Inhalt

VG Augsburg, Gerichtsbescheid v. 08.07.2024 – Au 8 K 22.1527 , Au 8 K 22.1528
Titel:

Erfolglose Klage eines Reichsbürgers gegen den Widerruf einer erteilten waffenrechtlichen Erlaubnis

Normenketten:
BayVwVfG § 52
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 45 Abs. 2 S. 1
BJagdG § 17 Abs. 1, § 18 S. 1
Leitsätze:
1. Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu Eigen gemacht haben, sind grundsätzlich waffenrechtlich unzuverlässig. Grund hierfür ist, dass mit der Verleugnung des Bestehens bzw. der Legitimation der Bundesrepublik Deutschland zwangsläufig auch die Gefahr einhergeht, dass die Betreffenden die geltenden Gesetze der Bundesrepublik Deutschland, und damit auch das Waffengesetz, nicht als für sich verbindlich anerkennen und deshalb die Gefahr besteht, dass sie die Vorschriften nicht einhalten werden. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Um beurteilen zu können, ob eine Zugehörigkeit zur sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ besteht bzw. zu deren Ideologie, ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen. Hierbei wird die Persönlichkeit des Betroffenen sowie sein prozessuales und außerprozessuales Verhalten und seine Einlassungen im Rahmen der Gesamtwürdigung berücksichtigt. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Rahmen der Prüfung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit müssen Tatsachen vorhanden sein, die den Betroffenen der sogenannten „Reichsbürgerszene“ zuordnen. Grundlage für die zu erstellende Prognose sind die festgestellten Tatsachen. Die Tatsachen müssen darauf hinweisen, dass die betreffende Person Anhänger der „Reichsbürgerszene“ ist. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
4. Wer gegenüber einer Behörde dem Gedankengut der „Reichsbürger“ entlehnte Äußerungen in einer „reichsbürgertypischen“ Art und Weise trifft und entsprechende Verhaltensweisen (wissentlich und willentlich) zeigt, geht davon aus und beabsichtigt gerade, seine ablehnende Haltung gegenüber der Rechtsordnung sozusagen amtlich und ernsthaft einer Behörde gegenüber kund zu tun. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine Distanzierung vom einem gesetzten Anschein einer Ablehnung von Repräsentanten des Staates erfordert wiederum nach außen erkennbare Umstände, die eine Wahrscheinlichkeit dafür bieten, dass der Betroffene auch eine Änderung der inneren Haltung vorgenommen hat. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse, Waffenbesitzverbot für erlaubnisfreie Waffen bzw. Munition, Nähe zur Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“, Verpflichtung zur Abgabe eines abgelaufenen Jagdscheins, Waffenrecht, waffenrechtliche Erlaubnisse, Widerruf, Reichsbürgerbewegung, Zuverlässigkeit, Prognose, Distanzierung, Jagdschein
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18399

Tenor

I.    Die Verfahren Au 8 K 22.1527 und Au 8 K 22.1528 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II.    Die Klagen werden abgewiesen.
III.    Der Kläger hat die Kosten der Verfahren zu tragen.
IV.    Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten über den Widerruf einer erteilten waffenrechtlichen Erlaubnis samt den hierzu ergangenen Neben- bzw. Folgeentscheidungen (Au 8 K 22.1527) wie auch die Verpflichtung zur Abgabe eines abgelaufenen Jagdscheines und das hierauf gestützte angedrohte Zwangsgeld (Au 8 K 22.1528).
2
Der Kläger ist Jäger und seit 1994 Waffenbesitzer. Der Beklagte stellte ihm im Jahr 1994 eine Waffenbesitzkarte aus (Nr. ...), in welche vier Langwaffen sowie eine Kurzwaffe eingetragen sind. Der am ... 2013 für den Kläger ausgestellte Jagschein Nr. ... ist seit dem 1. April 2022 nicht mehr gültig.
3
Mit Schreiben vom 20. Juli 2018 beantragte der Kläger eine Befreiung von Rundfunkgebühren. Mangels Zahlung wurde dem Kläger die Zwangsvollstreckung angedroht. In diesem Zusammenhang übersandte der Kläger im April 2021 der zuständigen Gerichtsvollzieherin ein Schreiben. In diesem fragte der Kläger an, auf welcher Grundlage Rundfunkgebühren zu zahlen seien, da ein diesbezüglicher Vertrag nicht geschlossen worden sei. Er wies darauf hin, dass die Gerichtsvollzieherin ohne Stempel sowie ohne die Angabe ihres vollständigen Namens keine rechtsgültigen Bescheide ausstellen dürfe. In seinem Schreiben führte der Kläger im Wesentlichen aus, dass die Gerichtsvollzieherin beweisen solle, dass er dieser gegenüber Pflichten haben solle – auch im Hinblick darauf, dass er Staatsangehöriger nach RuStAG 1913 sei. Es wurde unter anderem Beweis verlangt, dass Berlin ein Land der Bundesrepublik sei und somit von diesem regiert werden dürfe, sei dem nicht so, so werde die Vorlage des Genehmigungsschreibens der Alliierten gefordert. Es bedürfe eines Beweises, dass eine der vertragschließenden Parteien des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags mit Verweis auf die völkerrechtliche Definition eines Staates sowie der Konvention von Montevideo von 1933 ein Staat sei.
