Titel:
Materielle Rechtskraft, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Verfahrenshindernis, Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Akteneinsichtsrecht, Akteneinsichtsgesuch, Anderweitige Rechtshängigkeit, Formelle Rechtskraft, Nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit, Generalstaatsanwaltschaft, Beschlüsse, Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, Rechtsbeschwerdeverfahren, Zulassung der Rechtsbeschwerde, Löschungsanordnung, Oberlandesgerichte, Gerichtliche Entscheidung, Verwaltungsgerichtsverfahren, Sofortige Beschwerde, Rechtskräftiger Beschluß
Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1
StPO § 98 Abs. 2 Satz 2, § 147 Abs. 5 Satz 2, § 359
GVG § 17 Abs. 1 Satz 2, § 17a Abs. 1, Abs. 2 Satz 3, Abs. 3, Abs. 5, Abs. 6
EGGVG § 23 Abs. 3, § 28, § 29 Abs. 3
VwGO § 90 Satz 1, § 121
Leitsätze:
1. Auch im Verfahren nach §§ 23 ff. EGVG stellen die anderweitige Rechtshängigkeit und die entgegenstehende Rechtskraft Verfahrenshindernisse dar, die zur Unzulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung führen.
2. Hat das für die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuständige Gericht über einen Antrag des Verurteilten auf Akteneinsicht entschieden und gleichzeitig dessen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Löschung von Beweismitteldaten durch die Staatsanwaltschaft als unbegründet zurückgewiesen, steht dies einer Antragstellung nach § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG entgegen.
3. Ob dies auch gilt, wenn das Wiederaufnahmegericht seine sachliche Zuständigkeit für den Feststellungsantrag unter Verstoß gegen das Willkürverbot angenommen hat, kann dahinstehen; denn ein solcher Verstoß lag nicht vor.
4. Offenbleiben kann somit, ob der Senat für die Entscheidung über den Antrag nach § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG auch deshalb nicht zuständig war, weil das Wiederaufnahmegericht seine Zuständigkeit vorher rechtskräftig bejaht hat (§ 17a Abs. 1 GVG).
Schlagworte:
Akteneinsicht, Löschungsanordnung, Rechtskraft, Wiederaufnahmeverfahren, Gerichtliche Entscheidung, Prozesskostenhilfe, Rechtsbeschwerde, Zuständigkeit, Verfahrenshindernis, Rechtsweg, Bindungswirkung, Geschäftswert
Vorinstanz:
OLG München vom -- – 6 St 3/23 (8)
Fundstellen:
BeckRS 2024, 18473
FDStrafR 2024, 018473
Tenor
1. Der Antrag des Verurteilten A. B. vom 19. Februar 2024 auf gerichtliche Entscheidung wird auf Kosten des Antragstellers als unzulässig zurückgewiesen.
2. Der Geschäftswert wird auf 5.000 € festgesetzt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Gründe
1
1. Das Oberlandesgericht München hatte den Antragsteller mit Urteil vom 02.08.2018 (Az. 9 St 7/17) unter Freispruch im Übrigen wegen Werbens um Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland in zwei Fällen, versuchter Anstiftung zum Verbrechen des Totschlags sowie vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Bundesgerichtshof hat die hiergegen eingelegte Revision des Antragstellers mit Beschluss vom 07.08.2019 nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Zwei hiergegen erhobene Anhörungsrügen des Antragstellers blieben ohne Erfolg (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17.09.2019 und vom 27.11.2019 – 3 StR 11/19 –, jeweils in juris). Der Antragsteller hat die Gesamtfreiheitsstrafe bis zum 25.05.2022 vollständig verbüßt.
2
Dem Urteil lagen unter anderem Übersetzungen aus dem Arabischen von Chatverläufen zugrunde, die im Rahmen der Auswertung des sichergestellten Mobiltelefons sowie des sichergestellten Laptops des Antragstellers auf den dort installierten Plattformen WhatsApp, Skype und Facebook gesichert worden waren.
3
In dem genannten Strafverfahren waren dem Angeklagten zwei Pflichtverteidiger beigeordnet worden, denen in erster Instanz Akteneinsicht gewährt worden war. Die wiederholten Anträge des Antragstellers, u.a. mit eigenhändigem Schreiben vom 01.03.2019, beim erkennenden 9. Strafsenat des Oberlandesgerichts München, ihm persönlich „die komplette Akte“ auf einem „Laptop“ zur Verfügung zu stellen, hat der Vorsitzende dieses Strafsenats abgelehnt. Die gegen die entsprechende Verfügung vom 07.03.2019 eingelegte Beschwerde des Antragstellers, mit der er geltend machte, er benötige die Akten zuzüglich digital gespeicherter Beweisstücke (Voicemails, Chat-Nachrichten) für eine effektive Verteidigung, um etwa Übersetzungen aus der arabischen Sprache kontrollieren zu können, hat der Bundesgerichtshof als unstatthaft verworfen (Beschluss vom 06.06.2019 – StB 11/19 –, NStZ-RR 2019, 255, in juris).
4
Eine weitere Verfügung des Vorsitzenden des 9. Strafsenats des Oberlandesgerichts München vom 08.07.2019, mit dem ein entsprechendes Akteneinsichtsgesuch des Antragstellers vom 01.07.2019 abgelehnt wurde, hat der Bundesgerichtshof aufgehoben und das Akteneinsichtsgesuch des Verurteilten der Generalstaatsanwaltschaft München zur Entscheidung vorgelegt. Der Vorsitzende des 9. Strafsenats des Oberlandesgerichts München sei für die angefochtene Verfügung nicht zuständig gewesen, da zum Zeitpunkt der Entscheidung die Akten im Hinblick auf die eingelegte Revision bereits dem Bundesgerichtshof vorgelegen hatten. Das Akteneinsichtsgesuch hätte somit durch den Vorsitzenden des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs verbeschieden werden müssen. Mit Blick auf die während des Beschwerdeverfahrens eingetretene Rechtskraft der Verurteilung des Antragstellers liege die Zuständigkeit für die Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nunmehr bei der Generalstaatsanwaltschaft München (Beschluss vom 07.11.2019 – StB 24/19 –, NStZ-RR 2020, 50, juris 10).
5
In dieser bei der Generalstaatsanwaltschaft München am 18.12.2019 eingegangenen Entscheidung führte der Bundesgerichtshof aus, der Beschwerdeführer sei weiterhin beschwert. Allein der Umstand, dass nach Beschwerdeeinlegung die Verurteilung des Beschwerdeführers rechtskräftig geworden ist, führe nicht zu einer prozessualen Überholung seines Rechtsschutzbegehrens. Denn auch nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens könne grundsätzlich ein Recht auf Akteneinsicht nach § 147 StPO bestehen. Ob die Akteneinsicht im konkreten Fall zu versagen ist, etwa weil sie nicht mehr den Zweck hat, der Verteidigung des Beschwerdeführers zu dienen, sei eine Frage der Begründetheit des Rechtsmittels (BGH, a.a.O., juris Rn. 8).
