aus sieben Mitgliedern. 2Der Landtag wählt zu Beginn jeder neuen Wahlperiode aus seiner Mitte die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums. 3Das Vorschlagsrecht steht den Fraktionen im Verhältnis ihrer Stärke zu. 4Das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers findet Anwendung. 5In gleicher Weise wird für jedes Mitglied ein stellvertretendes Mitglied gewählt. 6Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Landtags auf sich vereint.
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2. Der 18. Bayerische Landtag konstituierte sich am 5. November 2018, er bestand aus 205 Mitgliedern. In ihm waren sechs Fraktionen vertreten, darunter die neu in den Landtag eingezogene Antragstellerin, die zu Beginn der Wahlperiode 22 Abgeordnete stellte, nach Fraktionsaustritten zuletzt noch 16.
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Am 11. Dezember 2018 wurden in geheimer Wahl auf Vorschlag der jeweiligen Fraktionen drei Mitglieder und drei stellvertretende Mitglieder der CSU-Fraktion sowie je ein Mitglied und ein stellvertretendes Mitglied der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FREIE WÄHLER und SPD in das Parlamentarische Kontrollgremium für die 18. Wahlperiode gewählt. Der Antragstellerin stand nach Art. 2 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 PKGG das Vorschlagsrecht für ein Mitglied und ein stellvertretendes Mitglied zu. Die von ihr vorgeschlagenen Abgeordneten Swoboda (später aus der AfD-Fraktion ausgeschieden) und Löw erreichten mit 35 Ja-Stimmen, 118 Nein-Stimmen und 34 Enthaltungen jedoch nicht die nach Art. 2 Abs. 1 Satz 6 PKGG erforderliche Mehrheit von 103 Stimmen. Der FDP-Fraktion stand aufgrund ihrer geringen Stärke schon kein Vorschlagsrecht zu. Die konstituierende Sitzung des Gremiums fand am 22. Januar 2019 mit sechs anstatt sieben Mitgliedern statt (LT-Drs. 18/12226 vom 15.12.2020 S. 3).
6
Auch in der Folgezeit wurde kein Abgeordneter der Antragstellerin in das Parlamentarische Kontrollgremium gewählt: Die bei einem erneuten Wahlgang am 5. Juni 2019 von der Antragstellerin vorgeschlagenen Abgeordneten Löw und Schiffers erhielten mit 25 bzw. 26 Ja-Stimmen, 132 bzw. 127 Nein-Stimmen und 6 bzw. 10 Enthaltungen wiederum nicht die nötige Stimmenmehrheit. Auch in zwei weiteren Wahlgängen, in denen die Antragstellerin am 10. Oktober 2019 erneut den Abgeordneten Löw vorschlug und am 10. Dezember 2019 erneut den Abgeordneten Schiffers, scheiterten ihre Kandidaten am Mehrheitserfordernis (mit 16 zu 151 zu 7 Stimmen bzw. 25 zu 143 zu 9 Stimmen). Nachdem die Antragstellerin zwischenzeitlich zur Regelung des Art. 2 PKGG erfolglos einen Antrag im Verfahren der Meinungsverschiedenheit beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof gestellt hatte (Entscheidung vom 26.8.2021 BayVBl 2021, 808), schlug sie ihren Abgeordneten Bergmüller vor; auf diesen entfielen in der Wahl am 27. Oktober 2021 19 Ja-Stimmen, 110 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen. In weiteren Wahlgängen am 23. November und 8. Dezember 2021, 2. Februar 2022 und zuletzt am 23. Mai 2023 verfehlten auch die von der Antragstellerin vorgeschlagenen Abgeordneten Henkel, Singer und Mannes jeweils die erforderliche Mehrheit.
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Mit Schreiben vom 22. Februar 2022 wandte sich der parlamentarische Geschäftsführer der Antragstellerin mit der Bitte um Vermittlung und einem Vorschlag für ein Moderationsverfahren zur Besetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums an die Präsidentin des Bayerischen Landtags. Der Ältestenrat beschloss in seiner Sitzung vom 15. März 2022, dem Vorschlag nicht näherzutreten.
II.
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Mit Schriftsatz vom 29. Juni 2022 beantragt die Antragstellerin festzustellen, dass der Antragsgegner ihre Rechte aus Art. 13, 16 a Abs. 1 und 2 BV (Recht auf formale Chancengleichheit der Fraktionen), Art. 20 Abs. 3 BV (Recht auf faire und loyale Anwendung der Geschäftsordnung) und Art. 2 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1 BV i. V. m. Art. 20 Abs. 2 GG (Recht auf effektive Opposition) dadurch verletzt habe bzw. (4.) verletze, dass
1.
„der Antragsgegner alle von der Antragstellerin vorgeschlagenen Kandidaten zur Besetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums ohne sachlichen Grund abgelehnt hat“,
2.
„die Durchführung eines ordnungsgemäße[n] Moderationsverfahren[s] ohne sachlichen Grund abgelehnt worden ist“,
3.
„sich das parlamentarische Kontrollgremium ohne Beteiligung der Antragstellerin am 22.01.2019 konstituiert hat“,
4.
„der Antragsgegner es einem Vertreter der Antragstellerin unmöglich macht, Rechte und Pflichten als Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums wahrzunehmen“.
9
Zur Begründung trägt die Antragstellerin in der Antragsschrift und weiteren Schriftsätzen vom 11. November 2022, 9. Januar, 17. November 2023 und 22. April 2024 zusammengefasst Folgendes vor:
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1. Das Organstreitverfahren sei statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere sei sie antragsbefugt. Sie leite aus Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV i. V. m. Art. 2 Abs. 1 Satz 3 PKGG ein ihr von Verfassungs wegen umfassend und bedingungslos zustehendes Recht ab, im Parlamentarischen Kontrollgremium vertreten zu sein. Durch die sachgrundlose Ablehnung der von ihr zur Wahl gestellten Abgeordneten in allen durchgeführten Wahlgängen (was einen Gesamtakt darstelle), die Ablehnung des von ihr angestrebten Moderationsverfahrens ohne erkennbare Gründe und die Konstituierung des Parlamentarischen Kontrollgremiums ohne ihre Beteiligung sei es jedenfalls möglich, dass sie in ihren im Antrag genannten verfassungsmäßigen Rechten verletzt sei. Das Vorschlagsrecht und das Besetzungsrecht mit irgendeinem der von der Antragstellerin vorgeschlagenen Kandidaten sei verfassungsrechtlich sowie einfachgesetzlich in Art. 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 PKGG garantiert und könne nicht durch eine lediglich einfachgesetzliche Normierung einer freien Mehrheitswahl eingeschränkt werden. Der Bayerische Landtag sei für die im Plenum durchgeführte Wahl der Mitglieder des Gremiums rechtlich verantwortlich und damit richtiger Antragsgegner. Dessen Maßnahmen bzw. Unterlassungen seien rechtserheblich, der Antragsgegenstand hinreichend bestimmt.
11
2. Ihr Antrag sei auch begründet.
12
Das Recht auf formale Chancengleichheit der Fraktionen (Art. 13 BV i. V. m. Art. 16 a Abs. 1 und 2 BV) sei in nicht zu rechtfertigender Weise verletzt. Dieser in der Verfassungsgerichtsbarkeit anerkannte Maßstab komme überall zur Geltung, wo Aufgaben des Parlaments erfüllt würden. Er gelte auch für Gremien, die wie das Parlamentarische Kontrollgremium von der Verfassung vorgesehene Kontrollaufgaben des Parlaments über den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel erfüllten. Seiner Anwendung stehe nicht entgegen, dass es sich bei diesem Gremium nur um eine einfachgesetzlich konstituierte Einrichtung handle. Das Recht auf Chancengleichheit der Fraktionen könne nicht durch eine einfachgesetzliche Regelung zur Wahl verhindert werden, die der demokratisch gewählten Fraktion und deren Wählern die Teilhabe und Mitwirkung versage. Während die Bayerische Verfassung in anderen Bereichen (Art. 20, 33 a Abs. 1, Art. 44 Abs. 1, Art. 80 Abs. 2 Satz 1 BV) eine Wahl vorsehe, sei dies hinsichtlich des Parlamentarischen Kontrollgremiums nicht der Fall. Die Chancengleichheit sei verletzt, wenn das Parlamentarische Kontrollgremium nicht nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen besetzt werde, insbesondere wenn einzelne zu Mitgliedern vorgeschlagene Abgeordnete durch eine parlamentarische Mehrheit abgelehnt würden, ohne dass die Ablehnung durch hinreichende sachliche Gründe getragen werde. Dabei sei die Ablehnung wegen der Mitgliedschaft in der AfD und einer etwaigen Einstufung oder Beobachtung der AfD durch einen Nachrichtendienst kein sachlicher Grund, da ansonsten der zu kontrollierende Nachrichtendienst seine Kontrolleure nahezu selbst bestimmen könnte. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Beobachtung stehe dem nicht entgegen, da die Anforderungen an eine Beobachtung nicht sehr hoch seien. Zudem würden die Fraktion bzw. deren Abgeordnete nicht überwacht. Der Antragsgegner enthalte der Antragstellerin allein aus politischer Ablehnung den ihr zustehenden Sitz vor. In der pauschalen Ablehnung einer Fraktion wegen bloßer Parteizugehörigkeit liege im Übrigen auch ein Verstoß gegen Art. 21 Abs. 1 GG. Im Hinblick auf das Parteienprivileg gemäß Art. 21 Abs. 2, 4 GG könne auch das Argument der wehrhaften Demokratie das Vorgehen des Antragsgegners nicht rechtfertigen. Auch ein Kriterium des „Vertrauens in die politische Loyalität“ könne nicht überzeugen, da es sich mangels objektiver Anhaltspunkte nicht an gerichtlich überprüfbaren Maßstäben messen ließe; hier handle es sich überdies nur um eine Schutzbehauptung zulasten der Antragstellerin.
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Die Antragstellerin meint, ihr stehe ein Anspruch auf Beteiligung im Parlamentarischen Kontrollgremium auch deswegen zu, weil die Opposition angemessen an Gremien und Ausschüssen zu beteiligen sei (Recht auf effektive Opposition; Art. 2, 3 Abs. 1 BV und Art. 20 Abs. 1, 2, Art. 28 GG), sowie nach dem Prinzip der Spiegelbildlichkeit, das auch ohne ausdrückliche Regelung ebenfalls Verfassungsrang habe. Durch Mehrheitsregelungen dürften die Kontrollmöglichkeiten der Opposition nicht faktisch ausgehebelt werden. Es entspreche – bei unterschiedlichen Ansichten zur angemessenen Beteiligung im Einzelnen – einhelliger Auffassung, dass die Opposition im Parlamentarischen Kontrollgremium vertreten sein müsse. Die Annahme, es sei ausnahmsweise – etwa bei Zweifeln an der Bereitschaft einer Fraktion zur Einhaltung der Geheimnisschutzregeln – zulässig, eine Fraktion nicht zu berücksichtigen, wenn sie nach Maßgabe des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit eigentlich im Gremium vertreten sein müsste, begegne durchgreifenden Bedenken. Mit dem Gebot der angemessenen Beteiligung der Opposition sei es nicht zu vereinbaren, dass zwar die übrigen Oppositionsparteien, nicht aber die Antragstellerin mit einem Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium vertreten seien. Das Gebot der Spiegelbildlichkeit dürfe nur aus zwingenden Gründen eingeschränkt werden. Es gelte auch für Untergremien des Parlaments mit plenarersetzenden Aufgaben, insbesondere auch für das Parlamentarische Kontrollgremium, und zwar aufgrund seines Zwecks, seiner Eigenarten, der Konzeption durch Gesetz und Geschäftsordnung und nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in der Entscheidung vom 21. Februar 2002 (VerfGHE 55, 28). Auch wenn der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit nicht grenzenlos gelte, dürfe er jedenfalls nicht willkürlich beseitigt werden. Ohne die Beteiligung aller Fraktionen an der Kontrolle des Verfassungsschutzes nach dem Stärkeprinzip (soweit es die Mitgliederzahl zulasse) werde eine politische Instrumentalisierung durch die Mehrheitsparteien – gegebenenfalls unter Beteiligung einer Oppositionspartei – ermöglicht. Die Opposition sei insoweit keine homogene Gruppe, die nur irgendwie Berücksichtigung finden müsse. Die Mehrheit könne sich nicht aussuchen, welche (weiteren) Oppositionsfraktionen beteiligt würden und welche nicht. Eine Abweichung der Mitgliederzahl im Gremium von den gesetzlichen Vorgaben könne auch bei Entscheidungen mit einfacher Mehrheit Auswirkungen auf die dortige Beschlussfassung haben.
