Titel:
Keine alternative Klagehäufung bei gleichzeitiger Geltendmachung von Minderung und großem Schadensersatz
Normenketten:
BGB § 426, § 441, § 823 Abs. 2, § 826
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Leitsätze:
1. Macht der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung versehenen Fahrzeugs gegen den Verkäufer die kaufrechtliche Minderung und zugleich zusätzlich gegen die Fahrzeugherstellerin und deren Konzernmutter als Gesamtschuldner entweder den sogenannten großen Schadensersatz oder den Differenzschaden geltend, handelt es sich nicht eine sogenannte alternative Klagehäufung. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Konzernmutter der Fahrzeugherstellerin kann Wissen der Tochter nicht ohne weiteres zugerechnet werden. Da diese das Fahrzeug auch nicht in den Verkehr gebracht hat, scheidet sie auch als Haftende für einen sogenannten Differenzschaden mangels Verantwortliche für die Übereinstimmungsbescheinigung aus. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
1. Macht der Käufer eines Kfz, das mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung versehen ist, gegen den Verkäufer die kaufrechtliche Minderung und zugleich zusätzlich gegen die Fahrzeugherstellerin und deren Konzernmutter als Gesamtschuldner entweder den sogenannten großen Schadensersatz oder den Differenzschaden geltend, handelt es sich nicht um eine alternative Klagehäufung. (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Konzernmutter der Fahrzeugherstellerin kann Wissen der Tochter nicht einfach zugerechnet werden. Da diese das Fahrzeug auch nicht in den Verkehr gebracht hat, scheidet sie auch als Haftende für einen sogenannten Differenzschaden mangels Verantwortlichkeit für die Übereinstimmungsbescheinigung aus. (Leitsätze der Redaktion) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gesamtschuldner, doppelt, Anrechnung, Prozessökonomie, zusätzlich, Wohnmobil, alternative Klagehäufung, Konzernmutter, Differenzschaden, unzulässige Abschaltvorrichtung
Vorinstanz:
LG München II, Endurteil vom 31.03.2023 – 13 O 4264/21
Fundstellen:
FDStrVR 2024, 018511
BeckRS 2024, 18511
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 31.03.2023, Aktenzeichen 13 O 4264/21, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen wird.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsrechtsstreits zu tragen einschließlich der Kosten der Nebenintervention.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München II und dieser Beschluss sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten bzw. der Nebenintervenientin jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte bzw. die Nebenintervenientin vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.
4. Der Streitwert für den Berufungsrechtsstreit wird auf € 125.930,50 festgesetzt.
Gründe
1
Die Parteien streiten im Rahmen des sogenannten Dieselskandals um Schadensersatz- bzw. Minderungsansprüche des Klägers betreffend den Kauf eines gebrauchten Wohnmobils N. mit F. (EU 6) als Basismodell für insgesamt € 114.900,00 (Anlage K 25) von der Beklagten zu 1) am 16.10./29.11.2019. Im Fahrzeug ließ der Kläger Einbauten im Wert von insgesamt € 11.030,50 vornehmen. Die Beklagte zu 3) ist die Herstellerin des Basisfahrzeugs einschließlich des Motors, die Beklagte zu 2) ist deren Konzernmutter.
2
Der Unterschied zu sogenannten „normalen“ Dieselfällen besteht hier darin, dass der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) gewährleistungsrechtliche Ansprüche aus Kaufvertrag und gegenüber den Beklagten zu 2) und zu 3) Schadensersatzansprüche aus §§ 826, 823 Abs. 2 BGB geltend macht und zwar ausdrücklich nicht als Gesamtschuldner zwischen Beklagter zu 1) auf der einen und Beklagten zu 2) und zu 3) auf der anderen Seite, sondern zusammengezählt. Der Kläger will also von der Beklagten zu 1) Minderung und von den Beklagten zu 2) und zu 3) (zwischen diesen beiden als Gesamtschuldner) zusätzlich den sogenannten „großen Schadensersatzanspruch“, hilfsweise den Differenzschadensersatzanspruch (wegen behaupteter Abschalteinrichtungen).