4
Aus diesem Grund wurde im Rahmen einer waffenrechtlichen Aufbewahrungskontrolle eine persönliche Befragung des Klägers durch die zuständige Kriminalpolizeiinspektion im Juli 2021 durchgeführt. Vor Ort wurden keine Beanstandungen im Hinblick auf die Aufbewahrung der Waffen bzw. Munition festgestellt. Die Frage nach einem Staatsangehörigkeitsausweis verneinte der Kläger. Im Gespräch führte er aus, dass er einen solchen Ausweis lediglich nach RuStAG vor 1933 anerkennen würde, da im Anschluss an den Krieg kein Friedensvertrag, sondern der „2+4 Vertrag“ geschlossen worden sei. Im Gespräch äußerte der Kläger Zweifel, ob die Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich rechtlich bestehe.
5
Im Aktenvermerk vom 7. Juli 2021 hielt der das Gespräch führende Kriminalhauptkommissar fest, dass der Kläger aus seiner Sicht in der Gesamtschau die Ideologie der Reichsbürgerbewegung vertreten würde, weshalb er als Reichsbürger eingestuft werde.
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Der Kläger wurde mit Schreiben vom 10. August 2021 zum beabsichtigten Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse, der Ungültigkeitserklärung seines Jagdscheines sowie dem Erlass eines Waffenbesitzverbotes angehört. Grund hierfür sei der Verdacht, dass der Kläger die Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ vertrete.
7
Der Kläger nahm mit Schreiben vom 24. August 2021 zum Anhörungsschreiben des Beklagten Stellung, wies die Vorwürfe zurück und verwies auf die persönliche Haftung des Beklagten. Er sehe durch sich keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, zudem sei er nicht vorbestraft.
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Mit Schreiben vom 20. September 2021 legte der Kläger in seinem Wohnort Widerspruch gegen die Bundestagswahl 2021 ein. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass diese illegal sei. Das Bundeswahlrecht verstoße nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts bereits seit dem Jahr 1956 gegen das Grundgesetz. Dieses Grundgesetz habe keinen Gültigkeitsbereich seit der Wiedervereinigung. Aus diesem Grund könne die Bundesrepublik als „Schein-Staatsfragment“ betrachtet werden. Zudem behalte er sich das Recht vor, alle hieraus abgeleiteten nachteiligen Beschlüsse abzulehnen.
9
Am 27. Januar 2022 fand aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses des zuständigen Amtsgerichts eine Sicherstellung der Waffen sowie Munition des Klägers statt. Im Rahmen der Sicherstellung wurde festgestellt, dass entgegen der Aufbewahrungsvorschriften eine Kurzwaffe im Waffenschrank der Sicherheitsstufe A gelagert worden war. Den Polizeibeamten gegenüber äußerte sich der Kläger dahingehend, dass das Amtsgericht eine Firma sei.
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Mit Schreiben vom 7. Dezember 2021 verfasste der Kläger ein Schreiben an einen Richter, wonach auf ein Pfandrecht auf das Privatvermögen des Richters hingewiesen werde.
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Mit Schreiben vom 14. Februar 2022 wurde der Kläger erneut zum Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnis sowie zu der Erteilung eines Waffenbesitzverbotes angehört.
12
Der Kläger teilte mit Schreiben vom 28. Februar 2022 mit, dass er den Beklagten als Firma im Deckmantel einer Behörde betrachten müsse. Damit könne man dem Beklagten quasi eine zweifelhafte hoheitliche Legitimation anlasten. Ausweislich eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts seien seit über 50 Jahren nichtige Gesetze und Verordnungen einer nicht legitimierten Regierung vorhanden. Da es aufgrund der Staatstheorie keinen Staat gebe, könne es keine gültigen Staatsverträge mit der BRD oder den Rundfunkanstalten geben. Dies habe er der Gerichtsvollzieherin auch mitgeteilt. Im Hinblick auf die Wahl wurde vielfach berichtet, dass Fehler im Rahmen der Wahl passiert seien. Bezüglich des Schreibens an den zuständigen Richter werde klargestellt, dass es sich lediglich um ein Angebot gehandelt habe. Dem Polizeibeamten gegenüber habe er im Rahmen der Durchsuchung lediglich im Hinblick auf dessen Haftungsansprüche gewarnt und nicht gedroht. Es werde festgehalten, dass das Amtsgericht eine Firma sei, dies ergebe sich aus dem Gesamtkontext eines Firmengeflechts. Die Bitte, die Schreiben des Beklagten mit vollständiger Namensangabe zu unterzeichnen, sei nicht nachgekommen worden. Es werde bezüglich der Aufbewahrung der Waffen auf den zweiten Sicherheitsschrank verwiesen. Er halte sich an die mit dem Besitz von Waffen einhergehenden Regelungen. Hiervon unberührt bleibe das Recht auf moralisches Handeln sowie die Pflicht zur Notwehr. Von Behördenseite habe es bislang keine objektiv konkreten, transparenten sowie nachvollziehbaren Hinweise zu etwaigen Verstößen seinerseits gegeben. Die Schreiben nun im Nachgang als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu bezeichnen, sei unfair sowie ungerecht.