14
Vergleiche mit anderen parlamentarischen Institutionen wie dem Vermittlungsausschuss oder der Besetzung von Vizepräsidenten im Bundestag oder Landtagen überzeugten nicht, ebenso wenig die Argumente des Antragsgegners im Hinblick auf anderslautende Vorschriften anderer Bundesländer, die (über ein Vorschlagsrecht hinaus) ein Besetzungsrecht vorsähen. Es sei eine klare Absage an das Gebot der Spiegelbildlichkeit, wenn die Besetzung des Gremiums nicht den Mehrheitsverhältnissen im Parlament entspreche. Insoweit sei eine andere Thematik als die eines sog. Grundmandats betroffen, welche den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 1986 (BVerfGE 70, 324) und des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 21. Februar 2002 (VerfGHE 55, 28) zugrunde gelegen habe. Geheimhaltungsgründe könnten danach zwar eine Gremiengröße rechtfertigen, die nicht jeder – noch so kleinen – Fraktion einen Sitz gewährleiste; bis zur Kapazitätsgrenze müsse jedoch die Spiegelbildlichkeit gewahrt werden. Der Antragsgegner gestehe grundsätzlich zu, dass der Antragstellerin ein – offen gebliebener – Sitz im Gremium zustehe, dies sei „unstreitig“. Verwehrt werde ihr „die Ausfüllung“ des Sitzes, mithin dessen Wahrnehmung. Streitgegenständlich sei nicht die Feststellung, dass alle Landtagsfraktionen im Parlamentarischen Kontrollgremium vertreten sein müssten, sondern dass die Antragstellerin den ihr verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich konkret zustehenden Sitz nutzen können müsse.
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Mit den genannten Verfassungsprinzipien sei auch nicht zu vereinbaren, dass die Entscheidung, wie das Parlamentarische Kontrollgremium zu besetzen sei, beim Landtag liege. Den Anträgen könne nicht entgegengehalten werden, dass § 37 Satz 1 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag (BayLTGeschO) oder Art. 2 Abs. 1 PKGG eine Wahl vorsähen; denn das Institut der Wahl verletze die Vorgaben der Verfassung und erweise sich somit selbst als verfassungswidrig. Wenn eine Wahl Gefahren für die Ausübung verfassungsrechtlicher Rechte bedeute, sei sie durch eine Benennung zu ersetzen. Das verfassungsrechtliche Vorschlags- und Besetzungsrecht, das einfachgesetzlich auch durch Art. 2 Abs. 1 Satz 3 PKGG konkretisiert werde, könne nicht durch die nur einfachgesetzlich geregelte Mehrheitswahl umgangen werden. Ein Vorschlagsrecht, welches der Mehrheitswahl zum Opfer falle, sei kein Vorschlagsrecht. Eine Mehrheitswahl könne allenfalls eine formale Bedeutung im Sinn einer regelhaften Bestätigung des Fraktionsvorschlags haben. Hier sei nicht zu erwarten, dass die Vorschläge der Antragstellerin als Oppositionsfraktion durch die Mehrheit im Landtag angenommen würden, weshalb ihr von Verfassungs wegen ein Mitspracherecht bei der Besetzung zugesprochen werden müsse – beispielsweise durch Benennung ihrer Ausschussmitglieder. Schließlich habe jedes (unstreitig demokratisch legitimierte) Mitglied des Landtags die Befähigung, Mitglied des Kontrollgremiums zu sein. Ein Prüfungsrecht der Mehrheit liefe auf eine Korrektur des Wahlergebnisses hinaus. Etwaigen Bedenken im Einzelfall könne gegebenenfalls mit milderen Mitteln innerhalb des Gremiums begegnet werden. Die Vorenthaltung eines Sitzes allein aus politischer Ablehnung wegen der Parteizugehörigkeit wie hier sei unzulässig. Eine Wahl könne maximal insoweit greifen, als solche Kandidaten ausnahmsweise nicht gewählt werden müssten, die aus einem sachlichen Grund nicht geeignet seien. Selbst wenn Mehrheitswahlen hier zulässig sein sollten, müssten diese den Prinzipien der Chancengleichheit und effektiven Opposition gerecht werden und unterlägen nicht allein dem freien Mandat. Die Maßstäbe aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2022 (BVerfGE 160, 411) könnten schon deshalb nicht hierher übertragen werden, da dort eine grundgesetzlich vorgegebene Wahl (Vizepräsidenten des Bundestags) streitgegenständlich gewesen sei.
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Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV verpflichteten den Bayerischen Landtag, dem Recht von Oppositionsfraktionen auf Chancengleichheit bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes wie auch bei der parlamentarischen Handhabung vollumfänglich Rechnung zu tragen. Die anderen Fraktionen und der Landtag müssten die Personalvorschläge einer einzelnen Fraktion grundsätzlich berücksichtigen, da ansonsten deren Vorschlagsrecht und damit die personelle Grundlage ihrer parlamentarischen Mitwirkung leerliefen. Daher müsse entsprechend der Rechtsprechung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs im Urteil vom 26. Januar 1996 (DÖV 1996, 783) der Landtag dann, wenn sich Schwierigkeiten bei der Besetzung eines Gremiums durch eine Mehrheitswahl zeigten, durch ein formelles oder informelles Verfahren auf eine Präsentation geeigneter und mehrheitsfähiger Abgeordneter hinwirken und sicherstellen, dass das Recht auf Chancengleichheit der Fraktionen nicht ohne zwingende Gründe beeinträchtigt werde. Davon entbinde auch die Freiheit des Mandats nicht. Das Beteiligungsrecht gelte auch in den Fällen, in denen Vertreter der Opposition Gegenstand der Beobachtung durch den Verfassungsschutz seien. Die bloße Einstufung durch die Exekutive könne nicht ausreichen, um eine Mitgliedschaft zu verhindern. Es komme darauf an, ob eine von einer Fraktion vorgeschlagene Person für die nach Art. 1 PKGG gestellte Sachaufgabe objektiv ungeeignet oder nicht vertrauenswürdig sei, wobei eine solche Einschätzung nur in eng umgrenzten Fällen in Betracht komme. In jedem Fall könnten und müssten der Landtag und seine Fraktionen parlamentsinterne Wege finden, auf denen die Frage nach der Geeignetheit und Vertrauenswürdigkeit der von einer Fraktion vorgeschlagenen Kandidaten nach engen und objektiven Kriterien und in einem fairen Verfahren geklärt würde. Hieran hätten alle Beteiligten nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Organtreue mitzuwirken; die Ablehnung einer Zusammenarbeit zur Lösung eines solchen Konflikts verstoße nach dem Beschluss des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 14. Oktober 2020 (ThürVBl 2021, 121) gegen diesen Grundsatz.
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Der Antragsgegner lehne zu Unrecht pauschal sämtliche denkbaren Verfahren zur Vermittlung sowie eine Begründung der Nichtwahl als dem freien Mandat widersprechend ab. Die dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2022 zugrunde liegende Sach- und Rechtslage sei der hier vorliegenden nicht vergleichbar. Auch sonstige Mehrheitsentscheidungen unterlägen immer wieder einer Überprüfung, so verlange die Rechtsprechung z. B. zur Ablehnung von Beweisanträgen in Untersuchungsausschüssen stets eine Begründung. Eine Einigung auf einen zulässigen sachlichen Grund für eine Nichtwahl begegne auch keinen unüberwindbaren Schwierigkeiten; ferner beweise das Verfahren zur Berufung von Richtern durch den Richterwahlausschuss, dass Begründungs- und Verfahrensvorschriften grundsätzlich unproblematisch seien, wobei dort Art. 95 GG sogar verfassungsrechtlich eine Wahl vorsehe (BVerfG vom 20.9.2016 BVerfGE 143, 22). Ohne solche Verfahrensvorgaben wäre die Feststellung eines etwaigen Missbrauchs oder einer Willkür bereits denklogisch nicht möglich.
18
Da keine sachlich belegten Argumente gegen die Geeignetheit und Vertrauenswürdigkeit einzelner, mehrheitlich abgelehnter Kandidaten der Antragstellerin bestünden, verletze – entsprechend der angesprochenen Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs – auch die Konstituierung des Parlamentarischen Kontrollgremiums deren Rechte als Oppositionsfraktion. Der Antragsgegner handle offensichtlich missbräuchlich und willkürlich. Mit der Konstituierung ohne ihre Beteiligung werde der Antragstellerin der ihr zustehende Sitz und damit die Möglichkeit der Teilhabe verwehrt. Auch habe die gerügte fehlende Möglichkeit der Wahrnehmung von Rechten und Pflichten als Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums einen selbstständigen Gehalt gegenüber der Nichtwahl von Mitgliedern, sie entfalte als Folgeverletzung eine eigenständige weitergehende und perpetuierende Wirkung.
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Der Anspruch der Antragstellerin auf angemessene Beteiligung im Parlamentarischen Kontrollgremium sei auch gerichtlich durchsetzbar. Dem stehe nicht entgegen, dass Abgeordnete bei einer geheimen Personenwahl ihre Entscheidung nicht offenlegen und begründen müssten. Die Bayerische Verfassung sehe in diesem Bereich schon nicht zwingend eine geheime Wahl vor; für gewöhnlich begründeten Fraktionen ihre Entscheidungen auch bereits durch die Reden ihrer Mitglieder im Parlament. Schließlich würde die Ablehnung einer gerichtlichen Kontrolle im Zusammenhang mit einer Gewissensentscheidung konsequent zu Ende gedacht eine Willkürkontrolle ausschließen.
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Die pauschale rechtswidrige Vorgehensweise habe sich zuletzt in der weiteren Nichtwahl des vorgeschlagenen Abgeordneten Mannes am 23. Mai 2023 manifestiert. Der Antragsgegner verweigere jede Zusammenarbeit bzw. Kooperation in diesem Kontext.
21
In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin insbesondere die Bedeutung des Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes und die daraus aus ihrer Sicht folgenden Konsequenzen hervorgehoben.
III.
22
1. Der Antragsgegner tritt dem Antrag in seinen Stellungnahmen vom 20. Oktober 2022, 26. Juni 2023 und 22. Februar 2024 entgegen.
23
a) Die gestellten Einzelanträge seien unzulässig. Die von der Antragstellerin gerügte „Ablehnung“ ihrer Kandidaten sei schon kein hinreichend bestimmter Antragsgegenstand. Auch könne die Nichtwahl einer bestimmten Person in einer parlamentarischen Personenwahl aus verfassungsrechtlichen Gründen unter keinem Gesichtspunkt Rechte der Antragstellerin als vorschlagender Fraktion berühren; die Frage sei vielmehr, ob der Gesetzgeber ohne Verfassungsverstoß den Zugang zum Parlamentarischen Kontrollgremium von einer freien Mehrheitswahl habe abhängig machen dürfen. Jedenfalls fehle es an der Antragsbefugnis. Der Verfassungsgerichtshof könne nicht angerufen werden zum Schutz von Rechtspositionen, die lediglich einfachgesetzlich begründet seien. Soweit sich die Antragstellerin gegen die Anwendung von Art. 2 PKGG durch den Antragsgegner wende, verkenne sie die Reichweite des parlamentarischen Minderheitenschutzes bereits im Ansatz, indem sie diesem – über das nicht bezweifelte Vorschlagsrecht hinaus – ein Recht auf ein bestimmtes Wahlergebnis entnehme. Eine Rechtsverletzung wegen der Ablehnung eines Moderationsverfahrens sei ausgeschlossen. Die verfassungsrechtliche Ausgangslage in Bayern sei schon nicht mit der in Thüringen vergleichbar. Auch habe das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die durch das freie Mandat gewährleistete Wahlfreiheit die zuerst vom Sächsischen Verfassungsgerichtshof vertretene Rechtsauffassung, welche sich der Thüringer Verfassungsgerichtshof in der von der Antragstellerin angeführten Entscheidung zu eigen gemacht habe, ausdrücklich für unrichtig erklärt (Beschluss vom 22.3.2022 BVerfGE 160, 411). Die Antragsbefugnis fehle außerdem hinsichtlich der Konstituierung des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Diese sei Voraussetzung der Arbeitsfähigkeit, habe aber keine Außenwirkung und berühre keine Rechte der Antragstellerin. In Bezug auf die behauptete Rechtsverletzung durch die Nichtermöglichung der Wahrnehmung von Rechten und Pflichten als Mitglied des Gremiums sei gegenüber der Wahl schon kein selbstständiger Gehalt erkennbar; jedenfalls sei der Antrag zu unbestimmt.
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b) Die Anträge seien jedenfalls unbegründet.