3
Hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO auf das klageabweisende Endurteil des LG München II vom 31.03.2023 (Bl. 637/645 der erstinstanzlichen Akte; künftig: Erstakte), hinsichtlich des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und bezüglich der Berufungsanträge auf den Schriftsatz des Klägers vom 05.07.2023 (Bl. 11/12 der Berufungsakte; künftig: d. A.) sowie die Schriftsätze der Beklagten zu 1) vom 24.05.2023 (Bl. 7 d. A.) und der Beklagten zu 2 und zu 3 vom 25.05.2023 (Bl. 9 d. A.) sowie der Nebenintervenientin vom 10.06.2024 (Bl. 132 d. A.) verwiesen.
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Der Kläger beantragt mit seiner Berufung:
1. Das Urteil des Landgerichts München II – 13 O 4264/21 vom 31.03.2023 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht München II zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
2. Die Beklagtenpartei zu 1) wird verurteilt, der Klägerpartei einen Betrag bezüglich des Fahrzeugs N. FIN: …, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens € 28.725,00 betragen muss, zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei zu 1) verpflichtet ist, der Klägerpartei weiteren Schadensersatz, der über diesen Betrag hinausgeht, zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation N. FIN: … durch die Beklagtenpartei resultieren.
4. Die Beklagtenparteien werden verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils € 2.325,80 freizustellen.
5. Die Beklagten zu 2) und 3) werden verurteilt, an die Klägerpartei € 125.930,50 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, abzüglich einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs N. FIN: … Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des vorgenannten Fahrzeuges.
6. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2) und 3) verpflichtet sind, der Klägerpartei darüber hinaus Schadensersatz zu leisten für weitere Schäden, die der Klagepartei dadurch entstanden sind oder entstehen werden, dass in das in Antrag Ziff. 5 genannte Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut wurde.
7. Es wird feststellt, dass die Beklagten zu 2) und 3) sich mit der Annahme des in Klageantrag Ziffer 1 genannten Fahrzeugs im Verzug befinden.
Die Klägerpartei beantragt äußerst hilfsweise, für den Fall, dass der große Schadensersatz unter Rückgabe des Fahrzeuges nicht verlangt werden kann:
8. Beklagten zu 2) und 3) werden verurteilt, der Klägerpartei einen Betrag bezüglich des Fahrzeugs aus Antrag Ziff. 5, über 15% des Kaufpreises, mithin € 17.248,05 zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
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Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen jeweils,
die Berufung zurückzuweisen.
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Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 31.03.2023, Aktenzeichen 13 O 4264/21, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 522 Abs. 2 ZPO hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats im Beschluss vom 25.04.2024 (Bl. 120/122 d. A.) Bezug genommen.
8
Der Schriftsatz des Klägers vom 07.06.2024 ändert hieran nichts, die zulässige Berufung (§ 511, 517, 520 ZPO) ist zurückzuweisen (§§ 826, 823 Abs. 2 BGB; § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV):
1. Die Klage ist allerdings zulässig, da eine sogenannte alternative Klagehäufung (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 24.03.2011, I ZR 108/09, GRUR 2011, 521, 522f., Randziffern 7 bis 11) hier nicht vorliegt:
a) Bei dieser ist kennzeichnend, dass ein Kläger von einem Beklagten entweder den Anspruch A oder den Anspruch B will (vgl. BGH, Beschluss vom 24.03.2011, I ZR 108/09, GRUR 2011, 521, 523, Randziffer 10) und der Kläger dem Gericht die Auswahl überlässt, welcher Anspruch ihm zugesprochen wird.
b) Es kann dahinstehen, ob diese Grundsätze des BGH zur alternativen Klagehäufung auch dann gelten, wenn der Kläger vom Beklagten zu 1) den Anspruch A will oder (ausschließend!) von den Beklagten zu 2) und zu 3) den Anspruch B und dem Gericht wiederum die Auswahl überlässt, ob es den Anspruch A oder den Anspruch B zuspricht.
c) Hier liegt nämlich der Fall vor, dass der Kläger von der Beklagten zu 1) die kaufrechtliche Minderung will und zugleich zusätzlich von den Beklagten zu 2) und zu 3) als Gesamtschuldner (aber nicht im Verhältnis zur Beklagten zu 1)!) entweder den sogenannten großen Schadensersatz oder den sogenannten Differenzschaden.
d) Dass der Kläger nur eines von beiden (gegebenenfalls als Gesamtschuldner von allen drei Beklagten) verlangen kann, ist eine rein materiellrechtliche Frage und hat mit prozessrechtlichen Vorfragen zunächst nichts zu tun.