6
Mit Verfügung vom 11.11.2019 hat die Generalstaatsanwaltschaft München aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Rechtskraft des Urteils gemäß § 101 Abs. 8 Satz 1 StPO die KPI (Z) U. angewiesen, die vorhandenen Auswertedaten zu löschen. Diese teilte mit Löschungsbestätigung vom 12.11.2019 mit, dass u.a. die Auswertedaten inklusive der dazugehörigen Kommunikationsereignisse der „Handy-Auswertung Bakari“ am selben Tag vollständig gelöscht worden seien.
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2. Am 10.11.2022 stellte der Verurteilte Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens.
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Zur Vorbereitung des Wiederaufnahmeverfahrens hatte der Verurteilte am 14.04.2020 erneut Akteneinsicht beantragt, die ihm durch die Generalstaatsanwaltschaft München gemäß Verfügung vom 30.04.2020 durch Übersendung der elektronischen Zweitakte gewährt worden ist.
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Bereits mit Schreiben vom 03.08.2020 rügte der Verurteilte, dass die Akte nicht vollständig sei, da die Voicemails fehlen würden, die er benötige, um die Übersetzungen der Chatverläufe überprüfen zu können.
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Mit seinem zuletzt an das Oberlandesgericht München als Wiederaufnahmegericht gerichteten, dort am 24.02.2023 eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Versagung der Akteneinsicht rügt der Antragsteller, die ihm zur Einsicht überlassenen Akten seien unvollständig, da unter anderem Tonaufnahmen und Chatprotokolle durch die Generalstaatsanwaltschaft München gelöscht worden seien. Wegen der zahlreichen vorhergehenden Anträge und des Verfahrensgangs im Übrigen wird insoweit auf den Beschluss des 6. Strafsenats des Oberlandesgerichts München vom 22.09.2023 – 6 St 3/23 (8) – (dort Seiten 4 ff.) verwiesen.
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Das Oberlandesgericht München hat in diesem Beschluss dem Verurteilten Einsicht in bestimmte, noch vorhandene Aktenbestandteile bewilligt (Nr. 1 der Beschlussformel) und „im Übrigen“ den „Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung gegen die Versagung der Akteneinsicht als unbegründet verworfen“ (Nr. 2 der Beschlussformel).
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Es hat seine Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag auf Akteneinsicht als Wiederaufnahmegericht gemäß § 147 Abs. 5 Satz 2, § 162 Abs. 3 Satz 4 StPO bejaht (Seite 18 dieses Beschlusses). Es ist der Auffassung, die gleichen Erwägungen gelten auch hinsichtlich der Rüge des Verurteilten, Tonaufnahmen und Chatprotokolle seien zu Unrecht gelöscht worden. Auch wenn er insoweit ebenfalls Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Versagung der Akteneinsicht gemäß § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO gestellt habe, handele es sich in der Sache um einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Löschungsanordnung der Generalstaatsanwaltschaft München (Seite 18 unter b). Nach allgemeiner Auffassung sei für die Ablehnung eines Antrags auf Löschung der Daten der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet. Dies könnte dafür sprechen, dass auch die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung der Löschung von Daten nach §§ 23 ff. EGGVG zu erfolgen habe. Hierfür wäre nach § 25 Abs. 2 EGGVG i.V.m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG nicht das Oberlandesgericht München, sondern das Bayerische Oberste Landesgericht zuständig (S. 20 dieses Beschlusses).
13
Das Oberlandesgericht München hat seine Zuständigkeit für diesen Feststellungsantrag gleichwohl bejaht, da es sich vorliegend um den Rechtsbehelf eines Verfahrensbeteiligten gegen eine Maßnahme der Staatsanwaltschaft handele, die sich unmittelbar auf sein Akteneinsichtsrecht auswirke. Schon auf Grund der größeren Sachnähe des nach § 162 Abs. 3 Satz 4 StPO zuständigen Gerichts liege eine entsprechende Anwendung entweder des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO oder – wie bei Rechtsbehelfen gegen die unberechtigte Löschung von Daten durch die Staatsanwaltschaft nach § 101 Abs. 8 StPO vertreten (unter Hinweis auf MüKoStPO/Rückert, 2. Aufl. 2023, § 101 Rn. 129) – des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO nahe. In der Literatur werde auch eine entsprechende Anwendung des § 161a StPO erwogen (unter Hinweis auf Hilger, in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 489 Rn. 16). § 147 Abs. 5 Satz 2, § 98 Abs. 2 Satz 3 und § 161a Abs. 3 Satz 1 StPO würden jeweils auf § 162 Abs. 3 Satz 4 StPO verweisen.
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Eine Entscheidung, die sich in der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit erschöpft, deren Vollzug erledigt ist, sei der Strafprozessordnung zwar grundsätzlich fremd. Ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen hierfür tatsächlich vorliegen, könne aber dahinstehen, da insoweit der Antrag jedenfalls nicht begründet sei (Seite 20 f. dieses Beschlusses).
15
Das Oberlandesgericht München stellte insoweit unter anderem fest, dass auf Anordnung der Generalstaatsanwaltschaft München vom 11.11.2019 lediglich die bei der KPI (Z) U. vorhandenen Auswertedaten inklusive der dazugehörigen Kommunikationsereignisse gelöscht worden seien, nicht jedoch die zu den Akten des Hauptverfahrens vor dem 9. Strafsenat (Az. 9 St 7/17) genommenen Chatverläufe, die noch vollständig in den Aktenbänden enthalten seien (u.a. die in den Sonderbänden 2.2.1 – 2.2.14 enthaltenen Extraktionsberichte mit Originalchats in arabischer Sprache sowie deutsche Übersetzungen). Weiterhin enthalte ein noch vorhandener digitaler Ordner BR SoBA 2.2. Audiodateien der Chatverläufe 348-7, 711 und 741. Der Antragsteller erhalte somit auf seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung Einsicht in alle von ihm als fehlend gerügten Aktenbestandteile sowie in die noch vorhandenen Audiodateien.
