Titel:
Offensichtlich unbegründeter Asylfolgeantrag
Normenketten:
AsylG § 30 Abs. 1 Nr. 8, § 36 Abs. 4 S. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsätze:
1. Ein Vertrauen darauf, dass sich die Rechtslage nicht ändert, ist nicht schutzwürdig. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird der Asylbewerber in seinem Folgeverfahren nicht als Asylberechtigter anerkannt und wird ihm kein internationaler Schutz zuerkannt, ist der unbegründete Asylantrag zwingend als offensichtlich unbegründet abzulehnen. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz, äthiopischer Staatsangehöriger, Folgeantrag, materielle Prüfung, keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung, offensichtliche Unbegründetheit, Prozesskostenhilfe, Äthiopien, offensichtlich unbegründeter Asylantrag, Vertrauensschutz, einstweiliger Rechtsschutz
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18406
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung wird für das Klage- und das Antragsverfahren abgelehnt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Abschiebungsandrohung nach Äthiopien bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat. Zudem begehrt er Prozesskostenhilfe für das Klage- und Antragsverfahren.
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Der am ......1993 in, Äthiopien, geborene Antragsteller ist äthiopischer Staatsangehöriger, Volkszugehöriger der ... und islamischer Religionszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 16. Juni 2017 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 29. Juni 2017 einen Asylantrag (...).
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Am 20. Juli 2017 wurde der Antragsteller durch das Bundesamt zu seinen Fluchtgründen angehört. Er gab an, sein Heimatland am 19. Dezember 2016 verlassen zu haben. Seine wirtschaftliche Situation sei schlecht gewesen, er habe mit seiner Großmutter gelebt. In Italien seien ihm Fingerabdrücke genommen worden, er habe aber von Anfang an geplant, nach Deutschland zu kommen. Er sei gemeinsam mit seinem Bruder nach Deutschland gekommen. Sein Vater sei im Gefängnis, er wisse jedoch nicht, wo. Seine Mutter lebe in K.. Er habe die Schule bis zur 10. Klasse besucht, jedoch keinen Beruf erlernt. Sein Vater habe ein Restaurant gehabt und habe auch mit Getreide gehandelt. Dort habe er mitgearbeitet. Er habe keinen Wehrdienst geleistet. Die Frage, ob er politisch aktiv gewesen sei, verneinte er.
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Zu seinen Fluchtgründen trug der Kläger vor, zusammen mit seinem Bruder am 6. August 2016 an einer Demonstration teilgenommen zu haben. Sie hätten eine Flagge der .../... und Transparente getragen. Die Demonstration sei von der Polizei mit Waffengewalt aufgelöst worden und sein Bruder und er seien gemeinsam verhaftet worden. Sie seien eine Woche im Gefängnis gewesen und dort misshandelt worden. Es sei ihnen gelungen zu fliehen, als sie die Eimer mit ihrer Notdurft entleert hätten. Sie seien durch den Wald geirrt und hätten einen Mann getroffen, dem sie ihr Schicksal erzählt hätten. Dieser habe sie dann bis nach ... gebracht und sie seien nach Hause gegangen. In der Zwischenzeit sei die Großmutter wegen ihrer Flucht verhaftet worden. Sie sei aber zwei Tage danach wieder nach Hause gekommen. Weil sie Angst gehabt hätten, erneut verhaftet zu werden, hätten sie beschlossen, Äthiopien in Richtung Sudan zu verlassen. Seine Mutter halte sich bei Verwandten in Kenia auf. Sein Vater sei Mitglied der .../... Seine Mutter sei damit nicht einverstanden gewesen und habe ihn verlassen. Sein Vater sei seit zehn Jahren im Gefängnis, weil er Mitglied der ... gewesen sei. Sein Bruder befinde sich in Deutschland und betreibe ein eigenes Asylverfahren (Az. ...). Bezüglich der Einzelheiten wird auf die in der Behördenakte enthaltene Anhörungsniederschrift verwiesen.
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Da sich aufgrund eines Eurodac-Treffers für Italien (... vom 28. März 2017) Anhaltspunkte dafür ergeben hatten, dass ein anderer europäischer Mitgliedstaat für den Asylantrag des Antragstellers zuständig ist, richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 10. August 2017 ein Wiederaufnahmeersuchen an die italienischen Behörden, auf das diese nicht antworteten.