2. Dies gilt hier um so mehr, als über § 60 ZPO die vorliegende subjektive Klagehäufung als einfache Streitgenossenschaft zulässig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 06.06.2018, X ARZ 303/18, WM 2018, 1517, 1517f., Randziffer 13).
3. Die Klage ist jedoch (soweit zulässig: dazu unten unter Ziffer III 1) derzeit unbegründet: Auch der Kläger bestreitet im Endeffekt nicht, dass er den geltend gemachten Anspruch nur einmal verlangen kann.
a) Er begründet sein prozessuales Vorgehen mit prozessökonomischen Fragen und damit, dass bei Geltendmachung in zwei verschiedenen Klagen der Anspruch auch geltend gemacht werden könnte.
b) Materiellrechtliche Anspruchs(zuviel) zuerkennung kann aber nicht allein aus prozessökonomischen Gründen verlangt werden. Es ist nicht Aufgabe des Prozessrechts, dem Kläger Kostenrisiken abzunehmen und noch dazu diese auf den oder die Beklagten abzuwälzen.
c) Es besteht ein fundamentaler prozessualer Unterschied, ob die hier vorliegende Klage in einem Rechtsstreit oder in zwei Klagen geltend gemacht wird:
aa) Bei einer einzigen Klage erstrecken sich die Ansprüche, würde man dem Begehren des Klägers folgen, auf zwei Streitgegenstände (da der kaufrechtliche Anspruch sich gegen einen Beklagten und der Anspruch aus unerlaubter Handlung gegen die anderen Beklagten richtet bei auch nur ähnlichem Sachverhalt). Würden beide Ansprüche kumuliert zugesprochen, das Urteil rechtskräftig und würde sodann entweder der Beklagte zu 1) oder einer der beiden Beklagten zu 2 und zu 3) zahlen, könnten dies im ersten Fall die Beklagten zu 2 und zu 3) und im zweiten Fall der Beklagte zu 1) dem Kläger nach § 767 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf § 767 Abs. 2 ZPO nicht entgegenhalten, da eine Abhängigkeit einer Zahlung von der Begründetheit des Anspruchs zwar vom entscheidenden Gericht geprüft werden könnte (so wie der Senat dies hier tut), aber bei kumuliertem Zuspruch der klägerischen Ansprüche zwar geprüft würde, aber nicht zur Klageabweisung führte, denn beide Beklagten„gruppen“ wurden ja jeweils zur Zahlung verurteilt ohne Einschränkung als „Quasi“gesamtschuldner.
bb) Macht der Kläger hingegen seine Begehren in zwei verschiedenen Klagen geltend, und werden die drei Beklagten (zufälligerweise) zeitgleich verurteilt (Verurteilung ist hier nicht gleichzustellen mit Erfüllung!), kann bei Zahlung durch eine Beklagten„gruppe“ die andere über § 767 ZPO bei Zwangsvollstreckung auch gegen sie die Erfüllung als zumindest „Quasi“gesamtschuldner geltend machen (§ 422 Abs. 1 Satz 1 BGB), da eine solche Gesamtschuldnerschaft im jeweiligen Prozess nicht geprüft werden konnte (vgl. für den Innenausgleich unter Gesamtschuldnern BGH, Urteil vom 06.12.2022, VI ZR 284/19, NJW 2023, 987, 988, Randziffer 18).
cc) Da aber eine Haftung der Beklagten zu 1) mit einem Betrag X und zugleich eine weitere Haftung der Beklagten zu 2) und zu 3) mit einem Betrag Y entsprechend dem ausdrücklichen Antrag des Klägers nicht einen entsprechenden Antrag auf gesamtschuldnerische Haftung gegen alle drei Beklagten beinhalten (Letzterer also kein Minus zu Ersterem darstellt), kommt eine Verurteilung auch nur einer der Beklagten derzeit nicht in Betracht (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. Zöller-Feskorn, 35. Auflage, § 308 ZPO, Randziffer 4 a.E. im Gegenschluss).
dd) Der Kläger wird hierdurch auch nicht rechtlos gestellt: Selbst wenn man hier eine gesamtschuldnerische Haftung verneinen würde (der Senat neigt, ohne dies hier entscheiden zu müssen, dazu, für Minderung und Differenzschaden eine solche zwischen allen drei Beklagten anzunehmen), könnte der Kläger durch entsprechende Streitverkündung bei Klage zunächst gegen eine der in Anspruch genommenen Beklagten„gruppen“ gegenüber der anderen Interventionswirkung (§§ 68, 74 Abs. 1 ZPO) und Verjährungshemmung (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB) erreichen.