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Im Übrigen – hinsichtlich der Einsicht in die gelöschten Tonaufnahmen, die ausweislich der Mitteilung der KPI (Z) U. vom 12.11.2019 vernichtet worden seien – sei der Antrag unbegründet, da Akteneinsicht nur in vorhandene Aktenbestandteile gewährt werden könne. Der entsprechend in den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Löschung umzudeutende Antrag sei ebenfalls unbegründet, da die rechtlichen Voraussetzungen für eine Löschung vorgelegen hätten. Die Rechtmäßigkeit der Löschung dieser durch Auswertung des Mobiltelefons und des Laptops des Antragstellers gewonnenen Daten richte sich entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft München nicht nach § 101 Abs. 8 StPO, sondern nach §§ 489 ff. StPO in der zum Zeitpunkt der Löschungsanordnung geltenden Fassung vom 05.07.2017 bzw. § 75 Abs. 2 BDSG. Nach § 489 Abs. 2 Satz 1, Alt. 1 StPO und dem unmittelbar anzuwendenden § 75 Abs. 2 BDSG seien Daten zu löschen, wenn deren Kenntnis für den in § 483 Abs. 1 Satz 1 StPO bezeichneten Zweck des Strafverfahrens nicht mehr erforderlich sei. Dies gelte nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens zumindest für die in Rede stehenden, durch die Auswertung des Mobiltelefons und des Laptops gewonnenen Sprachnachrichten, zumal zum Zeitpunkt der Löschungsanordnung noch kein Anhaltspunkt vorgelegen habe, dass der Verurteilte die Wiederaufnahme des Verfahrens betreiben wolle.
17
Die hiergegen erhobene Beschwerde des Antragstellers hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 01.02.2024 (Az. StB 65/23, in juris) verworfen. Hinsichtlich der begehrten Akteneinsicht in die gelöschten Daten sei die nach § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 4 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde unbegründet, da ein Einsichtsgesuch in nicht mehr vorhandene Dateien auf Unmögliches gerichtet ist. Hinsichtlich der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Löschung sei die Beschwerde nach § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 StPO nicht statthaft. Die hiergegen erhobene Gehörsrüge des Antragstellers blieb ohne Erfolg (Beschluss vom 05.03.2024 – StB 65/23, in juris).
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3. Mit Schreiben vom 19.02.2024 stellte der Antragsteller gegenüber dem Oberlandesgericht München – 6. Strafsenat – sinngemäß den Antrag, das Verfahren, soweit es um die Rechtswidrigkeit der Anordnung der Generalstaatsanwaltschaft München zur Löschung der Voicemail-Selbstleseliste gehe, dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorzulegen bzw. abzugeben. Dieses sei, wie sich aus Seite 20 des Beschlusses des Oberlandesgerichts München vom 22.09.2023 (Az. 6 ST 3/23 (8)) ergebe, nach § 25 Abs. 2 EGGVG i.V.m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG zuständig geworden, um die Rechtswidrigkeit dieser Löschungsanordnung nach §§ 23 ff. EGGVG festzustellen.
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Mit weiterem Schreiben vom 19.02.2024 legte er beim 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hinsichtlich der Prüfung der Anordnung der Löschung von Voicemails durch die Generalstaatsanwaltschaft München das zulässige Rechtsmittel gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 22.09.2023 (Az. 6 St 3/23(8)) ein, und zwar sowohl dasjenige nach §§ 23 ff. EGGVG (wobei er sich wiederum auf die Seite 20 dieses Beschlusses bezog), als auch dasjenige der Rechtsbeschwerde nach § 25 Abs. 2 EGGVG i.V.m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG. Gleichzeitig beantragte er die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
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Mit Verfügung vom 27.02.2024 (Az. 205 AR 80/24) hat der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts den Antragsteller darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der eingelegten Rechtsbeschwerde ein Verfahren zur Vermeidung von Kosten nicht eingeleitet worden sei, da der 3. Zivilsenat für das Anliegen des Antragstellers unter keinem Gesichtspunkt zuständig sei.
21
Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt mit Schreiben vom 16.05.2024, den Antrag des Verurteilten vom 19.02.2024 auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 Abs. 3 EGGVG und wegen des aufgrund einer anderen rechtskräftigen Entscheidung fehlenden Rechtschutzbedürfnisses als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zu verwerfen und verweist insoweit auf den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 22.09.2023.
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Hierauf erwiderte der Antragsteller mit Schreiben vom 07.06.2024. Er bringt unter anderem vor, dass nach allgemeiner Ansicht für die Ablehnung eines Antrags auf Löschung der Daten der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet sei. Dies könnte dafür sprechen, dass auch die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung der Löschung von Daten nach §§ 23 ff. EGGVG zu erfolgen habe, so dass nicht das Oberlandesgericht München, sondern gemäß § 25 Abs. 2 EGGVG i.V.m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG das Bayerisches Oberste Landesgericht zuständig sei. Durch die Löschungsanordnung der Generalstaatsanwaltschaft München werde seine Verteidigungsmöglichkeit bei dem Wiederaufnahmeverfahren beeinträchtigt. Er macht insoweit geltend, dass die im Strafverfahren gesicherten Voicemails und Chatverläufe falsch übersetzt worden seien, was er bereits in der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht München am 19.07.2018 beanstandet und Akteneinsicht beantragt habe. Diese sei im Strafverfahren wie auch nach dessen Ende mehrfach abgelehnt worden. Obwohl der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 07.11.2019 (Az. StB 24/19) sein Recht auf Akteneinsicht nach § 147 StPO bzw. zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens bestätigt habe, um die falschen Übersetzungen in der Selbstleseliste „Voicemails“ nachzuprüfen, habe die Generalstaatsanwaltschaft wenige Tage später deren Löschung angeordnet.
23
Er sei erst fast ein Jahr nach Erlass dieser Löschungsanordnung von der Generalstaatsanwaltschaft München hierüber informiert worden und habe sofort Rechtsmittel hiergegen an das Oberlandesgericht München erhoben. Wegen des Zuständigkeitsfehlers und der Fristversäumung beantrage er vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Außerdem beantrage er die Zulassung der Rechtsbeschwerde. In diesem Verfahren sei zu klären, dass die Löschungsanordnung der Generalstaatsanwaltschaft München rechtswidrig gewesen sei, da diese ihrer Benachrichtigungspflicht nicht nachgekommen sei.
24
Der in den Schreiben vom 19.02.2024 enthaltene Antrag des Antragstellers ist, soweit er sich an das Bayerische Oberste Landesgericht richtet, als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der von der Generalstaatsanwaltschaft München getroffenen Löschungsanordnung hinsichtlich der gesicherten Auswertedaten inklusive der dazugehörigen Kommunikationsereignisse (Voicemails) sowie auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts auszulegen.
25
Dieser Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist bereits deshalb unzulässig, weil das Verfahrenshindernis der entgegenstehenden Rechtskraft besteht.
26
1. Das Oberlandesgericht München hat mit Beschluss vom 22.09.2023 über den Antrag des Antragstellers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Löschungsanordnung der Generalstaatsanwaltschaft München vom 11.11.2019 betreffend die vorhandenen Auswertedaten, aufgrund der die Kriminalpolizeiinspektion (Z) U. die Auswertedaten inklusive der dazugehörigen Kommunikationsereignisse der „Handy-Auswertung Bakari“ vollständig gelöscht hat, entschieden, indem es insoweit den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet verworfen hat. Hierbei handelt es sich um einen Verfahrensgegenstand, der mit demjenigen des zum Bayerischen Obersten Landesgericht gestellten Antrags identisch ist.