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Mit Bescheid vom 16. Oktober 2017 wurde der Asylantrag als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Italien angeordnet (...). Der Bescheid wurde damit begründet, dass Italien gemäß Art. 13 Abs. 1 der Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Da Italien auf das Wiederaufnahmeersuchen nicht fristgerecht reagiert habe, sei es gemäß Art. 20 Abs. 7 Dublin III-VO am 10. Oktober 2017 für den Asylantrag zuständig geworden. Gegen den Bescheid erhob der Antragsteller am 20. Oktober 2017 beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage (Au 1 K 17.50316) und stellte einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (Au 1 S 17.50317). Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wurde mit Beschluss zum 2. November 2017 abgelehnt.
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Am 6. Februar 2018 wurde der Antragsteller nach Italien überstellt. Daraufhin wurde das Klageverfahren mit Beschluss vom 10. April 2018 eingestellt.
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Am 23. Juli 2019 stellte der Antragsteller beim Bundesamt erneut einen Asylantrag (Az. ...), der vom Bundesamt als Folgeantrag behandelt wurde. Zur Begründung führte der Antragsteller aus, er sei am 28. Juni 2019 nach Deutschland eingereist. Er habe in Italien auf der Straße gelebt und keine Unterstützung bekommen. Auf die Frage, was er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland befürchte, gab er an, die aktuelle Sicherheitslage sei sehr schlecht und es gebe auch viele Vertreibungen. Das Vorliegen neuer Beweismittel oder Dokumente, die belegen könnten, dass ihm im Herkunftsland Gefahren drohen, verneinte er.
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Eine Abfrage aus der Eurodac-Datenbank ergab die Eurodac-Kennnummer, wonach der Antragsteller am 8. Februar 2018 in Italien (...) einen Asylantrag gestellt hatte.
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Am 10. September 2019 wurde der Antragsteller zur Zulässigkeit des Asylantrags angehört. Er gab an, sein Antrag in Italien sei abgelehnt worden. Während seines Aufenthalts in Italien habe er auf der Straße gelebt, auch habe es keine Arbeit gegeben. Er sei in keiner Asylunterkunft untergekommen, weil sein Asylantrag abgelehnt worden sei. Er habe Unterlagen zu seinem Asylantrag in Italien besessen, die seien ihm jedoch abhandengekommen.
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Am 10. September 2019 richtete das Bundesamt erneut in Wiederaufnahmeersuchen an Italien, auf das die italienischen Behörden nicht antworteten.
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Mit Bescheid vom 25. September 2019 (Az. ...) wurde der Asylantrag des Antragstellers erneut als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Italien angeordnet. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 2. Oktober 2019 beim Verwaltungsgericht ... Klage (...) und stellte zugleich einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (...), der mit Beschluss vom 11. Oktober 2019 abgelehnt wurde. Die für den 7. Januar 2020 vorgesehene Überstellung nach Italien wurde storniert, da der Antragsteller nicht angetroffen wurde. Da sich der Antragsteller trotz vorheriger Ankündigung des Überstellungstermins und der Aufforderung, sich in der zugewiesenen Unterkunft aufzuhalten, nicht angetroffen werden konnte, wurde die Überstellungsfrist auf 18 Monate bis zum 11. April 2021 verlängert, da der Antragsteller als flüchtig galt.
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Aufgrund der Entwicklung in der Corona-Krise wurde die Vollziehung der Abschiebungsanordnung aus dem Dublin-Bescheid vom 25. September 2019 gemäß § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO ausgesetzt. Am 20. August 2020 wurde die Aussetzung gemäß Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO widerrufen, die Überstellungsfrist wurde auf den 20. Februar 2021 festgelegt. Dieses wurde dem Antragsteller mit Schreiben vom 24. August 2020 mitgeteilt. Die für den 16. Oktober 2020 vorgesehene Überstellung nach Italien wurde storniert, da der Antragsteller erneut nicht angetroffen wurde. Ein weiterer Überstellungsversuch am 18. Februar 2021 scheiterte am passiven Widerstand des Antragstellers.
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Nach Ablauf der Überstellungsfrist übernahm das Bundesamt die Entscheidung über den Asylantrag im nationalen Verfahren. Der Bescheid vom 25. September 2019 wurde aufgehoben und das Klageverfahren beim Verwaltungsgericht ... (...) mit Beschluss vom 9. Februar 2022 nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt.