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Auf das Schreiben wird im Einzelnen verwiesen.
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Mit Bescheid vom 20. Juni 2022 wurde die waffenrechtliche Erlaubnis des Klägers, die Waffenbesitzkarte Nr., widerrufen (Ziffer 1 des Bescheids). Dem Kläger wurde der Besitz und Erwerb von erlaubnisfreien Waffen und Munition unbefristet ab Bestandskraft des Bescheides untersagt (Ziffer 2). Im Hinblick auf die bereits erfolgte Sicherstellung der erlaubnispflichtigen Waffen sowie dazugehöriger Munition wurde dem Kläger aufgegeben innerhalb von vier Wochen mitzuteilen, ob an eine berechtigte Person die Überlassung erfolgen solle oder einen zur Unbrauchbarmachung der Waffen berechtigten Büchsenmacher mitzuteilen. Im Falle einer unterbliebenen Mitteilung wurde ersatzweise die Vernichtung der Waffen sowie Munition angeordnet (Ziffer 3). In Ziffer 4 wurde angeordnet, dass der Kläger den derzeit abgelaufenen Jagdschein Nr. ... innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides abzugeben hat. Für den Fall, dass der Kläger seiner Verpflichtung aus Ziffer 4 des Bescheids nicht rechtzeitig nachkommt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR angedroht (Ziffer 5). Die Kosten des Verfahrens wurden dem Kläger auferlegt (Ziffer 6).
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Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt: Der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis stütze sich auf § 45 Abs. 2 WaffG. Bei Anhängern der Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ seien nach der Rechtsprechung zu befürchten, dass diese die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen würden. Die Äußerungen des Klägers gegenüber der Gerichtsvollzieherin, wonach die Existenz der Bundesrepublik Deutschland sowie die hoheitlichen Befugnisse der Gerichtsvollzieherin bezweifelt werden, würden auf die Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ hinweisen. Im Rahmen einer persönlichen Befragung am 6. Juli 2021 habe der Kläger weitere Zweifel geäußert, ob die BRD rechtlich bestehe. Zwar sei der Kläger nicht im Besitz eines „Staatsangehörigenausweises“, jedoch habe er mitgeteilt, dass ein solcher Ausweis lediglich nach RuStAG von 1933 in Frage komme. Zudem werde auf die Einlegung des Widerspruchs gegen die Bundestagswahl verwiesen, in welchem die BRD als „Schein-Staatsfragment“ bezeichnet werde sowie auf ein Schreiben an einen Richter des Landgerichts, welches aus Sicht des Beklagten in „Reichsbürger“-Diktion verfasst sei. Auch im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung habe sich der Kläger dahingehend geäußert, dass der zuständige Polizeibeamte persönlich für diese Handlung mit seinem gesamten Vermögen hafte und das für den Beschluss zuständige Amtsgericht eine Firma sei. Aufgrund des im Rahmen der Durchsuchung festgestellten Aufbewahrungsverstoßes – Aufbewahrung der Kurzwaffe sowie Munition im Waffenschrank der Sicherheitsstufe A – sei der Kläger erneut angehört worden, woraufhin der Kläger mitgeteilt habe, dass es sich beim zuständigen Landratsamt sowie anderen Behörden um Firmen im Deckmantel einer Behörde handle. Der Kläger zweifle hierdurch die hoheitliche Legitimation der Behörden an. Die seitens des Klägers geäußerten Auffassungen sowie Überzeugungen seien nach ihrem Inhalt typischerweise solche der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“. Hinzu komme die nicht ordnungsgemäße Aufbewahrung der Waffen und Munition. Entgegen § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG habe der Kläger diese nicht sorgfältig aufbewahrt. Das darüber hinaus angeordnete Waffenbesitzverbot stütze sich auf § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG. Ein solches sei nach Ausübung des dem Beklagten zustehendem Ermessen gerechtfertigt sowie geboten. Ziffer 3 des Bescheids beruhe auf § 46 Abs. 5 WaffG. Die Einziehung des Jagdscheins ergebe sich aus § 18 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 BJagdG. Der Jagdschein sei seit dem 1. April 2022 nicht mehr gültig und dem Kläger fehle die Zuverlässigkeit im Sinne von § 5 WaffG. Nach § 52 BayVwVfG seien Urkunden von erloschenen Erlaubnissen zurückzugeben. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG, die Kostenentscheidung auf Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 Satz 1, Art. 5, 6 und 7 KG.
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Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen verwiesen.