ee) Der Senat ist der Auffassung, dass durch das Prozessverhalten des Klägers seine Klage nicht endgültig unbegründet wird: Unterstellt man einmal einen Anspruch des Klägers sowohl auf großen Schadensersatz oder auf den Differenzschaden und (unter Anrechnung) einen Minderungsanspruch aus Kaufvertrag, steht ein Zuspruch eines dieser Ansprüche allein die fehlende eindeutige Wahl des Klägers entgegen, was nach Auffassung des Senats in dieser Konstellation die gleichzeitige Fälligkeit der kumulierten Ansprüche mangels Wahl durch den Kläger hindert.
4. Vorsorglich weist der Senat hinsichtlich der Abweisung der Klage als derzeit unbegründet darauf hin, dass mit dieser Entscheidung nur in Rechtskraft erwächst, dass der Kläger keinen derzeitigen Anspruch hat, nicht dagegen, dass die Beklagten einem solchen Anspruch nicht weitere Einreden und Einwendungen entgegenhalten können (vgl. nur BGH, Urteil vom 10.11.2020, XI ZR 426/19, WM 2021, 44, 46, Randziffer 22; Urteil vom 30.03.2021, XI ZR 193/20, BKR 2021, 371, 372, Randziffer 18; Urteil vom 26.10.2021, XI ZR 608/20, WM 2021, 2248, 2250, Randziffer 16; Urteil vom 25.01.2022, XI ZR 559/20, WM 2022, 418, 420, Randziffer 18; Urteil vom 12.04.2022, XI ZR 179/21, WM 2022, 979, 980, Randziffer 15; Urteil vom 24.05.2022, XI ZR 166/21, Randziffer 14 – nach juris; Urteil vom 14.06.2022, XI ZR 552/20, WM 2022, 1371, 1373, Randziffer 19; Urteil vom 26.07.2022, XI ZR 186/21, Randziffer 20 – nach juris; Urteil vom 26.07.2022, XI ZR 153/21, Randziffer 14 – nach juris; Urteil vom 26.07.2022, XI ZR 154/21, Randziffer 14 – nach juris; Urteil vom 20.09.2022, XI ZR 306/21, Randziffer 15 – nach juris; Urteil vom 20.09.2022, XI ZR 66/21, Randziffer 15 – nach juris; Urteil vom 20.09.2022, XI ZR 26/22, Randziffer 15 – nach juris; Urteil vom 20.09.2022, XI ZR 200/21, Randziffer 14 – nach juris; Urteil vom 20.09.2022, XI ZR 250/21, Randziffer 13 – nach juris; Urteil vom 20.09.2022, XI ZR 353/21, Randziffer 13 – nach juris; Urteil vom 20.09.2022, XI ZR 461/21, Randziffer 14 – nach juris; Urteil vom 18.10.2022, XI ZR 226/21, Randziffer 14 – nach juris; einschränkend Urteil vom 9.12.2022, V ZR 72/21, FamRZ 2023, 621, 622f., Randziffer 14, sofern nicht als „jedenfalls derzeit unbegründet“ abgewiesen: Randziffer 15).
9
Rein vorsorglich weist der Senat im Hinblick auf einen denkbaren Folgerechtsstreit auf Folgendes hin:
1. Der Senat teilt die Ansicht des Erstgerichts hinsichtlich der Unbestimmtheit der Feststellungsanträge: Ein Feststellungsantrag soll nur die Schwierigkeiten der Klagepartei überwinden helfen, den Schaden genau zu beziffern, nicht jedoch davor bewahren, den Grund der Haftung im Antrag zumindest kurz angeben zu müssen. „Schäden aus der Manipulation“ bzw. „Unzulässige Abschalteinrichtung“ dürften in diesem Zusammenhang jeweils zu ungenau sein. Darüber hinaus ist nicht recht ersichtlich, woraus eine Möglichkeit weiterer Schäden resultieren sollte, immerhin will der Kläger von den Beklagten zu 2) und zu 3) im Rahmen des sogenannten großen Schadensersatzanspruchs faktisch die Rückabwicklung seines Kaufs.