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Am 15. Juli 2021 wurde dem Antragsteller erneut das Formblatt zur Begründung seines Folgeantrags übersandt. Der Antragsteller führte darauf aus, er habe seine Heimat wegen politischer Verfolgung verlassen und bezieht sich auf die am 6. August 2016 erfolgte Teilnahme an einer Kundgebung in der Stadt .... Er sei verhaftet und unter schrecklichen Haftbedingungen festgehalten worden. Nach der Teilnahme an einer Kundgebung sei er für drei Monate in einem Camp festgehalten worden. Man habe ihn tagein, tagaus geschlagen. Da er eine Flagge der ... bei der Kundgebung getragen habe, sei ihm und zehn Studenten vorgeworfen worden, Mitglied der ... zu sein. Danach habe man ihn durch die Zahlung von 10.000 Birr freigelassen. Nachdem man ihn aber danach zur Verhaftung aufgesucht habe, sei er geflüchtet. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Übersetzung auf Blatt 481 der Behördenakte verwiesen.
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Am 7. Januar 2022 richtete das Bundesamt ein Informationsersuchen nach Art. 34 Dublin III-VO an die italienischen Behörden. Diese teilten mit, dass der Antragsteller im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltserlaubnis gewesen sei, die am 3. März 2021 abgelaufen sei. Weitere Angaben wurden nicht gemacht.
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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte mit Bescheid vom 24. Mai 2024 (Gz. ...) den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach Äthiopien abgeschoben. Der Antragsteller könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt. (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Zur Begründung wird ausgeführt, die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens seien vorliegend gegeben. Ein weiteres Asylverfahren sei gemäß § 71 Abs. 1 AsylG nur dann durchzuführen, wenn neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Ausländer vorgebracht worden sind, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für den Ausländer günstigeren Entscheidung beitragen. Der Übergang der Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf Deutschland stelle ein neues Element oder Erkenntnis dar. Aufgrund der neuen Erkenntnisse könne der Vortrag des Antragstellers bei objektiver Beurteilung mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer günstigeren Entscheidung beitragen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen jedoch nicht vor.
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Selbst für den Fall, dass der Antragsteller im Jahr 2016 vorverfolgt ausgereist sein sollte, werde die Vermutung, dass sich die frühere Verfolgung wiederholen wird, durch stichhaltige Gründe widerlegt. Die vom Antragsteller vorgetragene (unterstellte) Betätigung für die ... führe für sich genommen aktuell noch nicht zu einem Anspruch auf Flüchtlingsschutz oder Asyl. Die politische Situation in Äthiopien habe sich für Regierungsgegner und Oppositionelle mit der Wahl von ... im April 2018 zum neuen Premierminister deutlich verbessert. Der im Februar 2018 verhängte Ausnahmezustand sei vorzeitig beendet worden. Tausende politische Gefangene seien aus der Haft entlassen worden, darunter auch Personen, die aufgrund terroristischer Aktivitäten angeklagt bzw. verurteilt wurden. Im Juni 2018 habe die Regierung beschlossen, die ... von der Liste der Terrororganisationen zu streichen. Im September 2018 seien nach Brigadier General H. G. auch der ...-Vorsitzende D.I. mit rund 1.500 ...-Kämpferinnen/Kämpfern aus Eritrea nach Äthiopien zurückgekehrt. Wenn aber schon exponierte ...-Mitglieder offenbar keine staatlichen Verfolgungsmaßnahmen mehr befürchten, müsse dies erst recht für den Antragsteller gelten. Dem Antragsteller drohe auch kein ernsthafter Schaden im Sinn von § 4 AsylG. Auch wenn es in einigen Regionen immer wieder zu ethnischen Konflikten komme, würden die Auseinandersetzungen aktuell keine bürgerkriegsähnlichen Zustände erreichen. Gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG sei ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer einen Folgeantrag (§ 71 Abs. 1 AsylG) oder einen Zweitantrag (§ 71a Abs. 1 AsylG) gestellt hat und ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wurde. Dies sei hier der Fall. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Äthiopien führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Es drohe dem Antragsteller auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die ausführliche Begründung des Bescheids verwiesen.
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Der Bescheid wurde am 27. Mai 2024 als Einschreiben zur Post gegeben.