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Dieser Beschluss ist formell und materiell rechtskräftig.
28
a) Entscheidungen, die – wie der vorgenannte Beschluss – mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden können (und damit auch stets nur mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind), erwachsen in formelle Rechtskraft, sobald die Beschwerdefrist anfechtungslos verstrichen ist oder das Beschwerdegericht – wie hier der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 01.02.2024 (Az. StB 65/23) – die Beschwerde unanfechtbar verworfen hat (Reichenbach in: Gercke/ Temming/Zöller, StPO, 7. Aufl. 2023, § 311 Rn. 2; s.a. § 304 StPO, Rn. 4 und 5; Wegner in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts Bd. 9, 1. Aufl. 2023, § 57 Rn. 10).
29
Die formelle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung verbietet grundsätzlich deren nachträgliche Abänderung. Im Falle der Anfechtungsmöglichkeit durch ein befristetes Rechtsmittel (sofortige Beschwerde, Berufung, Revision) ist daher nur das übergeordnete Gericht (das ist hier der Bundesgerichtshof) zur Abänderung der getroffenen Entscheidung – und zwar nur in diesem Rechtsmittelzug – befugt, so dass der Eintritt formeller Rechtskraft grundsätzlich der Änderung dieser bestandskräftigen Entscheidung des Gerichts entgegensteht (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 24.11.2022 – 1 Ws 52/22 –, Rn. 11, juris; Matt, in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2014, Vor § 304 Rn. 56 f.; BeckOK StPO/Cirener, 51. Ed. 01.04.2024, § 311 Rn. 5).
30
b) Neben der formellen Rechtskraft kommt diesem Beschluss auch materielle Rechtskraft zu.
31
aa) Entscheidungen erwachsen, wenn sie ihrer Art nach dafür geeignet sind, vor allem ihrer Funktion nach das Verfahren oder bestimmte Teile desselben endgültig abschließen sollen (vgl. hierzu SK-StPO/Frisch, a.a.O., § 311 Rn. 25 m.w.N.), über die formelle Rechtskraft hinaus auch in materielle Rechtskraft (Wegner in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts Bd. 9, a.a.O., § 57 Rn. 10).
32
Eine solche Wirkung haben neben den prozessabschließenden, das Verfahren insgesamt beendenden Sachentscheidungen, die es ausschließen, dass gegen die gleiche Person die erledigte Angelegenheit erneut zum Gegenstand eines Strafverfahrens gemacht wird (ne bis in idem), auch Beschlüsse, die eine Einzelfrage mit Außenwirkung abschließend entscheiden, wie etwa der Beschluss über den Verfall einer Sicherheit gemäß § 124 StPO. In allen Fällen der materiellen Rechtskraft ist eine nachträgliche Aufhebung oder Änderung dieser Entscheidungen ausgeschlossen mit Ausnahme des Vorliegens von Wiederaufnahmeumständen analog § 359 StPO (Matt in: Löwe-Rosenberg, a.a.O., Vor §§ 304 ff. StPO Rn. 62; SK-StPO/ Frisch, a.a.O., § 311 Rn. 25 m.w.N).
33
bb) Da durch den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 22.09.2023 über die Ablehnung des Antrags auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung zur Datenlöschung als unbegründet eine Einzelfrage mit Außenwirkung abschließend entschieden worden ist, kommt ihm über die formelle Rechtskraft hinaus somit auch materielle Rechtskraft zu.
34
2. Die materielle Rechtskraft dieses Beschlusses bildet ein Verfahrenshindernis für das Antragsverfahren nach §§ 23 ff. EGGVG mit der Folge, dass dem Senat eine erneute Sachentscheidung über den nämlichen Verfahrensgegenstand verwehrt ist.
35
a) Das Fehlen der anderweitigen Rechtshängigkeit oder der anderweitigen Rechtskraft ist eine allgemeine (negative) Prozess- bzw. Verfahrensvoraussetzung (vgl. etwa zum Zivilprozess Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. 2024, Vor § 253 Rn. 19b; Zöller/G. Vollkommer, ZPO, a.a.O., Vor § 322 Rn. 17), so dass bei identischen Parteien und demselben Streitgegenstand eine erneute Klage – auch in einem anderen Rechtsweg (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GVG) – unzulässig ist (Zöller/Greger, ZPO, a.a.O., § 261 Rn. 8) und die Rechtskraft einer Entscheidung über diesen Streitgegenstand nicht nur eine abweichende Entscheidung verbietet, sondern das neue Verfahren und eine Entscheidung darin schlechthin unzulässig macht (Zöller/G. Vollkommer, ZPO, a.a.O., Vor § 322, Rn. 17).
36
b) Dies gilt auch für das Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG.
37
aa) In Rechtsprechung und Literatur wird dies insoweit – soweit ersichtlich – nur zur anderweitigen Rechtshängigkeit erörtert (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.05.1980 – 4 VAs 7/80 –, Justiz 1980, 359, Leitsatz in juris; Schreiber in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2018, EGGVG § 24 Rn. 8). Zwar enthalten diese Vorschriften keine ausdrückliche Regelung zur Rechtshängigkeit oder zur Rechtskraft und deren Wirkungen. Nach verbreiteter Meinung bestehen aber keine Bedenken, § 90 Satz 1 VwGO entsprechend anzuwenden, so dass ein Antrag unzulässig ist, solange die Streitsache anderweitig, beispielsweise bei einem Gericht der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, rechtshängig ist (vgl. Mayer, in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, EGGVG § 23 Rn. 53; Schreiber in: Wieczorek/Schütze, ZPO, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 14; BeckOK GVG/Köhnlein, 23. Ed. 15.05.2024, EGGVG § 23 Rn. 78). Demgegenüber hat sich die Rechtsprechung insoweit früher auf die analoge Anwendung des § 90 Abs. 2 VwGO berufen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.05.1980 – 4 VAs 7/80 –, Justiz 1980, 359). An dessen Stelle ist mit Wirkung vom 01.01.1991 § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG getreten (Art. 1 Nr. 19 des 4. VwGOÄndG). Demgemäß geht ein Teil der Kommentarliteratur davon aus, dass das Verfahrenshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit bei identischem Streitgegenstand nunmehr auf die entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG gestützt werden könne (vgl. zum Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG SK-StPO/Paeffgen/ Gross-Wilde, 6. Aufl. 2023, EGGVG § 23 Rn. 83; s.a. zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren BeckOK VwGO/Wolff/Decker, 69. Ed. 01.04.2024, § 90 Rn. 18 m.w.N.: § 173 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG und/oder § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
38
Unabhängig davon, worauf man dieses Verfahrenshindernis stützt, ist es jedenfalls von Amts wegen zu beachten (vgl. – zum echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit – BayObLG, Beschluss vom 31.10.1994 – 2Z BR 85/94 –, WE 1995, 319, juris Rn. 11).