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Die Antragstellerin mache im Kern ein fraktionelles Entsenderecht in das Parlamentarische Kontrollgremium geltend, das es weder nach der Bayerischen Verfassung noch nach dem Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetz gebe. Sie übergehe den kategorialen Unterschied zwischen parlamentarischen Ausschüssen mit einem quotalen Entsendungsrecht der Fraktionen einerseits und Gremien mit einer Mehrheitswahl andererseits und sehe sich deswegen zu Unrecht durch die Ergebnisse der Wahlen zum Parlamentarischen Kontrollgremium in ihren parlamentarischen Mitwirkungsmöglichkeiten beeinträchtigt. Dabei verkenne sie das Verhältnis von Verfahrensregeln und Verfahrensergebnissen: Welchem Abgeordneten ein Sitz im Parlamentarischen Kontrollgremium „zustehe“, sei das Resultat parlamentarischer Verfahren nach den gesetzlich festgelegten Regeln. Sofern eine parlamentarische Personenwahl nach den Vorschriften der Bayerischen Verfassung, der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag oder einem Gesetz stattfinde, seien diese Wahlen durch gewählte Abgeordnete ausnahmslos frei. Eine Wahl mit einem geschuldeten Ergebnis wäre nämlich keine Wahl, sondern allenfalls eine Akklamation. Die von den Anträgen aufgeworfene Rechtsfrage sei daher nicht, ob der Antragsgegner bei den Wahlen von der Antragstellerin vorgeschlagene Kandidaten hätte wählen müssen, sondern nur, ob die Besetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums durch Wahl statt durch fraktionelle Entsendung habe geregelt werden dürfen, ob also Art. 2 Abs. 1 Sätze 2 und 6 PKGG verfassungsgemäß seien. Dies sei zu bejahen. Selbst wenn man in besonderen Fällen eine Pflicht zur Wahl bestimmter Kandidaten anerkennen würde, so wäre die Handhabung der gesetzlichen Vorschriften durch den Antragsgegner mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar gewesen. Er sei auch nicht verpflichtet gewesen, das angeregte Moderationsverfahren durchzuführen.
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Die Verbindung von proportionalem Vorschlagsrecht und Mehrheitswahl in Art. 2 Abs. 1 PKGG sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a BV und Art. 38 Abs. 1 i. V. m. Art. 28 Abs. 1 GG abgeleitete Gebot der Chancengleichheit der Abgeordneten und der Fraktionen verbiete die Einrichtung einer Mehrheitswahl zum Parlamentarischen Kontrollgremium nicht.
27
Der auf dem Recht der Abgeordneten und Fraktionen auf Chancengleichheit beruhende Grundsatz der proportionalen Besetzung von Untergliederungen des Parlaments – Spiegelbildlichkeitsgrundsatz – sei zwar unstreitig. Er gelte insbesondere für Ausschüsse und Unterausschüsse, aber – in verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung und Verfassungsrechtswissenschaft anerkannt – nicht gleichmäßig für alle Formen parlamentarischer Selbstorganisation. Auf das Parlamentarische Kontrollgremium sei er nur mit erheblichen Einschränkungen übertragbar und stehe jedenfalls der Einführung einer Mehrheitswahl nicht entgegen. So sei beispielsweise die Mehrheitsregel auch bei der Wahl der Vizepräsidenten der Parlamente anerkannt, die zu ihrer Amtsführung das Vertrauen des ganzen Parlaments benötigten, weshalb es keinen Anspruch einer Fraktion auf die Bestätigung eines vorgeschlagenen Kandidaten geben könne. Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit könne auch nicht in der von den Antragstellern praktizierten Weise verabsolutiert werden. Er werde vielmehr nach allgemeinen Grundsätzen eingeschränkt durch die Selbstorganisationsbefugnis des Parlaments als Geschäftsordnungs- und Gesetzgeber.
28
Der Gesetzgeber habe sich in Art. 2 Abs. 1 PKGG verfassungsrechtlich zulässig dafür entschieden, sich auf ein proportional gewichtetes Vorschlagsrecht der Landtagsfraktionen zu beschränken, diesen aber kein bestimmtes Maß der Repräsentation im Parlamentarischen Kontrollgremium zu garantieren. Bei diesem Gremium handle es sich ebenso wie bei vergleichbaren Gremien des Bundes und der meisten anderen Länder nicht um einen Parlamentsausschuss, sondern um ein Hilfs- und Kontrollorgan eigener Art. Einrichtung und Verfahren des Kontrollgremiums seien im Schwerpunkt durch Gesetz und nicht durch Geschäftsordnung oder Parlamentsbeschluss geregelt; es unterliege nicht dem parlamentarischen Grundsatz der Diskontinuität. Die dem Gremium gesetzlich zustehenden Befugnisse stellten ein aliud gegenüber der allgemeinen parlamentarischen Kontrolle dar; es bereite weder Entscheidungen der Vollversammlung vor noch nehme es delegierte Entscheidungszuständigkeiten wahr. Mit der Kontrolle des Verfassungsschutzes werde von ihm auch keine öffentliche, politisch-oppositionelle Kontrolle ausgeübt. Unter Berücksichtigung dieser Eigenarten habe der Gesetzgeber den Zugang zum Parlamentarischen Kontrollgremium ohne Verfassungsverstoß unter den Vorbehalt einer Mehrheitswahl stellen dürfen. Die Frage sei noch nicht abschließend geklärt. Das Bundesverfassungsgericht habe allerdings in seiner Entscheidung vom 22. März 2022 die der Rechtsprechung des Sächsischen und des Thüringer Verfassungsgerichtshofs zugrunde liegende Vorstellung einer vermittelnden Lösung zwischen Mehrheitswahl und fraktionellem Entsendungsrecht ausdrücklich für unhaltbar erklärt. Es habe dort außerdem von einem „Vorbehalt“ gesprochen, unter den die fraktionellen Mitwirkungsrechte durch die Mehrheitswahl gestellt seien, sodass es keine Pflicht des Parlaments geben könne, zwischen Vorschlagsrecht und freier Mehrheitswahl zu moderieren. Seine Begründung sei auf die hiesige Konstellation übertragbar. Es sei insbesondere nicht anzunehmen, dass Gremien mit Mehrheitswahl als Zugangshürde nur durch ausdrückliche verfassungsrechtliche Anordnung eingerichtet werden dürften.
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Für die durch Art. 2 Abs. 1 PKGG vorgesehene Mehrheitswahl bestünden hinreichende und tragfähige Gründe, mit denen der Gesetzgeber Belangen des Geheimschutzes, der Vertraulichkeit und der Sicherung der „politischen Loyalität“ der in die Geheimdienstkontrolle eingebundenen Abgeordneten Rechnung habe tragen dürfen. So habe etwa der Bayerische Verfassungsgerichtshof in der Entscheidung vom 21. Februar 2002 (VerfGHE 55, 28) die gesetzliche Beschränkung der Mitgliederzahl auf damals fünf Mitglieder im Hinblick auf eine effektive Kontrolle der Sicherheitsbehörden und das damit verbundene Geheimhaltungsinteresse als verfassungsgemäß angesehen, obwohl dadurch nicht alle Oppositionsfraktionen in dem Gremium vertreten waren. Die Mehrheitsregel finde ihre Rechtfertigung weiter darin, dass die Mitglieder des Kontrollgremiums keiner Kontrolle der übrigen Abgeordneten unterlägen und nicht abgewählt oder zurückgerufen werden könnten; sie benötigten im Gegensatz zu Ausschussmitgliedern das Vertrauen einer Mehrheit des Parlaments und nicht nur das ihrer Fraktion. Dieses persönliche Vertrauen betreffe nicht nur die Fachkunde des Kandidaten, es gehe vielmehr darum, auch über die Verschwiegenheit hinaus ein Mindestmaß an „politischer Loyalität“ gegenüber dem Sinn und den Aufgaben der Kontrolle zu sichern. Diese Loyalität müsse nicht gegenüber der Staatsregierung oder dem Verfassungsschutz bestehen, sondern gegenüber dem Parlament und der sensiblen Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle in einem durch vertrauliche Vorgänge dominierten Bereich. Dabei sei auch der bloße Verdacht der Mehrheit gegen bestimmte Abgeordnete oder eine ganze Oppositionsfraktion hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit bei einer sensiblen Tätigkeit ein legitimer Belang. Parlamenten müsse, wenn sie bei besonders sensiblen Institutionen das Proportionalitätsprinzip bewusst durchbrächen, insoweit ein weiter Einschätzungsspielraum zugestanden werden. Aufgrund der engmaschigen gerichtlichen Kontrolle im Verwaltungsrechtsweg bei Entscheidungen über eine Einstufung von Parteien als „Verdachtsfall“ oder deren nachrichtendienstliche Beobachtung hätten es die Verfassungsschutzbehörden auch nicht gleichsam selbst in der Hand zu entscheiden, welche Parteien zu ihrer eigenen Kontrolle zugelassen würden.
30
Da der verfassungsgemäße Vorbehalt einer Personenwahl das Recht auf ein bestimmtes Wahlergebnis von vornherein ausschließe, seien die Anträge bereits deshalb unbegründet. Ebenso wenig müsse die Mehrheit ihre Wahlentscheidung gegenüber einer vorschlagenden Fraktion begründen, was aufgrund des freien Mandats auch nicht möglich wäre.
31
Bei anderer Auffassung ergebe sich im Ergebnis keine andere Beurteilung. Auch die Handhabung des Art. 2 PKGG durch den Antragsgegner in den verschiedenen Wahlgängen der 18. Wahlperiode sei mit der Verfassung vereinbar gewesen.
32
Alleiniger Maßstab wäre insoweit das in Teilen der Literatur angenommene objektiv-rechtliche Prinzip der angemessenen Beteiligung der Opposition an parlamentarischen Kontrollgremien. Dieses wäre verletzt, wenn die Mehrheit in missbräuchlicher Weise die Minderheit aus dem Gremium fernhielte. Vorliegend habe schon keine strukturelle Unterrepräsentation der Opposition bestanden, da von den sieben Sitzen im Gremium die CSU und die FREIEN WÄHLER insgesamt vier (drei und einen) und die oppositionellen Fraktionen der SPD und der GRÜNEN je einen Sitz eingenommen hätten; der siebte Sitz mit Vorschlagsrecht der Antragstellerin sei vakant gelassen worden. Auch aus einer durch die Nichtwahl etwa bewirkten Veränderung der Mehrheitsverhältnisse im Parlamentarischen Kontrollgremium ergebe sich weder allgemein noch hinsichtlich der außergewöhnlichen Befugnisse des Gremiums eine objektiv unangemessene Benachteiligung der Opposition.
33
Der Antragsgegner sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Nichtwahl der von der Antragstellerin vorgeschlagenen Abgeordneten überhaupt oder besser zu begründen. Das freie Mandat schließe Begründungspflichten oder ähnliche Instrumente im Zusammenhang mit Personenwahlen grundsätzlich aus. Ausnahmen insoweit könnten aus systematischen Gründen nur mit äußerster Zurückhaltung angenommen und müssten dann äußerst restriktiv gehandhabt werden. So könne eine Mehrheit auch zustande kommen, wenn die sie bildenden Parteien zwar dasselbe wollten, aber aus je unterschiedlichen Gründen; auch lasse sich die Zustimmung zu oder die Nichtwahl von bestimmten Personen nicht von vornherein abschließend rationalisieren, jedenfalls nicht im gleichen Maß wie die Haltung zu einem Gesetzentwurf oder einer anderen Beschlussvorlage. Schließlich fänden parlamentarische Wahlen nach ständiger Übung in aller Regel ohne Aussprache und geheim statt. Für die Verpflichtung zur Durchführung eines informellen Einigungsverfahrens, wie es die Antragstellerin schriftlich gegenüber der Präsidentin des Landtags vorgeschlagen habe, enthalte die Bayerische Verfassung keinerlei Anhaltspunkt. Vor allem habe das Bundesverfassungsgericht in der bereits angesprochenen Entscheidung vom 22. März 2022 verfassungsrechtlich begründete Moderations- oder Vermittlungslösungen als generell unvereinbar mit dem freien Mandat angesehen. Eine Ausnahme käme allenfalls im Hinblick auf das Missbrauchs- und Willkürverbot in Betracht; bei einem breiten parlamentarischen Konsens auch jenseits des Regierungslagers wie hier liege ein Verstoß dagegen aber nicht nahe. Auch habe die Mehrheit des Landtags ihre Bedenken gegen die Wahl der von der Antragstellerin vorgeschlagenen Abgeordneten offen und konsistent kommuniziert und sich dabei zulässig auf die Beobachtung von Teilen der Fraktion durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz bezogen.
34
Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass sich die Rechtsprechung anderer Gerichte in drei bedeutsamen neueren Entscheidungen zu vergleichbaren Fällen der hier vertretenen Rechtsauffassung zur Zulässigkeit der Einführung einer Mehrheitswahl und den daraus folgenden Konsequenzen angeschlossen habe (VerfGH Berlin vom 16.5.2023 NVwZ 2023, 1325; LVerfG Sachsen-Anhalt vom 13.12.2023 – LVG 30/22 – juris; OVG Hamburg vom 24.11.2023 NVwZ 2024, 259).
35
In der mündlichen Verhandlung hat der Antragsgegner insbesondere betont, dass das gesetzliche Regelungsmodell eines fraktionellen Vorschlagsrechts verbunden mit einer Wahl im Hinblick auf die Besonderheiten des Parlamentarischen Kontrollgremiums gegenüber Ausschüssen und auf die mit der Regelung verfolgte legitime Zielsetzung des Gesetzgebers verfassungsrechtlich zulässig sei.