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Der Antragsteller ließ am 4. Juni 2024 Klage gegen den Bescheid erheben, über die noch nicht entschieden ist (Az. Au 9 K 24.30493).
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Mit der Klageerhebung wurde gleichzeitig beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bescheid sei bereits deswegen rechtswidrig, weil er keine fundierte Begründung enthalte, warum der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden sei. Es finde sich lediglich ein allgemeiner Hinweis auf § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG. Diese Vorschrift sei jedoch verfassungs- bzw. unionsrechtswidrig. Sie übernehme inhaltlich die Regelung des Art. 31 Abs. 8 Buchst. f der RL 2013/32/EU (Asylverfahrens-RL). Diese Richtlinie biete den Mitgliedstaaten lediglich die Möglichkeit eines beschleunigten Verfahrens, das die Grundsätze und Garantien nach Kapitel II der Asylverfahrens-RL genügen müsse. Nach Art. 9 Abs. 1 Asylverfahrens-RL dürfen Antragsteller ausschließlich zum Zweck des Verfahrens so lange im Mitgliedstaat verbleiben, bis die Asylbehörde auf der Grundlage der in Kapitel III genannten erstinstanzlichen Verfahren über den Antrag entschieden hat. Ausnahmen vom Recht auf Verbleib sähen nur Art. 41 Asylverfahrens-RL vor, deren Ausnahmefälle jedoch nicht gegeben seien. Im Sinne des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Art. 46 Asylverfahrens-RL) sei den Betroffenen nach Art. 46 Abs. 5 Asylverfahrens-RL der Verbleib im Staatsgebiet bis zum Ablauf der Rechtsbehelfsfrist und bei fristgerechter Einlegung bis zur Entscheidung über diesen zu gewähren. Ausnahmen hierzu seien in Art. 46 Abs. 6 Asylverfahrens-RL geregelt. Nach dieser Regelung sei schon in unionsrechtswidriger Weise unklar, in welchen Fällen die Ausnahme vom Recht auf Verbleib bei Ausübung des vorgesehenen Rechtsbehelfs eingreifen soll. Die Regelung in der Asylverfahrensrichtlinie wie auch die Umsetzung in § 30 AsylG würden weiterhin gegen Art. 18, 19 Abs. 2 und 47 der EU-Grundrechte Charta verstoßen. Personen, die in legitimer Weise einen Folgeantrag in der Bundesrepublik Deutschland stellen, dürften nicht während des vorgesehenen Hauptsacherechtsbehelfs abgeschoben werden. In diesem Fall werde dem Betroffenen das Recht, effektiv Asyl zu beantragen, genommen. Die angegriffenen Vorschriften würden außerdem aller Voraussicht nach der noch im April 2024 neu zu beschließenden Verfahrensverordnung der EU widersprechen. Es sei vor diesem Hintergrund widersinnig, im vorliegenden Verfahren eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet aufrechtzuerhalten, wenn die zugrunde liegende europarechtliche Regelung zeitnah abgeschafft werden solle. Außerdem müsse der erworbene Vertrauensschutz berücksichtigt werden. Zumindest sei eine Erklärung seitens der Antragsgegnerin zu fordern, weshalb erst so spät eine Entscheidung ergangen sei. Nur so sei eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet überhaupt möglich gewesen. Es bestünden auch erhebliche Zweifel, ob es sich vorliegend um einen Folgeantrag handele. Über die in der persönlichen Anhörung von 2017 genannten Asylgründe sei nie eine Entscheidung ergangen. Der Antragsteller sei letztmalig im Jahr 2017 zu seinen Fluchtgründen persönlich angehört worden. Gerade im Hinblick auf diesen Zeitraum bestünden ernstliche Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Ablehnung. Insbesondere sei das Bundesamt seiner Sachverhaltsaufklärungspflicht gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht ausreichend nachgekommen. Gerade aufgrund des enormen Zeitablaufs zwischen der Anhörung und der nunmehrigen Entscheidung wäre auch eine neuerliche Anhörung mit geeignetem Dolmetscher geboten gewesen. Ob im Einzelfall eine eindeutige Aussichtslosigkeit bestehe, habe das Bundesamt durch umfassende Würdigung der ihm vorgetragenen oder sonst erkennbaren maßgeblichen Umstände zu entscheiden. Eine thematisch fundierte Ausnahmesetzung der im Raum stehenden Verfolgungsfurcht sei nicht folgt. Auch seien die Familienverhältnisse gänzlich ungeklärt. Unter Beachtung des Umstands, dass die Flucht des Antragstellers schon so lange zurückliege, scheine nicht sicher, inwieweit er es in seinem Heimatland derzeit schaffen solle, seinen Lebensunterhalt und die menschlichen Grundbedürfnisse zu erfüllen.