39
bb) Nichts anderes kann für die materielle Rechtskraft vorangegangener Entscheidungen gelten. Wenn schon die Rechtshängigkeit bei einem anderen Gericht den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG unzulässig macht, ist dies erst Recht der Fall, wenn dieses andere Gericht eine rechtskräftige Sach-Entscheidung zwischen denselben Beteiligten über den identischen Verfahrensgegenstand getroffen hat. Auch im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG stellt die anderweitige materielle Rechtskraft somit ein Verfahrenshindernis dar.
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Dies ergibt sich auch aus folgenden Erwägungen:
41
(1) Die Rechtskraft der vorangegangenen gerichtlichen Entscheidung wirkt sowohl in öffentlich-rechtlichen wie in zivilrechtlichen Streitigkeiten in nachfolgenden Prozessen grundsätzlich als von Amts wegen zu beachtendes Prozesshindernis (BGH, Urteil vom 21.12.1988 – VIII ZR 277/87 –, NJW 1989, 2133, juris Rn. 11 m.w.N.; BVerwG, Urteile vom 10.05.1994 – 9 C 501/93 –, BVerwGE 96, 24, juris Rn. 9; vom 27.01.1995 – 8 C 8/93 –, NJW 1996, 737, juris Rn. 12; vom 01.03.2012 – 10 C 8/11 –, AuAS 2012, 153, juris Rn. 10; BVerwG, Beschluss vom 15.01.2014 – 10 B 25/13 –, juris Rn. 3; NK-VwGO/Kilian/Hissnauer, 5. Aufl. 2018, § 121 Rn. 65) und schließt eine neue Verhandlung und sachliche Entscheidung über denselben Streitgegenstand aus (BGH, Urteil vom 26.06.2003 – I ZR 269/00 –, NJW 2003, 3058, juris Rn. 21 m.w.N.; BeckOK VwGO/Lindner, 69. Ed. 01.10.2023, § 121 Rn. 16; MüKoZPO/Gottwald, 6. Aufl. 2020, § 322 Rn. 40 m.w.N.; MüKoFamFG/Ulrici, 3. Aufl. 2018, § 48 Rn. 32; Sternal/Jokisch, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 45 Rn. 24). Dies gilt auch bei umgekehrten Parteirollen (BGH, Urteil vom 17.03.1995 – V ZR 178/93 –, NJW 1995, 1757, juris Rn. 8; Zöller/G. Vollkommer, ZPO, a.a.O., Vor § 322 Rn. 20) oder bei der Geltendmachung des kontradiktorischen Gegenteils (BGH Urteil vom 26.06.2003 – I ZR 269/00 –, NJW 2003, 3058, juris Rn. 21 m.w.N.).
42
Klage oder Antrag im neuen Prozess sind somit bei identischem Streitgegenstand nach der ganz herrschenden „ne bis in idem“-Lehre (vgl. hierzu Clausing/Kimmel, in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 45. EL Januar 2024, VwGO § 121 Rn. 19; Zöller/G. Vollkommer, ZPO, a.a.O., Vor § 322 Rn. 17) ohne weitere Sachprüfung auf Grund der materiell rechtskräftigen Entscheidung über denselben Streitgegenstand als unzulässig abzuweisen (BeckOK VwGO/Lindner, a.a.O., § 121 Rn. 16 m.w.N.; NK-VwGO/Kilian/Hissnauer, a.a.O., § 121 Rn. 65; MüKoZPO/Gottwald, a.a.O., § 322 Rn. 40 m.w.N.; Zöller/G. Vollkommer, ZPO, a.a.O., Vor § 322 Rn. 14 ff., 20; zur Ausnahme bei einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage s. BVerwG, Urteil vom 01.03.2012 – 10 C 8/11 –, AuAS 2012, 153, juris Rn. 10; BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 2014 – 10 B 25/13 –, juris Rn. 3).
43
(2) Nichts anderes kann vorliegend gelten. Hierbei kann es dahinstehen, ob das erstinstanzliche Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG im Bereich der Strafrechtspflege entsprechend der in § 29 Abs. 3 EGGVG für das Rechtsbeschwerdeverfahren getroffenen Neuregelung nunmehr dem Anwendungsbereich des FamFG unterfällt (so Mayer, in Kissel/Mayer, a.a.O., EGGVG § 29 Rn. 2; KK-StPO/Mayer, 9. Aufl. 2023, EGGVG § 29 Rn. 2; BeckOK GVG/Köhnlein, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 76, § 28 Rn. 2 und § 29 Rn. 2; im Ergebnis auch MüKoStPO/Ellbogen, 1. Aufl. 2018, EGGVG § 29 Rn. 13 f. – auch „wenn dies in der Sache nicht überzeugen kann“ –; SK-StPO/Paeffgen, 5. Aufl. 2016, EGGVG § 29 Rn. 4 – allerdings mit Zweifeln an der „Systemwidrigkeit“ des fortgesetzten Rekurses auf die StPO –), oder ob trotz dieser Neuregelung weiterhin die Verfahrensvorschriften der StPO ergänzend heranzuziehen sind (so etwa Böttcher, in Löwe-Rosenberg, 26. Aufl. 2010, EGGVG § 29 Rn. 11; Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl. 2024, EGGVG § 28 Rn. 1 f.; SK-StPO/Paeffgen/Gross-Wilde, 6. Aufl. 2023, EGGVG § 29 Rn. 2; vgl. zum Streitstand ausführlich Gerson in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2022, EGGVG § 29 Rn. 11: ohne praktische Auswirkungen). Denn das Verfahrenshindernis der anderweitigen Rechtskraft gilt sowohl im Gebiet der echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (BayObLG, Beschlüsse vom 31.10.1994 – 2Z BR 85/94 –, WE 1995, 319, juris Rn. 10 zum Wohngeld im WEG-Verfahren; vom 22.08.1997 – 3Z BR 211/97 –, FamRZ 1998, 1055, juris Rn. 10 zum Verfahren über die Aufwandsentschädigung eines Betreuers; MüKoFamFG/Ulrici, a.a.O., § 48 Rn. 32; s.a. Sternal/ Jokisch, FamFG, a.a.O., § 45 Rn. 24), als auch im Beschwerderecht der StPO, in dem ein formell rechtskräftiger Beschluss eine formelle Sperrwirkung für eine neue Entscheidung in derselben Frage entfaltet, bis dem Beschluss durch Nova – etwa einer Änderung der Sach- und Rechtslage – die Grundlage entzogen ist (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Einl. Rn. 166 und EGGVG § 29 Rn. 1).