36
2. Die Bayerische Staatsregierung hat sich mit Stellungnahme vom 1. September 2022 geäußert und im Hinblick auf die ähnlich gelagerte Thematik auf ihre Stellungnahme im Verfahren Vf. 60-VIII-20 (vorangegangene Meinungsverschiedenheit zu Art. 2 Abs. 1 PKGG, der dortige Antrag u. a. der hiesigen Antragstellerin wurde mit Entscheidung vom 26. August 2021 abgewiesen) Bezug genommen.
IV.
37
Von den im Einzelnen gestellten Anträgen ist der zu 1. zulässig, die Zulässigkeit des Antrags zu 2. kann offenbleiben, die weiteren Anträge zu 3. und 4. sind unzulässig.
38
1. a) Im Begehren der Antragstellerin auf Feststellung einer Verletzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte dadurch, dass der Antragsgegner alle von ihr in der 18. Wahlperiode vorgeschlagenen Kandidaten zur Besetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums ohne sachlichen Grund „abgelehnt“ habe, liegt bei sachgerechter Auslegung ein statthafter und hinreichend bestimmter Antragsgegenstand einer Verfassungsstreitigkeit nach Art. 64 BV, Art. 49 Abs. 1 VfGHG. Für diesen ist die Antragstellerin auch antragsbefugt.
39
Die Antragstellerin macht im Kern geltend, dass das ihr als Fraktion einfachgesetzlich gemäß Art. 2 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 PKGG zustehende Vorschlagsrecht für Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums Ausfluss des aus dem freien Mandat und Oppositionsrechten resultierenden Rechts auf formale Chancengleichheit der Fraktionen sei, aus dem ein Besetzungsrecht folge, und dass dieses durch die wiederholte, nicht sachlich und auch nicht konkret personenbezogen begründete Nichtwahl ihrer Kandidaten verletzt sei. Damit beruft sie sich nicht lediglich auf eine einfachgesetzliche Rechtsposition, sondern es besteht, wie nach Art. 64 BV, Art. 49 Abs. 1 VfGHG erforderlich, ein Streit um verfassungsrechtliche Rechte. Die Antragstellerin rügt damit hinreichend substanziiert eine Verletzung der in Art. 13 Abs. 2 BV garantierten freien Mandatsausübung und der in Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV gewährleisteten Minderheitenrechte, also von Rechtspositionen, die sich unmittelbar aus der Bayerischen Verfassung ergeben. Aus dem freien Mandat ist das Prinzip der egalitären Repräsentation abzuleiten, das zur Folge hat, dass alle Mitglieder des Parlaments einander formal gleichgestellt sind. Das daraus resultierende Recht auf Chancengleichheit bei der Parlamentsarbeit kann auch die Antragstellerin als Zusammenschluss von Abgeordneten für sich in Anspruch nehmen. Wegen ihrer Zugehörigkeit zur parlamentarischen Opposition sind die dargestellten Rechte zudem in Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV begründet (vgl. VerfGH vom 11.8.2021 BayVBl 2021, 734 Rn. 34). Es erscheint nach dem Vortrag der Antragstellerin nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die gerügte wiederholte Nichtwahl der von ihr vorgeschlagenen Abgeordneten ihre Organrechte als Fraktion beeinträchtigt (vgl. auch BVerfG vom 25.5.2022 BVerfGE 162, 188 Rn. 43 zu Wahlen für Ausschussvorsitze; VerfGH BW vom 5.2.2024 - 1 GR 21/22 – juris Rn. 68 zu Wahlen für das Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung).
40
b) Die Antragstellerin hat auch zutreffend den Bayerischen Landtag, dem die jeweiligen Wahlergebnisse zuzurechnen sind, als Antragsgegner benannt; beide sind beteiligtenfähig (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 VfGHG). Die Beteiligtenfähigkeit wird nicht dadurch infrage gestellt, dass der Landtag nach Einleitung des Organstreitverfahrens neu gewählt wurde. Für die Beurteilung der Beteiligtenfähigkeit ist im Organstreit grundsätzlich der Status zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich (vgl. VerfGH vom 22.5.2014 VerfGHE 67, 153 Rn. 22; vgl. auch BVerfG vom 24.1.2023 BVerfGE 165, 270 Rn. 37). Die Antragstellerin kann das anhängige Organstreitverfahren als Nachfolgefraktion fortsetzen (vgl. VerfGH vom 20.3.2014 VerfGHE 67, 13 Rn. 64; vom 11.9.2014 VerfGHE 67, 216 Rn. 30; vom 21.5.2024 - Vf. 37-IVa-21 – juris Rn. 23); es richtet sich nun gegen den neu konstituierten Landtag als Nachfolger.
41
c) Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt insoweit ebenfalls vor. Das Organstreitverfahren dient maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns. Das Rechtsschutzinteresse für einen Antrag entfällt regelmäßig nicht allein dadurch, dass die beanstandete Rechtsverletzung in der Vergangenheit stattgefunden hat und bereits abgeschlossen ist. Auch das Ende einer Wahlperiode steht einem Organstreitverfahren regelmäßig nicht entgegen. Selbst wenn man in diesen Fällen ein besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse forderte, läge dieses hier in Form eines objektiven Klarstellungsinteresses vor. Denn durch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs sollen insbesondere auch für die Zukunft der Rechtsfrieden gesichert und die streitigen verfassungsrechtlichen Fragen geklärt werden (vgl. VerfGHE 67, 216 Rn. 32; VerfGH vom 17.1.2023 BayVBl 2023, 262 Rn. 26.; vom 25.10.2023 BayVBl 2024, 191 Rn. 40, jeweils m. w. N). Im Hinblick auf die vorliegend zu entscheidende Thematik liegt die Möglichkeit nahe, dass es erneut zu einer vergleichbaren Verfassungsstreitigkeit kommt. Es besteht daher ein objektives öffentliches Interesse an einer Klärung der mit dem Antrag aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen.
42
2. Ob der Antrag zu 2. zur behaupteten Rechtsverletzung durch die Ablehnung eines Moderationsverfahrens zulässig ist, insbesondere mit dem pauschalen Verweis auf den Grundsatz der Organtreue und den Beschluss des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 14. Oktober 2020 (ThürVBl 2021, 121) die Antragsbefugnis hinreichend dargelegt wurde, kann offenbleiben. Dieser Antrag ist jedenfalls unbegründet (vgl. unter V. 2. c)).
43
3. Die Anträge zu 3. und 4. sind unzulässig.
44
a) Hinsichtlich der gerügten Konstituierung des Parlamentarischen Kontrollgremiums am 22. Januar 2019 ohne Beteiligung der Antragstellerin ist weder die Antragsbefugnis noch ein Rechtsschutzbedürfnis hinreichend dargelegt oder ersichtlich. Die Konstituierung in dieser Besetzung war eine bloße Konsequenz aus dem damaligen Wahlergebnis; aufgrund des fehlenden Wahlerfolgs mündete das fraktionelle Vorschlagsrecht der Antragstellerin nicht in eine Besetzung des rechnerisch auf sie entfallenden Sitzes. Inwiefern die Aufnahme der Tätigkeit des Gremiums eigenständig erneut organschaftliche Rechte der vorschlagenden Fraktion verletzt haben sollte, erschließt sich nicht. Wäre in nachfolgenden Wahlakten ein von der Antragstellerin vorgeschlagener Kandidat gewählt worden, hätte die Konstituierung dessen zukünftiger Mitwirkung in dem Gremium nicht entgegengestanden.
45
b) Soweit ein „Unmöglichmachen“ der Wahrnehmung von Rechten und Pflichten als Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums als verfassungswidrig beanstandet wird, fehlt es bereits an einem hinreichend bestimmten Antragsgegenstand, der im Organstreitverfahren rügefähig wäre, und jedenfalls am Rechtsschutzbedürfnis. Mit diesem Antrag wird keine konkrete eigenständige Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners gerügt, sondern lediglich die aus Sicht der Antragstellerin eingetretene Folge aus den Ergebnissen der Wahlakte und aus dem nicht durchgeführten Moderationsverfahren umschrieben und als vermeintlich eigenständige Rechtsverletzung beanstandet (vgl. auch VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – juris Rn. 70).
V.
46
Der Antrag ist, soweit er zulässig ist oder seine Zulässigkeit offengelassen wird, unbegründet. Die Nichtwahl der von der Antragstellerin während der 18. Wahlperiode für das Parlamentarische Kontrollgremium vorgeschlagenen Fraktionsmitglieder hat die Antragstellerin nicht in ihren Organrechten aus Art. 13 Abs. 2 und Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV verletzt. Die Regelung zum Wahlmodus in Art. 2 Abs. 1 PKGG, die ein Vorschlagsrecht mit einer Mehrheitswahl verbindet, ist verfassungsgemäß; aus den Vorschriften der Bayerischen Verfassung lässt sich ein darüber hinausgehendes Besetzungsrecht einzelner (Oppositions-)Fraktionen für einen Sitz in diesem Gremium nicht ableiten (1.). Die Handhabung der Vorschrift durch den Antragsgegner in der 18. Wahlperiode war verfassungsrechtlich ebenfalls beanstandungsfrei, auch soweit die Antragstellerin die fehlende Durchführung eines Moderationsverfahrens rügt. Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner das Vorschlagsrecht der Antragstellerin missachtet oder die Wahlen nicht ordnungsgemäß – insbesondere rechtsmissbräuchlich – durchgeführt hätte (2.).
47
1. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß.
48
a) Der Verfassungsgerichtshof hat (in der für Normenkontrollen bestimmten Zusammensetzung gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VfGHG) bereits entschieden, dass die Normierung einer Mehrheitswahl für die Besetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums nicht gegen die Bayerische Verfassung verstößt, insbesondere keine Organrechte der Fraktionen oder Oppositionsrechte verletzt. Er hat mit Entscheidung vom 21. Februar 2002 (VerfGHE 55, 28) im Rahmen einer Meinungsverschiedenheit die Vorgängerregelung zur Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums in Art. 1 Abs. 2 PKGG i. d. F. vom 10. Februar 2000 (GVBl S. 40; im Folgenden: PKGG a. F.) geprüft und für verfassungsgemäß befunden. Nach der damaligen Regelung bestand das Gremium aus fünf Mitgliedern (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 PKGG a. F.); auch danach wurden die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder zu Beginn jeder neuen Wahlperiode vom Landtag aus seiner Mitte gewählt (Art. 1 Abs. 2 Sätze 2 und 3 PKGG a. F.), wobei gewählt war, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Landtags auf sich vereinte (Art. 1 Abs. 2 Satz 4 PKGG a. F.). Ausdrückliche Bestimmungen zu einem Proporz oder einem Vorschlagsrecht enthielt die Vorschrift nicht. Die Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hielt als damalige Antragstellerin die Regelung für verfassungswidrig, weil die Beschränkung der Mitgliederzahl auf fünf Abgeordnete und die Mehrheitswahl anstelle der in der Geschäftsordnung des Landtags vorgesehenen Ausschussbesetzung nach der Stärke der Fraktionen zum Ausschluss kleinerer Fraktionen führe; dadurch sei ihr Recht auf Teilhabe an den parlamentarischen Gremien aus Art. 13 Abs. 2, Art. 2, 4 BV verletzt (VerfGHE 55, 28/31).
49
Der Verfassungsgerichtshof hat die Rügen als nicht durchgreifend erachtet und entschieden, dass die Regelungen in Art. 1 Abs. 2 PKGG a. F. zu Zahl und Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums nicht gegen Normen der Bayerischen Verfassung verstoßen (VerfGHE 55, 28/35).