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Zudem wurde für das Antrags- und das Klageverfahren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt.
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Das Bundesamt legte am 5. Juni 2024 die Behördenakte vor und beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Mit Beschluss vom 6. Juli 2024 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
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Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die vom Bundesamt vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat in der Sache keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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Der Antrag auf aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 24. Mai 2024 ist nach § 80 Abs. 5 VwGO, § 30 Abs. 1 Nr. 8, § 36 Abs. 3, § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG statthaft. Die am 4. Juni 2024 gegen den Bescheid vom 24. Mai 2024, versandt mit eingeschriebenem Brief am 27. Mai 2024, innerhalb der Wochenfrist (§ 30 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG) erhobene Klage entfaltet nach Maßgabe von § 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist damit statthaft.
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Die Antragsgegnerin hat im angegriffenen Bescheid in Nr. 1 die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, in Nr. 2 die Anerkennung als Asylberechtigten und in Nr. 3 die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus jeweils als offensichtlich unbegründet abgelehnt sowie in Nr. 4 festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Weiter hat sie dem Antragsteller in Nr. 5 die Abschiebung nach Äthiopien angedroht. Es bestehen in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aufgrund der im Eilverfahren vorzunehmenden Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids.
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Gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel bestehen dann, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 91 ff., 99). Bei der gerichtlichen Überprüfung der Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet ist für das Eilverfahren erschöpfend zu prüfen, ob die Antragsgegnerin aufgrund einer umfassenden Würdigung der ihr vorgetragenen oder sonst erkennbaren maßgeblichen Umstände unter Ausschöpfung aller ihr vorliegenden oder zugänglichen Erkenntnismittel entschieden und in der Entscheidung klar zu erkennen gegeben hat, weshalb der Antrag nicht als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist, sowie, ob die Ablehnung als offensichtlich unbegründet auch weiterhin Bestand haben kann (vgl. BVerfG, B.v. 25.2.2019, 2 BvR 1193/18 – juris Rn. 21 m.w.N.).
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Nach dieser Maßgabe bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrages des Antragstellers – insbesondere als offensichtlich – unbegründet. Weiter bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Feststellung in Nr. 4, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen.
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a) Nach dem Erkenntnisstand im Eilverfahren sind zunächst keine belastbaren Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die – einfach unbegründete – Ablehnung des Asylantrages des Antragstellers als rechtswidrig erweisen dürfte. Die auf § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG gestützte Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet begegnet im Rahmen der Prüfung des Eilverfahrens ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken, insbesondere ist diese Vorschrift nicht unionsrechtswidrig.
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aa) Die einfach unbegründete Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers erweist sich als rechtmäßig. Zunächst wird nach § 77 Abs. 3 Alt. 1 AsylG auf die ausführlichen Ausführungen der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid Bezug genommen, denen die Einzelrichterin insoweit folgt. Mit dem Bundesamt ist die Einzelrichterin der Auffassung, dass beim Antragsteller die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 AsylG nicht vorliegen. Darüber hinaus wird auf Folgendes hingewiesen:
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Nachdem der Antragsteller ausweislich der Eurodac-Datenbank am 8. Februar 2018 in Italien einen Asylantrag gestellt hatte, der nach Angaben des Antragstellers negativ beschieden wurde, war zunächst Italien für den am 23. Juli 2019 erneut gestellten (weiteren) Asylantrag zuständig. Da eine Überstellung innerhalb der für den Antragsteller maßgeblichen – wegen „flüchtig sein“ verlängerten – Überstellungsfrist nicht möglich war, übernahm das Bundesamt nach Fristablauf die Entscheidung über den Asylantrag in eigener Zuständigkeit. Das Bundesamt ging hierbei davon aus, dass sich die Übernahme des Asylantrags ins nationale Verfahren als neuer Belang im Sinn von § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG darstellt, der mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung führen könnte. Das Bundesamt hat daher den Asylantrag des Antragstellers materiell geprüft. Ob die Voraussetzungen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG tatsächlich vorlagen, braucht daher nicht mehr entschieden werden, da sich die Annahme des Bundesamts lediglich zugunsten des Antragstellers auswirkt.