17
Dagegen erhob der Kläger am 22. Juli 2022 Klage und beantragt,
18
1. den Bescheid des Beklagten vom 20. Juni 2022 (Az. ... ) hinsichtlich der Ziffern 1 bis 3 sowie der Ziffern 5 und 6 aufzuheben.
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2. den Bescheid des Beklagten vom 20. Juni 2022 (Az. ... ) hinsichtlich der Ziffern 3 bis 6 aufzuheben.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die im Bescheid aufgeführte Argumentation unangemessen sowie zum Teil falsch und überzogen sei. Auf Art. 46 und Art. 47 der HLKO sowie Art. 5, 10, 31 GG und die Bereinigungsgesetze wie beispielsweise die Aufgebung der ZPPO werde verwiesen. Zudem handle es sich um eine Vielzahl von Vorwürfen, unter anderem gestützt auf den Sicherstellungsbeschluss des Amtsgerichts, welcher ohne Unterschrift sei, weshalb die kriminalpolizeiliche Maßnahme der Beschlagnahmung rechtlich unzulässig gewesen sei.
21
Der Beklagte hat bislang keinen Antrag gestellt, legte die Behördenakte vor und verwies auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids.
22
Es werde darüber hinaus auf einen Einspruch des Klägers vom Januar 2023 gegen einen Bußgeldbescheid verwiesen. In diesem habe der Kläger weitere typische Äußerungen der Reichsbürgerbewegung getätigt.
23
Mit gerichtlichem Schreiben vom 9. Januar 2024 wurden die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
24
Mit Schreiben vom 10. Januar 2024 teilte der Beklagte mit, dass Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid bestehe.
25
Mit Schreiben vom 30. Januar 2024 nahm der Kläger Stellung: Der streitgegenständliche Bescheid habe wesentliche Mängel, weshalb er aufgehoben werden sollte. Insbesondere beruhe er auf falschen Tatsachen, untragbaren Unterstellungen sowie Verdrehungen. Es handle sich lediglich um eine geringe Ordnungswidrigkeit. Er sei am Tag der Sicherstellung polizeilich daran gehindert worden, den Sachverhalt zu korrigieren. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vorgelegen. Er halte sich nach bestem Wissen und Gewissen an die Gesetze. Er habe mit Beginn der Corona-Kampagne angefangen, die Wahrheit zu ergründen. Aus ethisch-moralischen Gründen habe er sich aus diesem Grund gegen den Rundfunkbeitrag wehren wollen. Die entsprechenden Briefe an die Gerichtsvollzieherin würden aus heutiger Sicht nicht mehr so aussehen. Er sei nicht vorbestraft, bis zu diesem Zeitpunkt seien alle waffen- und jagdrechtlichen Bestimmungen eingehalten worden. In den behördlichen Schreiben werde weder das Naturrecht, das Menschenrecht, das Völkerrecht, das Staatsrecht, noch die Militärgesetzgebung berücksichtigt. Die prekäre Situation der BRD werde verdreht sowie negiert. Behördliche Stellen würden sich vielfach nicht an gültiges Recht halten, wodurch eine Befreiung der Bevölkerung aus der Besatzung etc. verhindert werde. Dem Kläger sei durch Erteilung der Meldeobligation sowie des Reisepasses eine juristische Person zugewiesen worden, für welche er in gewissem Kontext handle. Er habe Machtkritik formuliert, weshalb auch Zweifel am gesamten System aufkamen. Es gebe ein Recht auf freie Meinungsäußerung sowohl nach dem Grundgesetz als auch nach dem Völkerrecht. Hinsichtlich des Aufbewahrungsverstoßes handle es sich lediglich um eine Waffe und nicht mehrere. Diese sei versehentlich an diesem Tag falsch aufbewahrt worden. Normalerweise werde die Pistole im kleinen Stahlschrank aufbewahrt. Er habe an diesem Tag unerwartet Besuch erhalten und habe danach zu einem Termin bei der Polizei gehen müssen, weshalb er die Pistole kurzerhand im Waffenschrank weggeschlossen habe. An eine unsachgemäße Aufbewahrung von Munition könne er sich nicht erinnern, da die Munition im abgeschlossenen Innenfach des Waffenschranks aufbewahrt worden sei. Im Waffenschrank seien lediglich leere Hülsen sowie erlaubnisfreie „Böller“ gelagert worden. Darüber hinaus sei ein Zugriff Unberechtigter zu jedem Zeitpunkt ausgeschlossen gewesen. Er sei aufgrund seiner Weltanschauung behördlich diskriminiert worden. Bis zu einer Urteilsverkündung gelte die Unschuldsvermutung. Das angeordnete Verschrotten der Waffen sei unverhältnismäßig. Der Jagdschein sei nicht verlängert worden, da der Beklagte damit drohe den Jagdschein im Falle der Vorlage im Rahmen einer Verlängerung einziehen zu wollen – es gebe weiterhin Bedarf für den Jagdschein. Eine Zahlung von Zwangsgeld werde abgelehnt, da er Hauptgeschädigter sei. Auch die Kostenentscheidung werde abgelehnt, da keine konkrete Leistung bestellt worden sei.