44
(3) Hiermit im Einklang steht, dass die nach § 28 EGGVG ergangenen Endentscheidungen grundsätzlich der materiellen Rechtskraft fähig sind (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.02. 2022 – 20 VA 6/20 –, juris Rn. 58 m.w.N.; Zöller/Lückemann, ZPO, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 30). So kommt etwa dem im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG ergangenen Feststellungsausspruch des Strafsenats des Oberlandesgerichts dieselbe materielle Rechtskraft wie einem inhaltsgleichen verwaltungsgerichtlichen Urteil zu (BGH, Urteil vom 17.03.1994 – III ZR 15/93 –, NJW 1994, 1950, juris Rn. 14 m.w.N.; KG, Beschluss vom 04.06.2009 – 1 VAs 22/09 –, juris Rn. 12).
45
Auch wenn es in den §§ 23 ff. EGGVG an einer § 121 VwGO entsprechenden Vorschrift fehlt, die ausdrücklich die Bindung rechtskräftiger Entscheidungen regelt, erwachsen somit auch die Endentscheidungen im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG in materielle Rechtskraft (Zöller/Lückemann, ZPO, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 30). Solches ist ausdrücklich für alle streitigen privat- oder öffentlich-rechtlichen Antragsverfahren – um ein solches handelt es sich bei dem Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG – auch im Anwendungsbereich des FamFG anerkannt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.02.2022 – 20 VA 6/20 –, juris Rn. 58 m.w.N.; MüKoFamFG/Ulrici, a.a.O., § 48 Rn. 32 ff.; Sternal/Jokisch, FamFG, a.a.O., § 45 Rn. 24).
46
b) Legt man dies zu Grunde, hindert der rechtskräftige Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 22.09.2023 eine Sachentscheidung des Senats über den identischen Verfahrensgegenstand.
47
aa) Dies entspricht im Ergebnis auch der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt, wonach Maßnahmen gemäß § 23 Abs. 3 EGGVG einer nochmaligen Nachprüfung durch den Senat entzogen sind, wenn Einwendungen dagegen durch ein anderes Gericht, das sich zuerst für zuständig erachtet hat, rechtskräftig zurückgewiesen worden sind; hierdurch sei der Garantie des Freiheitsgrundrechts und seiner Absicherung durch Art. 104 GG genügt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.03.2005 – 3 VAs 1/05 –, NStZ-RR 2005, 282, juris Rn. 13).
48
bb) Auch wenn § 23 Abs. 3 EGGVG die von der Frage des Verfahrenshindernisses der entgegenstehenden Rechtskraft zu trennende Subsidiarität des Antrags nach §§ 23 ff. EGGVG regelt, kommt in der Bestimmung zum Ausdruck, dass nicht nur die Zuständigkeit, sondern auch die rechtskräftige Entscheidung des sachnäheren Gerichts Vorrang genießt.
49
Dies gilt unabhängig davon, ob im Einzelfall tatsächlich eine Zuständigkeit des vorher entscheidenden Gerichts gegeben war. Denn eine im übrigen ordnungsgemäß ergangene und formell rechtskräftige gerichtliche Entscheidung ist nicht deshalb unwirksam, weil sie einen eigentlich in die Zuständigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit fallenden Streitgegenstand betrifft (so BGH, Urteil vom 17.03.1994 – III ZR 15/93 –, NJW 1994, 1950, juris Rn. 16). Die Wirkung der entgegenstehenden Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung tritt selbst dann ein, wenn diese unrichtig wäre (BGH, Urteil vom 21.12.1988 – VIII ZR 277/87 –, NJW 1989, 2133, juris Rn. 14). Die Rechtskraft dient der Rechtssicherheit, dem Rechtsfrieden und der sinnvollen Begrenzung der Inanspruchnahme gerichtlicher Ressourcen (Sternal/Jokisch, FamFG, a.a.O., § 45 Rn. 24).
50
cc) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die Rechtskraftwirkung – mit Blick auf das Gebot der Wahrung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) – auch bei etwaigen Verletzungen des Willkürverbots nach Art. 3 Abs. 1 GG eintreten würde (bejahend OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.03.2005 – 3 VAs 1/05 –, NStZ-RR 2005, 282, juris Rn. 13 unter – insoweit, also hinsichtlich Art. 3 Abs. 1 GG unzutreffender – Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 09.11.2001 – StB 16/01 –, NJW 2002, 765, juris Rn. 4, und auf den eigenen Senatsbeschluss vom 18.12.2002 – 3 Ws 1171/02 –, NStZ-RR 2003, 81, juris Rn. 9, der jedoch vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben worden ist, vgl. Kammerbeschluss vom 03.09.2004 – 2 BvR 2001/02 –, BVerfGK 4, 49, juris Rn. 13). Denn eine solche liegt vorliegend fern.
51
(1) Das Oberlandesgericht München ist zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch des Antragstellers sachlich zuständig war (Beschluss vom 22.09.2023 Seite 17 f. unter a), was vom Antragsteller auch nicht in Abrede gestellt wird, und hat in jeder Hinsicht nachvollziehbar dargelegt, dass sich diese Zuständigkeit wegen des sachlichen Zusammenhangs auch auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Löschung der betreffenden Daten erstreckt (s. oben unter I. 2). Selbst eine zweifelsfrei fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts würde noch keinen Verstoß gegen das Willkürverbot begründen. Hinzukommen müsste eine krasse Missdeutung der einschlägigen Norm, so dass die vorgenommene Rechtsanwendung jeden sachlichen Grundes entbehren würde (vgl. BVerfG, Urteil vom 08.07.1997 – 1 BvR 1934/93 –, BVerfGE 96, 189, juris Rn. 49; Kammerbeschluss vom 08.04.2004 – 2 BvR 1811/03 –, BVerfGK 3, 147, juris Rn. 14). Das ist nicht der Fall.