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Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslands befindet. Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist, gilt einheitlich der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr („real risk“), der demjenigen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 31/18 – juris Rn. 16).
41
In Anwendung dieses Maßstabs ist das Gericht davon überzeugt, dass dem Antragsteller im Fall einer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erneut eine Verfolgung droht.
42
Im Rahmen der materiellen Überprüfung des Asylantrags hat das Bundesamt dabei sowohl die vom Antragsteller in der Anhörung vom 20. Juli 2017 vorgetragenen Gesichtspunkte als auch die in der schriftlichen Folgeantragsbegründung vom 15. Juli 2021, beim Bundesamt eingegangen am 27. Juli 2021, zugrunde gelegt. Bedenken hiergegen bestehen nicht. Insbesondere kann der Antragsteller nicht mit dem Vortrag durchdringen, dass eine erneute persönliche Anhörung zur Bewertung seines Fluchtvorbringens erforderlich gewesen wäre. Das Bundesamt hat bei seiner Prüfung den Vortrag des Antragstellers als wahr unterstellt und den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass durch die mittlerweile in Äthiopien erfolgte politische Veränderung eine erneute Verfolgungssituation des Antragstellers nicht beachtlich wahrscheinlich sei. Eine nochmalige persönliche Anhörung des Antragstellers wäre allenfalls dann im Raum gestanden, wenn das Bundesamt Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Antragstellers gehabt hätte und den Asylantrag aus diesem Grund abgelehnt hätte.
43
Da das Bundesamt den Vortrag des Antragstellers als wahr unterstellt hat, dringt der Antragsteller auch nicht mit dem Vortrag der mangelnden Sachaufklärung durch das Bundesamt durch. Dieses hat den vom Antragsteller vorgetragenen Fluchtvortrag unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnismittel hinsichtlich der politischen Situation in Äthiopien umfassend gewürdigt. Eine weitere Aufklärung der Umstände im August 2016, auf die sich der Antragsteller in seinen Asylgründen bezieht, war aufgrund der veränderten politischen Lage in Äthiopien im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamts nicht veranlasst.
44
Ebenfalls nicht durchdringen kann der Antragsteller mit dem Vortrag, er habe aufgrund der über Jahre andauernden Verfahren einen Vertrauensschutz erworben. Es müsse daher zumindest die Rechtslage gelten, die bei einem zeitlich ordnungsgemäß durchgeführten Asylverfahren gegolten hätte. Die Verzögerung der Entscheidung über den Asylantrag hat größtenteils der Antragsteller zu verantworten, da er sich über einen längeren Zeitraum dem Zugriff des Bundesamts bzw. der Ausländerbehörde entzogen hat, sodass eine Entscheidung über seinen Asylantrag nicht möglich war. Im Übrigen hätte die Möglichkeit bestanden, eine schnellere Entscheidung durch das Bundesamt durch Einleitung einer Untätigkeitsklage zu erwirken. Es spricht nach Aktenlage einiges dafür, dass dem Antragsteller nicht daran gelegen war, eine schnellere Entscheidung des Bundesamts herbeizuführen. Ein Vertrauen darauf, dass sich die Rechtslage nicht ändert, ist nicht schutzwürdig.
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bb) Auch soweit das Bundesamt die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG verneint hat, ist der Bescheid rechtmäßig. Das Gericht schließt sich der Bewertung des Bundesamts im angegriffenen Bescheid an und macht sich die Begründung zu eigen (§ 77 Abs. 3 AsylG). Im gerichtlichen Verfahren wurden insoweit keine Gesichtspunkte vorgetragen, die eine andere Entscheidung begründen könnten.
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cc) Die Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet ist nach der im Rahmen des Eilverfahrens vorzunehmenden summarischen Überprüfung ebenfalls rechtmäßig. Der Offensichtlichkeitsausspruch folgt aus § 30 Abs. 1 Nr. 8 Alt. 1 AsylG in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024 (BGBl. I S. 54), das am 27. Februar 2024 in Kraft getreten ist. Danach ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer – wie hier – einen Folgeantrag gestellt hat und ein weiteres Asylverfahren – mit negativem Ergebnis – durchgeführt wurde.