26
Auf die Stellungnahme des Klägers wird im Einzelnen verwiesen.
27
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28
Die beiden Verfahren konnten nach § 93 Satz 1 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) durch das Gericht zur gemeinsamen Entscheidung verbunden werden (Ziffer I). Im Hinblick auf den streitgegenständlichen Bescheid war dies sachgerecht. Bei sachgerechter Auslegung der seitens des Klägers gestellten Klageanträge, § 88 VwGO, wird der gesamte Bescheid des Beklagten vom 20. Juni 2022 (Az. ... ) angefochten.
29
Die Entscheidung konnte im vorliegenden Fall durch Gerichtsbescheid ergehen, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zu diesem Vorgehen nach § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO angehört.
30
Die zulässigen Klagen bleiben ohne Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 20. Juni 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, §§ 84 Abs. 1 Satz 3, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
31
1. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis setzt unter anderem voraus, dass ein Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG).
32
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition unvorsichtig oder unsachgemäß umgehen werden oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden bzw. gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) WaffG Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Widerrufs ist der des Bescheiderlasses (BayVGH, B.v. 13.4.2021 – 24 B 20.2220 – juris Rn. 14).
33
Die bei Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG vorzunehmende, gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose hat sich an dem Zweck zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/693 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 14.11.2016 – 21 ZB 15.648 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 16.9.2008 – 21 ZB 08.655 – juris Rn. 7). Eine negative Prognose ist lediglich dann nicht gerechtfertigt, wenn die zugrundeliegenden Tatsachen nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko stützen, dass die betreffende Person auch in Zukunft Verhaltensweisen, die eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit erfüllen, begehen wird (BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1/14 – juris Rn. 17). Angesichts des möglichen Schadens bei Nichtbewährung und des präventiven ordnungsrechtlichen Charakters der Forderung nach einer besonderen Zuverlässigkeit im Umgang mit Waffen und Munition genügt es, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine nicht ordnungsgemäße Ausübung des erlaubnispflichtigen Umgangs mit Waffen und Munition verbleibt (BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 23.11.2015 – 21 CS 15.2130 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12). Dabei muss ein Restrisiko nicht hingenommen werden (BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 23.5.2014 – 21 CS 14.916 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 13.5.2014 – 21 CS 14.720 – juris Rn. 9).
34
Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu Eigen gemacht haben, sind grundsätzlich waffenrechtlich unzuverlässig (ständige obergerichtliche Rechtsprechung, vgl. BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 20.12.2021 – 24 ZB 20.1386 – juris Rn. 15, stRspr.). Grund hierfür ist, dass mit der Verleugnung des Bestehens bzw. der Legitimation der Bundesrepublik Deutschland zwangsläufig auch die Gefahr einhergeht, dass die Betreffenden die geltenden Gesetze der Bundesrepublik Deutschland, und damit auch das Waffengesetz, nicht als für sich verbindlich anerkennen und deshalb die Gefahr besteht, dass sie die Vorschriften nicht einhalten werden (stRspr. BayVGH, vgl. z.B. B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332; B.v. 10.1.2018 – 21 CS 17.1339; B.v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519; B.v. 12.3.2018 – 21 CS 17.1678; B.v. 16.1.2019 – 21 C 18.578; B.v. 22.8.2019 – 21 CS 18.2518; B.v. 8.12.2021 – 24 ZB 20.1495; B.v. 20.12.2021 – 24 ZB 20.1386; U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363; B.v. 20.4.2023 – 24 CS 23.295 – alle juris).