52
(2) Die nachvollziehbare Begründung seiner sachlichen Zuständigkeit ist unter Anwendung der o.g. verfassungsrechtlichen Grundsätze keinesfalls willkürlich. Sie entspricht auch der von der überwiegenden Kommentarliteratur befürworteten weiten Auslegung der Subsidiaritätsklausel des § 23 Abs. 3 EGGVG, wonach auch nachträglich geschaffene oder durch die Rechtsprechung lediglich als entsprechend anwendbar erklärte Rechtsbehelfe die §§ 23 ff. EGGVG zurücktreten lassen (vgl. BeckOK GVG/Köhnlein, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 46; Gerson in: Löwe-Rosenberg, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 93; in diesem Sinne auch MüKoStPO/Ellbogen, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 1; zur Subsidiarität s.a. Mayer, in Kissel/Mayer, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 57; a.M. Glaser, Der Rechtsschutz nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO, 2008, S. 329; SK-StPO/Paeffgen/Gross-Wilde, a.a.O., Vor EGGVG § 23 Rn. 11 ff.). Das gilt insbesondere im Verhältnis zum Rechtsschutzsystem der Strafprozessordnung (vgl. Gerson in: Löwe-Rosenberg, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 93), wobei sich in den letzten Jahren vor allem der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO zu einem vorrangigen Rechtsbehelf – in analoger Anwendung auch zur Feststellung der Rechtswidrigkeit bereits erledigter Eingriffsmaßnahmen – entwickelt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 05.08.1998 – 5 ARs (VS) 1/97 –, BGHSt 44, 171, juris Rn. 19 zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Festnahme durch die Polizei; BGH, Beschluss vom 25.08.1999 – 5 AR (VS) 1/99 –, BGHSt 45, 183, juris Rn. 16 zur Überprüfung von Art und Weise des Vollzugs einer abgeschlossenen richterlich angeordneten Durchsuchung; so auch KG, Beschluss vom 12.01.2000 – 1 AR 1264/99 – 4 VAs 41/99 –, juris Rn. 3, und Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 21.01. 2004 – 2 VAs 15/03 –, juris Rn. 2 f.; BGH, Beschluss vom 16.10.2020 – 1 ARs 3/20 –, NStZ-RR 2021, 52, juris Rn. 14 und 16 zur Überprüfung der Art und Weise der Ausführung eines staatsanwaltschaftlichen Ersuchens um eine Erkenntnisanfrage bei einer ausländischen Behörde durch das Bundeskriminalamt; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2002 – 2 VAs 5/01 –, NJW 2002, 3117, juris Rn. 3 ff. zur nachträglichen Überprüfung einer Körperzellenentnahme; s.a. MüKoStPO/Ellbogen, a.a.O., EGGVG § 23; KK-StPO/Mayer, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 36; Mayer, in Kissel/Mayer, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 62).
53
Der analogen Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO lag die zu Durchsuchungsanordnungen und Durchsuchungsmaßnahmen erhobene Forderung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, das Rechtsschutzsystem bei abgeschlossenen strafprozessualen Zwangsmaßnahmen insgesamt möglichst wirksam zu gestalten (BVerfG, Beschluss vom 30.04.1997 – 2 BvR 817/90 –, BVerfGE 96, 27, juris Rn. 48 ff.) und – angesichts der bei schon abgeschlossenen richterlich angeordneten Durchsuchungen in schwer zu durchschauender Weise mehrfach gespaltenen und von den Fachgerichten uneinheitlich gehandhabten Rechtsmittel – den Rechtsschutz in effektiver Weise zu gewährleisten (BVerfG, Beschluss vom 27.05.1997 – 2 BvR 1992/92 –, BVerfGE 96, 44, juris Rn. 18). Der Bundesgerichtshof hielt in diesen Fällen eine übersichtliche Zuständigkeitsregelung durch entsprechende Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO für gewährleistet (Beschluss vom 05.08.1998 – 5 ARs (VS) 1/97 –, BGHSt 44, 171, juris Rn. 16 f.) und hält für alle diese Fälle nunmehr einheitlich den Rechtsweg nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO (analog) für eröffnet (Beschlüsse vom 07.12.1998 – 5 AR (VS) 2/98 –, BGHSt 44, 265, juris Rn. 22; vom 25.08.1999 – 5 AR (VS) 1/99, BGHSt 45, 183, juris Rn. 16; MüKoStPO/Ellbogen, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 12). Er hat damit in Abkehr von der Zuständigkeit des Oberlandesgerichts einen Weg hin zur Überprüfung grundrechtsrelevanter Maßnahmen durch das sachnähere Instanzgericht geschaffen. In konsequenter Fortsetzung dieser Rechtsentwicklung soll dies auch in anderen Fällen gebotener Überprüfung prozessualer Maßnahmen gelten (KK-StPO/Mayer, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 32; offen gelassen vom KG, Beschluss vom 31.05.2010 – 1 VAs 40/09 –, StraFo 2010, 428, juris Rn. 6 für die Überprüfung einer vom Betroffenen als objektiv willkürlich empfundenen Verfahrenseinstellung nach § 154 StPO; vgl. hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 02.10.2003 – 2 BvR 660/03 –, BVerfGK 2, 27, juris Rn. 5; Böttcher, in Löwe-Rosenberg, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 112).
54
Jedenfalls dürfte die sukzessive Ablösung der §§ 23 ff. EGGVG durch Ausweitung der spezifischen Rechtsbehelfe der Intention des Gesetzgebers entsprechen, wonach den §§ 23 ff. EGGVG nur vorübergehende Bedeutung zukommen sollte (vgl. Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf der VwGO, BT-Drucks. 3/1094, S. 15: Zu §§ 170aa und 171c; BeckOK GVG/Köhnlein, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 46; HK-GS/Duttge/Kangarani, 5. Aufl. 2022, EGGVG § 23 Rn. 9; Böttcher, in Löwe-Rosenberg, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 84).
55
Eine solche analoge Anwendung entweder des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO oder des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO hält das Oberlandesgericht München vorliegend aufgrund des sachlichen Zusammenhangs mit dem Akteneinsichtsgesuch für naheliegend. Willkürlich ist dies nicht.
56
3. Im Hinblick auf die der Zulässigkeit des Antrags nach §§ 23 ff. EGGVG entgegenstehende anderweitige Rechtskraft kommt es nicht mehr darauf an, ob die Unzuständigkeit des Senats auch aus der Vorschrift des § 17a Abs. 1 GVG folgen würde.
57
a) Danach sind, wenn ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg „rechtskräftig“ für zulässig erklärt hat, andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden. Die zeitlich erste, rechtskräftig gewordene Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs bindet diesbezüglich alle Gerichte aller Gerichtsbarkeiten (Mayer, in Kissel/Mayer, a.a.O., GVG § 17 Rn. 51; dem folgend BeckOK GVG/Gerhold, a.a.O., GVG § 17a Rn. 3), wobei sich die Bindungswirkung nur auf denselben Streitgegenstand bezieht (Ehlers, in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 44. EL März 2023, GVG § 17a Rn. 2). Diese Bindungswirkung ist die Konsequenz des gesetzgeberischen Prinzips der Gleichwertigkeit aller Gerichtsbarkeiten (vgl. BT-Drucks. 11/7030, 36) und des mit der Novelle zum Gerichtsverfassungsgesetz erstrebten Zieles, Rechtswegstreitigkeiten zu begrenzen (vgl. hierzu Mayer, in Kissel/Mayer, a.a.O., Einl. Rn. 235; GVG § 17 Rn. 51).
58
Wird die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht vorab durch besonderen Beschluss nach § 17a Abs. 3 GVG bejaht, sondern im Rahmen der erstinstanzlichen Entscheidung zur Hauptsache, so tritt die Bindung nach § 17a Abs. 1 GVG schon mit deren Erlass ein, auch wenn sie insgesamt noch mit Rechtsmitteln anfechtbar ist. Denn hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtswegs ist sie nicht anfechtbar (§ 17a Abs. 5 GVG), insoweit also einer rechtskräftigen Entscheidung gleichzustellen (Mayer, in Kissel/Mayer, a.a.O., GVG § 17 Rn. 52; BeckOK GVG/Gerhold, a.a.O., GVG § 17a Rn. 3).