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Vorliegend ist darauf hinzuweisen, dass die Ablehnung als offensichtlich unbegründet in der vorliegenden Konstellation vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine gesonderte Begründung des Offensichtlichkeitsausspruchs, wie vom Bevollmächtigten des Antragstellers eingefordert, ist aufgrund der gesetzlichen Rechtsfolge nicht erforderlich. Nach § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG (i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung v. 21.2.2024, BGBl. I Nr. 54 – Rückführungsverbesserungsgesetz) ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn – wie hier – der Ausländer einen Folgeantrag gestellt hat und ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wurde. Da das Bundesamt vorliegend den Asylantrag inhaltlich geprüft hat und ein weiteres Asylverfahren durchgeführt hat – es ist keine Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig ausgesprochen worden – ist der Ausspruch der offensichtlichen Unbegründetheit mit der Konsequenz der sofortigen Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung demnach gesetzliche Folge einer Ablehnung des Asylfolgeantrags als in der Sache unbegründet.
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Die Antragsgegnerin es auch zu Recht davon ausgegangen, dass es sich vorliegend um einen Folgeantrag handelt. Der Antragsteller selbst hat angegeben, in Italien ein negatives Asylverfahren durchgeführt zu haben. Das Informationsersuchen des Bundesamts an die italienischen Behörden ergab zwar keine näheren Angaben über den Inhalt der Prüfung und dem Fluchtvortrag, aus der Angabe, der Antragsteller habe lediglich einen vorübergehenden Aufenthalt bis zum 1. März 2021 besessen, irgendeine andere Aufenthaltserlaubnis habe er nicht besessen, ist jedoch erkennbar, dass der Antragsteller jedenfalls keinen internationalen Schutz erhalten hat. Aufgrund der eindeutigen Daten aus der Eurodac-Datenbank, wonach der Antragsteller am 8. Februar 2018 in Italien einen Asylantrag gestellt hatte, ist eindeutig, dass es sich bei dem in der Bundesrepublik am 23. Juli 2019 erneut gestellten Asylantrag um einen Folgeantrag handelt.
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Das Bundesamt konnte den Asylantrag auch als „offensichtlich unbegründet“ ablehnen, obwohl es selbst festgestellt hatte, dass neue Elemente oder Erkenntnisse vorliegen und diese mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung beitragen würden. Dies folgt aus der Zweistufigkeit des Folgeverfahrens (dazu zur alten Rechtslage Camerer in: BeckOK MigR, 18. Ed 15.1.2024, § 71 Rn. 38 f., zum neuen Recht RegBegr. zu § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG, BR-Drs 563/23, S. 61 f.). Die Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ ist nach der Neufassung in den Fällen, in denen die im ersten Schritt ermittelten „neuen Elemente oder Erkenntnisse“ nicht zur Anerkennung führen, wie oben bereits ausgeführt, zwingend auszusprechen. Zu einer solchen Einschränkung des Rechtsschutzes ermächtigt ausdrücklich Art. 31 Abs. 8 lit. f der Asylverfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU), die der Gesetzgeber mit dem Rückführungsverbesserungsgesetz umsetzt (RegBegr. a.a.O., S. 60). Diese Einschränkung ist auch inhaltlich gerechtfertigt. Wie vom Bundesverfassungsgericht für das bisherige Recht gefordert, ist auch hier eine eindeutige Aussichtlosigkeit gegeben (vgl. U.v. 14.5.1996, 2 BvR 1516/93, juris Rn. 89 f., auch zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bestimmung der „offensichtlichen Unbegründetheit“).