35
Nach dem Verfassungsschutzbericht 2022 des Bundes (S. 104 ff.) sind sog. Reichsbürger und Selbstverwalter personell, organisatorisch und ideologisch heterogene Gruppierungen und Einzelpersonen. Eine trennscharfe Unterscheidung zwischen „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ ist mitunter schwer zu treffen. Nach dem Bayerischen Verfassungsschutzbericht 2022 (S. 235 ff.; vgl. analog die Definition im Verfassungsschutzbericht 2022 des Bundes) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit verschiedenen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Dabei berufen sie sich u.a. auf das historische Deutsche Reich, auf verschwörungstheoretische Argumentationsmuster und ein selbstdefiniertes Naturrecht. Den Repräsentanten des Staates und dessen Institutionen sprechen sie die Legitimation ab und bestreiten die Gültigkeit der Rechtsordnung. Zur Verwirklichung ihrer Ziele treten sie zum Teil aggressiv gegenüber den Gerichten und Behörden der Bundesrepublik Deutschland auf. Die „Reichsbürgerideologie“ ist insgesamt geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem Staatsverdrossenheit zu Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse bis hin zur Gewaltanwendung werden. „Reichsbürger“ entfalten gegenüber staatlichen Institutionen eine Vielzahl typischer Aktivitäten, welche zum Teil Ausdruck ihrer Ideologie sind, aber auch auf die Lahmlegung der öffentlichen Verwaltung abzielen. Angehörige der „Reichsbürger- und Selbstverwalterszene“ bestreiten die rechtmäßige Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat und bezeichnen diese häufig als „Firma BRD“. Teile der Bewegung sind zudem der Auffassung, dass sie nicht die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland besitzen bzw. aus dieser „austreten“ können. Personen aus deren Umfeld sind u.a. dafür bekannt, dass sie sich gegenüber Behörden explizit auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 beziehen. Außerdem beantragen „Reichsbürger“ vielfach die Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Dieses amtliche Dokument der Bundesrepublik Deutschland, mit dem der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit dokumentiert wird, wird im (Rechts-)Verkehr nur in seltenen Fällen als ein über den Personalausweis bzw. den Pass hinausgehender Beleg der deutschen Staatsangehörigkeit benötigt. Die Beantragung eines solchen Staatsangehörigkeitsausweises durch „Reichsbürger“ beruht darauf, dass in der Szene die Behauptung kursiert, das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in seiner Fassung vom 22. Juli 1913 sei unverändert gültig und daher müsse man, um der Staatenlosigkeit und dem damit einhergehenden „Sklavenstatus“ zu entgehen, nach den damaligen Gesetzen einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen (vgl. etwa BayVGH, U.v. 30.7.2020 – 24 BV 18.2500 – juris Rn. 13 m.w.N.). Aufgrund dessen bestehe die Gefahr, dass diese die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland, in diesem Fall die Regelungen des Waffengesetzes, als für sich nicht verbindlich ansehen und aus diesem Grund die Regelungen nicht einhalten werden (BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris Rn. 17).
36
Um beurteilen zu können, ob eine Zugehörigkeit zur sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ besteht bzw. zu deren Ideologie, ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen (BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris Rn. 19). Hierbei wird die Persönlichkeit des Klägers sowie sein prozessuales und außerprozessuales Verhalten und seine Einlassungen im Rahmen der Gesamtwürdigung berücksichtigt (BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 4.10.2018 – 21 CS 18.264 – juris Rn. 12). Im Rahmen der Prüfung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit müssen Tatsachen vorhanden sein, die den Betroffenen der sogenannten „Reichsbürgerszene“ zuordnen (BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris Rn. 19). Grundlage für die zu erstellende Prognose sind die festgestellten Tatsachen (VG München, U.v. 29.7.2020 – M 7 K 18.4259 – juris Rn. 26). Die Tatsachen müssen darauf hinweisen, dass die betreffende Person Anhänger der „Reichsbürgerszene“ ist (BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris Rn. 19).
37
Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze liegen hinreichende Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen war bzw. sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht hat und damit keine Gewähr für eine stets sachgerechte Handhabung von Waffen geboten hat, mithin zu diesem Zeitpunkt als waffenrechtlich unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) und lit. c) WaffG einzustufen war.
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Angestoßen wurde die Überprüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers insbesondere durch ein vom 20. Juli 2018 datiertes Schreiben des Klägers an eine Gerichtsvollzieherin, in welchem der Kläger die Befugnisse der Gerichtsvollzieher in Frage stellte bzw. in diesem Rahmen darauf hinwies, dass er Staatsangehöriger nach RuStAG 1913 sei. Die Frage nach einem Staatsangehörigenausweis verneinte der Kläger. Im Rahmen der durchgeführten Aufbewahrungskontrolle im Juli 2021 sowie später äußerte sich der Kläger dahingehend, dass er lediglich einen Ausweis nach RuStAG vor 1933 anerkennen würde. Mehrfach äußerte der Kläger Zweifel im Hinblick auf das rechtliche Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Vielmehr sei die Bundesrepublik Deutschland als „Schein-Staatsfragment“ zu betrachten, dass es aufgrund der Staatstheorie keinen Staat gebe sowie seit über 50 Jahren nichtige Gesetze einer nicht legitimierten Regierung vorhanden seien (Schreiben des Klägers vom 20. September 2021 sowie Schreiben vom 28. Februar 2022). Darüber hinaus wurden seitens des Klägers sowohl der Beklagte selbst mit Schreiben vom 28. Februar 2022 wie auch das für ihn zuständige Amtsgericht im Gespräch im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung vom 27. Januar 2022 als „Firma“ bezeichnet. Die Schreiben sind für die „Reichsbürgerbewegung“ typisch und legen eine entsprechende Zugehörigkeit bzw. ideologische Ausrichtung des Klägers nahe. Denn „Reichsbürger“ bestreiten die Existenz bzw. Legitimation der Bundesrepublik Deutschland als Staat und bezeichnen diese häufig als „Firma BRD“ (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2022, S. 246; vgl. auch etwa BayVGH, B.v. 8.12.2021 – 24 ZB 20.1495 – juris Rn. 16).