59
b) Die §§ 17 bis 17b GVG betreffen allerdings nur den Rechtsweg, also das Verhältnis verschiedener Gerichtsbarkeiten (Arbeits-, Sozial-, Finanz-, Verwaltungs-, ordentliche Gerichtsbarkeit) zueinander. Für das Verhältnis der innerhalb einer Gerichtsbarkeit mit verschiedenen Rechtsgebieten befassten Gerichte zueinander gelten sie – außer in den Fällen des § 17a Abs. 6 GVG – nicht (BGH, Beschluss vom 16.10.2020 – 1 ARs 3/20 –, NStZ-RR 2021, 52, juris Rn. 20). Ausgehend von diesem Grundsatz betrafen die bislang ergangenen Gerichtsentscheidungen – soweit ersichtlich – allerdings ausdrücklich nur die Frage der Bindungswirkung eines rechtskräftigen Verweisungsbeschlusses gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG, die sich nur auf den Rechtsweg, nicht aber auf die örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit des vom verweisenden Gericht bezeichneten Gerichts und die zulässige Verfahrensart bezieht (vgl. BGH, Beschluss vom 16.10.2020 – 1 ARs 3/20 –, NStZ-RR 2021, 52, juris Rn. 13, 19 ff.; BayObLG, Beschluss vom 29.06.2023 – 203 VAs 120/23 –, juris Rn. 3; so bereits KG, Beschluss vom 12.03.2018 – 5 VAs 29/17 –, StraFo 2019, 392, juris Rn. 4 und 6; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.07.1994 – 2 VAs 5/94 –, Justiz 1994, 484, juris Rn. 7 f.; OLG Hamm Beschluss vom 12.12.1995 – 1 VAs 137/95 –, NStZ-RR 1996, 209, juris Rn. 2).
60
c) Soweit bislang umstritten war, ob §§ 17 ff. GVG auch im Verhältnis des nach § 23 EGGVG angerufenen Oberlandesgerichts zu anderen Zweigen der ordentlichen Gerichtsbarkeit entsprechend anzuwenden sind, etwa im Verhältnis zur Strafvollstreckungskammer oder zu den für die Entscheidungen nach § 98 Abs. 2 Satz. 2, § 119a StPO zuständigen Gerichten (vgl. KK-StPO/ Mayer, a.a.O., EGGVG § 28 Rn. 27 m.w.N.; KK-StPO/Barthe, 9. Aufl. 2023, GVG § 17b Rn. 3), hat der Bundesgerichtshof mittlerweile klargestellt, dass der Gesetzgeber vor dem Hintergrund des bekannten Streits um eine analoge Anwendung des § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG eine entsprechende Geltung des § 17a Abs. 1 bis 5 GVG und damit auch des § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG ausdrücklich nur für bestimmte Fallkonstellationen innerhalb des Zivilrechtswegs und zwar „für die in bürgerlichen Rechtswegstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander“ in § 17a Abs. 6 GVG geregelt hat (FGG-Reformgesetz vom 17.12.2008, BGBl. I, S. 2586, 2694); das Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG ist nicht genannt. Nicht geregelt hat der Gesetzgeber Zuständigkeitsstreitigkeiten, die sich innerhalb der Strafgerichtsbarkeit ergeben können, insbesondere nicht die entsprechende Anwendung des § 17a Abs. 1 bis 5 GVG im Verhältnis der Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG und nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO (BGH, Beschluss vom 16.10.2020 – 1 ARs 3/20 –, NStZ-RR 2021, 52, juris Rn. 30; so bereits OLG Hamburg, Beschluss vom 25.06.2014 – 2 VAs 9/14 –, NStZ-RR 2014, 255, juris Rn. 13). Der Gesetzgeber habe die Anwendbarkeit des § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG nicht auf solche Zuständigkeitsstreitigkeiten wie die o.g. erstrecken wollen. Mangels einer planwidrigen Regelungslücke verbiete sich somit seit dieser Neuregelung eine Analogie (BGH, Beschluss vom 16.10.2020 – 1 ARs 3/20 –, NStZ-RR 2021, 52, juris Rn. 31 f. unter Hinweis auf BT-Drucks. 16/6308, S. 318; so auch OLG Hamburg, Beschluss vom 25.06.2014 – 2 VAs 9/14 –, NStZ-RR 2014, 255, juris Rn. 11 ff. m.w.N.; KK-StPO/Barthe, a.a.O., GVG § 17b Rn. 3; MüKoStPO/Schuster, 1. Aufl. 2018, GVG § 17c Rn. 4).
61
d) Über die allgemein anerkannte Ablehnung der entsprechenden Anwendung des § 17a Abs. 1 bis 5 EGGVG auf derartige Fälle hinaus verhält sich – soweit ersichtlich – nur eine Kommentierung ausdrücklich zur Frage der Anwendbarkeit des § 17a Abs. 1 GVG, wenn innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Strafsachen ein Gericht seine Zuständigkeit (rechtskräftig) bejaht hat, sich aber ein anderes Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit für zuständig hält (vgl. SK-StPO/ Frister, a.a.O., GVG § 17c Rn. 2): Danach sei die Entscheidung des zuerst befassten Gerichts hinsichtlich des Rechtswegs, aber nicht bezüglich der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit für die anderen Gerichtsbarkeiten bindend. Dies gelte sowohl für eine positive Zuständigkeitsentscheidung (§ 17 Abs. 1 GVG) als auch für die Verweisung an ein anderes Gericht (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG).
62
Somit wäre der Senat durch § 17a Abs. 1 GVG lediglich daran gebunden, dass das Oberlandesgericht München den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für gegeben erachtet hat, nicht dass es innerhalb des ordentlichen Rechtswegs seine Zuständigkeit bejaht hat. Dies bedeutet gleichwohl nicht, dass innerhalb des Rechtswegs mehrere Gerichte sachlich über denselben Verfahrensgegenstand entscheiden dürfen, denn dem stehen wiederum die Verfahrenshindernisse der anderweitigen Rechtshängigkeit bzw. – wie im vorliegenden Verfahren – der anderweitigen Rechtskraft entgegen.
63
1. Die Tragung der Gerichtskosten durch den Antragsteller wird unmittelbar durch das Gesetz geregelt (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 19, § 22 Abs. 1 GNotKG). Es besteht kein Anlass, die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dem Antragsteller entstandenen außergerichtlichen Kosten aus der Staatskasse anzuordnen (§ 30 EGGVG).
64
2. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kam mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung nicht in Betracht (§ 29 Abs. 4 EGGVG i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO).
65
3. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 1 Abs. 2 Nr.19 i.V.m. § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
66
4. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen (§ 29 Abs. 2 EGGVG), da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.