50
Zur Begründung hat er zunächst hervorgehoben, dass das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition und das Gebot, parlamentarische Minderheiten zu schützen, im demokratischen Prinzip (Art. 2 und 4 BV) wurzeln. Die grundlegenden Rechte der Abgeordneten zur Vertretung des Volkes seien in Art. 13 Abs. 2 Satz 1 BV verankert. Die Abgeordneten bedürften grundsätzlich einer umfassenden Information, um ihren Aufgaben genügen zu können. Die Fraktionen seien notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens. Als Zusammenschluss von Abgeordneten leiteten sie ihre Rechtsstellung ebenfalls aus Art. 13 Abs. 2 Satz 1 BV ab. Danach hätten alle Fraktionen ein grundsätzlich gleiches Recht auf Zugang zur Beratung in den Ausschüssen. Der durch das Verfassungsreformgesetz vom 20. Februar 1998 in die Verfassung eingefügte Art. 16 a BV habe die Rechte der Opposition und der Fraktionen festgeschrieben, aber nicht verändert oder erweitert. Das Gebot, parlamentarische Minderheiten zu schützen, sowie das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition seien Teil des demokratischen Prinzips, erführen durch dieses Prinzip aber auch ihre Grenzen. Der Schutz der parlamentarischen Minderheit gehe nicht dahin, die Minderheit vor Sachentscheidungen der Mehrheit zu bewahren (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 23 Abs. 1 BV), wohl aber dahin, der Minderheit zu ermöglichen, ihren Standpunkt in den Willensbildungsprozess des Parlaments einzubringen. Da ein wesentlicher Teil der Willensbildung des Parlaments in den Ausschüssen vorbereitet werde, müsse eine Fraktion grundsätzlich in der Lage sein, Zugang zu den in den Ausschüssen oder ähnlichen Gremien erteilten Informationen zu erhalten und ihren Standpunkt im Ausschuss zu vertreten. Bei der Bestimmung des Umfangs der Rechte der Minderheit seien – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 70, 324/363 ff.) – andere Rechtsgüter von Verfassungsrang zu berücksichtigen. In sachlich begründeten Ausnahmefällen sei es verfassungsrechtlich unbedenklich, für Ausschüsse oder ähnliche Gremien eine Mitgliederzahl vorzusehen, die bei Anwendung der üblichen Regeln für die Sitzverteilung eine Berücksichtigung aller parlamentarischen Gruppierungen nicht zulasse. Eine Begrenzung der Mitgliederzahl könne vor allem durch Belange des Geheimschutzes oder im Interesse der Arbeitsfähigkeit oder sonstiger Gründe von vergleichbar hohem Rang geboten sein. Auch an diesen Grundsätzen habe Art. 16 a BV nichts geändert; ein Änderungsantrag auf Einfügung des Satzes „Fraktionen haben das Recht, in allen Ausschüssen und Kommissionen vertreten zu sein“, in die Verfassung sei nicht angenommen worden (VerfGHE 55, 28/35 f. unter 3. a)).
51
Davon ausgehend hat der Verfassungsgerichtshof einerseits die Beschränkung der Mitgliederzahl des Parlamentarischen Kontrollgremiums auf fünf Personen gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 PKGG a. F. als durch Belange des Geheimschutzes gerechtfertigt angesehen (VerfGHE 55, 28/36 ff. unter 3. b)). Zum anderen hat er entschieden, dass Art. 1 Abs. 2 Sätze 2 und 4 PKGG a. F., wonach die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums vom Landtag aus seiner Mitte gewählt werden und gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Landtags auf sich vereint, verfassungsgemäß seien. Es treffe zu, dass durch diese Regelung die Rechte der Opposition nicht ausdrücklich abgesichert seien. Die Regelung weiche auch von den in der Geschäftsordnung des Landtags für die Bildung von Ausschüssen geltenden Bestimmungen ab. Das in der Vorschrift vorgesehene Wahlverfahren solle jedoch gewährleisten, dass nur Abgeordnete gewählt würden, die persönlich das Vertrauen der Mehrheit des Landtags in ihre fachliche Kompetenz und ihre Verschwiegenheit genössen. Diese Gründe machten die Regelung verfassungsrechtlich hinnehmbar. Allerdings würde eine Fraktion oder Koalition, die das Gremium einseitig besetzen würde, im Zweifel missbräuchlich verfahren. Mit dieser Maßgabe verstoße die getroffene Regelung nicht gegen Art. 2, 4, 13 Abs. 2 Satz 1, Art. 16 a BV. Es könne hingenommen werden, wenn nicht sämtliche Fraktionen im Gremium vertreten seien. Dies sei eine Folge der unterschiedlichen Größe der Fraktionen, des demokratischen Mehrheitsprinzips und der aus übergeordneten Gründen geringen Zahl von Mitgliedern im Gremium. Um die parlamentarische Kontrolle auch durch die Minderheit sicherzustellen, müsse aber im Parlamentarischen Kontrollgremium die Opposition angemessen vertreten sein (VerfGHE 55, 28/38 f. unter 3. c)).
52
Der Verfassungsgerichtshof hat sich nach alledem in der Entscheidung vom 21. Februar 2002 nicht nur mit der Frage eines sog. Grundmandats im Hinblick auf die Beschränkung der Mitgliederzahl befasst, sondern daneben eigenständig mit dem bereits damals bestehenden Erfordernis der Mehrheitswahl für die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums – die unabhängig von der beschränkten Größe zu einer nicht proportionalen Besetzung führen kann. Er hat auch dieses Erfordernis verfassungsrechtlich gebilligt.
53
b) Den grundlegenden Erwägungen der Entscheidung ist auch aus heutiger Sicht und unter Berücksichtigung der Argumentation der Antragstellerin beizutreten; die inzwischen erfolgten inhaltlichen Änderungen der gesetzlichen Bestimmungen zum Wahlmodus ändern die verfassungsrechtliche Bewertung nicht. Die aktuell geltende Nachfolgevorschrift in Art. 2 Abs. 1 Sätze 2 bis 6 PKGG ist nach Auffassung der erkennenden Spruchgruppe (Zusammensetzung gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VfGHG) verfassungsgemäß. Die Voraussetzungen dafür, das Verfahren gemäß Art. 3 Abs. 3 Sätze 1 und 2 VfGHG auszusetzen, um eine Vorabentscheidung über die Norm in der für die Normenkontrolle vorgeschriebenen Zusammensetzung nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VfGHG herbeizuführen, liegen somit nicht vor.
54
aa) Die zwischenzeitliche Erhöhung der Mitgliederzahl des Parlamentarischen Kontrollgremiums von fünf auf sieben Mitglieder und die Einführung eines Vorschlagsrechts für die Fraktionen nach dem Verhältnis ihrer Stärke, wobei das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers Anwendung findet, führen zu keiner abweichenden verfassungsrechtlichen Beurteilung.
55
Diese Änderungen wurden durch das Gesetz zur Änderung des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes vom 22. Dezember 2008 (GVBl S. 972) mit Wirkung vom 16. Dezember 2008 vorgenommen. Hintergrund war ausweislich der Entwurfsbegründung vom 21. November 2008, dass nach der Landtagswahl vom 28. September 2008 in der 16. Wahlperiode fünf Fraktionen im Bayerischen Landtag vertreten waren. Durch die Änderungen sollte sichergestellt werden, dass einerseits jede Fraktion auch einen Sitz in diesem Gremium erhalten, andererseits die Stärke der Fraktionen bei der Besetzung berücksichtigt werden könne (vgl. LTDrs. 16/72; vgl. auch LT-Drs. 16/4971 S. 7). Es sollte also angesichts der geänderten Zusammensetzung des Landtags eine möglichst am Spiegelbildlichkeitsgrundsatz ausgerichtete Besetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums gewährleistet werden, ohne dass von dem weiterhin bestehenden Erfordernis einer Mehrheitswahl der jeweils vorgeschlagenen Mitglieder abgerückt wurde. Die maßvolle Vergrößerung des Gremiums und das ausdrückliche, am Proporz ausgerichtete Vorschlagsrecht haben zwar grundsätzlich das Recht der Fraktionen auf Chancengleichheit und den Schutz der oppositionellen Minderheit (Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV) auf einfachrechtlicher Ebene gegenüber der zuvor bestehenden gesetzlichen Regelung gestärkt. Auch wurde mit der Einführung des Vorschlagsrechts in der Sache den in der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 21. Februar 2002 zum Ausdruck gekommenen Bedenken an einer fehlenden ausdrücklichen Absicherung der Rechte der Opposition in gewissem Umfang Rechnung getragen. Die Gesetzesänderung betraf aber allein die einfachgesetzliche Rechtslage und beschränkte sich auf deren Ergänzung um ein unter dem Vorbehalt der Wahl stehendes proportionales Vorschlagsrecht der Fraktionen; ein Entsendungs- oder Besetzungsrecht wurde hingegen nicht normiert.
56
bb) Die Besonderheiten des Parlamentarischen Kontrollgremiums als Hilfs- und Kontrollorgan des Landtags eigener Art rechtfertigen verfassungsrechtlich die Entscheidung des Gesetzgebers, sich in Art. 2 Abs. 1 PKGG auf ein unter dem Vorbehalt der Wahl stehendes, proportional gewichtetes Vorschlagsrecht der Fraktionen zu beschränken, diesen aber – anders als bei Ausschüssen – kein Besetzungsrecht einzuräumen und damit kein bestimmtes Maß der Repräsentation zu garantieren.
57
(1) Aus dem Prinzip der egalitären Repräsentation gemäß Art. 13 Abs. 2 BV (freies Mandat), dem in Art. 2 und 4 BV verankerten Demokratiegebot sowie für Oppositionsfraktionen aus Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV ist abzuleiten, dass alle Fraktionen ein grundsätzlich gleiches Recht auf Zugang zur Beratung in den Ausschüssen oder ähnlichen Gremien haben. Dem Grundsatz nach muss jeder Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und muss seine Besetzung die Zusammensetzung des Plenums in ihrer politischen Gewichtung widerspiegeln (Grundsatz der Spiegelbildlichkeit). Erledigt das Parlament seine fachliche Arbeit durch Ausschüsse, muss das politische Kräfteverhältnis der Repräsentanz des Volkes auch in den verkleinerten Gremien gewahrt werden, sofern diese wesentliche Teile der dem Parlament zustehenden Informations-, Kontroll- und Untersuchungsaufgaben wahrnehmen (vgl. VerfGH vom 26.11.2009 VerfGHE 62, 208/218 m. w. N.; BVerfG vom 28.2.2012 BVerfGE 130, 318/354; vom 22.9.2015 BVerfGE 140, 115 Rn. 93 m. w. N.; LVerfG Sachsen-Anhalt vom 13.12.2023 – LVG 30/22 – juris Rn. 64). Der Verfassungsgerichtshof hat die formale Gleichstellung aller Mitglieder des Parlaments und das Recht der Fraktionen auf formal gleiche Mitwirkung an der parlamentarischen Willensbildung sowie die Ableitung dieser Grundsätze aus Art. 13 Abs. 2 und Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV auch in aktuellen Entscheidungen betont (vgl. VerfGH vom 17. Januar 2023 BayVBl 2023, 262 Rn. 34; 2024, 191 Rn. 42). Dort kommt aber ebenso in Fortsetzung der früheren Rechtsprechung zum Ausdruck, dass die Freiheit des Abgeordnetenmandats und damit korrespondierende Fraktionsrechte nicht schrankenlos gewährleistet sind, sondern grundsätzlich durch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang begrenzt werden können (vgl. VerfGH BayVBl 2023, 262 Rn. 47; 2024, 191 Rn. 51).
58
Wie bereits in der Entscheidung vom 21. Februar 2002 zum Ausdruck gekommen, ist der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit zwar grundsätzlich auch auf die Besetzung parlamentarischer Kontrollgremien anzuwenden (vgl. auch VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – juris Rn. 94; LVerfG Sachsen-Anhalt vom 13.12.2023 – LVG 30/22 – juris Rn. 67; Klein in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 45 d Rn. 31; Hermes in Dreier, GG, Bd. II, 3. Aufl. 2015, Art. 45 d Rn. 37; Unger in v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 45 d Rn. 14; Schönberger/Schönberger, JZ 2018, 105/108). Er gilt aber nicht uneingeschränkt und ist nicht abwägungsfest; vielmehr sind bei der Bestimmung des Umfangs der Rechte der Minderheit andere Rechtsgüter von Verfassungsrang zu berücksichtigen, zu denen insbesondere die Funktionsfähigkeit des Parlaments gehört. Daher können u. a. Belange des Geheimschutzes Abweichungen vom Grundsatz der Spiegelbildlichkeit rechtfertigen (vgl. VerfGHE 55, 28/36; BVerfGE 70, 324/363 f.; VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – juris Rn. 95; LVerfG Sachsen-Anhalt vom 13.12.2023 – LVG 30/22 – juris Rn. 68; Magiera in Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 45 d Rn. 4).
59
Da die Bayerische Verfassung keine Bestimmungen über die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes enthält, fällt es in die Organisationshoheit des Landtags, über die Errichtung und Ausgestaltung des Parlamentarischen Kontrollgremiums zu entscheiden. Die gesetzlichen Vorschriften im Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetz sind solche zur Organisation, zum Geschäftsgang und zur Arbeitsweise des Gremiums, sie stellen damit materielles Geschäftsordnungsrecht dar. Bei der Regelung der Geschäftsordnung hat der Landtag einen weiten Gestaltungsspielraum. Seine Entscheidung ist durch den Verfassungsgerichtshof nur eingeschränkt dahingehend überprüfbar, ob sie sich als evident sachwidrig darstellt. Es wäre mit der Bedeutung der Volksvertretung als dem allein unmittelbar demokratisch legitimierten Verfassungsorgan nicht vereinbar, wenn andere Organe die innere Organisation des Parlaments bestimmen könnten (vgl. BVerfG vom 22.3.2022 BVerfGE 160, 368 Rn. 60 f.; VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 - Rn. 96, 103; LVerfG Sachsen-Anhalt vom 13.12.2023 – LVG 30/22 – juris Rn. 83).
