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LG Passau, Endurteil v. 19.07.2024 – 1 O 64/24
Titel:

Datenübermittlung an Wirtschaftsauskunfteien bei Telekommunikationsverträgen

Normenkette:
DSGVO Art. 6 Abs. 1f, Art. 82 Abs. 1
Leitsatz:
Die Übermittlung der Information, dass der Kläger bei der Beklagten einen Telekommunikationsvertrag abgeschlossen hat, und der Vertragskontonummer an Wirtschaftsauskunfteien, ist gerechtfertigt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Telekommunikationsvertrag, Wirtschaftsauskunftei, Übermittlung, Positivdaten, Betrugsprävention, Überschuldungsrisiko, Ausfallrisiko, Schadensersatzanspruch
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18360

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz, Unterlassung, Feststellung und Erstattung vorgerichtlicher Kosten wegen eines Datenschutzverstoßes in Anspruch.
2
Die Beklagte erbringt Telekommunikationsdienstleistungen. Die Parteien sind seit dem 01.03.2021 durch einen Telekommunikationsvertrag miteinander verbunden.
3
Am 01.03.2021 meldete die Beklagte der S. Holding AG den Abschluss des Telekommunikationsvertrages mit dem Kläger und übermittelte hierzu das Servicekonto unter der Nummer ... (Auskunft der S. Holding AG vom 08.10.2023, Anlage K2).
4
Unter dem 19.10.2023 veröffentlichte die S. Holding AG eine Pressemitteilung (Anlage B2), laut derer Telekommunikationsunternehmen und sie selbst entschieden hätten, die Information, dass bei einem Telekommunikationsunternehmen ein Vertragskonto besteht, zu löschen. Bei 53 Prozent der Personen werde der Score nach Löschung niedriger, bei 47 Prozent höher sein.
5
Mit Schreiben vom 26.10.2023 forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagte zum Schadensersatz und zur Unterlassung auf (Anlage K1).
6
Der Kläger trägt vor, er habe keine Einwilligung zur Übermittlung dieser Daten erteilt. Die Datenübermittlung von Positivdaten durch die Beklagte sei unrechtmäßig erfolgt. Für die Vertragserfüllung sei sie nicht erforderlich und nicht durch ein berechtigtes Interesse gerechtfertigt. Bei ihm sei ein Gefühl des Kontrollverlustes und große Sorge hinsichtlich der eigenen Bonität eingetreten. Bis heute sei der Kläger beunruhigt und habe Angst, sein S.-Score werde verfälscht. Dies steigere sein Unwohlsein zu einer schieren Existenzsorge.
7
Der Kläger beantragt zuletzt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz für einen immateriellen Schaden in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch EUR 5.000,00 nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 EUR, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, Positivdaten des Klägers, also personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags, an Kreditauskunfteien, namentlich S. Holding AG, K.weg ..., W., zu übermitteln, ohne dass eine Einwilligung des Klägers vorliegt, also insbesondere nicht auf der Basis von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Verbesserung der Qualität der Bonitätsbewertungen oder zum Schutz der beteiligten Wirtschaftsakteure vor kreditorischen Risiken.“
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagt verpflichtet ist, dem Kläger alle künftigen materiellen Schäden und künftigen derzeit noch nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger durch die unbefugte Verarbeitung personenbezogener Daten entstehen.
4.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 713,76 Euro zu zahlen.
8
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
9
Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, die Übermittlung der Positivdaten sei zur Betrugsprävention, zur Überschuldungsprävention, für präzisere Ausfallrisikoprognosen und für die Funktionalität der Auskunfteien gerechtfertigt. Auf die Datenübermittlung sei der Kläger bei Vertragsabschluss auch hingewiesen worden. Eine Auswirkung der Datenübermittlung auf die Bonitätsbewertung des Klägers bestreitet die Beklagte. Den Eintritt eines kausalen Schadens hält die Beklagte für unplausibel und bestreitet einen solchen.
10
Das Gericht hat zur Sache am 15.07.2024 mündlich verhandelt und den Kläger informatorisch angehört.
11
Zur Ergänzung und Vervollständigung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12
Die zulässige Klage ist unbegründet.
13
1. Die im Streit stehende Datenübermittlung ist nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f) DSGVO gerechtfertigt, weil sie zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten und Dritter erforderlich ist und die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten des Klägers, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, nicht überwiegen.
14
Die Übermittlung der Information, dass der Kläger bei der Beklagten einen Telekommunikationsvertrag abgeschlossen hat, und der Vertragskontonummer an Wirtschaftsauskunfteien, ist gerechtfertigt.
15
a) Die Übermittlung und weitere Verarbeitung der Positivdaten ist zur Betrugsprävention erforderlich. Dadurch lässt sich beispielsweise erkennen, ob eine Person in betrügerischer Absicht eine Vielzahl von Telekommunikationsverträgen abschließt, etwa um sich die von den Anbietern gestellte Hardware zu verschaffen. Da die Negativdaten erst im Laufe der Zeit erfasst werden, ist deren Übermittlung zu präventiven Zwecken nicht ausreichend. Auch können Anträge auf Vertragsabschluss unter Falschpersonalien erkannt werden, wenn für diese noch keine Eintragung bei der Auskunftei vorhanden ist, obwohl dies aufgrund des Alters der Person zu erwarten wäre.
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b) Durch die Übermittlung und Erfassung von Positivdaten können außerdem das Überschuldungsrisiko und das Ausfallrisiko genauer prognostiziert werden. Denn durch die Erfassung von Positivdaten lassen sich etwaige Negativdaten besser in Relation zum Gesamtumfang der von derselben Person abgeschlossenen Geschäfte mit kreditorischem Risiko setzen.
17
c) Die hier in Rede stehende Datenübermittlung ist derart minimal, dass keine berechtigten Interessen des Klägers entgegenstehen, die die vorgenannten berechtigten Interessen überwiegen würden.
18
d) Dem Kläger stehen aufgrund der Rechtmäßigkeit der Datenübermittlung keine Ansprüche auf Schadensersatz oder Unterlassung zu. Auch der Feststellungsantrag ist unbegründet. Gleiches gilt für die geltend gemachten Nebenforderungen.
19
2. Ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO scheitert zudem am Vorliegen eines Schadens. Das Gericht hält es nach informatorischer Anhörung des Klägers nicht für glaubhaft, dass er durch die Datenübermittlung in irgendeiner Weise merkbar beeinträchtigt worden sein will. Die Auskunft der S. Holding AG für den Kläger (Anlage K2) enthält eine Vielzahl von Einträgen. Dass gerade der hier in Rede stehende Eintrag den Kläger stören sollte, ist nicht nachvollziehbar. Ausweislich der Auskunft betrug der Basisscore des Klägers zum 01.07.2023 98,21%. Die zuletzt am 20.08.2023 am eine Bank übermittelte Auskunft hatte das Prädikat „sehr geringes Risiko“. Auch insoweit sind die klägerischen Behauptungen eines Unwohlseins oder Kontrollverlustes für das Gericht nicht glaubhaft.
20
Die Klage war daher als unbegründet abzuweisen.
II.
21
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
22
2. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
23
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 39 Abs. 1, 43 Abs. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, 3 ZPO.