2. Nicht ersichtlich ist, inwiefern die Beklagte zu 2) als Konzernmutter überhaupt haften sollte, da Wissen der Tochter ihr nicht einfach zugerechnet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2022, VII ZR 266/20, Randziffer 27 – nach juris; s.a. Urteil vom 08.03.2021, VI ZR 505/19, WM 2021, 751, 754, Randziffer 23; Urteil vom 25.11.2021, VII ZR 238/20, Randziffer 23 – nach juris; Urteil vom 25.11.2021, VII ZR 243/20, Randziffer 22 – nach juris; Urteil vom 25.11.2021, VII ZR 257/20, WM 2022, 87, 89, Randziffer 24; Urteil vom 25.11.2021, VII ZR 38/21, Randziffer 22 – nach juris), und der Kläger selbst vorgetragen hat (vgl. Schriftsatz vom 27.07.2021, Seite 27 = Bl. 256 Erstakte), dass die Beklagte zu 2) mit der Konstruktion und dem Vertrieb des streitgegenständlichen Fahrzeugs nichts zu tun gehabt habe. Zumindest bietet der Kläger, soweit ersichtlich, keinen einzigen Beweis für die Mittäterschaft der Beklagten zu 2) an. Da diese unstrittig das Fahrzeug nicht in den Verkehr gebracht hat, scheidet sie als Haftende für einen sogenannten Differenzschaden mangels Verantwortliche für die Übereinstimmungsbescheinigung ohnehin aus (vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2023, VIa ZR 1119/22, WM 2023, 1530, 1531f., Randziffer 20; Beschluss vom 30.01.2024, VIa ZR 1297/22; Beschluss vom 30.01.2024, VIa ZR 1729/22; Beschluss vom 30.01.2024, VIa ZR 517/21; Beschluss vom 13.02.2024, VIa ZR 609/22; Beschluss vom 20.02.202, VIa ZR 661/22).
3. Die Klage gegen die Beklagte zu 1) beruht auf vertraglichen Ansprüchen mit Rechtsstand 29.11.2019 (Art. 229 § 58 EGBGB; § 434 Abs. 1 Satz 1, § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 439 Abs. 1, § 441 BGB a. F.). Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug verfüge hinsichtlich der Stickoxidreinigung über eine Timerabschaltung und ein Thermofenster. Das reicht für eine substantiierte Klage aufgrund von Gewährleistungsansprüchen (nicht für § 826 BGB!) aus (ohne die erhobene Verjährungseinrede zu prüfen, was aber ebenfalls gegebenenfalls zu erfolgen hat).
4. Die Beklagte zu 1) wird sich gegen eine solche Klage voraussichtlich nicht mit dem Argument fehlender Fristsetzung zur Nachbesserung verteidigen können:
a) Es ist schon daran zu denken, dass aufgrund ihres Bestreitens im Prozess eine solche nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich war.
b) Jedenfalls aber war der Beklagten eine Ersatzlieferung wegen des hier vorgenommenen Stückkaufs wahrscheinlich verwehrt, da ein wirklich vergleichbares Fahrzeug, entsprechende Mangelbehauptungen des Klägers als richtig unterstellt, im Zweifel an denselben Mängeln leiden dürfte und ein Nachfolgemodell eher nicht als Ersatz in Betracht kommen dürfte (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2019, VIII ZR 225/17, WM 2019, 424, 428, Randziffer 30). Eine Nachbesserung, Mängelbehauptungen des Klägers weiterhin als richtig unterstellt, dürfte der Beklagten zu 1) jedoch unmöglich (gewesen) sein, da unstrittig die Beklagte zu 3) bisher kein entsprechendes Softwareupdate erstellt hat, die Beklagte zu 1) hierzu jedoch kaum in der Lage sein dürfte.
5. Eine Typgenehmigung hindert eine Haftung wegen kaufrechtlicher Mängel oder nach § 823 Abs. 2 BGB nicht (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2023, VIa ZR 1425/22, WM 2024, 1140, 1142, Randziffer 23).
6. Eine Haftung der Beklagten zu 3) nach § 826 BGB dürfte angesichts der unstrittigen Weigerung der … Typgenehmigungsbehörde …, gegen die (angeblichen) Abschalteinrichtungen einzuschreiten, ausscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2023, VII ZR 412/21, Randziffer 17 – nach juris).
10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
11
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils und dieses Beschlusses erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 708 Nr. 10 analog, § 711 ZPO (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 13.11.2014, NJW 2015, 77, 78, Randziffer 16).
12
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der § 63 Abs. 2 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG; § 4 Abs. 1 ZPO bestimmt.