60
Sofern sich das Parlament im Rahmen seiner Organisationshoheit dafür entscheidet, von ihm wahrzunehmende Aufgaben durch gesetzliche Bestimmungen auf ein Gremium wie das Parlamentarische Kontrollgremium zu übertragen, sind die kollidierenden Verfassungsrechtspositionen durch den Gesetzgeber in einen schonenden Ausgleich miteinander zu bringen (vgl. VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – Rn. 95 m. w. N.). Im Rahmen seiner Organisationshoheit gestaltet das Parlament aus, wie die Abgeordneten ihre verfassungsrechtlichen Statusrechte wahrnehmen können. Sofern es um die Besetzung parlamentarischer Gremien geht, kommt der Art und Funktion des Gremiums bei der Ausgestaltung und Besetzung erhebliche Bedeutung zu. Welche Einschränkungen des Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes für die Besetzung eines parlamentarischen Kontrollgremiums verfassungsrechtlich zulässig sein können, ist deshalb unter Berücksichtigung der Funktionsweise und der organisationsrechtlichen Struktur des Gremiums zu ermitteln (vgl. VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – Rn. 97; LVerfG Sachsen-Anhalt vom 13.12.2023 – LVG 30/22 – juris Rn. 69 f.; vgl. auch VerfGH Berlin vom 16.5.2023 NVwZ 2023, 1325 Rn. 18).
61
(2) Dem Parlamentarischen Kontrollgremium obliegt gemäß Art. 1 Abs. 1 PKGG insbesondere die Kontrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz; dies umfasst auch die Kontrolle gemäß Art. 20 des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG) sowie gemäß Art. 3 des Ausführungsgesetzes Art. 10-Gesetz (AGG 10). Im Rahmen dieser Kontrolle erstellt das Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration für das Kontrollgremium unter anderem einen jährlichen Lagebericht über den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Wohnraumüberwachung, den verdeckten Zugriff auf informationstechnische Systeme, über längerfristige Observationen sowie den Einsatz von Verdeckten Mitarbeitern und Vertrauensleuten (Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayVSG). Das Staatsministerium unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz und über Vorgänge von besonderer Bedeutung; auf Verlangen des Gremiums hat die Staatsregierung auch über sonstige Vorgänge zu berichten (Art. 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 PKGG). Das Kontrollgremium kann von der Staatsregierung verlangen, Einsicht in Akten, Schriftstücke und Dateien des Landesamts für Verfassungsschutz oder Zutritt zu dessen Dienststellen zu erhalten, sowie u. a. Angehörige des Landesamts für Verfassungsschutz befragen (Art. 5 Abs. 1 und 2 PKGG). Die Unterrichtung und Auskunftserteilung darf nur in eng begrenzten Ausnahmefällen und mit Begründung verweigert werden (Art. 6 Abs. 2 PKGG). Die Beratungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums sind geheim und seine Mitglieder, auch nach ihrem Ausscheiden, zur Geheimhaltung verpflichtet (Art. 9 Abs. 1 PKGG).
62
Anders als Fachausschüsse des Landtags (vgl. § 24 Abs. 1, § 51 Abs. 3, § 55 BayLTGeschO) bereitet das Parlamentarische Kontrollgremium keine Verhandlungen oder Entscheidungen des Plenums in Angelegenheiten, die ihm überwiesen werden, vor. Vielmehr obliegt ihm kraft Gesetzes die Kontrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Verfassungsschutzbehörden; es erstattet der Vollversammlung jährlich Bericht, insbesondere über die Durchführung sowie Art, Umfang und Anordnungsgründe der Auskunftsersuchen und Maßnahmen nach den Art. 9, 10, 12, 15, 16 Abs. 1 und Art. 19 a BayVSG (Art. 20 Abs. 1 Satz 2 BayVSG), und legt dem Landtag jeweils zur Mitte und zum Ende der Wahlperiode einen Tätigkeitsbericht vor (Art. 10 Satz 1 PKGG).
63
Die meisten seiner Aufgaben sind nicht solche, die ohne die Regelungen des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes gerade in dieser Form dem Plenum zustünden. Die Rechte des Landtags und seiner Ausschüsse sowie der Kommission nach dem Ausführungsgesetz Art. 10-Gesetz bleiben vielmehr unberührt (Art. 1 Abs. 3 PKGG). Das Parlamentarische Kontrollgremium ist ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle, welches das verfassungsrechtlich verbürgte parlamentarische Frage- und Informationsrecht der Abgeordneten nicht verdrängt. Es unterliegt jedoch im Hinblick auf die Tätigkeit des bayerischen Verfassungsschutzes erheblichen Einschränkungen (vgl. dazu ausführlich VerfGHE 67, 13):
64
Zwar besteht grundsätzlich auch hier eine Antwortpflicht der Staatsregierung. Der Beantwortung bestimmter Fragen können jedoch berechtigte öffentliche Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen, weil im Rahmen der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz viele sensible Daten und Informationen gesammelt werden, die der Geheimhaltung unterliegen können und sich von sonstigen vertraulichen Vorgängen innerhalb der Verwaltung unterscheiden. Die Informationen werden vielfach durch geheime Methoden gewonnen, wie den Einsatz von V-Leuten, das Beobachten verdächtiger Personen (Observationen) sowie verdeckte Bild- und Tonaufzeichnungen. Diese Informationen können ihren Nutzen für den Staat und die Allgemeinheit verlieren, wenn sie in der Öffentlichkeit bekannt werden. Zudem kann durch ihre Offenbarung die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes beeinträchtigt werden, auch weil eine künftige Informationsgewinnung erschwert wird. Die Geheimhaltung ist oftmals Voraussetzung für die Zusammenarbeit mit den Verfassungsschutzbehörden anderer Bundesländer und für die Gewinnung neuer Informationsquellen. Schließlich können durch die Offenbarung von Informationen des Verfassungsschutzes Mitarbeiter oder Dritte gegebenenfalls erheblich in Gefahr geraten (vgl. VerfGHE 67, 13 Rn. 77 ff.).
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Grenzen des Fragerechts der Abgeordneten können sich ferner ergeben, wenn die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage Grundrechte Dritter berührt. Bezogen auf die Tätigkeit des Verfassungsschutzes kommen hier insbesondere Gefahren für das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Betracht, beispielsweise dann, wenn durch die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage die Identität einer V-Person preisgegeben oder aber Rückschlüsse hierauf ermöglicht würden und als Folge Reaktionen der beobachteten Person oder Organisation zu befürchten wären (vgl. VerfGHE 67, 13 Rn. 81 ff.). Je mehr eine parlamentarische Anfrage einen Einzelfall, einzelne Personen oder Aktionen betrifft, desto eher können sich Grenzen eines Auskunftsverlangens ergeben und kann die Staatsregierung berechtigt auf die Berichtspflicht gegenüber dem Parlamentarischen Kontrollgremium verweisen. Eine Antwort auf parlamentarische Fragen kann unter Berufung auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit insbesondere dann verweigert werden, wenn die verlangten Auskünfte bestimmte Personen und deren Identität betreffen oder das Risiko besteht, dass Rückschlüsse nicht nur auf die operative Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz, sondern auch auf konkrete Personen gezogen werden könnten, sodass beispielsweise eine mögliche Enttarnung eingesetzter V-Leute im Raum steht (vgl. VerfGHE 67, 13 Rn. 84, 100 f.).
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Das Parlamentarische Kontrollgremium als besonderes, zur Geheimhaltung verpflichtetes Gremium soll im Hinblick auf die eingeschränkte Kontrollmöglichkeit der Tätigkeit des Verfassungsschutzes unmittelbar durch die Abgeordneten eine effektive Kontrolle der Staatsregierung auch in diesem Bereich gewährleisten. Seine Tätigkeit hat den Zweck, dem Landtag kontinuierlich und umfassend Informationen über den bayerischen Verfassungsschutz zu verschaffen. Die parlamentarische Kontrolle durch ein ständiges Gremium soll eine Lücke schließen, da weder Öffentlichkeit noch Landtag von geheimen Vorgängen entsprechende Kenntnis erlangen können (vgl. VerfGHE 67, 13 Rn. 74). Das Parlamentarische Kontrollgremium übernimmt damit eine Aufgabe, die in der repräsentativen Demokratie primär den demokratisch legitimierten Abgeordneten in ihrer Gesamtheit zusteht, von diesen aber aufgrund der zu beachtenden Geheimhaltungsanforderungen nicht effektiv wahrgenommen werden kann; der Sache nach nimmt es mitgliedschaftliche Rechte der Abgeordneten wahr (vgl. VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – juris Rn. 94; LVerfG Sachsen-Anhalt vom 13.12.2023 – LVG 30/22 – juris Rn. 67).
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Die Geheimhaltungsanforderungen führen allerdings dazu, dass auch die von oppositionellen Fraktionen vorgeschlagenen Mitglieder des Gremiums die dort erlangten Informationen nicht für eine öffentliche bzw. öffentlichkeitswirksame politische Kontrolle der Staatsregierung nutzbar machen können; die Möglichkeit der öffentlich wahrnehmbaren Präsentation politischer Positionen und Inhalte bietet das Parlamentarische Kontrollgremium gerade nicht, weil es seine Tätigkeit vertraulich und geheim außerhalb der parlamentarischen Öffentlichkeit ausübt (vgl. VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – juris Rn. 119; LVerfG Sachsen-Anhalt vom 13.12.2023 – LVG 30/22 – juris Rn. 92). Weitere Besonderheiten des Gremiums gegenüber Ausschüssen des Landtags bestehen darin, dass seine Mitglieder keiner Kontrolle der übrigen Abgeordneten unterliegen und mangels einer entsprechenden Regelung im Gesetz während der laufenden Wahlperiode weder abgewählt noch von den Fraktionsführungen abberufen werden können. Sie können gemäß Art. 2 Abs. 2 PKGG nur dann durch ein anderes Mitglied ersetzt werden, wenn sie ihr Mandat verlieren, aus der Fraktion ausscheiden oder Mitglied der Staatsregierung werden, sowie wenn sie selbst aus dem Gremium ausscheiden (vgl. auch VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – juris Rn. 120). Auch unterliegt das Gremium nicht der Diskontinuität (Art. 3 Abs. 3 PKGG).
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(3) Art und Funktion des Parlamentarischen Kontrollgremiums und die sich daraus ergebenden Unterschiede zu Fachausschüssen, insbesondere die Geheimschutzerfordernisse, sowie das freie Mandat der Abgeordneten (Art. 13 Abs. 2 BV) und das demokratische Mehrheitsprinzip (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 23 BV) rechtfertigen verfassungsrechtlich die Entscheidung des Gesetzgebers, die Entsendung der Mitglieder in das Gremium von einer freien Mehrheitswahl durch das Plenum abhängig zu machen und den Fraktionen in Art. 2 Abs. 1 Sätze 2 bis 6 PKGG lediglich ein proportionales Vorschlagsrecht, aber kein Besetzungsrecht einzuräumen. Mit der im Wahlerfordernis liegenden Beschränkung der Chancengleichheit von Oppositionsfraktionen wie der Antragstellerin hat der Gesetzgeber die Grenzen der ihm zustehenden Gestaltungsbefugnis nicht überschritten.
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Das Wahlerfordernis dient in erster Linie der Sicherung des Vertrauens- und Geheimschutzes bei der Kontrolle des Verfassungsschutzes durch den Landtag und damit sowohl der Gewährleistung einer effektiven nachrichtendienstlichen Tätigkeit als auch der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments als Kontrollinstanz. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers bei der Reform des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes im Jahr 2010, durch welche die Informations- und Handlungsmöglichkeiten des Gremiums ohne Relativierung des Geheimschutzes verbessert werden sollten, stehen im Zentrum der Kontrolltätigkeit über die Verfassungsschutzbehörden die Abgeordneten des Gremiums, die das Vertrauen des gesamten Plenums genießen. Die Öffentlichkeit bleibe von der Kontrolltätigkeit weitgehend ausgeschlossen, sodass die Staatsregierung gegenüber dem Gremium keine Informationen aus dem Gesichtspunkt der Vertraulichkeit zurückhalten dürfe (LT-Drs. 16/4971 S. 2). Wie dargelegt, setzt die Funktions- und Arbeitsfähigkeit eines Nachrichtendienstes notwendig voraus, dass sich dessen Tätigkeit zwar nicht vollständig, aber doch sehr weitgehend der Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit entzieht und geheim bleibt. Die nachrichtendienstliche Tätigkeit ist grundsätzlich nur dann in der erforderlichen Effektivität möglich, wenn sicherheitsrelevante Informationen verdeckt erhoben und ausgewertet werden können. Die Gewährleistung der erforderlichen besonderen Geheimhaltung und des Vertraulichkeitsschutzes im Tätigkeitsbereich der parlamentarischen Kontrollgremien sichert sowohl den Schutz von Leib und Leben nachrichtendienstlich tätiger Personen als auch die erforderliche Effektivität nachrichtendienstlicher Tätigkeit überhaupt (vgl. LVerfG Sachsen-Anhalt vom 13.12.2023 – LVG 30/22 – juris Rn. 74 ff.).