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Durch die Schreiben des Klägers an die Gerichtsvollzieherin, den Einspruch gegen die Bundestagswahl 2021, das Schreiben an einen Richter sowie aufgrund eines Schreibens an den Beklagten im Rahmen der Anhörung zum Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis ist der Kläger aufgrund des darin enthaltenen Inhalts bzw. der darin enthaltenen für die „Reichsbürgerbewegung“ typische Argumentationslinie nach außen hin als Reichsbürger in Erscheinung getreten. Der Kläger ließ seine, in den dargelegten Einlassungen und Verhaltensweisen zum Ausdruck kommende innere Einstellung nach außen hin deutlich erkennen. Denn wer gegenüber einer Behörde dem Gedankengut der „Reichsbürger“ entlehnte Äußerungen in einer „reichsbürgertypischen“ Art und Weise treffen und entsprechende Verhaltensweisen (wissentlich und willentlich) zeigt, geht davon aus und beabsichtigt gerade, seine ablehnende Haltung gegenüber der Rechtsordnung sozusagen amtlich und ernsthaft einer Behörde gegenüber kund zu tun (vgl. auch BayVGH, B.v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519 – juris Rn. 19).
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Zwar ließ sich der Kläger in seiner Klagebegründung dahingehend ein, dass er sich aus moralischen Gründen gegen den Rundfunkbeitrag habe wehren wollen, ein Brief an die Gerichtsvollzieherin aus heutiger Sicht jedoch nicht mehr so aussehen würde und er sich selbst nicht als sogenannten „Reichsbürger“ sehe. Auf die Tatsache, dass sich der Kläger selbst nicht als „Reichsbürger“ einordnen würde, kommt es im vorliegenden Fall jedoch nicht an. Eine Distanzierung von dem hierdurch gesetzten Anschein einer Ablehnung von Repräsentanten des Staates ist seitens des Klägers nicht erfolgt. Eine Distanzierung von der durch sein bisheriges Verhalten nach außen erkennbare Einstellung erfordert wiederum nach außen erkennbare Umstände, die eine Wahrscheinlichkeit dafür bieten, dass der Betroffene auch eine Änderung der inneren Haltung vorgenommen hat (VG München, GB v. 31.1.2022 – M 7 K 19.5989 – juris Rn. 41 mit Verweis auf die Rechtsprechung des BVerwG zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 des AufenthG aufgrund der identischen sicherheitsrechtlichen Schutzrichtung, BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 1 B 11/18 – juris Rn. 12). Den Einlassungen des Klägers kann aus Sicht der Kammer keine glaubhafte Distanzierung von der Ideologie der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ entnommen werden. Vielmehr wurde seitens des Klägers auf Gesetze, die im Rahmen der Ideologie der Reichsbürgerbewegung von Bedeutung sind, das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie auf eine Diskriminierung aufgrund seiner Weltanschauung verwiesen und ausgeführt, weshalb für ihn Zweifel am ganzen System bestehen würden. Es sind hierdurch – auch unter Einbeziehung der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung dem Gericht vorliegenden erneuten Stellungnahme des Klägers im Verfahren vom 30. Januar 2024 – keine nach außen in Erscheinung getretenen Umstände feststellbar, wonach sich der Kläger von der Ideologie der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ distanziert habe.
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Auch die von Seiten des Klägers vorgetragene bisherige Straflosigkeit lässt die entstandenen Zweifel an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nicht entfallen. Vielmehr äußerte sich der Kläger im Jahr 2021 dahingehend, dass er sich aufgrund der ungültigen Wahl vorbehalten werde, hieraus nachteilige Beschlüsse abzulehnen, bzw. mit Schreiben im Jahr 2022, dass von den einzuhaltenden waffenrechtlichen Regelungen im Übrigen unberührt das Recht auf moralisches Handeln sowie die Pflicht zur Notwehr verbleibe. Auch wer sich in sonstigen Zusammenhängen nichts zu Schulden kommen lässt, ist im Sinne des § 5 WaffG nicht zwingend als persönlich zuverlässig anzusehen, wenn der durch Tatsachen begründete hinreichende Verdacht auf die Nähe zur Ideologie der Reichsbürgerbewegung besteht (Papsthart in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 5 WaffG Rn. 9). Der Umstand, dass sich der Betreffende in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben verhält, begründet keine waffenrechtliche Zuverlässigkeit, wenn er die Bindung an die Rechtsordnung durch Wort und Tat unter Vorbehalt stellt und auf diese Weise Zweifel weckt. Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird, ist insoweit (nur) eine niedrigschwellige Prognose im Hinblick auf die jeweilige waffenrechtliche Zuverlässigkeit ausreichend (vgl. auch BayVGH, B.v. 24.9.2020 – 24 ZB 19.1285 – juris Rn. 15).
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Die seitens des Klägers geäußerten Zweifel an der Legitimation des den Durchsuchungsbeschluss erlassenden Amtsgerichts, wonach dieses eine Firma sei, und die sich daran anschließende, seitens des Klägers als unzulässig empfundene Durchsuchung am 27. Januar 2022 stützen unter Anwendung der aufgezeigten Maßstäbe die Annahme, dass sich der Kläger die Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ zu eigen gemacht hat, sodass es auf die Frage, ob ein Aufbewahrungsverstoß im Sinne von § 36 WaffG i.V.m. § 13 AWaffV vorlag, nicht mehr entscheidungserheblich ankommt.