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Die Vorschrift des § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG ist auch mit Unionsrecht vereinbar, insbesondere sei sichergestellt, dass der Antragsteller einen wirksamen Rechtsbehelf einlegen kann und während der Dauer dieses Rechtsbehelfsverfahrens der Aufenthalt im Mitgliedstaat gewährleistet ist. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) muss im Falle einer Verbindung der Asylablehnung mit der Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 6 der RL 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 (Rückführungsrichtlinie) – hier: der Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheids vom 24. Mai 2024 – unter anderem gewährleistet sein, dass der Ausländer für die Dauer des maßgeblichen Rechtsbehelfsverfahrens ein Recht zum Verbleib im betreffenden EU-Mitgliedstaat hat und dass dieser Rechtsbehelf seine volle Wirksamkeit entfaltet (EuGH, U.v. 19.6.2018 – C-181/16 – juris; BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – juris; U.v. 20.2.2020 – 1 C 19.19 – juris). Demgemäß ist in Art. 46 Abs. 5 Asylverfahrens-RL geregelt, dass die Mitgliedstaaten dem Antragsteller den Verbleib in ihrem Hoheitsgebiet bis zum Ablauf der Frist zur Ausübung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf bzw. im Falle der fristgemäßen Ausübung bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf gestatten. Der Europäische Gerichtshof hat präzisiert, dass bei einer Rückkehrentscheidung und einer etwaigen Abschiebungsentscheidung der mit dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und dem Grundsatz der Nichtzurückweisung verbundene Schutz dadurch zu gewährleisten ist, dass der Person, die internationalen Schutz beantragt hat, das Recht zuzuerkennen ist, vor mindestens einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, der kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat. Die Mitgliedstaaten haben zu gewährleisten, dass der Rechtsbehelf dadurch seine volle Wirksamkeit entfaltet, in dem während der Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs und im Fall fristgerechter Einlegung bis zur Entscheidung über ihn alle Wirkungen der Rückkehrentscheidung auszusetzen sind (VG Würzburg, U.v. 17.7.2020 – W 10 K 19.31704 – juris Rn. 41; VGH BW, B.v. 30.8.2021 – 12 S 1394/23 – juris Rn. 18). Diese Vorgaben sind durch die in § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG geregelte Verfahrensduldung gewährleistet, da der Rechtsbehelf insoweit kraft Gesetzes bis zur Entscheidung des Gerichts aufschiebende Wirkung entfaltet. Im Hinblick auf die in § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG normierte Verfahrensduldung kommt Art. 46 Abs. 6 Asylverfahrens-RL keine eigenständige Bedeutung zu. Nach dieser Vorschrift ist das Gericht befugt, über den Verbleib des Antragstellers im Hoheitsgebiet zu entscheiden, sofern dies nach dem nationalen Recht nicht vorgesehen ist. Eine entsprechende Regelung ist jedoch in § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO enthalten, da das Gericht befugt ist, bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der ablehnenden Asylentscheidung den Vollzug der Abschiebungsandrohung auszusetzen und somit den Verbleib bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu gewährleisten.
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b) Es bestehen im Rahmen des Eilverfahrens schließlich keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Feststellung in Nr. 4 des angegriffenen Bescheides, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen.
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Hinsichtlich § 60 Abs. 5 AufenthG kann auf die Ausführungen im Bescheid verwiesen werden. Anhaltspunkte dafür, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK drohe, die die Annahme eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG rechtfertigen könnte, gibt es auch unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Antragstellers nicht. Der Antragsteller hat eine Schulbildung und bereits Berufserfahrung erworben. Es ist auch davon auszugehen, dass er auf ein soziales Netzwerk in seinem Heimatland zurückgreifen kann, nachdem er dort bis zu seinem 25. Lebensjahr gelebt hat. Im gerichtlichen Verfahren wurden im Übrigen keine Gesichtspunkte vorgetragen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten.
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Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Derartige Gefahren sind bei einer Rückkehr des Antragstellers, soweit es um die Existenzsicherung geht, wie oben ausgeführt, nicht ersichtlich. Erkrankungen i.S. des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG hat der Antragsteller weder vorgetragen noch durch Nachweise belegt.
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c) Die Abschiebungsandrohung (Nr. 5 des Bescheids) wurde zu Recht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützt. Die in Nr. 6 des angefochtenen Bescheids ausgesprochene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gem. § 11 Abs. 1 AufenthG erweist sich voraussichtlich als rechtmäßig. Die darin getroffenen Ermessenserwägungen berücksichtigen die persönliche Situation des Antragstellers angemessen und sind nach Aktenlage nicht zu beanstanden.
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3. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).
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4. Da weder für das Klage- noch für das Antragsverfahren hinreichende Erfolgsaussichten bestehen, war auch der gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe – und damit einhergehend der Antrag auf Beiordnung des Bevollmächtigten – abzulehnen (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Dies gilt unabhängig davon, ob beim Antragsteller die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe vorliegen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).