70
Daher muss im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes und der Einrichtung von parlamentarischen Kontrollgremien sichergestellt werden, dass die Exekutive von der vertraulichen Behandlung der von ihr mitgeteilten Informationen ausgehen und sich hierauf verlassen kann; nur dann kann eine möglichst weitgehende und umfassende Unterrichtung des Gremiums durch die Exekutive erwartet und gerechtfertigt werden (vgl. VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – juris Rn. 116). Die Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums kann nur effektiv erfolgen, wenn dessen Mitgliedern auch konkrete Angaben und Daten zu nachrichtendienstlichen Tätigkeiten übermittelt werden. Die Sicherstellung der erforderlichen Geheimhaltung im Parlamentarischen Kontrollgremium stellt somit die notwendige Voraussetzung für dessen möglichst umfassende Unterrichtung und entsprechend für dessen effektive Arbeit dar (vgl. LVerfG Sachsen-Anhalt vom 13.12.2023 – LVG 30/22 – juris Rn. 77). Die Wahrung des erforderlichen Maßes an Geheimhaltung ist auch deshalb geboten, weil andernfalls die Gefahr bestünde, dass sich die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der übrigen Länder einer Zusammenarbeit untereinander verweigern könnten (vgl. VerfG Brandenburg vom 19.2.2016 NVwZ 2016, 931/933; LVerfG Sachsen-Anhalt vom 13.12.2023 – LVG 30/22 – juris Rn. 78).
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Die generalisierende Annahme des Gesetzgebers, dass das Erfordernis einer Mehrheitswahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums das Vertrauen des gesamten Landtags in die Kompetenz und Verschwiegenheit der Gewählten zum Ausdruck bringt und damit – neben einer geringen Mitgliederzahl – die Voraussetzung dafür bietet, dass die Exekutive auf die vertrauliche Behandlung der von ihr mitgeteilten Informationen bauen kann und keine Informationen zurückhält, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies wäre nicht in vergleichbarer Weise gewährleistet, wenn die Mitglieder des Gremiums nur das Vertrauen ihrer jeweiligen Fraktion genössen. Die Wahl stellt die Grundform der parlamentarischen Personalentscheidung dar, entspricht dem freien Mandat der Abgeordneten und schafft im Gegensatz zu einer determinierten Auswahlentscheidung grundsätzlich einen legitimatorischen Mehrwert für eine Personalentscheidung (vgl. VerfGH BW vom 5.2.2024 – 1 GR 21/22 – juris Rn. 90 unter Verweis auf BVerfGE 160, 411 Rn. 32 und BVerfG vom 20.9.2016 BVerfGE 143, 22 Rn. 28). Zudem besitzt die Wahl der Mitglieder des Gremiums ausgleichenden Charakter. Sie sichert der Mehrheit der Abgeordneten, die selbst nicht Mitglieder sind und damit im geheimhaltungsbedürftigen Bereich des Verfassungsschutzes unter Einschränkung ihrer Rechte aus dem freien Mandat von der Wahrnehmung eigener Kontrollrechte ausgeschlossen sind, zumindest das Recht zu entscheiden, wer die Kontrolle an ihrer statt ausüben soll. Diese Möglichkeit der mittelbaren Beteiligung ist von besonderer Bedeutung bei fraktionslosen Abgeordneten und solchen, deren Fraktion aufgrund der Größe des Gremiums rechnerisch kein Vorschlagsrecht zusteht (vgl. VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – juris Rn. 115).
72
Nach alledem hat der Landtag mit der gesetzlichen Regelung in Art. 2 Abs. 1 PKGG den ihm im Rahmen seiner Organisationshoheit bei materiellen Geschäftsordnungsregelungen zustehenden weiten Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Er hat vielmehr einen schonenden und angemessenen Ausgleich zwischen dem Anspruch auf formale Chancengleichheit auch oppositioneller Fraktionen einerseits und gegenläufigen verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Abgeordneten aus dem freien Mandat sowie sonstigen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern andererseits vorgenommen (vgl. auch VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – juris Rn. 116 ff., 120).
73
(4) Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Bayerische Verfassung keine gesonderte Bestimmung über die Wahl der Mitglieder des Gremiums enthält. Die Verfassung äußert sich überhaupt nicht zum Parlamentarischen Kontrollgremium. Dass die einfachgesetzliche Normierung des Wahlerfordernisses verfassungsrechtlich zulässig ist, ergibt sich wie beschrieben aus einer Abwägung verfassungsrechtlich geschützter Rechtspositionen der Abgeordneten und Fraktionen sowie sonstiger Rechtsgüter von Verfassungsrang.
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(5) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Regelung ergeben sich auch nicht daraus, dass die Normierung eines proportionalen Vorschlagsrechts unter dem Vorbehalt einer Mehrheitswahl grundsätzlich dazu führen kann (und in der 18. Wahlperiode dazu geführt hat), dass bei Nichtannahme des Wahlvorschlags einer Fraktion das Parlamentarische Kontrollgremium vorübergehend oder während nahezu der gesamten Wahlperiode mit weniger als sieben Mitgliedern besetzt ist. Zwar ist dies die gesetzlich vorgesehene Mitgliederzahl, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 PKGG. Aber der Regelung des Art. 2 Abs. 1 PKGG ist insoweit ein Spannungsverhältnis immanent und es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Gremium bei Unterbesetzung zwangsläufig die ihm übertragenen Aufgaben nicht mehr ordnungsgemäß wahrnehmen könnte. Weder ist eine Mindestzahl von sieben Mitgliedern für ein solches Gremium verfassungsrechtlich zwingend, noch bestehen Bedenken gegen die Beschlussfähigkeit bei einer Besetzung mit nur sechs Mitgliedern; auch ist das Parlamentarische Kontrollgremium nicht im Anwendungsbereich der Garantie des gesetzlichen Richters tätig, in dem unter Umständen bei unvollständiger Mitgliederzahl die ordnungsgemäße Besetzung von Spruchkörpern in Frage stehen könnte. Eine etwaige Unterbesetzung führt auch nicht zwangsläufig oder regelhaft dazu, dass die Opposition nicht mehr in angemessenem Umfang vertreten oder in ihren Mitwirkungsmöglichkeiten unzumutbar beschränkt wäre. So war die parlamentarische Minderheit im Parlamentarischen Kontrollgremium der 18. Wahlperiode trotz der Nichtwahl von Kandidaten der Antragstellerin mit immerhin noch zwei von sechs Mitgliedern, die zwei verschiedenen Oppositionsfraktionen angehörten, anstatt mit regulär drei von sieben Mitgliedern vertreten (vgl. auch VerfG Brandenburg vom 6.9.2023 – 78/21 – juris Rn. 132 f.; LVerfG Sachsen-Anhalt vom 13.12.2023 – LVG 30/22 – juris Rn. 87 ff.).
75
Aus Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV ergeben sich insoweit entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine über die Chancengleichheit hinausgehenden Rechte einzelner Oppositionsfraktionen. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 21. Februar 2002 festgehalten hat, hat der durch das Verfassungsreformgesetz vom 20. Februar 1998 in die Verfassung eingefügte Art. 16 a BV die Rechte der Opposition und der Fraktionen festgeschrieben, aber nicht verändert oder erweitert (vgl. auch VerfGH vom 21.11.2016 VerfGHE 69, 290 Rn. 115). Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Danach enthält zwar auch das Grundgesetz – ohne eine Art. 16 a BV entsprechende Vorschrift – den allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition, begründet jedoch keine spezifischen Oppositionsfraktionsrechte. Einer Einführung solcher Rechte steht vielmehr Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG entgegen (vgl. BVerfG vom 3.5.2016 BVerfGE 142, 25 Rn. 91 ff., 95 ff.; 160, 411 Rn. 42; vgl. auch VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – juris Rn. 83).
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2. Die Handhabung von Art. 2 Abs. 1 PKGG durch den Antragsgegner in der 18. Wahlperiode verletzt die Antragstellerin ebenfalls nicht in ihren verfassungsmäßigen Rechten. Dies gilt auch, soweit die fehlende Durchführung eines Moderationsverfahrens gerügt wird. Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner das Vorschlagsrecht der Antragstellerin missachtet oder die Wahlen nicht ordnungsgemäß – insbesondere rechtsmissbräuchlich – durchgeführt hätte.
77
a) Wie dargelegt, wird das Mitwirkungs- und Teilhaberecht der Antragstellerin als Oppositionsfraktion aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV durch die in Art. 2 Abs. 1 Sätze 2 und 6 PKGG vorgesehene Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise begrenzt. Es geht deshalb über das in Art. 2 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 PKGG geregelte Vorschlagsrecht für die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder entsprechend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen nicht hinaus. Gelingt die Wahl nicht, bleibt die betreffende Stelle im Gremium unbesetzt, solange nicht ein von der betroffenen Fraktion einzubringender neuer Vorschlag die erforderliche Mehrheit erreicht. Da die Gefahr, dass ein von der Antragstellerin vorgeschlagener Kandidat nicht gewählt wird, der gesetzlichen Regelung immanent ist, kann eine Rechtsverletzung durch den Wahlakt selbst grundsätzlich nur mehr darin liegen, dass das Vorschlagsrecht verletzt wird oder Fehler bei der Durchführung der Wahl vorliegen (vgl. für die Besetzung der Vizepräsidenten des Bundestags BVerfGE 160, 411 Rn. 37; VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – juris Rn. 124).
78
b) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt damit eine allgemeine verfassungsgerichtliche Überprüfung einzelner Wahlergebnisse – oder auch mehrerer in ihrer Gesamtheit – darauf hin, ob die Ablehnung des oder der Vorgeschlagenen durch hinreichende sachliche Gründe getragen wurde, nicht in Betracht. Das Ergebnis einer nach Art. 2 Abs. 1 PKGG durchgeführten Wahl ist vielmehr regelmäßig als Folge der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Entscheidung des Gesetzgebers für eine Wahl und als Ausdruck des freien Mandats der Abgeordneten hinzunehmen. Gemäß Art. 13 Abs. 2 BV sind die Abgeordneten bei ihrer Mandatsausübung nur ihrem Gewissen verantwortlich und an Aufträge nicht gebunden. Das freie Mandat umfasst nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs u. a. die freie Ausübung des Stimmrechts (vgl. bereits VerfGH vom 30.4.1976 VerfGHE 29, 62/89; vom 23.7.1984 VerfGHE 37, 119/122 m. w. N.; Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 13 Rn. 15; Huber in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 13 Rn. 14) und damit auch das Recht, sich an Wahlen frei zu beteiligen (vgl. zu Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG BVerfGE 160, 411 Rn. 32 m. w. N.; zur Verfassung des Landes Brandenburg VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – juris Rn. 125).
79
Mit der durch das freie Mandat gewährleisteten Wahlfreiheit wäre es unvereinbar, wenn eine Fraktion das Recht auf ein bestimmtes Wahlergebnis hätte, wenn einzelne Abgeordnete oder der Landtag insgesamt verpflichtet wären, die Stimmabgabe zu begründen, oder auch, wenn die Entscheidung der Mehrheit grundsätzlich darauf hin überprüfbar wäre, ob ein Kandidat aus sachwidrigen Gründen abgelehnt wurde. Der Ansicht der Antragstellerin, dass eine Mehrheitswahl von Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums allenfalls eine formale Bedeutung im Sinn einer regelhaften Bestätigung des Fraktionsvorschlags haben könne, kann von Verfassungs wegen nicht gefolgt werden. Die Maßstäbe, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 22. März 2022 (BVerfGE 160, 411) im Zusammenhang mit der Wahl der Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten des Bundestags aufgestellt hat, sind vielmehr im Grundsatz auf die hier streitige Wahl von Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums übertragbar. Ob es sich um eine von der Verfassung ausdrücklich vorgegebene Wahl handelt oder der Gesetzgeber in beanstandungsfreier Abwägung von Rechtspositionen und Rechtsgütern der Verfassung auf einfachrechtlicher Ebene eine Wahl vorgesehen hat, rechtfertigt keine unterschiedliche Bewertung.
80
Auch überzeugt den Verfassungsgerichtshof übereinstimmend mit dem Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 160, 411 Rn. 33) die Auffassung des Verfassungsgerichtshofs des Freistaates Sachsen in dessen Urteil vom 26. Januar 1996 (DÖV 1996, 783) nicht, wonach sich aus dem Grundsatz der Chancengleichheit eine Verpflichtung des Parlaments ergeben könne, die Gründe für die Ablehnung eines den Fraktionen zugewiesenen Wahlvorschlags darzulegen (vgl. auch VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – juris Rn. 128). Denn durch das im Gesetz geregelte Wahlerfordernis soll sichergestellt werden, dass die Gewählten das persönliche Vertrauen der Mehrheit des Plenums genießen. Dass in Bezug auf das Parlamentarische Kontrollgremium dieses persönliche Vertrauen auf deren „fachliche Kompetenz und Verschwiegenheit“ abzielen soll, wie es der Verfassungsgerichtshof in der Entscheidung vom 21. Februar 2002 ausgedrückt hat (VerfGHE 55, 28/38), bedeutet nicht, dass durch die Wahl die tatsächliche Eignung der Kandidaten oder deren objektive Vertrauenswürdigkeit festgestellt würden. Persönliches Vertrauen lässt sich nicht an gerichtlich überprüfbaren Maßstäben messen; an ihm kann es gerade auch dann fehlen, wenn objektiv nichts gegen den vorgeschlagenen Kandidaten sprechen mag (so auch VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – juris Rn. 127 entgegen ThürVerfGH vom 14.10.2020 ThürVBl 2021, 121 Rn. 43; für einen engeren Prüfungsmaßstab im Rahmen des Art. 45 d GG Teile der Literatur, vgl. z. B. Mehde in BeckOK GG, Art. 45 d Rn. 14.4; Hermes in Dreier, GG, Bd. 2, Art. 45 d Rn. 38; Unger in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 45 d Rn. 14; Uerpmann-Wittzack/Edenharter in v. Münch/Kunig, GG, Art. 45 d Rn. 5).