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2. Aufgrund der Feststellungen zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers ist auch die Ziffer 2 des angegriffenen Bescheides nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG zum hier maßgeblichen Zeitpunkt rechtmäßig ergangen.
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Nach § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WaffG kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedürfen, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem rechtmäßigen Besitzer oder Erwerbswilligen die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Hiermit wird an die Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG angeknüpft. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung dieses Dauerverwaltungsaktes ist der Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung (vgl. VG München, U.v. 29.7.2020 – M 7 K 18.4259 – juris Rn. 19). Der Beklagte hat das ihm eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt, insbesondere wurde eine Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Klägers an dem Besitz von Waffen und Munition und das öffentliche Interesse an dem Schutz der Allgemeinheit sowie dem Schutz des Klägers vorgenommen, wobei Letztere zu Recht überwogen haben. Auch hier ist der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise von keiner positiven Zukunftsprognose ausgegangen. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen (oben zu 1.) verwiesen werden. Auch durch die Einlassungen des Klägers in der Klagebegründung, unter Berücksichtigung des Schreibens des Klägers im Rahmen eines Bußgeldvorganges vom 3. Januar 2023 sowie in seiner Stellungnahme vom 30. Januar 2024 nach Anhörung zum Gerichtsbescheid ergibt sich keine andere Bewertung, da die bestehenden Zweifel nicht ausgeräumt werden konnten, sondern sich vielmehr unter Berücksichtigung der aufgezeigten Maßstäbe im vorliegenden Einzelfall nach Auffassung der Kammer bestärkt haben. Insbesondere sollte aufgrund mit durch den Umgang mit Waffen und Munition einhergehenden Gefahren für die Rechtsgüter Leben und Gesundheit ein Restrisiko nicht hingenommen werden (BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300 – juris Rn. 11).
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3. Unter Berücksichtigung dessen sind auch die im Bescheid hierzu ergangenen Nebenentscheidungen (Ziffer 3 bis 6) im Bescheid vom 20. Juni 2022 nicht zu beanstanden und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Anordnung der Verwertung bzw. Vernichtung nach der bereits erfolgten Sicherstellung der Waffen bzw. Munition wurde zu Recht auf § 46 Abs. 5 Satz 1 WaffG gestützt. Die hierfür gesetzten Fristen erweisen sich als angemessen. Eine etwaige Vernichtung führt nicht zu einer Entschädigungspflicht im Sinne von Art. 14 GG. Das Eigentum der sichergestellten Waffen bzw. Munition ist mit dieser auf die einziehende Körperschaft übergegangen. Darüber hinaus besteht keine Möglichkeit der Entschädigung im Falle von sichergestellten Waffen, da es sich hierbei um Sachen handelt, von denen eine Gefahr für Rechtsgüter ausgehen könnte (Gade in Gade, Waffengesetz, 3. Auflage 2022, § 46 Rn. 12).
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Auch die Verpflichtung zur Abgabe des abgelaufenen Jagdscheines ist unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen (Ziffer 1) wie auch der Tatsache, dass es sich um eine zwischenzeitlich abgelaufene Urkunde handelt, rechtmäßig ergangen. Nach § 18 Satz 1 BJagdG ist die zuständige Behörde in Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen, wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheins begründen, erst nach Erteilung des Jagdscheins eintreten oder der Behörde, die den Jagdschein erteilt hat, bekannt werden. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BJagdG ist der Jagdschein Personen zu versagen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die erforderliche Zuverlässigkeit oder körperliche Eignung nicht besitzen. Zu diesen Tatsachen zählt nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG auch ein Entfallen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit im Sinne von § 5 WaffG, sodass insoweit auf die Ausführungen hierzu verwiesen werden kann. Im Übrigen ist der Jagdschein seit dem 1. April 2022 nicht mehr gültig und wurde – aufgrund des laufenden Klageverfahrens – nicht verlängert, weshalb die Urkunde nach § 52 BayVwVfG zurückzugeben ist. Die hierzu ergangene Androhung der Ersatzvornahme (Ziffer 5 des Bescheids) begegnet keinen rechtlichen Bedenken und stützt sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG.
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Die in Ziffer 6 getroffene Kostenentscheidung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 5, 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 KG i.V.m. Nr. 2.II.7/37 und Nr. 2.II.7/39 KVz sowie Nr. 2.II.7/41 KVz und Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Entgegen der Ansicht des Klägers ist nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG derjenige zur Zahlung der Kosten verpflichtet, welcher die Amtshandlung veranlasst hat. Hierzu kann auf die vorstehenden Ausführungen oben zu 1. und 2. verwiesen werden.
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4. Die Klagen waren mit der Kostenfolge des §§ 84 Abs. 1 Satz 3, 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 84 Abs. 1 Satz 3, 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.