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c) Der Verfassungsgerichtshof teilt auch die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 22. März 2022, dass es mit einer freien Wahl unvereinbar wäre, wenn eine Fraktion das Recht auf ein bestimmtes Wahlergebnis hätte, und dass die Wahl ihres Sinns entleert wäre, wenn eine Fraktion mittels „prozeduraler Vorkehrungen“ oder durch ein Besetzungsrecht ihr Vorschlagsrecht für eine zur Wahl stehende Stelle durchsetzen könnte (BVerfGE 160, 411 Rn. 35; vgl. auch OVG Hamburg NVwZ 2024, 259 Rn. 22 und 51 zur dortigen Härtefallkommission). Auch insoweit hat das Bundesverfassungsgericht die anderweitige Auffassung des Verfassungsgerichtshofs des Freistaates Sachsen in dessen Urteil vom 26. Januar 1996, dem der Thüringer Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 14. Oktober 2020 (ThürVBl 2021, 121 Rn. 38 f.) gefolgt ist, abgelehnt. Die Antragstellerin kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass – entsprechend den genannten Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte Sachsens und Thüringens – der Antragsgegner dann, wenn sich Schwierigkeiten bei der Besetzung eines Gremiums durch eine Mehrheitswahl zeigten, durch ein formelles oder informelles Moderationsverfahren auf eine Präsentation geeigneter und mehrheitsfähiger Abgeordneter hinwirken und sicherstellen müsste, dass das Recht auf Chancengleichheit der Fraktionen nicht ohne zwingende Gründe beeinträchtigt wird. Der behauptete Anspruch auf ein „ordnungsgemäßes Moderationsverfahren“ lässt sich angesichts der verfassungsmäßigen Anordnung einer Wahl durch den Gesetzgeber weder aus dem Grundsatz der Chancengleichheit der Fraktionen und dem Schutz der oppositionellen Minderheit noch aus dem Grundsatz der Organtreue ableiten.
82
d) Diese grundsätzlichen Maßstäbe ändern allerdings nichts daran, dass – wie schon bei der Vorgängerregelung des Art. 2 Abs. 1 PKGG a. F. – eine einseitige Besetzung des Gremiums im Zweifel als missbräuchlich anzusehen wäre, und es zwar hingenommen werden kann, wenn nicht sämtliche Fraktionen im Gremium vertreten sind, aber die parlamentarische Kontrolle auch durch die Minderheit sichergestellt sein und daher im Gremium die Opposition angemessen vertreten sein muss (VerfGHE 55, 28/38 f.; vgl. auch VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – juris Rn. 131; Mehde in BeckOK GG, Art. 45 d Rn. 14.3). Solche sich aus der Verfassung ergebende Grenzen des gesetzlich eingeräumten Wahlrechts hat das Parlament bei der Handhabung der Vorschrift zu beachten; ein etwaiger Missbrauch kann eine im Organstreitverfahren feststellbare Verletzung verfassungsmäßiger Rechte begründen (vgl. Klein in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 45 d Rn. 32).
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e) Vor diesem Hintergrund kann eine Verletzung verfassungsmäßiger Rechte der Antragstellerin durch die Anwendung des Art. 2 Abs. 1 PKGG in der 18. Wahlperiode nicht festgestellt werden.
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aa) Dass der Antragsgegner Kandidatenvorschläge der Antragstellerin nicht zur Abstimmung gestellt oder die einzelnen Wahlakte nicht ordnungsgemäß im Sinn einer freien Wahl durchgeführt hätte, behauptet die Antragstellerin nicht. Allein der bloße, auch wiederholte Misserfolg ihrer Kandidaten mit der Folge, dass sie trotz Vorschlagsrechts während der gesamten Wahlperiode mit keinem Abgeordneten im Parlamentarischen Kontrollgremium vertreten war, reicht für die Annahme einer missbräuchlichen Ausübung des Wahlrechts nicht aus.
85
bb) Eine missbräuchliche Verfahrensweise ergibt sich auch nicht daraus, dass die Nichtwahl der von der Antragstellerin in der 18. Wahlperiode jeweils vorgeschlagenen Kandidaten zu einer Besetzung des für diese Wahlperiode gewählten Parlamentarischen Kontrollgremiums mit nur sechs anstatt sieben Mitgliedern geführt hat. Denn zum einen war das Gremium dadurch nicht an der ordnungsgemäßen Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben gehindert (vgl. bereits oben unter 1. b) bb) (5)). Zum anderen war die oppositionelle Minderheit trotz Freilassens des auf das Vorschlagsrecht der Antragstellerin entfallenden Sitzes bei dann sechs Mitgliedern mit immerhin noch zwei Mitgliedern aus zwei verschiedenen Oppositionsfraktionen im Gremium vertreten. Das reicht für eine „angemessene“ Mitwirkung aus. Denn die Wahlergebnisse führten weder zu einem strukturellen Fernhalten der Opposition aus dem Gremium, noch änderte die Vakanz eines Sitzes die dortigen Mehrheitsverhältnisse in einer Weise, welche die Opposition unangemessen benachteiligt hätte. Insbesondere entscheidet das Parlamentarische Kontrollgremium im Regelfall mit einfacher Mehrheit, zu deren Erreichen bei sechs ebenso wie bei sieben Mitgliedern vier Stimmen erforderlich sind (§ 37 Satz 2 i. V. m. § 169 Abs. 6 BayLTGeschO). Wie bereits dargelegt, kann die Antragstellerin aus Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV grundsätzlich keine über die Chancengleichheit hinausgehenden spezifischen Oppositionsfraktionsrechte ableiten.
86
cc) Inwieweit dennoch eine weitergehende Missbrauchskontrolle mit Blick auf die Rechte einzelner Fraktionen in Betracht kommt, muss nicht abschließend entschieden werden. Da der Gesetzgeber die Rechte der Fraktionen im Zusammenhang mit der Besetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums bewusst und verfassungsrechtlich zulässig auf ein unter dem Vorbehalt der Wahl stehendes Vorschlagsrecht begrenzt hat, ist diese gesetzgeberische Entscheidung zu respektieren und müssten für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs jedenfalls über die negativen Wahlergebnisse hinaus weitere tatsächliche Umstände vorliegen, die auf ein bewusst willkürliches bzw. diskriminierendes Verhalten der Mehrheit des Landtags gegenüber der Antragstellerin schließen ließen (vgl. VerfG Bbg vom 6.9.2023 – 78/21 – juris Rn. 134). Solche Umstände hat die Antragstellerin weder hinreichend dargelegt noch sind sie sonst ersichtlich.
87
Die Behauptung der Antragstellerin, der Antragsgegner enthalte ihr willkürlich und allein aus politischer Ablehnung ihrer Partei einen Sitz im Parlamentarischen Kontrollgremium vor, hat keine ausreichende sachlich nachvollziehbare Grundlage.
88
Ausweislich der Plenarprotokolle der Sitzungen des Bayerischen Landtags vom 23. November, 8. Dezember 2021 und 2. Februar 2022 (Anlagen A 4 bis A 6 der Antragstellerin) fanden dort jeweils nach Vorstellung ihrer Kandidaten auf Antrag der Antragstellerin Aussprachen über die Wahlvorschläge statt, bei denen sich einzelne Abgeordneter anderer Fraktionen – sowohl solcher aus der Regierungskoalition als auch aus der Opposition – auch zu ihrer persönlich beabsichtigten Wahlentscheidung und deren Gründen äußerten. Aus solchen Äußerungen kann allerdings nur bedingt ein Rückschluss auf die Gründe auch der übrigen Abgeordneten gezogen werden, die sich auf die Teilnahme an der geheimen Wahl ohne öffentliche Stellungnahme beschränkt haben. Jedenfalls aber bieten schon die protokollierten Stellungnahmen keinen Anhalt für ein willkürliches oder diskriminierendes Vorgehen. In den Aussprachen wurden (neben dem Austausch über unterschiedliche Rechtsauffassungen zur zutreffenden Interpretation des Art. 2 PKGG) wiederholt insbesondere die besondere Stellung des Parlamentarischen Kontrollgremiums und die aus dessen Aufgaben resultierenden besonderen Anforderungen an die Vertrauenswürdigkeit der Bewerber sowie der Aspekt, dass es sich um eine persönliche Wahlentscheidung der einzelnen Abgeordneten nach bestem Wissen und Gewissen ohne Einfluss der Fraktion handle, hervorgehoben. Die Äußerungen waren auch durchaus konkret auf sich jeweils bewerbende Personen bezogen (vgl. Plenarprotokoll 18/97 vom 23.11.2021 S. 13240 ff.; 18/100 vom 8.12.2021 S. 13723 ff.; 18/103 vom 2.2.2022 S. 14000 ff.).
89
Soweit auch Bedenken im Hinblick auf eine aktuelle oder frühere Beobachtung etwa von Unterorganisationen der AfD oder Mitgliedern der Landtagsfraktion durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz erhoben wurden, können diese im Hinblick auf den unmittelbaren Sachzusammenhang mit der zu übertragenden Aufgabe nicht als sachfremd oder sogar willkürlich bewertet werden, zumal die Verfassungsschutzbehörden in ihrer Entscheidung über die Beobachtung oder Nichtbeobachtung von Parteien nicht frei sind, sondern einer engmaschigen gerichtlichen Kontrolle im Verwaltungsrechtsweg unterliegen (vgl. aus neuerer Zeit beispielsweise zur Beobachtung der Gesamtpartei der AfD durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz BayVGH vom 14.9.2023 – 10 CE 23.796 – juris).
90
Gegen eine rechtsmissbräuchliche Handhabung des Wahlrechts durch den Antragsgegner spricht außerdem, dass einerseits die von der Antragstellerin vorgeschlagenen Kandidaten zumindest bei den Wahlgängen in den Jahren 2018 und 2019 offenkundig auch Ja-Stimmen (sowie Enthaltungen) von Abgeordneten, die nicht ihrer eigenen Fraktion angehörten, erhalten haben (vgl. zu den Wahlergebnissen Plenarprotokoll 18/5 vom 11.12.2018 S. 191, 197 f.; 18/21 vom 5.6.2019 S. 2355, 2363 f.; 18/35 vom 10.12.2019 S. 4400 f. und 18/36 vom 11.12.2019 S. 4426). Andererseits wurde die Ablehnung der Kandidaten der Antragstellerin trotzdem jeweils von einer breiten parlamentarischen Mehrheit auch jenseits des Regierungslagers getragen, also auch von Mitgliedern von Oppositionsfraktionen, die einer willkürlichen Diskriminierung anderer Oppositionsfraktionen regelmäßig schon aus Eigeninteresse entgegentreten dürften. Zudem relativiert sich die Bedeutung der wiederholten Ablehnungen dadurch, dass sich der Kreis der von der Antragstellerin vorgeschlagenen Kandidaten insbesondere bis Ende 2021 auf wenige Abgeordnete ihrer Fraktion beschränkte und sie mehrmals bereits abgelehnte Kandidaten erneut vorgeschlagen hat.
91
f) Ob ein Recht der Antragstellerin auf „faire und loyale Anwendung der Geschäftsordnung“ auch für die Bayerische Verfassung (Art. 20 Abs. 3 BV) anzuerkennen ist, kann offenbleiben. Aus diesem Grundsatz ließen sich jedenfalls keine engmaschigeren Kontrollmaßstäbe als die angewandten ableiten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat die gebotene Beachtung der Parlamentsautonomie zur Folge, dass die Ausgestaltung und Anwendung der Geschäftsordnung durch das Parlament bzw. seine Organe nur eingeschränkter verfassungsgerichtlicher Überprüfung unterliegen. Hinsichtlich der Auslegung und Anwendung der Geschäftsordnung findet lediglich eine am – im Rahmen von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG zu beachtenden – Grundsatz der fairen und loyalen Anwendung und den anerkannten Auslegungsmethoden orientierte Kontrolle daraufhin statt, ob diese evident sachwidrig sind (vgl. BVerfG vom 22.3.2022 BVerfGE 160, 368 Rn. 61 m. w. N.).
VI.
92
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).